Auswandererbeiträge

In den hier aufgeführten Artikeln erhalten Sie vielfältigste Informationen zum Thema Auswanderung.

Weitere Beiträge der Netzwerker finden Sie in der Kategorie Auswandererlisten.

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Budek, Jana: Der Sohn in Amerika
Diekmann, Norbert: Joseph Weydemeyer aus Münster, ein Führer der amerikanischen Arbeiterbewegung
Dustmann, Friedrich-Wilhelm: Amerika-Auswanderer der Familie Dustmann im 19. Jahrhundert
Holz, Martin: Amtsblatt zur Auswanderung von 1833
Holz, Martin: Auswandererbriefe der Familien Schlüter-Laukamp
Holz, Martin: Brasilien-Reisebericht
Holz, Martin: Briefe aus Amerika von Anton Bohr
Holz, Martin: Briefe von Carolina geb. Blome und Wilhelm Fels sowie ihrem Sohn Joseph an ihre Verwandten in Holtwick
Holz, Martin: Fußspuren im Sand der Zeit
Holz, Martin: Konzessionierte Agenturen zur Beförderung von Auswanderern
Holz, Martin: Zeitungsartikel „Wer wird, in Minnesota gebraucht?“
Kemper, Jens: Amerikaauswanderer aus Ostwestfalen 1840 – 1914
Krämer, Jürgen und Wildt, Jürgen: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft – Partnerschaft Melle-New Melle lebt
Meißner, Frithjof: Ursprung und Geschichte der Partnerschaft Verl – Delphos
Niermann, Wilhelm: Geschichtliche Daten zur Gemeinde Stemwede
Ostkämper, Fritz: König Wilhelm Gymnasium Höxter – Auswanderungen jüdischer Schüler
Ostkämper, Fritz: Salomon Meyer – „Kaffee-Baron“ auf Jamaica und Anwerber deutscher Auswanderer
Rausch, Birgit: Amerika-Auswanderung aus dem Kreis Herford im 19. Jahrhundert
Rodewald, Alfred: Tonquelle zur Niederdeutschen Sprache der deutschen Auswanderer
Rosenkötter, Michael: Erste Erfahrungen mit der Datenbank von castlegarden.org
Rosenkötter, Michael: Joseph Kümper – gottesfürchtiger Priester, gläubiger Lehrer und geschickter Zimmermann
Rosenkötter, Michael: Schlegels German American Families
Schütte, Friedrich: „DAUSA“ und die niedersächsisch-westfälische Auswandererforschung im Osnabrücker Land
Schütte, Friedrich: 17 westfälische Städte und Gemeinden mit „Twins“ in den Vereinigten Staaten
Schütte, Friedrich: Ein (Auswanderer-) Lied geht um die Welt: „Heil Dir, Columbus, sei gepriesen ……“
Smieszchala, Alfred: Auswanderungsnotizen im Münsterisches Intelligenzblatt Jahrgang 1849
Smieszchala, Alfred: Familie Polje in Telgte und Ostbevern
Steinkuehler, Leland: Some Information About Low German Dialects
Steinkuehler, Leland: Tonquelle zur Niederdeutschen Sprache der deutschen Auswanderer
Stüken, Wolfgang: Das kleine große Dorf Mundelein und sein berühmter Namensgeber
Stüken, Wolfgang: Warum die Bewohner von Westphalia, Missouri, Probleme mit dem „Mondschein“ hatten
Thörner, Udo: Auswanderersuche in Buffalo, USA
Thörner, Udo: Ein Deutscher als Bürgermeister
Thörner, Udo: Kalkriese, ein Dorf im Osnabrücker Land, und die amerikanische Hitparade
Wiesekopsieker, Stefan: Auswanderung aus Lippe – alte und neue Fragen der Forschung
Wirrer, Jan (Universität Bielefeld): Niederdeutsche Sprachinseln im Mittleren Westen der USA

Budek, Jana: Der Sohn in Amerika

In einem Artikel für den Remensnider beschreibt Jana Budek die Verbindung des Grabsteines von Wilhelmine Hoffmann geb. Groppe auf dem Herforder Friedhof am Eisgraben nach Amerika. Bei der Suche nach den Nachfahren der Verstorbenen konnten auch die Grabsteine der Söhne Theodor und Franz Arnold Hoffmann in den USA ausfindig gemacht werden.

Diekmann, Norbert: Joseph Weydemeyer aus Münster, ein Führer der amerikanischen Arbeiterbewegung

Für die westfälische Familiengeschichtsforschung bedurfte es nicht der Feiern zum 300. Jahrestag der ersten deutschen Einwanderung nach Nordamerika, um auf die Bedeutung dieses Phänomens hinzuweisen. Vor allem die Publikation der Auswandererlisten durch Fr. Müller in dieser Zeitschrift hat deutlich vor Augen geführt, welches Ausmaß die Auswanderung nach Amerika und anderswohin hatte.

Der überwiegende Teil der Auswanderer wurde durch wirtschaftliche Not in die Fremde getrieben. Neben diesen „Wirtschaftsassylanten“ des 19. Jahrhunderts gab es noch so manchen, der im Gefolge der gescheiterten Revolution von 1848/49 mehr oder weniger schnell und heimlich sein Vaterland verlassen mußte. Einer von diesen war Joseph Weydemeyer. Das bewegte Leben dieses typischen Vertreters des linken Flügels der damaligen Opposition kann an dieser Stelle nicht ausführlich geschildert werden. Eine umfangreiche Biographie hat der DDR-Historiker Obermann geschrieben, einiges findet sich in den „Westfälischen Köpfen“ von W. Schulte.

Dustmann, Friedrich-Wilhelm: Amerika-Auswanderer der Familie Dustmann im 19. Jahrhundert

Als ich mich im Jahre 2007 entschloss, die Geschichte unserer Familie zu erforschen, ahnte ich nicht, was in den Archiven der Welt für Schätze schlummern, die der Familienforschung zugänglich gemacht werden können. Zunächst widmete ich mich naturgemäß meinen Vorfahren im Kreis Herford, aber schon bald entdeckte ich in der Auswandererdatei des Kreises eine größere Anzahl von Emigranten mit dem Namen Dustmann. Etwa die Hälfte dieser Personen konnte ich als entfernte Verwandte identifizieren.

Der nächste Schritt war dann ein Abonnement bei der amerikanischen Ahnenforschungsgesellschaft Ancestry.com, die ihren Mitgliedern zu einem akzeptablen Preis im Internet eine umfangreiche Datenbank zur Verfügung stellt. Später kamen noch andere Anbieter hinzu (World-VitalRecords, Footnote u. a.). Auf diese Weise ist es mir gelungen, die Spuren der meisten Dustmann-Auswanderer in Amerika zu finden. Die Dokumente, die in diesen Datenbanken zugänglich sind, reichen von Passagierlisten der Auswandererschiffe über Einwanderungs- und Einbürgerungsdokumente und Volkzählungslisten bis hin zu Zeitungsartikeln und Abbildungen von Grabsteinen. Es handelt sich um ein sehr breites Spektrum von Daten und eingescannten Abbildungen von Originaldokumenten.

Die Ergebnisse meiner Ermittlungen sind in diesem Aufsatz überblicksartig dargestellt. Ich möchte damit deutlich machen, was heute mit den Mitteln des Internets für jedermann zugänglich ist, wenn man bereit ist einige Zeit dafür zu opfern.

Ich hoffe, dass er auf Interesse stößt, auch wenn die Leser keine persönliche Beziehungen zu den dargestellten Personen haben.

Friedrich-Wilhelm Dustmann

Holz, Martin: Amtsblatt zur Auswanderung von 1833

Martin Holz hat bei seinen Recherchen folgendes Amtsblatt zur Auswanderung (siehe Nr. 231) gefunden:

Holz, Martin: Auswandererbriefe der Familien Schlüter-Laukamp

  1. Seiten 1-13 des Dokuments: Martin Holz: Die erste schriftliche Kontaktaufnahme mit den Nachgeborenen der Familien Schlüter-Laukamp in IA Amerika 1996-1997. Ingrid Seliger half als Übersetzer.
  2. Seiten 14-35 des Dokuments: Martin Holz: Briefe von Antonette Schlüter geb. Laukamp und ihrer Tochter Maria aus Amerika, 1891-1916.

Holz, Martin: Brasilien-Reisebericht

Hier finden Sie den Reisebereicht den Martin Holz über seine 1999er Brasilienreise angefertig hat.
Verfügbar ist dieser Bericht in 3 Sprachen:

Holz, Martin: Briefe aus Amerika von Anton Bohr

Anton Bohr (* 1839 Osterwick, Rosendahl, Coesfeld, Nordrhein-Westfalen / + 1907 Ossian, Winneshiek County, Iowa, USA)

erarbeitet von Martin Holz

Briefe aus Amerika (1865 – 1906)

Holz, Martin: Briefe von Carolina geb. Blome und Wilhelm Fels sowie ihrem Sohn Joseph an ihre Verwandten in Holtwick

Zur Verfügung gestellt durch Martin Holz.

Holz, Martin: Fußspuren im Sand der Zeit

Charles Lindberg startete auf dem Acker der aus Osterwick stammenden Familie Bohr
Was man in einer „langweiligen“ Familienchronik für Amerikafahrer so alles entdecken kann
Eine Einführung von Friedrich Schütte

Unser Netzwerkmitglied und Mitgründer Martin Holz aus Rosendahl-Osterwick hat in jahrzehntelanger Arbeit für Osterwick Heimatgeschichte (und darin die örtliche und regionale Auswanderung nach Amerika) erforscht. Und zwar äußerst erfolgreich, hüben wie drüben, wenn möglich. Eines seiner Erfolgsrezepte ist: Alles verfügbare Material dies- und jenseits des Atlantiks lesen, auch wenn man sich oft durch „unendlich“ lange Familienchroniken hindurch quälen muss.

Die nachfolgende Chronik von Schwester Caroline Hemesath OSF aus Dubuque, Iowa ist so eine Mustervorlage: im Mai 2001 auf Englisch geschrieben, vor einiger Zeit Martin Holz elektronisch ins Haus geflattert, erregte sie seine Aufmerksamkeit. Hemesath, Schröder, Bohr: Da war unser Netzwerkfreund elektrisiert, hatte er über den amerikanischen Stammvater Anton Bohr (geb. in Osterwick am 25.01.1839, gest. in Ossian am 20.04.1907) aus seinem Heimatort doch schon vor langem recherchiert, ohne in Übersee so recht weiter gekommen zu sein. Ihm war jedoch bekannt, dass Anton Bohr mit seiner Verlobten Elisabeth Heimann (geb. in Coesfeld am 23.10.1840) auswanderte. Sie kamen am 28.10.1865 mit dem Schiff „Fides“ in New York an.

Ingrid Seliger übersetzte ihm den englischen Text ins Deutsche. Und dann gab es für ihn (und hoffentlich auch für viele nachfolgende Leserinnen und Leser) eine ganz spannende, wie in Phasen tieftraurige, generell jedoch eindrucksvolle und erfolgreiche Geschichte gutkatholischer Auswanderer aus Westfalen und dem Hannöverschen, die in den deutschstämmigen, „katholischen“ Regionen von Cincinnati und Iowa zu Pionieren der Landwirtschaft, Schule und Kirche wurden und heute Teil der amerikanischen (Kirchen-)Geschichte bis ins 20. Jahrhundert sind, mit einer ungemein großen (oft sehr musikalischen) Nachkommenschaft in geistlichen Berufungen bzw. Ämtern.

Und als Farmer, die der Geist der Weltgeschichte anwehte. Wie zum Beispiel Anton Bohrs Sohn Henry, auf dessen Stoppelfeld in Ossian (Iowa) der später weltberühmt gewordene Flugpionier und erste Atlantiküberflieger, Charles Lindberg, im Sommer 1925 mit seinem Flugzeug fünfminütige Rundflüge für Dorfbewohner anbot, pro Person und Runde 5 Dollar. Henry Bohr und sein Cousin Herman stiegen als erste ein „und beteten zur Vorsicht während der ganzen Tour den Rosenkranz“, wie es in der Chronik von Schwester Caroline Hemesath heißt. Entsprechend ging alles gut.

Dies und viel anderes, Neues über die Geschichte der Besiedlung des Mittleren Westens findet sich in der hier online gestellten Familienchronik mit einer eher recht allgemeinen, unaufregenden Überschrift „Fußspuren im Sand der Zeit“. Wer würde dahinter schon Charles Lindbergh vermuten?

Holz, Martin: Konzessionierte Agenturen zur Beförderung von Auswanderern

Agenturen

Amts-Blatt 1860 Nr. 1 Art. 10

Der Kaufmann Staggemeyer zu Lengerich ist von dem Kaufmann Ludwig Deetjen zu Cöln, Haupt-Agenten des Auswanderungs-Geschäfts F. J. Wichelhausen & Comp. in Bremen, zum vermittelnden Agenten für dieses Geschäft pro 1860 ernannt und als solcher bestätigt worden. Die Vermittlung zur Beförderung der Auswanderer nach Brasilien ist jedoch nicht gestattet.
Münster, den 19. December 1859

Amts-Blatt 1860 Nr. 1 Art. 16

Der Kaufmann Simon Meyer Steinberg zu Coesfeld ist zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Carl Pokrantz et Comp. in Bremen zur Beförderung der Auswanderer auch für das Jahr 1860 ernannt, und als solcher bestätigt worden. Die Vermittlung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist demselben nicht mehr gestattet.
Münster, den 29. December 1859

Amts-Blatt 1860 Nr. 1 Art. 17

Der Gutsbesitzer W. Berkemeyer zu Haus Ahe ist zum vermittelnden Agenten für das Auswanderungsgeschäft des Carl Pokrantz et Comp. in Bremen auch für das Jahr 1860 ernannt, und als solcher bestätigt worden. Die Vermittlung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist demselben nicht mehr gestattet.
Münster, den 31. December 1859

Amts-Blatt 1860 Nr. 2 Art. 34

Der Heinr. Grashoff zu Ahaus ist auch für das Jahr 1860 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft F. J. Wichelhausen & Comp. in Bremen Behufs Beförderung von Auswanderern ernannt, und als solcher bestätigt worden. Die Vermittlung zur Beförderung nach Brasilien ist demselben jedoch nicht gestattet.
Münster, den 6. Januar 1860

Amts-Blatt 1860 Nr. 3 Art. 43

Der Kaufmann Joseph Filbry zu Lamberti ist auch für das Jahr 1860 als vermittelnder Agent für das Geschäft des Schiffsmaklers August Bolten in Hamburg Behufs Beförderung von Auswanderern von dem General-Agenten Kaufmann Heinr. Platzmann zu Berlin bestellt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. Die Vermittlung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist dem x. Filbry jedoch nicht gestattet.
Münster, den 11. Januar 1860

Amts-Blatt 1860 Nr. 4 Art. 49

Der Kaufmann Everwin Prümers zu Burgsteinfurt ist zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Lüdering et Comp. in Bremen zur Beförderung von Auswanderern auch für das Jahr 1860 ernannt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. Die Vermittlung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist jedoch demselben nicht gestattet.
Münster, den 20. Januar 1860

Amts-Blatt 1860 Nr. 4 Art. 51

Der Kaufmann Gerhard Illigens zu Beckum ist zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Carl Pokrantz et Comp. in Bremen zur Beförderung von Auswanderern auch für das Jahr 1860 ernannt und als solcher bestätigt worden. Die Vermittlung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist demselben jedoch nicht mehr gestattet.
Münster, den 19. Januar 1860

Amts-Blatt 1860 Nr. 4 Art. 52

Der Johann Arntzen zu Nichtern ist zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Lüdering et Comp. in Bremen zur Beförderung von Auswanderern auch für das Jahr 1860 ernannt und als solcher bestätigt worden. Die Vermittlung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist jedoch demselben nicht gestattet.
Münster, den 20. Januar 1860

Amts-Blatt 1860 Nr. 5 Art. 66

Der Kaufmann Hermann Diepenbrock zu Warendorf ist auch für das Jahr 1860 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Lüdering et Comp. in Bremen zur Beförderung von Auswanderern direct von Bremen nach allen Häfen Amerika’s und Australien’s, jedoch mit Auschluß von Brasilien, von deren Haupt-Agenten Kaufmann Friedr. Carl Ferdinand Thienemann (Firma Bretschneider) in Naumburg ernannt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden.
Münster, den 23. Januar 1860

Amts-Blatt 1860 Nr. 5 Art. 67

Dem Sali Ruben zu Coesfeld ist auch für das Jahr 1860 die Genehmigung ertheilt worden, für das Geschäft des Kaufmann Stöck zu Creuznach Behufs Beförderung von Auswanderern über die Häfen von Antwerpen, Bremen Hamburg und London nach New-York und Neu-Orleans Verträge mit Auswanderern abzuschließen. Die Abschließung von Beförderungs-Verträgen nach Brasilien ist demselben nicht mehr gestattet.
Münster, den 25. Januar 1860

Amts-Blatt 1860 Nr. 6 Art. 74

Der Kaufmann J. H. Fisch hieselbst ist auch für das Jahr 1860 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Hermann Dauelsberg in Bremen zur Beförderung von Auswanderern von dessen Haupt-Agenten Kommerzien-Rath Delius in Versmold ernannt, und indieser Eigenschaft bestätigt worden. Die Vermittelung Behufs Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist dem x. Fisch jedoch nicht gestattet.
Münster, den 1. Februar 1860

Amts-Blatt 1860 Nr. 6 Art. 75

Der Auctionator Leopold Perger zu Ahaus ist auch für das Jahr 1860 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Carl Pokrantz & Comp. in Bremen zur Beförderung von Auswanderern ernannt und als solcher bestätigt worden. Die Vermittlung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist demselben nicht mehr gestattet.
Münster, den 3. Februar 1860

Amts-Blatt 1860 Nr. 9 Art. 101

Dem Joh. Friedrich Drees zu Ibbenbüren ist auch für das Jahr 1860 die Genehmigung ertheilt worden, im hiesigen Regierungsbezirk für das Geschäft Lüdering & Comp. in Bremen zur Beförderung von Auswanderern für deren Haupt-Agenten Kaufmann Friedrich Carl Ferdinand Thienemann (Firma Bretschneider) in Naumburg Beförderungs-Verträge mit Auswanderern zu vermitteln. Die Vermittelung Behufs Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist jedoch nicht mehr gestattet.
Münster, den 23. Februar 1860

Amts-Blatt 1860 Nr. 52 Art. 546

Der Auctionator Heinr. Grashoff zu Ahaus ist auch für das Jahr 1861 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft „F. J. Wichelhausen & Comp.“ in Bremen, Behufs Beförderung von Auswanderern ernannt und als solcher bestätigt worden. Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist demselben jedoch nicht gestattet.
Münster, den 19. December 1860

Amts-Blatt 1860 Nr. 52 Art. 547

Der Kaufmann Hermann Diepenbrock zu Warendorf ist auch für das Jahr 1861 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des x. Lüdering & Comp. in Bremen zur Beförderung von Auswanderern ernannt und als solcher bestätigt worden. Die Vermittlung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist demselben nicht gestattet.
Münster, den 20. December. 1860

Oeffentlicher Anzeiger 1860 Nr. 1 Art. 12, Beilage zum Amts-Blatt

Da der als Unteragent für das Geschäft des Schiffsmaklers Hermann Dauelsberg in Bremen zur Beförderung von Auswanderern concessionierte Factor Ignaz Jans zu Wüllen die Agentur niedergelegt und die Zurückgabe der von ihm bestellten Caution von 300 Thlr. beantragt hat, so wird dieser Antrag bekannt gemacht mit dem Bemerken, daß die Zurückgabe erfolgen wird, falls nicht Ansprüche an die Caution binnen einer Frist von 12 Monaten bei uns angemeldet und innerhalb weiterer 6 Monate bei dem competenten Gerichte zur Entscheidung anhängig gemacht werden.
Münster, den 29. December 1859

Amts-Blatt 1861 Nr. 5 Art. 69

Der Kaufmann Hermann Staggemeier zu Lengerich ist auch für das Jahr 1861 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft F. J. Wichelhausen & Comp. in Bremen zur Beförderung von Auswanderern ernannt und als solcher bestätigt worden. – Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist demselben nicht mehr gestattet.
Münster, den 16. Januar 1861

Amts-Blatt 1861 Nr. 5 Art. 70

Der Kaufmann J. H. Fisch hierselbst ist auch für das Jahr 1861 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Hermann Dauelsberg in Bremen zur Beförderung von Auswanderern ernannt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. – Die Vermittelung Behufs Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist dem x. Fisch jedoch nicht gestattet.
Münster, den 18. Januar 1861

Amts-Blatt 1861 Nr. 6 Art. 88

Der Kaufmann Joseph Filbry zu Lamberti ist auch für das Jahr 1861 als vermittelnder Agent für das Geschäft des Schiffsmaklers August Bolten in Hamburg Behufs Beförderung von Auswanderern von dem General-Agenten Kaufmann Heinr. Carl Platzmann zu Berlin bestellt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. – Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist dem p. Filbry jedoch nicht gestattet.
Münster, den 5. Februar 1861

Oeffentlicher Anzeiger 1861 Nr. 13 Art. 376, Beilage zum Amts-Blatt

Da der Kaufmann Stöck zu Kreuznach sein Geschäft zur Beförderung von Auswanderern aufgegeben hat, und hierdurch die dem Sali Ruben zu Coesfeld als dessen Agenten von der Königlichen Regierung zu Münster ertheilte Concession erloschen ist, so wird die von demselben bestellte Kaution von 1000 Thlr. frei gegeben werden, falls nicht in Gemäßheit des § 14 des Reglements vom 6. September 1853 (Amtsblatt p. 254) etwaige Ansprüche an diese Kaution binnen 12 Monaten von der Ausgabe dieses Amtsblattes an, bei der gedachten Königlichen Regierung angemeldet und binnen weiterer 6 Monate nach dem Eingange der Anmeldung gerichtlich zur Entscheidung anhängig gemacht werden.
Münster, den 22. März 1861

Amts-Blatt 1862 Nr. 12 Art. 95

Der Heinrich Grashoff zu Ahaus ist auch für das Jahr 1862 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft F. J. Wichelhausen & Comp., jetzt H. W. Böhme in Bremen Behufs Beförderung von Auswanderern ernannt und als solcher bestätigt worden. Die Vermittlung zur Beförderung nach Brasilien ist demselben jedoch nicht gestattet.
Münster, den 1. März 1862

Amts-Blatt 1862 Nr. 12 Art. 96

Der Kaufmann Jos. Filbry zu Lamberti ist auch für das Jahr 1862 als vermittelnder Agent für das Geschäft des Schiffsmaklers August Bolte in Hamburg behufs Beförderung von Auswanderern von dem General-Agenten Kaufmann Heinr. Carl Platzmann zu Berlin bestellt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. Die Vermittlung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist dem x. Filbry jedoch nicht gestattet.
Münster, den 4. März 1862

Oeffentlicher Anzeiger 1862 Nr. 20 Art. 639, Beilage zum Amts-Blatt

Der Kaufmann Gerhard Illigens zu Beckum hat die Unteragentur zur Beförderung von Auswanderern für das Geschäft Carl Pokrantz & Comp. in Bremen niedergelegt und die Auszahlung der dieserhalb bestellten Caution beantragt. Es werden daher alle Diejenigen, welche auf Grund des Gesetzes vom 7. Mai und des Reglements vom 6. September 1853, die Beförderung von Auswanderern betreffend, Ansprüche an diese Caution zu haben glauben, aufgefordert, diese Ansprüche innerhalb einer Frist von 12 Monaten bei der unterzeichneten Königlichen Regierung anzumelden und innerhalb weiterer 6 Monate bei dem zuständigen Gerichte anhängig zu machen, widrigenfalls die Auszahlung der Caution an den Empfangsberechtigten erfolgen wird.
Münster, den 7. Mai 1862

Oeffentlicher Anzeiger 1862 Nr. 51 Art. 1713, Beilage zum Amtsblatt

Der Kaufmann Saly Ruben zu Coesfeld hat die Haupt-Agentur zur Beförderung von Auswanderern für das Geschäft des Schiffsrheders und Schiffsbefrachters Jchon zu Bremen niedergelegt und die Auszahlung der dieserhalb bestellten Kaution beantragt. Es werden daher Alle, welche auf Grund des Gesetzes vom 7. Mai und des Reglements vom 6. September 1853, die Beförderung von Auswanderern betreffende Ansprüche an diese Kaution zu haben glauben, aufgefordert, diese Ansprüche innerhalb einer Frist von 12 Monaten bei der unterzeichneten Königlichen Regierung anzumelden, und innerhalb weiterer 6 Monate bei dem zuständigen Gerichte anhängig zu machen, widrigenfalls die Auszahlung der Kaution an den Empfangsberechtigten erfolgen wird.
Münster, den 9. December 1862

Amts-Blatt 1863 Nr. 2 Art. 6

Der Kaufmann Hermann Diepenbrock zu Warendorf ist auch für das Jahr 1863 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des x. Lüdering & Comp. in Bremen zur Beförderung von Auswanderern ernannt und als solcher bestätigt worden. Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht gestattet.
Münster, den 29. December 1862

Amts-Blatt 1863 Nr. 3 Art. 17

Der Heinrich Graßhoff zu Ahaus ist auch für das Jahr 1863 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft F. J. Wichelhausen & Comp. jetzt H. W. Böhme in Bremen Behufs Beförderung von Auswanderern ernannt und als solcher bestätigt worden. – Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist demselben nicht gestattet.
Münster, den 9. Januar 1863

Amts-Blatt 1863 Nr. 5 Art. 37

Der Auktionator Leop. Perger zu Ahaus ist auch für das Jahr 1863 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Carl Pokrantz & Comp. in Bremen zur Beforderung von Auswanderern ernannt und als solcher bestätigt worden. – Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist demselben nicht gestattet.
Münster, den 15. Januar 1863

Amts-Blatt 1863 Nr. 6 Art. 47

Der Kaufmann J. H. Fisch hierselbst ist auch für das Jahr 1863 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Herm. Dauelsberg in Bremen zur Beförderung von Auswanderern ernannt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. – Die Vermittelung Behufs Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht mehr gestattet.
Münster, den 24. Januar 1863

Amts-Blatt 1863 Nr. 7 Art. 56

Der Kaufmann Hermann Staggemeier zu Lengerich ist auch für das Jahr 1863 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft J. J. Wichelhausen & Comp. in Bremen zur Beförderung von Auswanderern ernannt und als solcher bestätigt worden. – Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht mehr gestattet.
Münster, den 6. Februar 1863

Amts-Blatt 1863 Nr. 9 Art. 66

Der Kaufmann Joseph Filbry zu Lamberti ist auch für das Jahr 1863 als vermittelnder Agent für das Geschäft des Schiffsmaklers August Bolten in Hamburg Behufs Beförderung von Auswanderern von dem General-Agenten Kaufmann Heinrich Carl Platzmann zu Berlin bestellt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. – Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht mehr gestattet.
Münster, den 17. Februar 1863

Amts-Blatt 1863 Nr. 10 Art. 78

Der Kaufmann Everwin Prümers zu Burgsteinfurt ist auch für das Jahr 1863 als vermittelnder Agent für das Geschäft des x. Lüdering & Comp. in Bremen Behufs Beförderung von Auswanderern von dem General-Agenten Kaufmann Friedrich Carl Ferdinand Thienemann (Firma Bretschneider) in Naumburg bestellt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. – Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht gestattet.
Münster, den 27. Februar 1863

Amts-Blatt 1863 Nr. 51 Art. 332

Der Kaufmann Louis Laporte hierselbst ist auch für das Jahr 1864 zum General-Agenten für das Geschäft des Schiffsrheders und Schiffsbefrachters Eduard Jchon zu Bremen behufs Beförderung von Auswanderern über Bremen nach den Vereinigten Staaten von Noramerika, Canada, Südamerika (mit Ausschluß von Brasilien) und Australien und mit der Befugnis, Unteragenten zu bestellen, wieder ernannt, und von uns bestätigt worden.
Münster, den 7. December 1863

Oeffentlicher Anzeiger 1863 Nr. 4 Art. 114, Beilage zum Amtsblatt

Da der für das Auswanderungs Geschäft des Carl Pokrantz & Comp. in Bremen als vermittelnder Agent von uns konzessionierte W. Berkemeyer zu Ahe Kreis Tecklenburg diese Agentur niedergelegt hat, so wird die von demselben bestellte Kaution von 500 Thlr. zurückgegeben werden, falls nicht in Gemäßheit des § 14 des im 39. Stücke unseres Amtsblatts pro 1853 veröffentlichten Reglements vom 6. September 1853 etwaige Ansprüche an diese Kaution binnen 12 Monaten von der Ausgabe dieses Amtsblatts an, bei uns angemeldet und binnen weiterer 6 Monate nach dem Eingang der Anmeldung gerichtlich zur Entscheidung anhängig gemacht werden.
Münster, den 13. Januar 1863

Oeffentlicher Anzeiger 1863 Nr. 46 Art. 1582, Beilage zum Amtsblatt

Der Auswanderungs-Unternehmer concessionierte Kaufmann H. W. Böhme in Bremen, Mitinhaber der Firma F. J. Wichelhausen & Comp. daselbst hat erklärt, daß er das Geschäft der Beförderung von Auswanderern innerhalb des Preußischen Staates aufgegeben habe; eine gleiche Erklärung hat dessen General-Agent, Kaufmann Ludwig Deetjen hierselbst abgegeben, und haben beide die Rückgabe der von ihnen bestellten Kaution beantragt. Es werden daher alle diejenigen, welche aus der Geschäftsführung des x. Böhme oder des x. Deetjen Ansprüche geltend zu machen haben, aufgefordert, solche binnen einer Frist von zwölf Monaten bei uns anzumelden, widrigenfalls denselben nach dem Ablaufe dieser Frist die Kautionen, welche sie bestellt haben, werden zurückgegeben werden.
Cöln, den 3. November 1863

Oeffentlicher Anzeiger 1863 Nr. 49 Art. 1693, Beilage zum Amtsblatt

Da der H. Grashoff zu Ahaus das Geschäft als vermittelnder Agent für Beförderung von Auswanderern vom 1. Januar k. J. an niederzulegen beabsichtigt ist, so wird die von demselben bestellte Kaution ad 300 Thr. freigegeben werden, falls nicht in Gemäßheit des § 14. des Reglements von 6. September 1853 (Amtsblatt p. 254.) etwaige Ansprüche an diese Kaution bis zum 31. Dezember 1864, bei der unterzeichneten Königlichen Regierung angemeldet und binnen weiterer 6 Monate nach dem Eingange der Anmeldung gerichtlich zur Entscheidung anhängig gemacht werden.
Münster, den 28. November 1863

Amts-Blatt 1864 Nr. 4 Art. 32

Der Kaufmann Simon Meier Steinberg zu Coesfeld ist auch für das Jahr 1864 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Carl Pokranz & Comp. in Bremen zur Beförderung von Auswanderern ernannt und als solcher bestätigt worden. Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist jedoch nicht gestattet.
Münster, den 9. Januar 1864

Amts-Blatt 1864 Nr. 5 Art. 38

Der Kaufmann Hermann Staggemeier zu Lengerich ist von dem Major a. D. von Jasmund zu Berlin, Haupt-Agenten des Auswanderungs-Geschäfts Mühlenbrock Meyer & Comp. zu Bremen zum vermittelnden Agenten für dieses Geschäft für das Jahr 1864 ernannt und als solcher bestätigt worden. Die Vermittelung Behufs der Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht gestattet.
Münster, den 27. Januar 1864

Amts-Blatt 1864 Nr. 8 Art. 62

Dem Kaufmann Hermann Diepenbrock zu Warendorf ist auch für das Jahr 1864 die Genehmigung ertheilt worden, für den Haupt-Agenten der Firma Lüdering & Comp. in Bremen Kaufmann Thienemann zu Naumburg Verträge Behufs Beförderung von Auswanderern zu vermitteln.
Münster, den 9. Februar 1864

Amts-Blatt 1864 Nr. 8 Art. 63

Dem Johann Arntzen zu Nichtern Kreis Ahaus ist auch für das Jahr 1864 die Genehmigung ertheilt worden, für den Haupt-Agenten der Firma Lüdering & Comp. zu Bremen Kaufmann Thienemann zu Naumburg Verträge zur Beförderung von Auswanderern zu vermitteln.
Münster, den 9. Februar 1864

Amts-Blatt 1864 Nr. 11 Art. 79

Der Kaufmann J. H. Fisch hierselbst ist auch für das Jahr 1864 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Hermann Dauelsberg in Bremen zur Beförderung von Auswanderern ernannt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. Die Vermittelung Behufs Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht mehr gestattet.
Münster, den 25. Februar 1864

Amts-Blatt 1864 Nr. 11 Art. 80

Dem Kaufmann Everwin Prümers zu Steinfurt ist auch für das Jahr 1864 die Genehmigung ertheilt worden, für den Haupt-Agenten der Firma Lüdering & Comp. in Bremen, Kaufmann Thienemann zu Naumburg, Verträge Behufs der Beförderung von Auswanderern zu vermitteln.
Münster, den 27. Februar 1864

Amts-Blatt 1864 Nr. 11 Art. 81

Der Kaufmann Joseph Filbry zu Lamberti ist auch für das Jahr 1864 von dem General-Agenten Kaufmann Heinrich Carl Platzmann zu Berlin als vermittelnder Agent für das Geschäft des Schiffsmaklers August Bolten in Hamburg Behufs Beförderung von Auswanderern ernannt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden.
Münster, den 1. März 1864

Amts-Blatt 1864 Nr.51 Art. 341

Der Kaufmann Louis Laporte hierselbst ist auch für das Jahr 1865 zum General-Agenten für das Geschäft des Schiffsrheders und Schiffsbefrachters Eduard Jchon zu Bremen behufs Beförderung von Auswanderern über Bremen nach den Vereinigten Staaten von Noramerika, Canad, Süamerika (mit Ausschluß von Brasilien) und Australien und mit der Befugniß, Unteragenten zu bestellen, wieder ernannt und von uns bestätigt worden.
Münster, den 5. December 1864

Oeffentlicher Anzeiger 1864 Nr. 5 Art. 165, Beilage zum Amtsblatt

Nachdem die Konzession des Kaufmanns Staggemeier zu Lengerich als Unter-Agenten des General-Agenten des Geschäfts zur Beförderung von Auswanderern H. B. Böhme in Bremen, Mitinhaber der Firma J. J. Wichelhausen & Comp. mit dem Eingehen dieses Geschäfts erloschen ist, so werden Alle, welche an die Kaution des x. Staggemeier in Gemäßheit des § 11 lit: a. des Reglements vom 6. September 1853 (Amtsblatt pro 1853 Seite 246) Ansprüche machen, aufgefordert, dieselben binnen einer Frist von 12 Monaten bei uns anzumelden. Wird innerhalb dieser Frist ein Anspruch nicht angemeldet, oder derselbe nicht binnen einer weiteren Frist von 6 Monaten nach dem Eingange der Anmeldung bei dem kompetenten Gerichte zur Entscheidung anhängig gemacht, so wird die Rückgabe der Kaution an den Emphangsberechtigten erfolgen.
Münster, den 20. Januar 1864

Oeffentlicher Anzeiger 1864 Nr. 48 Art. 1780

Nachdem die Konzession des Rendanten Perger zu Ahaus als Agenten des Geschäfts zur Beförderung von Auswanderern mit dem Ende des Jahres 1863 erloschen ist, werden Alle, welche an die Kaution des x. Perger in Gemäßheit des § 11 lit. a des Reglements vom 6. September 1853 (Amtsblatt: pag. 1853 S. 246), Ansprüche machen, aufgefordert, dieselben binnen einer Frist von 12 Monaten bei uns anzumelden. Wird innerhalb dieser Frist ein Anspruch nicht angemeldet, oder derselbe nicht binnen einer weiteren Frist von 6 Monaten nach dem Eingange der Anmeldung bei dem competenten Gerichte zur Entscheidung anhängig gemacht, so wird die Rückgabe der Kaution an die Empfangsberechtigten erfolgen.
Münster, den 14. November 1864

Amts-Blatt 1865 Nr. 3 Art. 28

Der Kaufmann Hermann Staggemeier zu Lengerich ist von dem Major a. D. v. Jasmund zu Berlin, Haupt-Agenten des Auswanderungs-Geschäfts Mühlenbrock, Meyer & Comp. zu Bremen, zum vermittelnden Agenten für dieses Geschäft auch für das Jahr 1865 ernannt und als solcher von uns bestätigt worden. Die Vermittelung Behufs der Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht gestattet.
Münster, den 12. Januar 1865

Amts-Blatt 1865 Nr. 4 Art. 35

Der Kaufmann Joseph Filbry zu Lamberti ist auch für das Jahr 1865 von dem General-Agenten Heinrich Carl Platzmann zu Berlin als vermittelnder Agent für das Geschäft des Schiffsmaklers August Bolten in Hamburg behufs der Beförderung von Auswanderern ernannt un in dieser Eigenschaft von uns bestätigt worden.
Münster, den 13. Januar 1865

Amts-Blatt 1865 Nr. 6 Art. 55

Der Kaufmann J. H. Fisch hierselbst ist auch für das Jahr 1865 zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Hermann Dauelsberg zu Bremen zur Beförderung von Auswanderern ernannt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. Die Vermittelung Behufs Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht gestattet.
Münster, den 25. Januar 1865

Amts-Blatt 1865 Nr. 6 Art. 56

Dem Kaufmann Johann Friedrich Drees zu Ibbenbüren ist auch für das Jahr 1865 die Genehmigung ertheilt worden, für den Haupt-Agenten der Firma Lüdering & Comp. in Bremen, Kaufmann Thienemann zu Naumburg Verträge Behufs der Beförderung von Auswanderern mit Ausnahme nach Brasilien zu vermitteln.
Münster, den 24. Januar 1865

Amts-Blatt 1865 Nr. 6 Art. 57

Der Johann Arntzen zu Nichtern ist auch für das Jahr 1865 zum vermittelnden Agenten für den Haupt-Agenten des Geschäfts Lüdering & Comp. in Bremen zur Beförderung von Auswanderern, Kaufmann Friedrich Carl Ferdinand Thienemann in Naumburg ernannt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. Die Vermittelung Behufs Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht gestattet.
Münster, den 25. Januar 1865

Amts-Blatt 1865 Nr. 6 Art. 58

Dem Kaufmann Hermann Diepenbrock zu Warendorf ist auch für das Jahr 1865 die Genehmigung ertheilt worden, für den Haupt-Agenten der Firma Lüdering & Comp. in Bremen, Kaufmann Thienemann zu Naumburg Verträge Behufs der Beförderung von Auswanderern mit Ausnahme nach Brasilien zu vermitteln.

Amts-Blatt 1865 Nr. 8 Art. 73

Dem Kaufmann Everwin Prümers zu Steinfurt ist auch für das Jahr 1865 die Genehmigung ertheilt worden, für der Haupt-Agentur der Firma Lüderung § Comp. in Bremen, Kaufmann Thienemann zu Hamburg, Verträge Behufs Beförderung von Auswanderern (mit Ausnahme nach Brasilien) zu vermitteln.
Münster, den 15. Februar 1865

Amts-Blatt 1865 Nr. 40 Art. 327

Der Kaufmann Samson David zu Westercappeln ist zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Hermann Dauelsberg, F. W. Bädeker junior Nachfolger in Bremen zur Beförderung der Auswanderer von dessen Hauptagenten Commerzienrath Delius in Versmold für das Jahr 1865 ernannt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. Die Vermittelung Behufs Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht gestattet.
Münster, den 10. September 1865

Amts-Blatt 1865 Nr. 51 Art. 431

Der Kaufmann Louis Laporte hierselbst ist auch für das Jahr 1866 zum General-Agenten für das Geschäft des Schiffsrheders und Schiffsbefrachters Eduard Jchon zu Bremen Behufs Beförderung von Auswanderern über Bremen nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Canada, Südamerika (mit Ausschluß von Brasilien) und Australien und mit der Befugniß, Unteragenten zu bestellen, wieder ernannt und von uns bestätigt worden.
Münster, den 11. December 1865

Amts-Blatt 1865 Nr. 51 Art. 432

Dem Kaufmann Everwin Prümers zu Burgsteinfurt ist auch für das Jahr 1866 die Genehmigung ertheilt worden, für den Haupt-Agenten der Firma Lüdering & Comp. in Bremen , Kaufmann Thienemann zu Naumburg Verträge Behufs Beförderung von Auswanderern (mit Ausnahme von Brasilien) zu vermitteln.
Münster, den 14. December 1864

Oeffentlicher Anzeiger 1865 Nr. 4 Art. , Beilage zum Amtsblatt

Da der für das Auswanderungs-Geschäft des Carl Pokranz & Comp. in Bremen als vermittelnder Agent von uns konzessionirte B. H. Koberg hierselbst diese Agentur niedergelegt hat, so wird die von demselben bestellte Kaution von 300 Thlr. zurückgegeben werden, falls nicht in Gemäßheit des § 14 des im 39. Stücke unseres Amtsblatts pro 1853 veröffentlichten Reglements vom 6. September 1853 etwaige Ansprüche an diese Kaution binnen 12 Monaten von der Ausgabe dieses Amtsblattes an, bei uns angemeldet und binnen, weiterer 6 Monate nach dem Eingange der Anmeldung gerichtlich zur Entscheidung anhängig gemacht werden.
Münster, den 16. Januar 1865

Oeffentlicher Anzeiger vom 26. August 1865 Nr. 34 Art. 1326, Beilage zum Amtsblatt

Nchdem der Kaufmann Simon Meier Steinberg zu Coesfeld, welcher bis dahin die Agentur zur Beförderung von Auswanderern für das Geschäft Carl Pokrantz et Comp. in Bremen gehabt, verstorben ist, wird die von demselben bestellte Kaution ad 300 Thlr. zurückgezahlt werden, falls nicht in Gemäßheit des § 14 des Reglements vom 6. September 1853, etwaige Ansprüche an diese Kaution binnen 12 Monaten von der Ausgabe dieses Amtsblattes an, bei uns angemeldet und binnen weiterer 6 Monate nach dem Eingange der Anmeldlung zur gerichtlichen Entscheidung anhängig gemacht werden.
Münster, den 7. August 1865

Amts-Blatt 1866 Nr. 3 Art. 29

Dem Johann Arntzen zu Nichtern ist auch für das Jahr 1866 die Genehmigung ertheilt worden, für den Haupt-Agenten der Firma Lüdering & Comp. in Bremen, Kaufmann Thienemann zu Naumburg Verträge Behufs der Beförderung von Auswanderern, mit Ausnahme von Brasilien zu vermitteln.
Münster, den 3. Januar 1866

Amts-Blatt 1866 Nr. 4 Art. 45

Der Kaufmann Herrmann Staggemeier zu Lengerich ist von dem Major a. D. von Jasmund zu Berlin, Haupt-Agenten des Auswanderungs-Geschäfts Mühlenbrock, Meyer & Comp. zu Bremen, zum vermittelnden Agenten für dieses Geschäft auch für das Jahr 1866 ernannt und als solcher von uns bestätigt worden. Die Vermittelung behufs Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht gestattet.
Münster, den 17. Januar 1866

Amts-Blatt 1867 Nr. 24 Art. 278

Der Hermann Wilhelm Rietbrock zu Lengerich ist zum vermittelnden Agenten für das Geschäft des Johann Philipp Mühlenbrock & Meier zu Bremen zur Beförderung von Auswanderern von dessen Haupt-Agenten Major a. D. Jasmund zu Berlin für das Jahr 1867 ernannt und in dieser Eigenschaft bestätigt worden. Die Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht gestattet.
Münster, den 4. Juni 1867

Amts-Blatt 1868 Nr. 25 Art. 253

Der Kaufmann Bernhard Beer zu Warendorf ist als vermittelnder Unter-Agent für das Geschäft des J. F. Siebers in Bremen zur Beförderung von Auswanderern vom General-Agenten Carl Vogelsang in Minden bestellt und von uns zugelassen worden. Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht gestattet.
Münster, den 9. Juni 1868

Amts-Blatt 1868 Nr. 26 Art. 266

Der Kaufmann Bernard Terfloth zu Laer ist als vermittelnder Agent für das Geschäft des J. F. Siebers zu Bremen zur Beförderung von Auswanderern von dem General-Agenten Carl Vogelsang zu Minden bestellt und von uns zugelassen worden. Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht gestattet.

Amts-Blatt 1868 Nr. 26 Art. 267
Der Kaufmann Bendix Speyer zu Coesfeld ist als vermittelnder Agent für das Geschäft des Hermann Dauelsberg in Bremen von dem Haupt-Agenten Delius in Versmold bestellt und von uns zugelassen worden. Die Vermittelung zur Beförderung von Auswanderern nach Brasilien ist nicht gestattet.
Münster, den 22. Juni 1868

Amts-Blatt 1869 Nr. 6 Art. 70

Dem Kaufmann Levi Leffmann hierselbst ist auch für das Jahr 1869 die Genehmigung ertheilt worden, für das Geschäft des Schiffsexpedienten J. F. Siebers zu Bremen, als Specialagent des Generalagenten C. Vogelsang zu Minden, Verträge Behufs Beförderung von Auswanderern mit Ausschluß nach Brasilien, zu vermitteln.
Münster, den 22. Januar 1869

Oeffentlicher Anzeiger vom 30. Januar 1869 Nr. 5 Art. 147, Beilage zum Amtsblatt

Nachdem der Joseph Bonse hierselbst, welcher bis zum 31. December 1868 für den hiesigen Regierungs-Bezirk die Agentur für die Beförderung von Auswanderern für das Geschäft des Charles Boernstein in Bremen gehabt, dieselbe niedergelegt hat, wird die von demselben bestellte Caution ad. 300 Thlr. zurückgegeben werden, falls und so weit nicht in Gemäßheit des § 14 des im 39. Stück unseres Amts-Blatts pro 1853 veröffentlichen Reglements vom 6. September 1853 etwaige Ansprüche an diese Caution binnen 12 Monaten, von der Ausgabe dieses Amtsblatts an, bei dem hiesigen Magisstrat angemeldet und binnen weiterer 6 Monate nach dem Eingange der Anmeldung zur gerichtlichen Entscheidung anhängig gemacht werden.
Münster, den 18. Januar 1869

Oeffentlicher Anzeiger vom 30. Januar 1869 Nr. 5 Art. 148, Beilage zum Amtsblatt

Nachdem der Heinrich Jörgens zu Ibbenbüren, welcher bis zum 31. December 1868 für den hiesigen Regierungs-Bezirk die Agentur für die Beförderung von Auswanderern für das Geschäft des Carl Pokrantz & Comp. in Bremen gehabt, dieseselbe niedergelegt hat, wird die für diese Geschäft bestellte Caution ad 300 Thlr. zurückgegeben werden, falls und so weit nicht in Gemäßheit des $ 14 des im 39. Stück unseres Amts-Blatts pro 1853 veröffentlichten Reglements vom 6. September 1853 etwaige Ansprüche an diese Caution binnen 12 Monaten, von der Ausgabe dieses Amtsblatts an, bei dem Königlichen Landraths-Amte des Kreises Tecklenburg angemeldet und binnen weiterer 6 Monate nach dem Eingangeder Anmeldung zur gerichtlichen Entscheidung anhängig gemacht werden.
Münster, den 18. Januar 1869

Oeffentlicher Anzeiger vom 23. October 1869 Nr. 43 Art. 1630, Beilage zum Amtsblatt

Die dem Kaufmann Joh. Vogelsang hierselbst pro 1869 ertheilte Genehmigung zur Führung der Haupt-Agentur-Geschäfte behufs Beförderung von Auswanderern für das Geschäft des Johann Philipp Mühlenbrock & Meier zu Bremen ist erloschen. Gleichzeitig ist auch die dem Lefer Buchheimer zu Horstmar für dasselbe Geschäft ertheilte Genehmigung zur Führung einer Spezial-Agentur erloschen. Es werden daher die für dieses Geschäft bestellten Cautionen, nämlich die des x. Vogelsang von 1000 Thlrn. und die des x. Buchheimer von 300 Thlrn., zurückgegeben werden, falls und soweit nicht in Gemäßheit des § 14 des in Nr. 39 unseres Amtsblatts pro 1853 veröffentlichten Reglements vom 6. September 1853 etwaige Ansprüche an diese Cautionen binnen 12 Monate, von der Ausgabe dieses Amtsblatts an, und zwar bezüglich der Caution des x. Vogelsang bei dem hiesigen Magistrat, und bezüglich der Caution des x. Buchheimer bei dem Landrath des Kreises Steinfurt angemeldet und binnen weiterer 6 Monate nach dem Eingange der Anmeldung zur gerichtlichen Entscheidung anhängig gemacht werden.
Münster, den 12. October 1869

Extra-Blatt zu Nro. 3 des Amtsblatts vom 16. Januar 1869:

Art. 32
Der Postexpediteur G. Müller zu Wester-Cappeln ist auch für das Jahr 1869 die Genehmigung ertheilt worden, für das Geschäft des Wm. Stiffer zu Bremen, als Unteragent des Generalagenten Ernst Johanning in Berlin, Verträge, Behufs Beförderung von Auswanderern, mit Ausschluß nach Brasilien, zu vermitteln.
Münster, den 7. Januar 1869

Art. 33
Dem Kaufmann Bendix Speyer zu Coesfeld ist auch für das Jahr 1869 die Genehmigung ertheilt worden, für das Geschäft des Hermann Dauelsberg in Bremen, als Unteragent des Hauptagenten Delius zu Vermold, Verträge, Behufs Beförderung von Auswanderern, mit Ausschluß nach Brasilien, zu vermitteln.
Münster, den 6. Januar 1869

Art. 34
Dem Kaufmann Terfloth zur Laer ist auch für das Jahr 1869 die Genehmigung ertheilt worden, für das Geschäft des J. F. Siebers zu Bremen, als Spezialagent des General-Agenten C. Vogelsang zu Minden, Verträge, Behufs Beförderung von Auswanderern, mit Ausschluß nach Brasilien, zu vermitteln.
Münster, den 6. Januar 1869

Art. 35
Dem Buchbinder F. Fleddermann ist auch für das Jahr 1869 die Genehmigung ertheilt worden, für das Geschäft des Kaufmanns H. C. Fischer & Comp. in Bremen, als Unteragent des Generalagenten Schiffskapitains C. Behmer in Berlin, Verträge, Behufs Beförderung von Auswanderern, mit Ausschluß nach Brasilien, zu vermitteln.
Münster, den 7. Januar 1869

Art. 36
Dem J. Bodenburg zu Ueberwasser ist auch für das Jahr 1869 die Genehmigung ertheilt worden, für das Geschäft des C. Pokrantz & Comp. in Bremen, als Unteragent des Hauptagenten Major a. D. Niemann in Minden, Verträge, Behufs Beförderung von Auswanderern, mit Ausschluß nach Brasilien, zu vermitteln.
Münster, den 5. Januar 1869

Art. 37
Dem Kaufmann Samson David zu Wester-Cappeln ist auch für das Jahr 1869 die Genehmigung ertheilt worden, für das Geschäft des H. Dauelsberg, J. W. Bädeker jun. Nachfolger in Bremen, als Unteragent des Hauptagenten Commerzienrath Delius in Versmold, Verträge, Behufs Beförderung von Auswanderern, mit Auschluß nach Brasilien, zu vermitteln.
Münster, den 7. Januar 1869

Oeffentlicher Anzeiger vom 22. Januar 1870 Nr. 4 Art. 118, Beilage zum Amtsblatt

Der Organist Th. Pohlschröder zu Ahaus hat mit dem 31. v. Mts. und Js. die Geschäfte als vermittelnder Agent für das Auswanderung-Geschäft des Karl Pokrantz & Comp. zu Bremen niedergelegt. Es wird daher die für dieses Geschäft bestellte Kaution von 300 Thlrn. zurückgegeben werden, falls und soweit nicht in Gemäßheit des § 14 des im 39. Stück unseres Amtsblatts pro 1853 veröffentlichten Reglements vom 6. September 1853, etwaige Ansprüche an diese Kaution binnen 12 Monaten, von der Ausgabe diese Amtsblatts an, bei dem Königlichen Landraths-Amte zu Ahaus und binnen weiterer 6 Monate nach dem Eingange der Anmeldung zur gerichtlichen Entscheidung anhängig gemacht werden.
Münster, den 10. Januar 1870

Oeffentlicher Anzeiger vom 16. Juli 1870 Nr. 29 Art. 1049, Beilage zum Amtsblatt

Nachdem der Kaufmann Bernhard Beer zu Warendorf die Unteragentur des General-Agenten C. Vogelsang zu Minden, für das Geschäft des J. F. Siebers zu Bremen für die Beförderung von Auswanderen niedergelegt hat, wird die, für diese Agentur,von demselben bestellte Kaution von 300 Thlrn. zurückgegeben, falls und soweit nicht in Gemäßheit des § 14 des im 39. Stück unseres Amtsblattes pro 1853 veröffentlichten Reglements vom 6. September 1853, etwaige Ansprüche an diese Kaution binnen 12 Monaten, von dem Tage der Ausgabe dieses Blattes an, bei dem Königl. Landraths-Amte zu Warendorf angemeldet werden.
Münster, den 7. Juli 1870

Holz, Martin: Zeitungsartikel „Wer wird, in Minnesota gebraucht?“

The St. Anthony Express, 21. Juni 1851

Let it be distinctly understood then that farming is by far the most profitable business at present in Minnesota and is likely long to continue so.

Wer wird, in Minnesota gebraucht?

Es ist deutlich zu erkennen, daß zur Zeit Landwirtschaft bei weitem das erfolgsversprechendste Geschäft in Minnesota ist und wohl lange bleiben wird.

Wer wird in Minnesota gebraucht?

Wir suchen Bauern – starke, robuste, aktive Männer, die ihren Weg gehen und den Willen und die Mittel haben, um unseren wilden, unkultivierten Boden zu zähmen und seine überraschende Fruchtbarkeit und unübertroffenen Ressourcen zu entdecken. Es wäre gut, wenn sie möglicherweise einiges an (finanziellen) Mitteln besäßen, genug zum mindesten, um ein paar Acres umzubrechen und einzuzäunen und eine Hütte als vorläufige Unterkunft zu errichten. Wenn es möglich ist, könnte es auch mehr sein, aber soviel ist wenigstens notwendig. Sie können das beste Land erhalten, entweder mit Vorkaufsrecht oder durch Kauf von Privatpersonen über einen Kredit von wenigstens einem Jahr Laufzeit. Es gibt aber keine Farmen in Minnesota, fertig eingezäunt und gepflügt, die so weggegeben werden oder für einen „Appel und Ei“ verfügbar sind. Ackerbau wirft hier zuviel Gewinn ab, um den Gedanken an eine solche Großzügigkeit aufkommen zu lassen. Flächen, die umgebrochen und eingezäunt sind, kosten zwischen 10 und 30 und 50 $ per Acre, je nach ihrer Lage. Es ist war, daß es keinen westlichen Staat gibt, wo Einsatz einen so sicheren und großen Profit erbringt wie in Minnesota. Große Summen fließen jährlich aus diesem Gebiet für Getreide und Lebensmittel – nicht weil wir keinen Boden hätten, der im Überfluß produziert, oder ein Klima, daß nicht alles Gemüse und jede Art von Gras, Getreide und Früchten der gemäßigten Zonen voll ausreifen läßt, oder einen Geldmarkt zu Höchstpreisen vor unserer eigenen Tür, nein, einzig aus dem Grund, weil es nicht genug Bauern gibt, um den Markt zu beliefern. Daraus ist deutlich zu ersehen, daß Landwirtschaft im Augenblick in Minnesota bei weitem das Geschäft ist, das den meisten Profit abwirft, und so wird es lange Zeit bleiben.

Als nächstes werden Handwerker gebraucht – Männer mit Fleiß und Unternehmungsgeist, die ihr Geschäft gründlich verstehen. Solche werden keine Mißerfolge erleben. Es gibt nicht genug davon, um die Nachfrage zu befriedigen; es gibt nicht genug Wettbewerb, um den Preis für Handwerkerarbeit auf seine angemessene Höhe zurückzuführen, wenn man ihn mit anderen Diensten vergleicht. Wenn wir uns nicht sehr irren, erhalten Handwerker vergleichsweise viel höheren Lohn als Akademiker oder Bauern. Dasselbe gilt für Arbeiter. Zwei oder drei Dollar pro Tag sind ein hoher Preis, um einen einfachen Handwerker zu bezahlen, und 1 1/2 Dollar ist zuviel für eine gewöhnliche Hilfskraft zum Hacken des Maises oder der Kartoffeln. Ein Bauer kann es sich nicht erlauben, zu diesem hohen Preis jemanden anzustellen. Der Arbeiter soll gut, sogar großzügig bezahlt werden für gewissenhafte Arbeit. Er verdient, daß ihm ein guter Preis für die gute Arbeit eines Tages gezahlt wird. Und im übrigen wird jedes leichte Mißverhältnis, das bei der Vergütung von verschiedenen Arbeitsverhältnissen existieren mag, nur zeitweilig sein. Die Zeit wird alles ins rechte Maß setzen. Aber es ist war, was alle empfinden, daß gute Handwerker überaus gesucht sind in Minnesota. Mit Mäßigung, Klugheit und Fleiß kann niemand sein Glück verpassen – einige werden ihr Glück machen.

Rechtsanwälte werden gesucht in Minnesota – Männer mit guter Ausbildung, Charakter und Bildung, die sowohl die Theorie als auch die Praxis ihres Berufes gründlich verstehen – Männer, die diesen Berufsstand durch ein untadeliges Leben und hohe moralische Tugenden zieren, Männer, deren gestrenger Eifer, unbeugsame Integrität und weiter Blick ihre Liebe für die edle Wissenschaft der Rechte unter Beweis stellen und die Gewähr bieten für ihre Nützlichkeit für die Gesellschaft. Ein Rechtsanwalt in Minnesota sollte in der Lage sein, einen Rechtsfall vor Gericht zu vertreten, einen Klienten in seinen Rechten zu unterweisen, eine Axt zu handhaben oder mit einer Hacke umzugehen. Er wird nicht genug in seinem Beruf zu tun haben, um seine ganze Zeit damit auszufüllen, und er darf keine ehrliche Arbeit für unter seiner Würde halten, was auch immer es sei. Unser Territorium ist groß, aber hier gibt es keinen Platz für Winkeladvokaten, die ihren elenden Unterhalt erwerben, indem sie Zank in der Gesellschaft schüren – Vampire, die der Gesellschaft das Blut aussaugen, zu faul zum Arbeiten, zu dumm, um eine Idee umzusetzen, zu abgestumpft, um ein Schamgefühl zu entwickeln, den Guten verhaßt und von den Menschen verachtet.

Wir brauchen Geistliche – ausgebildete, fromme, selbstlose Männer, die den Dienst nicht als letzte Möglichkeit übernommen haben, um ihren Lebensunterhalt zu erwerben, und die zu faul oder zu unfähig sind, auf andere Weise etwas zu verdienen. Wir brauchen Männer mit unabhängigen Gedanken, nicht gefesselt von Überzeugungen oder Dogmen, die die Bibel in ihrer Reinheit predigen, gleich, ob das mit der Lehre von Menschen oder Sekten übereinstimmt oder nicht. Besonders Männer, die keine Arbeit scheuen, die einen Schrank entwerfen können, einen Nagel einschlagen, einen Brunnen graben, einen Keller ausheben oder einen Spaten nicht weniger geschickt handhaben können als sie predigen mit all dem Eifer und der Redegewandtheit eines Paulus oder Apollos. Gott sei Dank, haben wir einige davon, Hunderte mehr werden willkommen sein. Mögen sei nur kommen!

Ärzte, die erwarten, von der Ausübung ihres Berufes zu leben, werden Minnesota als ein zu geringes Feld für eine Niederlassung befinden. Wenn es irgendein besonders Kennzeichen dieses Territoriums gibt, so ist es sein außerordentlich gesundes Klima. Lebensversicherungen haben keine Berechtigung. Es gibt schon eine ansehnliche Anzahl von Galen-Schülern (Ärzten) unter uns, die ihre „Arbeit getan“ finden werden, sobald sie mit Heilmitteln versorgt oder Getötete untersucht haben, die in Verzweiflung hierher kamen, belastet mit den tausend gefährlichen und komplizierten Krankheiten aus anderen Teilen der Union und die von den „regulären“ (Ärzten) der östlichen oder mehr südlichen Staaten hierhergeschickt wurden.

Schließlich, aber nicht als Geringstes, werden junge Damen gesucht. Mit diesem Ausdruck ist nicht die Klasse gemeint, die gewöhnlich fälschlich mit diesem Wort bedacht wird – sogenannte vornehme junge Damen, die dazu erzogen wurden, schöngeistige Literatur zu lesen, zu Müßiggang und Schnürkorsett, ein gefühlvolles Lied zu singen oder einen Ton auf dem Klavier zu spielen, die Polka zu tanzen und modischen Unsinn zu erzählen. Für diese ist kein Platz in Minnesota. Wir benutzen den Ausdruck „junge Dame“ in seinem eigentlichen Sinn, der jemand meint, der bereit ist, sich mit jeder nützlichen und notwendigen Arbeit zu beschäftigen, sei es Waschen oder Backen, den Boden zu wischen, das Haus zu säubern oder ein verschlissenes Kleidungsstück zu flicken. Dies sind unsere wahren Damen, ehrenwerter als jene, denen bewaffnete Ritter in früherer Zeit Verehrung bezeugten – die der Arbeit durch ein edles Beispiel Würde verleihen, die Heimstatt glücklich machen und eine Zierde der Gesellschaft werden. Solche können zwei bis drei Dollar pro Woche für ihre Arbeit fordern, durch ihren Charme die Herzen von fleißigen und unternehmungslustigen jungen Männern brechen, sie heilen, indem sie zustimmen, glückliche Ehefrauen und Mütter und die Begründerrinnen eines großartigen und blühenden allgemeinen Wohlstandes zu werden. Solche junge Damen sollten nach Minnesota kommen!

Kemper, Jens: Amerikaauswanderer aus Ostwestfalen 1840 – 1914

Hier können Sie sich die Staatsexamensarbeit von Jens Kemper aus dem Jahr 2004 herunterladen. Die Arbeit stellt Herr Kemper dem Amerikanetz und seinen Lesern freundlicher Weise zur Verfügung:

Krämer, Jürgen und Wildt, Jürgen: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft – Partnerschaft Melle-New Melle lebt

Es war eine Reise in die Vergangenheit und Zukunft zugleich. Doch auch die Gegenwart kam nicht zu kurz bei dem mehrtägigen Begegnung der Meller aus dem Grönegau und einiger Gäste und den Nachfahren der Auswanderer, die sich in New Melle eine Zukunft aufbauten. Höhepunkt der Reise in den USA-Bundesstaat Missouri war die Feierstunde aus Anlass der 20. Wiederkehr der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde in der Community Hall zu New Melle am 16. Juni 1988. Rund 150 Gäste nahmen daran teil, nicht viel weniger als New Melle Einwohner hat.

Höhepunkt des Festaktes: JoAnn Hammel, heute noch sehr engagierte ehemalige Präsidentin des New Melle-Melle Friendship Society, überreichte Wilhelm Röper, dem ebenfalls rührigen und tatkräftigen Vorsitzenden des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreis Melle, eine Bronzetafel zur Eriinerung an diesen denkwürdigen Tag. Wilhelm Röper übergab das schwergewichtige Präsent an den mitgereisten Meller Bürgermeister Dr. André Berghegger. Es soll einen Ehrenplatz auf dem im vergangenen Jahr anlässlich des Besuches der New Meller in Old Melle eingeweihten New Melle-Platz im Grönenbergpark erhalten.

Die Feierstunde wurde mit einem eindrucksvollen Szenario eingeleitet. Pfadfinder trugen unter dem Beifall der Gäste die Nationalflaggen der Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland in den festlich geschmückten Saal.

„Hallo, liebe Freunde, ich heiße euch alle herzlich willkommen“, begrüßte Bryan Uhlmannsiek, Präsident der New Melle-Melle Friendship Society, die 24-köpfige Delegation des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreises Melle zu dem Festakt willkommen. Janet Muskopf, Bürgermeisterin von New Melle, würdigte die Sister-City-Verbindung zwischen den beiden Gemeinden als eine „außergewöhnliche Verbindung. Als Zeichen, dass euch unser Ort stets offen steht“, überreichte sie ihrem Meller Amtskollegen Dr. André Berghegger einen Gemeindeschlüssel aus Messing. Steve Ehlmann, höchster Repräsentant der St. Charles County, sprach von einer „Partnerschaft, die viel Gutes hervorgebracht hat“.

Der berühmte Auswandererforscher Professor Dr. Walter Kamphoefner, neben Netzwerk-Gründer Friedel Schütte Nestor der Städtepartnerschaft, verlas im Auftrag des Repräsentantenhauses von Missouri eine Prokklamation, in der die verstorbene Alberta Toedebusch als „treibende Kraft und entscheidende Wegbereiterin“ dieser Städtepartnerschaft bezeichnet wird. Kamphoefner, dessen Vorfahren aus dem Kirchspiel Buer stammen, sprach von außergewöhnlichen Projekten dieser Sister-City-Verbindung und nannte u. a. den „Stein der Freundschaft“ und das Einwandererdenkmal in New Melle, sowie den New Melle-Platz und das von Jürgen Krämer herausgegebene Buch „Melle/r in der Neuen Welt“.

Bürgermeister Dr. André Berghegger skizzierte in seiner Festrede Melle als wirtschaftsstarke, soziale und weltoffene Stadt mit 13 Städtefreundschaften. Dass die Beziehungen zwischen New Melle und Melle so eng und von vielfältigen Aktivitäten und persönlichen Beziehungen geprägt sei, führte der Redner auf die Freundeskreise zu beiden des Atlantischen Ozeans zurück. Als Geburtstagsgeschenk überreichte Berghegger an Bryan Uhlmansiek ein von Stadtbaurat a. D. Kurt Buschhausen gemaltes Bild mit der Meller Stadtsilhouette als Motiv. Wilhelm Röper, Vorsitzender des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreises, übergab seinem Kollegen den exklusiven Bildband „20 Jahre Städtepartnerschaft Melle-New Melle – Bilder einer transatlantischen Freundschaft“ mit Erinnerungsfotos aus den vergangenen zwei Jahrzehnten seit der Unterzeichnung und dem Austausch der Partnerschaftsurkunden. Die Freundeskreismitglieder Bärbel Thoms, Hedda und Günter Oberschmidt, Wolfgang Dreuse und Jürgen Krämer haben dieses bemerkenswerte Dokument zusammengestellt.

Mit außergewöhnlichen Präsenten wartete Elisabeth Benne auf. Das neue Freundeskreis-Mitglied und die Vorsitzende der Trachten- und Brauchtumsgruppe des Heimatvereins Borgloh stiftete der Duden Historal Society für das Heimatmuseum im Kamphoefner-Haus New Melle eine edle Kollektion von Trachten, Silber- und Goldhauben, wie sie die Menschen vor mehr als 150 Jahren zur Zeit der Auswanderung getragen haben. „Diese traditionsreichen Kleidungstücke sollen die Erinnerung an die Zeit der Auswanderung wach halten“, erklärte die Stifterin.

Zu den Reisenden gehörten zwei junge Frauen aus Riemsloh. Anna Lena Bonhaus und Christina Bonhaus hatten einen vom Meller Freundeskreis ausgeschriebenen Wettbewerb und die vom RWE-Energiekonzern geponserte Reise gewonnen. Die beiden Feuerwehrfrauen waren in einer Gastfamilie untergebracht, bekamen Eindrücke vom Leben in Amerika und besuchten natürlich die bestens ausgerüstete Feuerwehr in New Melle.

9 000 Kilometer von der Heimat entfernt legte die von Dr. Wolfgang Grams geleitete Grönegauer Reisegruppe 1 800 Kilometer von New York mit dem Omnibus durch grandiose Landschaften und die Bergwelt der Apalachen nach New Melle zurück. Stationen waren u. a. Baltimore, Philadelphia, Washington und Nashville.

Begeistert war Heinrich Tappe aus dem Hiller Ortsteil Nordhemmern, der sich auf Empfehlung von Friedel Schütte der Grönegauer Reisegruppe anschloss, um Verwandte in Hermann/Missouri zu besuchen. Nach der Rückkehr berichtete Heinrich Tappe voll von Eindrücken und Emotionen Friedel Schütte:

„Diu, dat well eck di seggen: De hät do in Hermann richtiges Platt van Hille kürt. Man scholl’t nich gleuben! Un denn to Fäote oarber de raude Brüggen in Männhätten: Junge, wat was dat doll. Hebbe mie ni ´nich vöstell’n könn’n, wick graut dat dot do in Ammericka ollens es. Un denn de Röper un ßuine Frünne: Feine Kerls, met de eck mi ridchtig gäot konnt hebbe. Bi de hebbe eck mi sicher föllt osser in Abrahams Scäote!“

Dem ist nichts hinzuzufügen außer einem Kommentar von Friedel Schütte, der als Auswanderer-Forscher zu den Gründervätern der Partnerschaft Melle-New Melle gehört und die „Pionierreise“ vor 20 Jahren leitete:

„Vielen, vielen Dank für die Zusammenstellung aller in diesem Jahr im Meller Kreisblatt aus Anlasse des 20-jährigen Bestehens der Partnerschaft Melle-New Melle erschienenen Berichte. Das ist einzigartig. So etwas war in der Sister-City-Arbeit noch nie da. Mehr geht nicht. Alles prima. Dazu die Reise nach New Melle. Ein großer Erfolg. Ihr habt olympisches Gold verdient.“

Zusammenfassend kann die Prognose gewagt werden: Diese Partnerschaft hat nicht nur Bestand, sondern Zukunft.

Meißner, Frithjof: Ursprung und Geschichte der Partnerschaft Verl – Delphos

Im letzten Jahrhundert gründete der Verler Bürger Johannes Otto Bredeick zwei Städte in Ohio, USA, zu denen der Verler Heimatverein seit einiger Zeit eine freundschaftliche Verbindung pflegt. Aber wie kam es dazu?

Im Jahre 1789, dem Jahr der Französischen Revolution, wurde Johannes Otto auf dem Bredeick’schen Hof (heute Meermeier, Lindenstraße 157) in Verl-Bornholte geboren und wuchs dort auf, kam aber schon früh in die Obhut geistlicher Herrn. Er besuchte das Gymnasium in Rietberg und wurde schließlich Pastor. Später avancierte er zum Domkapitular in Osnabrück und hätte dort in Ruhe und Frieden leben können. Doch Johannes Otto Bredeick konnte das Elend der Menschen in Westfalen und im Osnabrücker Raum nicht übersehen. Durch Missernten verhungerten damals Tausende in ganz Europa. Er war nicht bereit, die bittere Armut der Menschen als gottgegeben zu akzeptieren und suchte eine Möglichkeit, ihnen zu helfen.

Der Bischof von Osnabrück ließ Johannes Otto jedoch nicht ziehen, sondern erlaubte ihm erst viele Jahre später, seinem Bruder zu folgen, der in der Zwischenzeit zwei blühende Orte gegründet hatte: Delphos und Ottoville, zwei Städte im sogenannten Mittleren Westen, deren Bewohner noch heute sehr stolz auf ihre deutschen Wurzeln sind und die deutschen Traditionen pflegen. Auch von der westfälischen Mentalität haben sie eine Menge bewahrt, denn ganz im Gegensatz zu dem allgemeinen Mobilitätstrend in den USA sind die Leute in Delphos und Umgebung sehr bodenständig.

Als Father Bredeick dann im Jahre 1858 starb, hinterließ er nicht nur seinen Verwandten in Verl eine erkleckliche Summe Geldes, sondern legte mit seinem Nachlass den Grundstock für den Bau der heute noch ganz Delphos überragenden St. John’s Church, eines Prachtbaus, der seinesgleichen sucht.

Von alledem wussten wir bis 1993 nichts. Doch dann kam eine Besuchergruppe aus Delphos nach Verl, da sie wusste, dass ihr Stadtgründer hier geboren war. Nach ersten Kontakten mit der Familie Meermeier genannt Bredeick ergaben sich engere Bindungen, die zu regelmäßigen Besuchen in beiden Richtungen führten.

Bei dem ersten Besuch einer Verler Reisegruppe in Delphos in den Osterferien 1995 sprach John Sheeter erstmalig den Gedanken einer Städtepartnerschaft an, doch da kein offizieller Vertreter der Gemeinde da war, konnten die Teilnehmer der Gruppe Mayor Sheeter lediglich zusagen, diese Idee in Verl an zuständiger Stelle zu überbringen.

Im Herbst 1997 schließlich wurden erstmals offiziell Flaggen ausgetauscht und im März 1998 stellte die Gemeinde Delphos, Ohio einen Antrag an die Gemeinde Verl, in dem sie durch Bürgermeister John Sheeter offiziell um eine Städtepartnerschaft nachsuchte.

Am 2. November 1998 fiel dann in einer Ratssitzung die Entscheidung, den Antrag aus Ohio anzunehmen und eine Städtepartnerschaft mit Delphos einzugehen.

Die offizielle Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunden fand am 31. März 1999 anlässlich des Besuchs einer deutschen Abordnung in Delphos statt. Der Gegenbesuch unserer amerikanischen Freunde wurde für den Sommer 2000 verabredet.

Und so verbrachte ab 30. Juni 2000 eine Resiegruppe aus Delphos einige Tage im schönen Ostwestfalen. Der Besuch war ein voller Erfolg für beide Seiten. Die Gäste waren in Verl herzlich willkommen. Es gab so viele Familien, die einen oder mehrere Gäste aufnehmen wollten, dass die Organisatoren manchen auf den nächsten Besuch vertrösten mussten. Unsere amerikanischen Gäste genossen die westfälische Gemütlichkeit sehr, wie man immer wieder von ihnen hören konnte.

Die Besuche und Gegenbesuche finden seitdem regelmäßig in einem zweijährigen Turnus statt. Für alle weiteren Informationen besuchen Sie bitte die Internetseiten der Partnerschaft Verl – Delphos im Heimatverein Verl.

Niermann, Wilhelm: Geschichtliche Daten zur Gemeinde Stemwede

969Erstmalige Erwähnung der damaligen Siedlungen Levern, Destel und Wehdem. 1000-Jahr-Feiern fanden 1969 in den vorgenannten Orten statt.
1227Gründung eines Zisterzienserinnenklosters in Levern.
13. Jhdt.Grundsteinlegung der St. Marienkirche in Dielingen; Anlegung des Schlosses in Haldem durch die Bischöfe von Minden.
1368Übergang der Gerichtsbarkeit in der Freigrafschaft Stemwede auf den Bischof und das Kapitel des Bistums Minden.
1558Umwandlung des Klosters in Levern in ein freiweltliches, adeliges Damenstift.
1810Auflösung des Damenstiftes in Levern durch Napoleon.
1973Bildung der Gemeinde Stemwede im Zuge der kommunalen Gebietsneuordnung durch Zusammenschluss der aufgelösten Ämter Dielingen-Wehdem und Levern.

Laut Gemeindeordnung NRW ist eine Gemeinde in Bezirke zu gliedern, diese sind hier in Stemwede nach den alten Kirchspielen geordnet, die zur Zeit der Auswanderung bestanden. Es gab hier nur evgl.-luth. Kirchengemeinden. 

Stemwede ist im nördlichsten Bereich von NRW zu finden an der Landesgrenze zu Niedersachsen. Entfernung zum Dümmer See ca. 15 km.

Das Kirchspiel Levern besteht aus: Levern, Destel, Sundern, Twiehausen und Niedermehnen (früher wurde Niedermehnen Mehnen genannt).

Das Kirchspiel Dielingen besteht aus: Dielingen, Drohne, Haldem und Arrenkamp.

Das Kirchspiel Wehdem besteht aus: Wehdem, Westrup, Oppendorf und Oppenwehe (früher wurde Oppenwehe Oppenwehde genannt).

Ich habe also versucht, für diese vorgenannten 13 Ortschaften alle Auswanderernamen zu finden und aufzulisten.

Zurzeit habe ich über 5650 Namen in einer Computerdatei erfasst und ich gehe davon aus, dass mir noch sehr viele Namen fehlen, hauptsächlich Frauen.

Durch die Lage zur Grenze nach Niedersachsen, früher Königreich Hannover bis 1865, sind viele Personen ohne Erlaubnis ausgewandert. Ein Fußweg von einer guten halben Stunde brachte sie in den Bereich des Königreiches Hannover und niemand nahm von dem Moment an zur Kenntnis, wohin sie wollten.

Da aus diesem Bereich auch viele Personen in den Bereich Posen gezogen sind, wo der preussische Staat große Anstrengungen der Neuansiedlung ab ca. 1890 unternahm, habe ich diese Personen auch in meine Datei aufgenommen, über 500 Personen sind gelistet.

Ostkämper, Fritz: König Wilhelm Gymnasium Höxter – Auswanderungen jüdischer Schüler

Das 1867 gegründete König-Wilhelm-Gymnasium in Höxter (KWG) wurde in den gut 55 Jahren bis zum Dritten Reich von 163 jüdischen Schülern besucht, von denen nach bisheriger Kenntnis insgesamt 68 aus Deutschland auswanderten (Stand: 26.11.2013).
– Mindestens 25 von ihnen verließen (z. T. mit ihren Familien) ihre Heimat im Zuge der allgemeinen Auswanderungsbewegung v.a. Ende des 19. Jahrhunderts, um ihr Glück zumeist in den USA zu suchen.
– 45 flohen nach 1933 vor der Judenverfolgung der Nazis ins Exil nach Palästina, Südamerika, in die USA und andere Länder, die bereit waren, sie aufzunehmen, wenn sie über das notwendige Affidavit und die finanziellen Mittel verfügten. Drei von ihnen wurden von dort deportiert und in den KZs der Nazis ermordet.
Weitere Informationen unter http://www.jacob-pins.de/?article_id=498&clang=0.

Ostkämper, Fritz: Salomon Meyer – „Kaffee-Baron“ auf Jamaica und Anwerber deutscher Auswanderer

Leben und Schicksal von Abrahams Gudemanns beiden Söhnen Jacob Abraham (* 1772) und Abraham Mathias (* 1782) verbinden sich mit dem ihres wahrscheinlich in den 1790er Jahren in die USA und dann nach Jamaica ausgewanderten Onkels Salomon Meyer, dem wohl nur in Deutschland der Familienname Gudemann beigelegt wurde, während er sonst als Johann/John/Solomon M(e)yer(s) erscheint. Seine Lebensdaten sind nicht bekannt, und von seinem Neffen Abraham Mathias ist nur belegt, dass er nach Jamaica auswanderte und bei seiner Rückkehr nach Bosseborn 1827 seine Nichte Rebecca heiratete. Er starb offenbar kurz danach, worauf Rebecca 1828 mit ihrem Großonkel Salomon Meyer verheiratet wurde.

Zum Weiterlesen: http://www.jacob-pins.de/?article_id=375&clang=0

Rausch, Birgit: Amerika-Auswanderung aus dem Kreis Herford im 19. Jahrhundert

Zwischen 1820 und 1930 sind rund 6 Millionen Deutsche aus allen Regionen Deutschlands in die USA ausgewandert. Auch aus dem Ravensberger Land, d. i. die Region zwischen Bielefeld und Minden, sind Tausende von Menschen ausgewandert, davon ca. 90 % nach Nordamerika und nur wenige in andere Länder. Für den Kreis Herford kann eine Zahl von ca. 10.000 Menschen geschätzt werden, das ist ungefähr soviel, wie die Stadt Herford im Jahr 1865 an Einwohnern hatte, und ungefähr 1/7 der Gesamtbevölkerung des Kreises in demselben Jahr.

Die Gründe für die Auswanderung waren in erster Linie wirtschaftlicher Art. Die bäuerliche Unterschicht des Ravensberger Landes, die sogenannten Heuerlinge, hatten durch Spinnen und Weben im Winter ihr Geld verdient, was ihnen im 19. Jahrhundert durch die Konkurrenz der englischen Maschinenspinnerei und -weberei unmöglich wurde. Einem Verfall der Löhne stand ein gleichzeitiger Anstieg der Lebensmittelpreise gegenüber, der durch mehrere aufeinanderfolgende Mißernten während der 40er Jahre verursacht war. Die Armut veranlaßte zunächst nur wenige Leute ab 1820 zur Auswanderung, wobei anfangs auch Ziele wie das heutige Ruhrgebiet oder das Fürstentum Lippe, die ja damals auch zum Ausland zählten, bevorzugt wurden. Nur wenige besonders Mutige wagten den Sprung über den Atlantik in ein völlig unbekanntes Leben. Aber schon bald schwoll die Auswanderungsbewegung lawinenartig an und erreichte im Jahr 1853 ihren absoluten Höhepunkt.

Der Auswanderungsvorgang selbst lief folgendermaßen ab: Der Auswanderungswillige Familienvater oder auch Einzelauswanderer ging zum Amtmann, das war im preußischen Staat die Verwaltungsebene über den Gemeinden, und beantragte, wie es genannt wurde, „die Entlassung aus dem Preußischen Untertanenverbande“. Der Amtmann notierte sich den Namen und die Daten der auswanderungswilligen Personen und nahm Stellung zu dem Antrag, insbesondere zur Militärpflichtigkeit der jüngeren Männer und ob eventuell Schulden vorhanden waren, deren Bezahlung man durch Flucht zu entkommen suchte. Er reichte dann den Antrag weiter an den Landrat in Herford, der wiederum den Vorgang an die Regierung in Minden schickte, wo dann die Entlassungsurkunde ausgefertigt und über denselben Dienstweg zurück an den Amtmann geschickt wurde, der sie dann dem Antragsteller nach Zahlung der üblichen Gebühren überreichte. Damit war der Weg zur legalen Auswanderung frei. Die Familie oder der Einzelauswanderer verkaufte alles, was nicht mitgenommen werden konnte, auch um das Geld zur Überfahrt zusammen zu bekommen, lieh sich vielleicht den Rest des Geldes für die Fahrtkosten bei Verwandten, und trat zunächst den Weg nach Bremen oder Hamburg per Weserschiff, später auch per Eisenbahn an.

Außer der legalen Auswanderung, wie ich sie soeben beschrieben habe, gab es natürlich auch eine hohe Zahl von illegalen Auswanderungen. Leute verschwanden einfach über Nacht, aus den verschiedensten Gründen. Viele junge Männer versuchten dem harten preußischen Militärdienst durch Auswanderung zu entgehen, wofür dann oft die zurückgebliebene Familie mit Geldbußen gestraft wurde. Manchmal wollte man auch vielleicht auch nur das Geld für die Gebühren sparen, die die Behörden für die Entlassungsurkunde verlangten.

In einigen Fällen wurden sogar arme Menschen oder Kriminelle, die der Gemeindekasse zur Last fielen, auf Kosten der Gemeinde nach Amerika geschickt und vom Gemeindepolizisten bis zum Schiff nach Bremen begleitet, damit sie auch bestimmt weg waren.

Man kann sich kaum vorstellen, wie verzweifelt Menschen gewesen sein müssen, die diesen Schritt wagten. Der normale Ravensberger Einwohner war zeit seines Lebens kaum aus seinem Dorf herausgekommen und kannte nur die Gegenden, die er zu Fuß erreichen konnte, wenn er nicht durch den Militärdienst in andere Länder gekommen war. In der Regel war die Auswanderung ein endgültiger Vorgang, denn nur wenige hatten die Aussicht, jemals wieder zurückzukommen. Das bedeutete oft den Abschied von Menschen, die nicht mitkommen konnten oder wollten, und von der Heimat, in der man sich auskannte. Vor den Menschen lag eine mehr als ungewisse Zukunft, eine gefährliche Schiffsreise über den Ozean, die viele nicht überlebten, und ein manchmal ebenso gefährliches Leben in der Neuen Welt; so forderten z. B. Indianerüberfälle oder Krankheiten wie die Cholera viele Menschenleben.

Da natürlich auch kaum einer der Auswanderer auch nur ein Wort Englisch sprach, ist es nur logisch, dass viele Auswanderer nach ihrer Ankunft in New York oder in New Orleans nicht irgendwohin reisten, sondern dorthin, wo sich schon Freunde, Nachbarn oder Verwandte angesiedelt hatten, die ihre Sprache sprachen und bei denen sie zunächst unterkommen konnten. Auf diese Weise entstanden viele neue „deutsche“ Ansiedlungen mit Namen, die oft die Herkunft der Auswanderer verrieten, wie z. B. New Paderborn, New Melle oder Hermann, wo sich Lipper aus der Gegend von Detmold niedergelassen hatten. In Quincy am Mississippi fanden sich viele Auswanderer aus Herford und Umgebung, vor allem aus Elverdissen, zusammen, gründeten dort eine eigene Kirchengemeinde, St. Jakobi, mit einem Pastor aus Valdorf. Noch heute finden sich bekannte Namen aus der hiesigen Gegend in Telefonbuch von Quincy wieder.

Obwohl viele Auswanderer in den Städten wie Quincy, St. Louis oder Chicago „hängen blieben“, war es doch das Ziel der meisten, eine eigene Farm zu erwerben. Die amerikanische Regierung stellte für wenig Geld Land zur Verfügung, das aber unter unvorstellbaren Mühen erst urbar gemacht werden mußte. Eine solche Familie lebte anfangs oft in einem Erdloch, bis man Zeit fand, sich eine Blockhütte zu bauen, in der meist auch das Vieh mit untergebracht war. Unwetterkatastrophen und wie schon erwähnt, Krankheiten oder Überfälle der Indianer, denen das Land weggenommen worden war, stellten ein ständiges Risiko dar. Trotz allen Mühen lohnte sich für die meisten schließlich die Reise nach Amerika, denn an harte Arbeit war man gewöhnt. Während man hier, in der Heimat, sich dabei kaum ernähren konnte, schafften es viele, sich eine neue Existenz und einen für damalige Verhältnisse ordentlichen Wohlstand zu erarbeiten, was bedeutete, jeden Tag genug zu essen zu haben, und das war mehr, als die alte Heimat ihnen bieten konnte.

Rodewald, Alfred: Tonquelle zur Niederdeutschen Sprache der deutschen Auswanderer

Diese Tonquelle enthält das „Vaterunser“ („Lord‘s Prayer“), gesprochen von Pastor (Reverend) Alfred Rodewald wechselweise in Englisch und Niederdeutsch.

Alfred Rodewald wurde 1925 in Illinois geboren. Seine Vorfahren stammten aus Rodewald bei Hannover. Er war viele Jahre Minister der Lutheran Church in Concordia/ Missouri und spricht fließend die niederdeutsche Sprache (Low German).

Alfred Rodewald – Tonquelle Niederdeutsche Sprache

Rosenkötter, Michael: Erste Erfahrungen mit der Datenbank von castlegarden.org

Eine Bemerkung vorweg: Die Datenbank ist sehr hilfreich und tut insgesamt gute Dienste bei der Suche nach Auswanderern, kann man doch hier online bequem von zu Hause aus recherchieren.

Aber: Es gibt offensichtlich einige Mängel. Oder habe ich nur zufällig Fehler entdeckt?

Mein Ausgangspunkt war die Suche nach Auswanderern der Familie Rosenkötter. Ich habe keine neuen, mir unbekannte Daten gefunden. Allerdings war ich bei anderen Namen sehr erfolgreich.

Daraufhin versuche ich, die kompletten Schiffslisten herauszufiltern: Man muss ein bisschen tricksen, um die Listen vollständig zu bekommen. Ich gehe wie folgt vor:
1. Suche nach einem bestimmten Familiennamen
2. Nachdem das Ergebnis vorliegt, erweitern sich die Auswahl- bzw. Suchmöglichkeiten.
3. Nun gebe ich bei „Nachnamen“ ein Sternchen ein, um alle Passagiere zu suchen, bei „Schiff“ gebe ich den Namen des Schiffes ein und begrenze den Zeitraum auf ein Jahr.
4. Ein Klick, eine längere Wartezeit und ich erhalte die Liste der Passagiere des gesuchten Schiffes.

Meine erste Suche führt mich zum Schiff „Louisiana“: Ich weiß, dass auf diesem Schiff, welches am 23. Oktober 1850 in New Orleans anlegt, eine Familie Rosenkötter ausgewandert ist und dazu noch fast einhundert weitere Personen aus dem Kreis Herford. Als Kontrolle dient mir eine Kopie der Schiffsliste, die ich mir aus Oldenburg bei der DAUSA besorgt habe. Meine erste Überraschung: Die Schiffsliste von castlegarden.org umfasst 168 Namen; die Originalliste aber 221. Eine genauere Analyse fördert 3 Doppelnennungen bei castlegarden.org und 56 Passagiere werden nicht erwähnt. Auf der Liste von castlegarden.org sind – bis auf einen – alle Passagiere aus „Preussen“ gelistet, ein paar aus Hannover und der Schweiz. Passagiere aus Bayern, Hessen-Darmstadt, Kurhessen, Braunschweig, Oldenburg, Sachsen, Mecklenburg, USA, Baden, Nassau, Böhmen und Ungarn werden verschwiegen.

Anhand meiner Originalliste suche ich stichprobenartig die nicht aufgeführten Personen. Ich wähle solche Namen, die eindeutig zu lesen sind: auch die Einzelsuche bei castlegarden.org bestätigt, diese Passagiere sind tatsächlich nicht in der Datenbank. Irritierend ist, dass offensichtlich gezielt diese Personen ausgeschlossen wurden und nicht etwa aus Versehen eine Seite oder ein Abschnitt ausgelassen wurde. Warum?

Neben dieser doch sehr großen Lücke – ein Viertel der Passagiere sind unterschlagen worden – finden sich Fehler in der Transkription; einige davon verzeihlich, andere sicherlich nicht, da die Namen eindeutig und klar zu lesen sind. Und natürlich gehen auch wieder Tote an Land, obwohl die Liste eindeutig ausweist: „died on the passage“.

Neugierig geworden, sehe ich mir das Ergebnis für das Schiff „General Veazie“, das am 8. November 1843 in New Orleans ankommt. Laut meiner Kopie befinden sich auf dem Schiff 178 Passagiere aus Thüringen, Westfalen, Niedersachsen, den USA, Schleswig-Holstein und Bremen. castlegarden.org führt auf der Liste der „General Paez“ – so heißt hier das Schiff – 174 Passagiere auf; die drei Personen aus New Orleans werden nicht aufgeführt und eigentümlicherweise fehlt auch ein Passagier aus Thüringen.

Auch hier – natürlich – die üblichen Transkriptionsfehler.

Ein dritter Versuch: die „D. H. Wätjen“ legt am 25. November 1857 in New Orleans an. Die Liste der Passagiere wurde bereits von der Immigrant Ship Transcribers Guild im Internet veröffentlicht. 555 Passagiere waren dieser Liste zufolge an Bord des Schiffes; castlegarden.org fehlen fast ein Zehntel: 45 Personen. Von den 555 Passagieren sind 16 US-Bürger bzw. haben ihren Wohnort in den USA. Es bleibt also mindestens ein Schwund von 29 Passagieren. Vielleicht hat man die auf der Passage gestorbenen Passagiere nicht aufgeführt: also minus 13. Es bleiben 16 Passagiere, die sich in Luft aufgelöst haben. Eine genaue Kontrolle der Listen habe ich hier nicht gemacht.

Drei Versuche – das Ergebnis: von insgesamt 954 Passagieren fehlen 108, d. h. 11,3 Prozent! Ein Zufall?

Woher stammen die Daten? castlegarden.org gibt an, dass die Daten von den Originallisten abgeschrieben wurden. Wann? Durch wen? Haben sich hier neue Fehler eingeschlichen oder wurden alte Listen für die Datenbank verwendet?

Nachtrag:

Ich mache noch einen Versuch, und nehme mir das Schiff „Elbe“ vor. Antonius Holtmann hatte diesen Fall schon einmal bearbeitet und veröffentlicht (http://www.uni-oldenburg.de/nausa/passf.htm; NAMP, M 237, R 507, 22. Juni 1887, Bremen – New York; GF 54, 397f.). Von 444 Passagieren hatten Glazier/Filby nur 252 berücksichtigt. Bei castlegarden.org ist der Schwund nicht ganz so hoch: hier sind 301 Passagiere aufgeführt. Was ist mit den 143 nicht aufgeführten Passagieren?

Rosenkötter, Michael: Joseph Kümper – gottesfürchtiger Priester, gläubiger Lehrer und geschickter Zimmermann

Pfarrer Joseph Kümper wird als »Bürger des 20. Jahrhunderts« von Carroll County in Iowa, USA gesehen. Kein anderer hat einen so großen Einfluss in dieser Gegend gehabt wie der Pionier, Pfarrer und Bauernsohn aus Ibbenbüren: das heutige Gesundheits- und Erziehungswesen und das Gemeindeleben in Carroll County sind ohne ihn undenkbar. Er war der Begründer von St. Anthony’s Regional Hospital in der Stadt Carroll. Zuvor hatte er drei katholische Gemeinden ins Leben gerufen: St. Francis in Maple River, Holy Family in Lidderdale und St. Lawrence in Carroll.

Der Bauernsohn Joseph Kümper aus Ibbenbüren wird Pfarrer und Lehrer in Iowa, USA

Über seine Zeit in Deutschland ist nicht viel bekannt: Joseph Bernhard Kümper wurde am 22. März 1856 in Ibbenbüren als Sohn des Bauern Herman Kümper und seiner Frau Maria Anna Wessels geboren. Seine Mutter starb, als Joseph 14 Jahre alt war, und sein Vater fünf Jahre darauf, 1874. Joseph hatte seine grundlegende Ausbildung an einer katholischen Gemeindeschule erhalten und wurde später in den klassischen Wissenschaften unterrichtet. Um 1875 herum studierte er für ein Jahr an der Universität in Löwen (Louvain) in Belgien. Als Joseph Kümper 20 Jahre alt ist, wandert er von Deutschland nach Amerika aus. Am 22. Juli 1876 kommt er an Bord des Schiffes Britannic in New York an. Er setzte sein Studium in Montreal in Kanada fort. Danach ging er nach Milwaukee, Wisconsin, wo er 1879 am St. Francis Seminary sein Universitätsexamen ablegte. Noch im selben Jahr wurde er zum Priester der katholischen Kirche geweiht und nahm eine Latein-Professur am Dubuque College (dem heutige Loras College) in Iowa an. Zusammen mit Priestern aus Deutschland und Irland unterrichtete er vorwiegend irische Studenten. Zwischenzeitlich übernahm er als Pfarrer die Gemeinde St. Mary’s in Dubuque. Im September 1887 übernahm er das Pastorat in Centralia, Dubuque County, und vier Jahre danach wurde er nach Sherill, ebenfalls Dubuque County, versetzt.

Saint Raphael’s Cathedral in Dubuque, die zwischen 1833 und 1861 genutzt wurde. Das Gebäude im Hintergrund war der Wohnsitz des Bischofs und der erste Sitz von Loras College.
Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Image:OldDubuqueCathedral.jpg

Joseph Kümper, ein Kirchengründer in der Neuen Welt

Da Pfarrer Joseph Kümper sein eigenes Pferdegespann und einen Wagen besaß, half er tatkräftig bei dem Bau der Schule und der Kirche St. Francis in Upper Balltown mit, nördlich von Sherrill auf einer Anhöhe am Mississippi gelegen. Er zeigte hier wie auch später sein Talent als Zimmermann.

Im September 1901 kam er nach Carroll (Carroll County, Iowa) und betreute die Saints Peter and Paul’s Kirche. Dieser Gemeinde gehörten mehr als 300 Familien an. Sie war 1885 für die Deutsch sprechende Gemeinde gegründet worden. Gleich nach seiner Ankunft verdoppelte Pfarrer Kümper die Kapazität der Schule und vergrößerte das Pfarrhaus.

Im Frühjahr 1904 entschlossen sich die Katholiken von Maple River, westlich der Stadt Carroll gelegen, ihre eigene Gemeinde zu gründen. Das Treffen fand in der Township Schule statt. Pfarrer Joseph Kümper war bei dieser ersten Versammlung dabei. Auf dem zweiten Treffen entschloss man sich zum Bau einer Gemeindeschule, eines Schwestern­heimes und einer Kapelle (St. Francis of Assisi). Da es in den ersten Jahren noch kein eigenes Pfarr­heim gab, war es Pfarrer Kümper, der zu Fuß entlang der Bahnlinie nach Maple River ging und die Messe las. Zwischen 1904 und 1908 hatte er die Aufsicht über diese Gemeinde.

Im Frühjahr 1914 kam man auf Pfarrer Kümper zu, um ihn für die Unterstützung für den Bau eines Gebäudes, welches eine Schule und Kirche beherbergen sollte, zu bitten. Die 42 Mitglieder der neuen Holy Family Gemeinde von Lidderdale, nordöstlich von Carroll gelegen, kamen aus acht, vorwiegend deutschen Familien. Das zweistöckige Gebäude wurde am Thanks­giving Day 1914 eingeweiht.

Im April 1915 wurde die Gemeinde Saint Lawrence eingegliedert. Es war Joseph Kümper, der fünf Acres Land nordwestlich von Carroll kaufte. Im Dezember 1916 konnte Pfarrer Kümper die erste Messe in der neuen Kirche feiern. Das Kirchengebäude bot auch Platz für die Gemeindehalle im Erdgeschoss und mehrere Klassenräume und Schwesternunterkünfte im zweiten Stock.

Joseph Kümper als Lehrer und Schulbegründer

Pfarrer Kümper war nicht nur Priester sondern auch Lehrer. Er beherrschte fünf Sprachen fließend. Und da er aus eigener Erfahrung den Wert einer guten Ausbildung kannte, setzte er sich für die Gründung von Schulen ein. Pfarrer Kümper gründete 1908 eine weiterführende Hauswirtschaftsschule für Mädchen: St. Angela Academy. Dies war die erste Einrichtung dieser Art westlich des Mississippi. Dies war auch die erste Schule in der Diözese Sioux City, die Schülerinnen über die Pfarrgrenzen hinweg aufnahm.

Zwischen 1918 und 1923 entwickelte Pfarrer Kümper Pläne für den Bau einer Katholischen High School für Jungen. Doch obwohl der Baugrund bereits gekauft wor­den war, wurden die Pläne nie umgesetzt.

In den späten 1950er Jahren wurde die Schule auch für Jungen geöffnet und in Kuemper Catholic High School unbenannt.

St. Anthony’s Regional Hospital

Das Regionalkrankenhaus und Pflegeheim in Carroll, St. Anthony’s, wurde 1905 durch Pfarrer Joseph Kümper gegründet. Er reaktivierte Verbindungen, die er 25 Jahre zuvor geknüpft hatte: er vertraute auf die Zusammenarbeit mit den Franziskaner-Schwestern von La Crosse, Wisconsin.

2.000 Bürger begleiteten Joseph Kümper auf seiner letzten Reise

Am 14. September 1923 verstarb Joseph Kümper im Alter von 68 Jahren. 2.000 Leute waren bei seiner Beerdigung anwesend; Carroll hatte zu jener Zeit 4.000 Einwohner. In einer Lobrede damals hieß es: „Bürger von Carroll, ohne Rücksicht auf eure Glaubensrichtung, anerkennt den Wert seiner (Joseph Kümpers) Dienste für diese Stadt und nehmt teil an der Trauerfeier der katholischen Mitbürger. Die Gebäude, die er half zu errichten, werden bleibende Denkmale seines Gedenkens sein und der Einfluss seines uneigennützigen Lebens und beispielhaften Lehrens werden überdauern. Die Gemeinde ist gesegnet durch seine Schaffenskraft.“

Auch die Geschwister von Joseph Kümper wanderten aus

Die Geschwister von Joseph Kümper sind ebenfalls in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Seine Schwester Lizzie zog nach Oklahoma, wo sie mit Anthony Welchers verheiratet war; sein Bruder Herman ging nach Minnesota; Gerhard nach Canada; Marie ist Haushälterin ihres Bruders Joseph. Bernhard Heinrich Kümper diente zehn Jahre in der Amerikanischen Navy und nahm an der Schlacht von Manila unter Admiral Dewey teil; danach lebte er in Canada.

Quellen:

History of Carroll County Iowa: A Record of Settlement, Organization, Progress and Achievement, Volume II. The S. J. Clarke Publishing Company: Chicago, 1912.

Father Kuemper – holy priest, faithful teacher, skilled carpenter (http://kuemper.pvt.k12.ia.us/kcgs/father_kuemper.htm)

Father Kuemper was leader in Carroll County Catholic education; Foto und Autograph von Joseph Kümper (http://www.catholicglobe.org/archive/2004/0604/17/stories/story6.htm)

Rosenkötter, Michael: Schlegels German American Families

Carl W. Schlegel, Schlegel‘s American Families of German Ancestry in the United States, ursprünglich herausgegeben von The American Historical Society, New York 1916ff. Erste Auflage: 200 Exemplare. Reprint: Genealogical Publishing Co., Inc., Baltimore 2003

Dies ist der Neudruck einer der größten Sammlungen deutsch-amerikanischer Genealogien; ein Kompendium von Familiengeschichten und Biographien, das nur wenigen bekannt sein dürfte. Die ersten drei Bände wurden zwischen 1916 und 1918 herausgegeben, der vierte Band erschien 1926.

Carl W. Schlegel stellt nicht nur die Geschichte der Familien beginnend mit den ersten Einwanderern dar, sondern geht meist zwei oder drei Generationen zurück; er verfolgt den Ursprung der Familiennamen und die Geschichte der Familien in den deutschsprachigen Ländern. Die Artikel beinhalten meist Portraits einzelner Personen. Dabei beschränkt sich Schlegel nicht auf die bloße Wiedergabe der Geburts-, Heirats- und Sterbedaten, sondern berichtet über die Ausbildung, den Werdegang, die Errungenschaften und das Leben verschiedener Familienmitglieder. Meist werden die ersten 4 bis 5 Generationen der Familie in den USA aufgezeigt. Schwerpunkt ist New York.

Die Bücher können einfach über die örtlichen Büchereien (per Fernleihe) ausgeliehen werden.

Die nachfolgenden Aufstellungen (sortiert nach Namen bzw. Ortsangaben) wurden von Michael Rosenkötter erstellt – möglicherweise nicht immer ganz fehlerfrei.

Schütte, Friedrich: „DAUSA“ und die niedersächsisch-westfälische Auswandererforschung im Osnabrücker Land

In Osnabrück und im benachbarten Oldenburger Münsterland hat nach dem Zweiten Weltkrieg die zentrale und wissenschaftlich fundierte Forschung nach dem Schicksal mehrerer hunderttausend Amerikaauswanderer des 19. Jahrhunderts offenbar früher begonnen als in Westfalen. Und: Trotz eines damals gleich schweren, politischen und wirtschaftlichen Schicksals der notleidenden Bevölkerung dieser beiden geographisch, mitmenschlich und religiös zusammenhängenden Großregionen gab es bis in die Gegenwart hinein eine grenzübergreifende, systematische Zusammenarbeit professioneller und privaten Forscher eher nur bei Sonderprojekten und in Einzelfällen: Die Landesgrenze zwischen den Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wirkt seit dem Zweiten Weltkrieg wie eine Sperrmauer!

Dabei ist die Auswanderungsdichte im Osnabrücker und Südoldenburger Land zwischen 1830 und 1900 mindestens ebenso stark gewesen wie im benachbarten Nord-Münsterland und im Ostwestfälischen:

Professor Dr. Antonius Holtmann von der Universität Oldenburg schätzt die Zahl aller Amerikafahrer innerhalb des heutigen Bundeslandes Niedersachsen vorsichtig auf 400.000, Schwerpunkt: Der „Leineweber-Gürtel“ rund um Osnabrück, Dümmersee-Gebiet und Südoldenburg. Wie in Westfalen und Lippe, seien es hier vor allem auch die Spinner, Weber und Heuerlinge gewesen, die ab 1830 aus bitterer Existenznot heraus ihr Glück in Übersee gesucht und dort ihre „Little Gemanies“ gebildet hätten.

64mal „Neu Hannover“ in Amerika!

Osnabrücker und Oldenburger gehörten damals zum Königreich Hannover, und zu Ehren ihres Heimatlandes gründeten sie in den U.S.A. nicht weniger als 64mal „Neu Hannover“. Dabei stehen Pennsylvania mit 18 und Ohio mit sechs Städten und Dörfern namens Hannover an der Spitze.

Seit 1986 hat Professor Holtmann die Gründe und Auswirkungen der Massen-Emigration nach den U.S.A. zu seinem Schwerpunktthema gemacht. Seit 1990 sind Holtmann und seine Mitarbeiter in der Forschungsstelle „Deutsche Auswanderer in den USA“ (DAUSA) in der Lage, in- und ausländischen „Roots“-Suchenden Einblick in Passagierlisten (1800-1897) und in Kirchenbücher evangelischer Gemeinden zu verschaffen. In Cincinnati z. B. haben sich viele Emigranten aus dem deutschen Nordwesten niedergelassen, im Südosten von Indiana vor allem Lutheraner aus dem Osnabrücker Land, in Oldenburg/Indiana Katholiken aus dem Oldenburger Münsterland und in Scribner/Nebraska („New Oldenburg“) Lutherische aus dem Umfeld der Stadt Oldenburg (um 1870).

Passagierlisten als Namensquellen

Seit 1990 werden bei der DAUSA, einer Einrichtung des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Oldenburg, 1.586 Rollen Mikrofilm mit erhalten gebliebenen Passagierlisten von Seglern und Dampfern aus Europa aufbewahrt, auf denen auch unzählige Westfalen und Lipper die „Neue Welt“ registriert sind (1800-1897). Und:

Dank der Initiative von Antonius Holtmann sind die Kirchenbücher vieler dortiger deutscher Gemeinden auf Mikrofilm aufgenommen worden. Sie stehen Interessenten in der DAUSA zur Verfügung. Genealogische und biographische Nachforschungen in den verfügbaren Beständen der DAUSA werden für einen Unkostenbeitrag übernommen. Wer jedoch selbst sucht, sucht kostenlos!

Oldenburger reisten früher als Westfalen

Beim Vergleich der Auswanderungsströme von Niedersachsen und Westfalen nach U.S.A. gibt es viele Parallelen und Gemeinsamkeiten, vor allem im Bereich der Landesgrenze zwischen Osnabrück und dem Dümmersee. Vom Zeitablauf her besteht jedoch ein kleiner Unterschied:

Der Zug nach Amerika hat im Bereich Südoldenburg und Osnabrücker Land mindestens ein bis zwei Jahre vor den ersten westfälischen Trecks aus dem Kreise Tecklenburg begonnen. Doch auch im Oldenburgischen und Osnabrückischen waren es, wie in Westfalen und Lippe, zuerst einige wenige Männer, die als „Scouts“ voraus reisten und für ihre nachfolgenden Landsleute in der Fremde den Weg in eine neue Heimat erkundeten.

Wie und was sie als Kundschafter von dort nach Haus schrieben, hatte auf ihre Familien und Dörfer daheim entscheidenden Einfluss. Man kann ohne Übertreibung behaupten: Erst dadurch kam die Kettenauswanderung richtig in Gang!

Wegbereiter um 1830: Franz-Josef Stallo

Das Oldenburger Münsterland hat einen solchen „Vorzeige-Pionier“, der schon ungewöhnlich früh für sich und seine Landsleute eigenständig einen Weg in die unbekannte „Neue Welt“ suchte und fand: Den katholischen Buchbinder Franz-Josef Stallo (1793 -1833) aus Damme am Dümmersee.

Stallo war am 22. Juni 1831 nach zweimonatiger Seereise allein mit seinen vier Kindern in New York eingetroffen und per Kanalboot über die Großen Seen bzw. mit Pferd und Wagen und zu Fuß nach Cincinnati gereist. Dieser mutige „Scout“ hat dort vor allem Südoldenburger Katholiken um sich geschart und im Jahre 1832 etwa 160 km nördlich Cincinnati in den sumpfigen Urwald hinein die Siedlung „Stallotown“ (seit 1836 „Minster“) gebaut.

Schon ein Jahr darauf meldeten Heinrich Ronnebaum und Heinrich Plaspohl aus Damme, wie Professor Holtmann herausgefunden hat, ihr „Oldenburg“ in Indiana (100 km westlich von Cincinnati) als Wohnort an. Dem folgte 1839 das gemeinsam von Osnabrückern und Westfalen gegründete „Teutopolis“.

Lahmeiers „Lied aus Amerika“ mobilierte deutsche Behörden

Ein ganz außergewöhnlicher Pionier war Franz Lahmeier aus Ostercappeln. Lahmeier hatte im Oktober 1832 Baltimore erreicht. Er war Drechslergeselle von Beruf und „concessioniert gewesener Zahnauszieher“, wie später entstandene Polizeiakten der Landdrostei Osnabrück melden.

Lahmeiers Anfang 1833 in Baltimore gedruckte und schon im folgenden Frühjahr in der Heimat verbreitete „Schmähschrift“ hat die Behörden zwischen Bremen und Münster, von der Ems bis an die Weser, in helle Aufregung versetzt. Sie enthält nämlich ein von Hand zu Hand weitergereichtes, 49-strophiges „Lied aus Amerika“, worin die heimatliche Obrigkeit verhöhnt, das freiheitliche Leben in Amerika hingegen verherrlicht wird.

Das literarisch zwar holprige, in Westfalen und Niedersachsen damals gleichwohl sehr populäre Schmähgedicht auf die drückenden politisch Verhältnisse sowie die große wirtschaftliche und soziale Not in der Heimat beginnt so:

„Heil Dir Columbus, sei gepriesen,
Sei hochgelobt in Ewigkeit.
Du hast uns einen Weg gewiesen,
Der uns aus harter Dienstbarkeit
Erretten kann, wenn man es wagt
Und seinem Vaterland entsagt.“

Niedersächsischer Top-Chronist: Johann Heinrich zur Oeveste

Ein Zeitgenosse des Auswandererpioniers Franz-Josef Stallo aus Damme war der Lutheraner Johann Heinrich zur Oeveste (1801-1878) aus Rieste bei Osnabrück.

Zur Oeveste hatte Mitte Mai 1834 Baltimore erreicht und war einige Wochen später in Cincinnati, wo er sich an der Gründung der Norddeutschen Lutherischen Kirche beteiligte. Diese wurde im Volksmund auch die „Plattdeutsche“ und „Osnabrücker Kirche“ genannt.

Heinrich Zur Oeste gilt als einer der Gründungsväter der „Vereinigten Evangelischen Lutherischen und Reformierten St. Johannes Gemeinde am White Creek“. Ab 1849 nannte sich diese Gemeinschaft dann „Deutsche Evangelisch-Lutherische St. Johannes Gemeinde am White Creek“.

Das ganz Außergewöhnliche: Seit 1847 wurden hier Reformierte aus dem Tecklenburger Land, ferner Unierte aus dem Ostwestfälischen nicht mehr zum Heiligen Abendmahl zugelassen!

Professor Holtmann entdecke mehr als 30 Briefe, die der strenge lutherische Kirchen-Pionier Zur Oeveste an seine Eltern und Verwandten zu Haus schrieb. So war es möglich, dessen amerikanischen Lebensweg nahezu lückenlos nachzuvollziehen. Zugleich gelten diese Briefe bei der DAUSA als Musterbeispiel für eine sich über Jahrzehnte erstreckende, realistische Beschreibung damaliger Verhältnisse in einem Hauptzielgebiet deutscher Amerikafahrer.

Zur Oevestes Briefe: Gegenstück zu Westfalens US-Post von „Jette“ Bruns

Die „Korrespondenz Zur Oeveste“ stellt sozusagen das „evangelische“ Gegenstück zu jenen vielen hundert Briefen dar, die die katholische Emigrantin und Arztfrau Henriette (Jette) Bruns aus Oelde Westfalen zwischen 1836 und 1890 von Westphalia und Jefferson City (Missouri) aus ihrem geliebten Bruder Heinrich Geisberg nach Münster schrieb und die der Nestor der westfälischen Auswandererforschung nach dem Zweiten Weltkrieg in den U.S.A., Professor Dr. Adolf Schroeder, in seinem bewegenden Buch „Hold Dear, As Always, Jette“ zum größten Teil veröffentlicht hat.

Wer mehr über die Beschreibungen des Osnabrücker US-Heroes Johann Heinrich zur Oeveste und darüber hinaus über die Ketten-Wanderung im 19. Jahrhundert aus dem Osnabrücker und Oldenburger Land nach den U.S.A. wissen möchte, wendet sich an die http://www.dausa.de/.

Niedersachsen fanden auch Briefe aus dem westfälischen Ochtrup

Auf den Internet-Seiten der DAUSA (www.dausa.de) gibt es viele Informationen, auch die vollständige eingeleitete, kommentierte und bebilderte Veröffentlichung der Briefe des Johann Heinrich zur Oeveste (www.uni-oldenburg.de/nausa/buchf.htm), dazu den Hinweis auf die Edition der Briefe (1853) des westfälischen Auswanderers Heinrich Brandes aus dem früheren westmünsterländer Textilzentrum Ochtrup („Für Gans America Gehe ich nich Wieder Bei die Solldaten…“). Diese Briefe gibt es gedruckt im Buchhandel (Verlag Edition Temmen, Bremen).

Aus der Arbeit der Forschungsstelle ist das Unternehmen „Roots to the Roots“ hervorgegangen. Dieses organisiert kulturhistorische Konzepte, wissenschaftliche und touristische Dienstleistungen sowie Studienreisen für amerikanische Besucher wie auch deutsche Reisegruppen auf den Spuren der Amerikaauswanderer nach den USA: http://www.routes.de/.

Schütte, Friedrich: 17 westfälische Städte und Gemeinden mit „Twins“ in den Vereinigten Staaten

17 Städte und Gemeinden in Westfalen und Lippe haben nach dem Zweiten Weltkrieg und andauernd bis heute 19 Partnerschaften mit Orten in den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossen. Die überwiegende Zahl dieser Sister-City-Verbindungen entstand zwischen 1960 und 1990. Anlass waren in den meisten Fällen private Kontakte von Bürgern hüben und drüben, wobei sehr oft die „Roots“ eine entscheidende Rolle spielten.

Mindestens 300.000 Westfalen und Lipper trugen im 19. Jahrhundert als Einwanderer zum Aufbau der „Neue Welt“ bei und drückten Hunderten von „Little Germanies“ für viele Jahrzehnte ethnologisch und kulturell ihren Stempel auf.

Bei der Suche nach eingewanderten Vorfahren aus Westfalen kamen nach dem Krieg immer mehr Amerikaner nach Deutschland, um vor Ort ihre „Roots“, die Herkunft der ausgewanderten Vorfahren, zu erkunden. Vor allem wollten sie wissen, warum ihre Ahnen eine so schöne Heimat meist auf Nimmerwiedersehen Richtung „Neue Welt“ verlassen hatten.

So entdeckten und entdecken bis heute Millionen Amerikaner in Westfalen alte, in zwei Weltkriegen verschüttete Verwandtschaften.

Man bedenke: Binnen 70 Jahren, von 1830 bis 1900, haben 7 Millionen deutschsprachige Europäer ihre Heimat aus Not verlassen und sich in den U.S.A. angesiedelt. Darunter mindestens 300.000 Westfalen und Lipper. Das war, zumindest auf Westfalen bezogen, die größte Völkerwanderung aller Zeiten in unserer Heimat!

Und sie (die Westfalen) zogen anfangs schwerpunktmäßig und in Dorfgemeinschaften oder Konfessionsgemeinschaften in den Mittleren Westen; an die Großen Seen bis hinunter nach St. Louis, nach Ohio, Wisconsin, Iowa, Illinois, Missouri oder gar Texas. Wo sie ihre „Little Westphalians“, ihre „Klein-Westfalen-Dörfer“ gründeten und überwiegend weiter das vertraute westfälische Platt sprachen. Bis an die Schwelle zum 21. Jahrhunderts. Siedlungen, die oft den Namen des Heimatortes bekamen. Oder der nächsten größeren Ortschaft ihrer alten Heimat.

Den Namen der früheren Regierungshauptstadt Minden gibt es in den U.S.A. gleich achtmal, dazu Minster (Münster), Paderborn, Cappeln (Westerkappeln), Detmold und New Melle (Melle) sowie Glandorf und Schaumburg im niedersächsischen Grenzgebiet zu Westfalen.

US-Städte wie Westphalia und (zweimal) Hermann weisen eindeutig auf die Herkunft ihrer Gründer.

Beim amerikanischen Generalkonsulat in Düsseldorf sind derzeit 17 verschiedene Partnerschaften zwischen Städten/Gemeinden in Westfalen und den U.S.A., Schwerpunkt Mittlerer Westen, registriert. Eine 18. Partnerschaft (Löhne – Columbus, IN) sowie eine 19. (Rödinghausen – Pemberville OH) fügen wir hinzu, außerdem drei „Sister-Cities“ aus dem unmittelbaren Grenzgebiet NRW-Niedersachsen, weil diese stark nach Westfalen hineinwirken.

20 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auf Anregung der damaligen amerikanischen Regierung „Sister-Cities International“ gegründet. Zweck: Die Menschen der in zwei Weltriegen verfeindeten, verwandten Völker einander wieder näher zu bringen und sich politisch, kulturell und mitmenschlich auszutauschen.

Dieser Organisation sind allerdings nur ein Teil der nachfolgend genannten US-Partnerstädte angeschlossen. Das hat meist zwei Gründe: Erstens kostet die Mitgliedschaft Geld. Zweitens forderte SCI in der Vergangenheit von beitretenden Städten in den U.S.A. die Erfüllung strenger Bedingungen.

Alteingesessene hierzulande erfahren oft überrascht, dass ihre Sippe aus jener Zeit der Massenauswanderung nach Amerika, in Übersee mit oft Hunderten von Nachfahren gleichen Namens vertreten ist. Und dies in Orten, die nicht selten den selben Namen wie ihr eigenes Heimatdorf tragen.

Bei manchen deutschen Städten und Gemeinden ist, nach einer anfänglichen Euphorie für internationale Partnerschaften in aller Welt, eine gewissen Ernüchterung und Zurückhaltung eingetreten, insbesondere bei Kommunalpolitikern und Behörden. Gründe dafür gibt es manche, angefangen von den hohen Summen, die vor allem große deutsche Städte in den 50-er und 60-er Jahren in offizielle Besuchsreisen zu Partnern im europäischen Ausland, aber auch nach Übersee, steckten.

Denn anfangs bestritten Politiker auf Sister-City-Tour ihre Reisekosten meist nicht aus eigener Tasche. Sondern der Steuerzahler bezahlte die Zeche.

Heute?

In den Partnerschaftskontakten „unserer“ Sister-City Verbindungen von Westfalen nach Nordamerika gibt es erfreulich viele Beispiele dafür, wie politische Mandatsträger bei den fälligen Besuchsreisen ihre Kosten wirklich aus der eigenen Tasche beglichen haben und weiterhin selbst bezahlen wollen, so, wie es für alle anderen Mitreisenden selbstverständlich ist.

Andererseits wissen es Offizielle in Städten und Gemeinden zu schätzen, wenn Verantwortung für die Pflege und den Ausbau der Beziehungen von hüben nach drüben, in die Hände privater Partnerschafts-Vereine gelegt werden kann, private Träger, die wiederum alle speziellen Interessen und den Austausch auf kultureller, schulischer und sportlicher Ebene bündeln.

So ist es beispielsweise in Ostwestfalen gang und gäbe, die gesamte Verantwortung und Arbeit einem örtlichen oder auf Kreisebene arbeitenden „Deutsch-Amerikanischen Freundeskreis e.V.“ zu übertragen. Das ebenfalls privat agierende Pendant dazu ist bei den Partnerstädten in U.S.A. die jeweilige „Sister City Commission“. Oft werden wegen der fortlaufenden Auswanderungsforschung auch noch Heimat- und Geschichtsvereine bzw. in Amerika „Historical Societies“ einbezogen.

Dabei tauschen die verschwisterten Städte durchaus „richtige“ Partnerschaftsurkunden aus, und dies meist in eindrucksvoller Form mit Siegel und Unterschriften. Doch die Arbeit und Verantwortung dafür, dass es tatsächlich zum regelmäßigen Austausch von Schülern, Studenten, Feuerwehr, Sportgruppen, Pädagogen, Kirchenleuten, Politikern und Journalisten kommt, besorgen auf jeder Seite des Atlantiks der zuständige DAFK-Präsident und ein kreativer, fleißiger Sekretär. Und das alles ehrenamtlich und außerhalb des eigentlichen Berufs „nach Feierabend“!

Die Erfahrung nach den Terroranschlägen in den U.S.A. und dem Golfkrieg zeigt, dass alle vorher bestandenen Freundschaften der Menschen von hüben und drüben zueinander, darunter kaum spürbar oder gar nicht gelitten haben, sondern man sich jetzt erst recht unter echten Partnern und Freunden austauscht und zu verstehen versucht. Und: Das wichtigste Ergebnis der bestehenden Städte-Partnerschaften zwischen Deutschland und den U.S.A. sind ja das gegenseitige Kennenlernen, Verstehen und ein Dialog der Jugend auf allen Ebenen!

Als vorbildlich über Westfalen hinaus dürfen die Ergebnisse der Partnerschaft zwischen Paderborn und Belleville (Neu Paderborn) in Illinois gelten. Ohne die viele anderen, ebenfalls blühenden „Twinnings“ zurückzustellen, soll diese äußerst vielseitige und lebendige Freundschafts-Verbindung hier als ein Musterbeispiel dargestellt werden. Wo es menschlich und institutionell „gefunkt hat“. So stark, dass es kein Jahr ohne zahlreiche gegenseitige Besuche, Gedankenaustausch und Praktika von Schülern, Studenten und Berufstätigen hüben wie drüben gibt.

Auch spezielle Forschungen auf dem Gebiet der Massenauswanderung im 19. Jahrhundert von Westfalen nach Amerika werden im ständigen Dialog betrieben. Eines von zahlreichen Beispielen: Ein im Ruhestand lebender Philologe hat bisher in eigener Regie 20 Bücher über die Auswanderer aus dem Raum Paderborn dank jahrelanger Feldforschung in und um Belleville herum schreiben können. Eine wahre Meisterleistung und eine Schatztruhe für alle „Roots-Sucher „, – hier wie drüben…

Da allerdings, wo keine Vereine bzw. Ehrenamtliche, sondern nur „Offizielle Personen“ und Behörden, Partnerschaften mit amerikanischen Gemeinden pflegen wollen, ist oft Langeweile bis zur Interessenlosigkeit eingetreten, und das sowohl diesseits als auch jenseits des großen Meeres. Sicheres Merkmal fehlender Anschubkräfte ist, wenn es innerhalb mehrerer Jahre weder eine Reise zu den Freunden in Amerika noch einen Gruppenbesuch von dort gegeben hat und höchstens noch Neujahrsadressen ausgetauscht werden.

„Entweder sollte eine solche Partnerschaft in die Verantwortung begeisterungsfähiger Vereinsmanager und Schulen vor Ort übertragen werden oder, ehrlicherweise, mangels Interesse beendet werden“, lautet die Meinung eines seit 30 Jahren erfolgreich in der ehrenamtlichen Partnerschaftsarbeit zwischen den U.S.A. und Westfalen-Lippe stehenden „Roots“-Forschers aus Westfalen.

Mini-City in U.S.A. und Mittelstadt in Deutschland: Lebendige Partnerschaft!

Dass es für den nachhaltigen Erfolg einer überseeischen Städtepartnerschaft nicht so sehr von Entscheidung ist, ob der amerikanische „Twinning“ ein Dorf von nur einigen hundert Einwohnern ist, beweisen seit 15 Jahren die 48.000 Einwohner große Flächenstadt Melle im westfälisch-niedersächsischen Grenzgebiet und New Melle in Missouri.

New Melle zählt gerade mal 230 Bürger, ist jedoch Zentralort für eine große Region mit einigen tausend Bewohnern und rasch wachsender wirtschaftlicher Bedeutung. Bisher war es kein Problem, den auf alle zwei Jahre vereinbarten, offiziellen Besucher-Austausch einzuhalten. Darüber hinaus gibt es gegenseitige Vereinsbegegnungen und demnächst sogar eine gemeinschaftliche Studienreise durch den Nordwesten der U.S.A.. Anlass: Die Entdeckung des Weges nach Westen („Let’s Go West!“) vor genau 200 Jahren durch Präsident Jeffersons Offiziere Lewis & Clark, deren seinerzeitige Expedition in der Nähe des heutigen New Melle begann!

Dies sind die bisher bekannten deutsch-amerikanischen Gemeinde- und Städte-Partnerschaften in Westfalen und im Grenzgebiet zu Niedersachsen:

Westfalen:

Billerbeck (Münsterland) – Englewood (Ohio)
Borgholzhausen (Teutoburger Wald) – New Haven (Missouri)
Dortmund – Buffalo (New York) sowie Pittsburgh (Pennsylvania)
Hamm (Westf.) – Chattanooga (Tennessee) sowie Santa Monica (California)
Herford – Quincy (Illinois)
Ladbergen – New Knoxville (Ohio)
Lengerich – Wapakoneta (Ohio)
Lienen – St. Marys (Ohio)
Löhne – Columbus (Indiana)
Lüdinghausen – Deerfield (Illinois)
Münster – Fresno (California)
Paderborn –  Belleville (Illinois)
Porta Westfalica – Waterloo (Illinois)
Rödinghausen – Pemberville (Ohio)
Steinheim – Bourbonnais (Illinois)
Telgte – Tomball (Texas)
Verl – Delphos (Ohio)

Grenzgebiet Westfalen/Niedersachsen:

Glandorf – Glandorf (Ohio)
Melle – New Melle (Missouri)
Osnabrück – Evansville (Indiana)
Schaumburg, Landkreis – Schaumburg (Illinois)

Schütte, Friedrich: Ein (Auswanderer-) Lied geht um die Welt: „Heil Dir, Columbus, sei gepriesen ……“

Eine Anfrage des „Büros für Kulturvermittlung“ Minden (Gertraud Strohm-Katzer) an mich als Gründer des Amerika-Netzwerks brachte im Mai 2007 eine transatlantische Recherche ins Rollen: „Für eine Veranstaltung zum Thema Auswanderung am 9. September 2007 in der Löffler-Halle ( mit Tucholsky-Bühne) sind wir auf der Suche nach gedruckten Noten des Liedes „Heil Dir Columbus“, das von einem Drechslergesellen aus dem Osnabrücker Land verfasst worden sein soll und früher oft gesungen wurde. Können Sie uns die dazu gehörenden Noten besorgen?“

www.amerikanetz.de hat die Noten im Rahmen einer ganz und gar ungewöhnlichen Recherche tatsächlich binnen weniger Tage beschafft und inzwischen dem Mindener Kulturbüro nebst Text übermittelt. „Heil Dir Columbus“ kann also für den 9. September einstudiert werden! Dazu soll u. a. aus Mindener Auswandererbriefen rezitiert werden. Nur, die Frage, wer denn nun wirklich Autor dieses berühmten und zur Emigration nach USA auffordernden Schmähliedes auf das monarchistische Deutschland in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts gewesen ist: Dazu gab es bei einer Blitzumfrage unter Mitgliedern und Freunden des Amerikanetzwerks recht unterschiedliche Antworten.

Kamphoefner: Franz Lahmeyer war der Dichter

Professor Dr. Walter Kamphoefner (Texas A&M-University) schreibt den 59 Strophen umfassenden Liedtext bereits Anfang der 1980er Jahren dem aus Ostercappeln bei Osnabrück stammenden Drechslergesellen und „Zahnauszieher“ Franz Lahmeier zu (s. „Westfalen in der Neuen Welt“ , Coppenrath-Verlag, Münster 1982).

Eine von Netzwerkmitglied Martin Holz aus Rosendahl (Kreis Coesfeld) erschlossene Fundstelle im LWL Landesmuseum Münster, überschrieben mit “Auswandererlied der 1830er Jahre / Heil Dir Columbus“, nennt hingegen einen ominösen „Drechslergesellen Perkin“ als Urheber, „der um 1830 aus Osterkappeln im Osnabrücker Land nach Baltimore in den USA auswanderte“. Es folgt der bekannte Text, zitiert nach Wolfgang Köllmann „Die industrielle Revolution, Bevölkerung – Technik, Wirtschaft“ usw., Stuttgart 1987, S. 14 ff. sowie Lutz Röhrich: „Das Auswandererschicksal im Lied“, in Peter Assion: „Der große Aufbruch“, Marburg 1985, S. 73).

Holtmann auf den Spuren von Lahmeyer und Stallo

Sehr intensiv hat sich Professor pens. Dr. Antonius Holtmann (Carl-von Ossietzky-Universität Oldenburg) mit der Geschichte des „Liedes der Lieder“ früher deutscher Amerikafahrer befasst. Er, der dazu für die nächste Zeit eine Veröffentlichung ankündigt, stellt den von Kamphoefner genannten Autor des Auswandererliedes „Heil Dir Columbus“, Lahmeyer, in Beziehung zu dem ebenfalls sehr frühen politischen Emigranten und Buchdrucker Franz Joseph Stallo aus Damme am Dümmersee. Anlass dazu gibt ihm eine Veröffentlichung von Jürgen Kessel, wonach Stallo die Autorenschaft für „Heil Dir Columbus“ zukomme.

Wir zitieren Professor Holtmann: „Es gibt gute Gründe, „Heil Dir Columbus“ tatsächlich Franz Lahmeyer zuzuschreiben. Das tue auch ich. Demnächst werde ich meine Argumentation veröffentlichen. Ganz anderer Meinung ist allerdings Jürgen Kessel („Der Dammer Auswanderer Franz Joseph Stallo und sein ‚Lied aus Amerika’, in: Osnabrücker Mitteilungen 107 (202), S. 155 –180). Danach soll der Liedtext am 22. Januar 1831 in Smyrna bei Philadelphia geschrieben und anschließend an Stallo (nach Damme) geschickt worden sein.

Stallo habe den Text in Damme gedruckt und im Frühjahr unters Volk gebracht. Nachfolgend sei Stallo „mehrmonatlich verhaftet“ und seine Buchdruckerei „confisciert“ worden. Und: daraufhin habe sich Stallo „zur Auswanderung genöthigt gesehen“.

Stallos Verhaftung nirgendwo belegt

„So“, Prof. Holtmann, „hat es Armin Heinrich Rattermann 1875 im ‚Deutschen Pionier’ (Cincinnati) dargestellt und jenen Text überarbeitet veröffentlicht, den Gottfried Weber im Pionierverein vorgetragen hatte. Dieser Text kann frühestens Ende Februar 1831 bei Stallo eingetroffen sein. Oldenburgs Staatsarchiv enthält nichts zu Stallos Inhaftierung.

Holtmann, kritisch, weiter: „Ich bezweifle, dass er (Stallo) „offenbar wochenlang inhaftiert“ gewesen ist.“ Stallos Frau Katharina, so Holtmann weiter, „war am 2. April 1831 gestorben. In das Kirchenbuch hat der Pfarrer eingetragen „War in den letzten (!) blödsinnig, sacramentis tamen munita“ (Kessel). Sechs Wochen sind doch wohl ein zu kurzer Zeitraum, um darin Druck und Verteilung des Liedes, ferner Verhaftung, Verurteilung und zumindest wochenlange Inhaftierung des Stallo unterzubringen“.

Aktenkundig und damit Tatsache sei hingegen, dass Franz Joseph Stallo (36) mit seinen Kindern Martin (12), Ludwig (10), Maria (8), Theodor (6) und Luisa (3) am 22. Juni 1831 an Bord der ‚Juno’ in New York eingetroffen ist. Zuvor waren sie am 26./27.April 1831 von Bremerhaven (seit September 1830 in Betrieb) abgereist.“

Melodie nebst Text an der Uni Freiburg

Melodie und gesamter Text des Auswandererliedes sind lt. Professor Holtmann sowie Gisbert Strotdrees (Historiker/Redakteur beim Landwirtschaftsverlag Münster) beim Deutschen Volksliederarchiv der Universität Freiburg www.dva.uni-freiburg.de zu beziehen. Das Lied wurde und wird nach der Melodie zum Volkslied „Jüngling, willst du dich verbinden“ gesungen. Professor Holtmann fügt hinzu: „Eine Melodie aus mündlicher Überlieferung liegt aus der Schweiz vor (1920), eine gedruckte aus dem Jahre 1949 vor, F. Samans, (Hg): „Zweite Sammlung beliebter Guitarrlieder, bestehend in 365 Nummern, nebst Melodie und Begleitung; Wesel: J. Bagel 1849“.

Gisbert Strotdrees, gebürtig aus Harsewinkel, erinnert sich im Zusammenhang mit dem Auswandererlied „Heil Dir Columbus“ gern seiner Studentenzeit: “Übrigens habe ich selbst mal in einer Folkband gespielt und gesungen. Auch ein Auswandererlied gehörte damals zu unserem Programm. „Ein weißes Schiff / streicht einsam durch die Wellen…“, lauteten die Anfangszeilen“.

Wilhelm Niermann besorgte Noten aus Texas

Im Rahmen der Netzwerk-Umfrage unter Mitgliedern und Freunden antwortete sogar ein Genealoge aus Richmond, Texas (USA), und zwar W. M. von Maszewski. Er ist an der George Memorial Library in Richmond, Fort Bend County tätig. An ihn und seine guten Quellen erinnerte sich Netzwerkmitglied Wilhelm Niermann aus Stemwede-Wehdem und schrieb ihm, seinem langjährigen Forscherfreund auf der genealogischen Basis Wehdem(Deutschland) –Texas, eine entsprechende E-Mail.
Die Antwort kam postwendend, inklusiv angeklammerten Textes deutsch und englisch, plus Noten: Die Melodie aus Texas ist mit jener aus dem Freiburger Archiv („Beliebte Guitarrlieder“) identisch!

Smieszchala, Alfred: Auswanderungsnotizen im Münsterisches Intelligenzblatt Jahrgang 1849

Für das Netzwerk hat Alfred Smieszchala einen Zeitungsband von 1849 auf Auswanderungsnotizen hin durchgesehen und diese in einem Beitrag zusammengefasst. Dabei wurde der ganze Jahrgang durchgesehen und die in Frage kommenden Passagen buchstabengetreu wiedergegeben.

Mit seinem Beitrag verbindet Alfred Smieszchala die Hoffnung, dass seine Arbeit dazu beitragen möge, Forschungslücken zu schließen:

Smieszchala, Alfred: Familie Polje in Telgte und Ostbevern

Bei familienkundlichen Forschungen findet man in den Kirchenbüchern manchen interessanten Hinweis auf die Herkunft einer Familie. So ist mir jetzt bei der Bearbeitung einer Familie in den Telgter und Ostbeverner Kirchenbücher der Name „Polje“ aufgefallen und mir war lange nicht klar, woher die Familie stammen könnte. Ich vermute die Herkunft des Familienamens jetzt im Balkanraum, von wo er mit einem Soldaten einer der vielen Söldnertruppen des Dreißigjährigen Krieges ins Münsterland gekommen ist.

Der Name leitet sich von der Gruppe der Ortsnamen in weitesten Sinn ab. Das Wort „Polje“ ist serbokroatisch und bedeutet „Feld“. In Kroatien haben sich viel Dörfer und Siedlungen den Beinamen „Polje“ gegeben. Gleichzeitig ist Polje ein geologischer Fachbegriff der Karstgebiete und bezeichnet ein flaches wannenförmiges Becken mit steilen Hängen und ebenen Böden aus Verwitterungsrückständen, das zeitweise unterirdisch be- und entwässert wird. Die ebenen Böden dieser Senken sind durch tonige Sedimente abgedichtet und sie können nach langen Regenperioden geflutet werden, wodurch dann ein temporärer See entsteht. Durch den Eintrag von Verwitterungsmaterial bilden sich oft fruchtbare Böden. Polja sind bis zu mehreren Quadratkilometern groß.

In Deutschland ist das „Kosovo Polje“, das Amselfeld, durch seine Weine bekannt. Das Amselfeld ist auch die Stätte verschiedener Kriege. So kam es am 28. Juni 1389 zur großen Schlacht auf dem Amselfeld (Fusha e Kosovës / Kosovo Polje / Amselfeld – der Name „Kosova“ ist vom serbischen Namen für Amsel abgeleitet). Es standen sich die Osmanen und ein Verbund christlicher Armeen, bestehend aus serbischen, albanischen, ungarischen, bosnischen und bulgarischen Truppen, gegenüber. Die Schlacht hatte auf beiden Seiten Zehntausende von Toten zu Folge. Obwohl es keinen wirklichen Sieger gab, waren die christlichen Truppen zu stark geschwächt, um den osmanischen Vorstoß weiter aufhalten zu können. Viele Serben verließen darauf Kosova, und albanische Einwanderer aus den Bergen rückten nach.

Zur Veranschaulichung ist hier noch eine Kurzgenealogie der Familie Polje-Meier hinzugefügt:

Steinkuehler, Leland: Some Information About Low German Dialects

German dialects are geographically orientated thus the terms: Low, Middle, and High German.  Low indicates the German spoken mostly in the low-lying coastal land of Northern Germany.  So-called High or Upper dialects are spoken in Southern Germany, the Alps, Austria, and Switzerland.  The Middle German dialect is the region between the Low German and High German regions.  If you were to compare the Low German from the extreme north with the German in southern Austria, they would seem like two completely different languages.

When our descendents landed in America, they soon learned to speak English.  At that point, they spoke English, Low German, and High German.  However, they did not abandon their Low German and High German language, which continued to be their primary languages until World War II.  During and after the war the use of the German languages began to decline.

People frequently ask the difference between Low German and High German.  It’s difficult to explain but people who only speak Low German cannot understand High German; those who speak only High German cannot understand Low German.  The Low German of our ancestors was not a written language.  There are some letters written in Low German but the spelling was phonetic, there was no dictionary or rules of grammar.

Immigrants who came from the northern part of Germany spoke a dialect of Low German that became known as Flatlander German.  The immigrants who settled Loose Creek, MO came from the Rhineland area, the middle part of Germany, and spoke a dialect referred to as Rhinelander Low German. 

There’s an old story about the young people in Loose Creek, MO hosting a dance.  The young men in Westphalia, MO heard the news and decided to attend the dance, a distance of about seven miles.  In those the days everyone in their communities spoke Low German in their daily lives.  When the young men from Westphalia arrived at the dance and tried to socialize, they were surprised to find the Low German language in the two communities so different, they could not communicate.  The people in Westphalia spoke Flat Lander Low German; the people in Loose Creek spoke Rhinelander Low German.  This is a true story handed down by descendents still living in those communities.

People for whom Low German was the primary, or heart language, spoke this language for hundreds of years or more, ever since the beginning of their family’s existence.  High German originated with Martin Luther about 1530, but Low German existed since the beginning of those family’s existence.  When visiting with my Mother, if we were talking about something that was very important, she would automatically switch from English to Low German because she was able to express herself better in Low German than English.

Linguists think English and several other languages originated from Low German.  The Low German language was also prevalent in many communities of Kansas, Iowa, Illinois, Wisconsin, and Minnesota

It unfortunate something that has been such an important part of our family’s life and our identity for so long is near extinction in this country.  These dialects will probably disappear in this area in the next 10 years and they can never be recreated.

The historical records of family births, baptisms, marriages, and deaths are kept by churches and public institutions.  Other important events in people’s lives are recorded and preserved in newspapers and the internet.  Descendents can always go back to those records and learn about their family’s history.  But the “heart language” of their family, the language they used to express their feelings, their thoughts, their humor, the language they used in commerce and every other event in their lives will soon be gone forever and can never be recreated. 

I hope descendents of the German immigrants who have never hear this language spoken in their families, will enjoy listening to these recordings which are a unique part of their family’s history.

Steinkuehler, Leland: Tonquelle zur Niederdeutschen Sprache der deutschen Auswanderer

Leland Steinkuehler (geb. 1933) aus Jefferson City in Missouri/ USA begann in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts die Geschichte seiner Familien zu erforschen.

Sein Urgroßvater, Peter Henrich Steinkühler (geb. 1840 in Eilshausen/Kreis Herford), wanderte zusammen mit seiner Mutter und Geschwistern im Jahre 1857 aus in die USA. Es gelang ihm, in der Nähe von Sweet Springs in der Nähe von Jefferson City eine Farm zu erwerben. Er heiratete eine Frau deutscher Herkunft wie auch seine Söhne und Enkel in den nächsten beiden Generationen. In diesen ersten drei Auswanderergenerationen wurde Niederdeutsch, Hochdeutsch und zunehmend Englisch gesprochen.

Leland wuchs in der Nähe dieser Farm heran, gehört zu der vierten Generation der Auswanderer. Er hatte noch direkten Kontakt zur niederdeutschen (Low German Language) Sprache seiner Vorfahren. Ihm wurde deutlich, dass mit seiner Generation das Niederdeutsche verloren geht. Er fertigte eine Reihe von Tonbandaufnahmen an, um wenigstens Erinnerungen an diese Sprache der deutschen Auswanderer für die Nachfahren zu erhalten. Daraus entnommen ist diese Tonquelle. Sie wurde von ihm selbst 2008 gesprochen.

Leland Steinkuehler – Tonquelle Niederdeutsche Sprache

Stüken, Wolfgang: Das kleine große Dorf Mundelein und sein berühmter Namensgeber

Das Jubiläum eines Ortes in Illinois und ein Kardinal, dessen Vorfahren aus Westfalen stammen

Von Wolfgang Stüken (Stand: 16.1.2010)

Das Logo zum Jubiläumsjahr von Mundelein.
Foto: Village of Mundelein, Illinois (USA)

Ein 100-jähriges Ortsjubiläum ist in Europa nichts Ungewöhnliches und auch in den USA keine Seltenheit. Dass sich ein Ort mit 34.000 Einwohnern noch immer Dorf nennt, dagegen schon. Dass dieses Dorf im Laufe seiner 100-jährigen Geschichte nicht weniger als fünf Mal seinen Namen gewechselt hat, dürfte ziemlich einmalig sein. Bei Mundelein, das im Nordwesten des Großraums Chicago liegt, ist das der Fall. Mit dem Namen Nummer fünf ist der Ort offenbar zufrieden. Den trägt das nach einem Nachfahren westfälischer Einwanderer benannte Mundelein immerhin schon seit 85 Jahren. [1]

Den ersten Siedler, der hier ein Blockhaus errichtet, verschlägt es 1835 in diese Gegend. Peter Shaddle ist sein Name. Schon um 1650 hatten hier französische Pelzhändler ihre Geschäfte mit Indianern vom Stamme der Potowatami gemacht. Dem Siedler Peter Shaddle folgt eine Gruppe englischer Einwanderer. Sie nennen den Flecken Mechanics Grove, errichten eine Schule und eine Kirche.

Die Siedlung wächst. Ein Landbesitzer namens John Holcomb, der große Flächen ankauft, wird treibende Kraft der Dorfentwicklung. Die Bewohner von Mechanics Grove beschließen, ihren Ort nach diesem Mann zu benennen. Aus Mechanics Grove wird Holcomb.

Holcomb erhält eine Post, und bald folgt eine Bahnstation. Den Fortschritt, den das neue Verkehrsmittel Eisenbahn ihrem Ort bringt, würdigen die Bewohner mit der nächsten Namensänderung: Ab Februar 1909 heißt Holcomb Rockefeller – benannt nach William Avery Rockefeller jr. (1841-1922), dem Bruder und Geschäftspartner des Öl-Magnaten Johan Davison Rockefeller (1839-1937). William Rockefeller war unter anderem im Eisenbahngeschäft tätig. Einmal soll er einen Zug, mit dem er auf Reisen war, bei der Durchfahrt mitten in Rockefeller gestoppt haben, um die nach ihm benannte Ortschaft näher in Augenschein zu nehmen. Doch diese Geschichte ist nur als Gerücht überliefert. Kein Gerücht: 1909 ist auch das Jahr, in dem der US-Bundesstaat Illinois diesem Dorf Rockefeller den offiziellen Status einer Gemeinde verleiht. Daran erinnert das 100-jährige Ortsjubiläum, das 2009 gefeiert wird.

Der Typus eines frühen Dale Carnegie

Der Erzbischof von Chicago, George William Mundelein.
Das Bild ist zwischen 1916 und 1918 entstanden.
Foto: John Laveccha (Chicago).
Reproduktion: Stüken

1909 zählt das Dorf etwa 500 Einwohner. Der Name Rockefeller sorgt für weiteren Aufschwung. Neue Läden werden eröffnet und Hotels. Aber schon nach wenigen Monaten, im Juli 1909, meinen die Bürger von Rockefeller, es sei Zeit für ein weiteres „changing of the name“. Denn nun etabliert ein Mann namens Arthur Sheldon, der Typus eines frühen Dale Carnegie („Positiv Denken“), in dem kleinen Ort mit viel Elan und einer Menge Enthusiasmus ein Institut, das ganz neue Verkaufstechniken vermitteln will. Was damals nicht selbstverständlich ist: Diese Ausbildung ist auch für Frauen offen.

Aus den Anfangsbuchstaben der Sheldon-Leitworte „Ability, Reliability, Endurance and Action“ (Fähigkeit, Zuverlässigkeit, Ausdauer und Aktion) formen die Leute von Rockefeller den neuen Ortsnamen – „Area“. Zu diesem Kunstwort als Ortsnamen stehen die Bürger mit einiger Ausdauer länger als ein Jahrzehnt. Das Schulungs-Unternehmen aber gerät mit der Zeit in finanzielle Schieflage. Bald danach steht die Sheldon Business School vor dem Aus.

Doch was zunächst nach einem herben Rückschlag für die Entwicklung des Ortes aussieht, erweist sich rasch als Glücksfall. Der Erzbischof von Chicago, George William Mundelein (1872-1939), findet Gefallen an Sheldon’s großem Schul-Areal, das abgeschieden an einem sumpfigen See liegt, und erwirbt das Gelände im Jahre 1917. Angrenzendes Farmland wird im Jahr darauf hinzugekauft – nun ist es ein stattlicher Besitz von fast 400 Hektar Größe. Es ist ein idealer Standort, um eine Idee, die George William Mundelein seit seinem Amtsantritt als Erzbischof von Chicago umtreibt, in die Tat umzusetzen: Für 12 Millionen Dollar lässt Mundelein hier, 60 Kilometer entfernt vom Chicagoer Stadtkern, im Baustil der amerikanischen Neo-Klassik ein Ensemble von Gebäuden als großes Hauptseminar für die Ausbildung von Theologen errichten. Baubeginn ist 1920. Weil das erste Priesterseminar des Mittleren Westens an einem See liegt, erhält der Campus den Namen Seminary St. Mary of the Lake. Das Haus für den Bischof, das George William Mundelein in das große Parkgelände bauen lässt, ist – nicht ganz unbescheiden – dem in Virginia gelegenen Gutshaus „Mount Vernon“ des ersten US-Präsidenten George Washington (1732-1799) nachempfunden.

Drei der Seminargebäude von St. Mary of the Lake im Jubiläumsjahr 2009, dahinter die Kirche.
Foto: Stüken

Ein sehr profanes Dankgeschenk

Und die Bewohner von Area befinden, es sei Zeit für einen neuen Ortsnamen. Zu Ehren des Bauherrn des Seminars, der im März 1924 vom Papst in den Rang eines Kardinals erhoben wird, taufen sie Area vier Monate später in Mundelein um. Der Chicagoer Purpurträger, als erster Kardinal der katholischen Kirche westlich des Appalachen-Gebirges unverzüglich mit den Beinamen „Der erste Kardinal des Westens“ oder „Der erste Rothut des Westens“ bedacht, ist begeistert – und macht der Gemeinde am 18. Juli 1924 im Beisein des Gouverneurs von Illinois ein sehr profanes Dank-Geschenk: Für die geplante Neuorganisation der Feuerwehr von Mundelein stiftet der Kardinal ein Feuerwehrauto, einen nagelneuen Stoughton. Nicht ganz uneigennützig: Mit dem modernen Fahrzeug, das eine alte Handspritze ablöst, ist auch für seine Millionen-Investition, das erzbischöfliche Seminar St. Mary of the Lake, ein deutlich verbesserter Brandschutz garantiert.

Gründlicher Test: Bevor das Geschenk des Kardinals an die Feuerwehr von Mundelein ausgeliefert wird, prüfen Profis der Feuerwehr von Chicago am Navy-Pier der Stadt am Michigan-See gründlich die Funktionstüchtigkeit der Wasserpumpen des Stoughton. Das hat Kardinal Mundelein mit der Herstellerfirma des Feuerwehrautos so vereinbart.
Foto: Feehan-Library, University of St. Mary of the Lake, Mundelein, Illinois (USA).
Reproduktion: Stüken

Das vom Kardinal gestiftete Löschfahrzeug ist bis 1945 im Einsatz und geht als „Old Number One“ in die Feuerwehr-Geschichte von Mundelein ein. Auf Umwegen über diverse Sammler kehrt die 1946 verkaufte „Old Number One“, vor einer Schrottpresse gerettet, 1994 aus dem Bundesstaat Maryland nach Mundelein zurück. 14 einsame Jahre steht sie danach in der Garage eines im Ruhestand lebenden Feuerwehrmannes. Nun kommt der Stoughton zu neuen Ehren: Noch im Laufe des 100-jährigen Ortsjubiläums soll die „Old Number One“, in altem Glanz restauriert, ein Schmuckstück des Mundelein Fire Departments und des ganzen Ortes werden. Die „Old Number One“ ist nicht zu verwechseln mit dem Autokennzeichen „Illinois 1“. Dieses Nummernschild reserviert der Bundesstaat Illinois nicht etwa für seinen ranghöchsten Politiker, den Gouverneur, sondern er erweist mit diesem Kennzeichen dem Chicagoer Erzbischof und Kardinal seine Reverenz.

Noch eine Anschaffung, die mit dem Namensgeber von Mundelein zu tun hat, erlebt im Jubiläumsjahr einen großen Auftritt: Eine wertvolle Howell-Wurlitzer Theater-Orgel. George William Mundelein erwirbt sie 1931 vom Chicagoer Theater und lässt sie in das Auditorium des Seminars in Mundelein einbauen. Dieser Saal wird in weitem Umkreis für seine phänomenale Akustik gerühmt. Die Orgel ist 2009 bei einem festlichen Jubiläumskonzert, zu dem die 100-jährige Gemeinde und die „University St. Mary of the Lake“ gemeinsam einladen, zu hören. Dort erklingen keineswegs nur klassische Werke und andachtsvolle Kirchenmusik. Die alte Howell-Wurlitzer liebt ganz besonders die Noten vom Broadway.

Geschenk des Kardinals: Das alte Stoughton wird im Jubiläumsjahr 2009 restauriert und bald als schmucker Feuerwehr-Oldtimer die Blicke auf sich lenken.
Foto: Village of Mundelein, Illinois (USA)

Westfälische Wurzeln

George William Mundelein ist ein Kind der Großstadt New York. Als Sohn von Franz Nikolaus Mundelein und dessen Ehefrau Maria Goetze wird er dort am 2. Juli 1872 geboren. Er hat zwei Schwestern.

Sein Großvater väterlicherseits, der aus Altenbüren bei Brilon stammende Tischler Franz Theodor Mündelein (1804-1850), wandert vermutlich Anfang der 1830er Jahre aus Paderborn nach New York aus. Seine Ehefrau Anna Maria, geb. Engemann (1809-1871), stammt aus Ossendorf bei Warburg. Nach einer von Therese Mündelein (1883-1971) über eine Reihe von Jahren geführten, handschriftlich verfassten, mit Zeitungsausschnitten ergänzten Chronik „Familiengeschichte der Familie Mündelein in Paderborn“ [2] heiratete Franz Theodor Mündelein „eine geborene Engemann aus Ossendorf (Kreis Warburg) und wanderte mit dieser nach Amerika aus“. Nicht völlig auszuschließen ist allerdings, dass sich beide erst in New York kennen lernen und erst dort heiraten.

In Paderborn hat Franz Theodors acht Jahre älterer Bruder Josef Anton eine Kunsttischlerei eröffnet. Der 1796 geborene Bruder des Auswanderers heiratet 1823 die aus Paderborn stammende Gertrud Backhaus. Dieses Ehepaar begründet den Paderborner Familienzweig der Mündelein-Sippe. Aus diesem Paderborner Mündelein-Ast gehen später unter anderem der bekannte Architekt und Kirchenbaumeister Franz Mündelein (1857-1926), der Bildhauer Ferdinand Mündelein (1861-1933), der Kirchen- und Kunstmaler Hans Mündelein (1870-1909) und der geistliche Studienrat Professor Eberhard Mündelein (1886-1936) hervor, ebenso die oben erwähnte Familien-Chronistin Therese Mündelein.

Unter den Goldsuchern am australischen Bendigo-Fluss

Stifter des Rom-Stipendiums: Heinrich Backhaus (1812-1882).
Reproduktion: Stüken

Aber auch die Paderborner Familie Backhaus ist für die Biografie von George William Mundelein von großer Bedeutung. Seine Paderborner Großtante Gertrud Mündelein ist eine Tochter des Paderborner Schusters Anton Backhaus.

Mit seiner ersten Ehefrau, der aus Rüthen stammenden Gertrudis Rustemeyer, hat Anton Backhaus zwei Söhne und zwei Töchter (die oben erwähnte Tochter Gertrud Backhaus ist das zweitälteste Kind). Wenige Jahre nach dem Tod seiner Frau (1809) heiratet Anton Backhaus erneut. Aus dieser zweiten Ehe mit der aus Henglarn stammenden Margarete Leifeld gehen weitere fünf Backhaus-Kinder hervor. Der älteste Sohn dieser zweiten Ehe ist der 1812 in Paderborn geborene Heinrich Backhaus. [3] Er studiert in Würzburg und Rom und wird 1836 in der „Ewigen Stadt“ zum Priester geweiht. Von Rom geht er als Missionar zunächst nach Bengalen in das Gebiet der heutigen indischen Republik Westbengalen und von dort 1846 weiter nach Australien. Dort wirkt der Halbbruder Gertrud Mündeleins unter anderem als Seelsorger für die Goldsucher am Bendigo-Fluss im nördlichen Victoria. Zwei Jahrzehnte lang ist er in dieser Gegend der einzige katholische Priester. Zwei Kirchen, die Backhaus auf dem fünften Kontinent gründet, benennt er nach Heiligen, die Patrone des Domes seiner Heimatstadt Paderborn sind: St. Kilian in Sandhurst, das früher Bendigo hieß, und St. Liborius in Eaglehawk. St. Kilian ist auch Patron der nordbayrischen Bistumsstadt Würzburg. Dort hat Backhaus 1831 sein Studium begonnen.

Als Sandhurst 1874 Sitz der neuen, von Melbourne abgeteilten Diözese Sandhurst wird, fungiert der aus Paderborn stammende Pionier-Priester Heinrich Backhaus als deren Generalvikar. Sein Kontakt in seine deutsche Heimat reißt nicht ab: Zweimal, 1841 und 1863, stattet der Missionar Paderborn einen Besuch ab, und für die 1857 eingeweihte St.-Kilian-Kirche in Sandhurst stiftet er eine Orgel, die er im fernen Paderborn bauen lässt.

Heinrich Backhaus lebt bescheiden, ist aber ein Priester mit sehr ausgeprägtem Geschäftssinn. Davon profitieren nicht zuletzt seine Gemeinden, denen er Grundstücke für den Kirch- und Schulbau zur Verfügung stellt und deren Bauvorhaben er selbst mit namhaften Geldbeträgen fördert. Backhaus hinterlässt bei seinem Tod 1882 einen stattlichen Immobilienbesitz. Unter anderem gehören ihm 260 Hektar Ackerland in der Nähe von Rochester. Die Erträge dieser Flächen, so hat er zu Lebzeiten festgelegt, sollen nach Rom an das Kolleg der Propaganda Fide, die Universität der päpstlichen Kongregation für die Evangelisierung der Völker, fließen. Dort hat Heinrich Backhaus von 1832 bis zu seiner Promotion zum Doktor der Theologie und seiner Priesterweihe 1836 studiert. Das auf den Äckern von Rochester erwirtschaftete Geld, so hat Backhaus bestimmt, soll – vermutlich im Wechsel – jeweils einem angehenden Priester der beiden australischen Diözesen Melbourne und Sandhurst und seiner deutschen Heimatdiözese Paderborn das Studium in Rom ermöglichen.

Heinrich Backhaus stirbt am 7. September 1882 in Sandhurst. Zehn Jahre zuvor hat im New Yorker Stadtteil Manhattan an der Lower East Side George William Mundelein das Licht der Welt erblickt. Auf irgend einem Wege müssen Informationen über das Backhaus-Stipendium aus dem entfernten Australien nach New York gelangt sein. Vielleicht über die Familien Mündelein und Backhaus in Paderborn, vielleicht aber auch auf direktem Wege von Australien in die USA; denn ein Sohn von Josef Anton und Gertrud Mündelein, der 1828 in Paderborn geborene Theodor Anton Mündelein, folgt mit 20 Jahren seinem Halb-Onkel Heinrich Backhaus nach Australien, tritt als Mitarbeiter in die Dienste des Seelsorgers und gründet 1850 in Australien eine eigene Familie. Franz Theodor Mündelein, der spätere Amerika-Auswanderer, war 1828 in Paderborn der Taufpate dieses Theodor Anton Mündelein. Gut vorstellbar, dass die australischen Mündeleins – Franz Theodor und seine Frau Elisabeth, geb. Gallagher, die er 1850 heiratete, hatten mehrere Kinder – brieflichen Kontakt zu den New Yorker Verwandten pflegten.

Auf der Schattenseite von Luxus und Wohlstand

George William Mundeleins Großvater versucht nach seiner Einwanderung an der Lower East Side von Manhattan sein Glück als Ladenbesitzer. Später bietet er seine Dienste als Tischler an. Es ist ein Leben in bescheidenen Verhältnissen. Die vier Söhne der Paderborner Einwanderer Franz Theodor und Anna Maria Mündelein werden zwischen 1837 und 1843 in New York geboren und in der St. Nikolaus-Kirche an der Zweiten Straße getauft. St. Nikolaus ist die erste deutsche Kirche in der Diözese New York, nach anderen Quellen sogar die erste katholische deutsche Kirche der gesamten Ostküste der USA.

Die beiden jüngsten Kinder der beiden Einwanderer aus Paderborn sind Zwillinge: Nikolaus Franz, bei dessen Namensgebung sicher der Kirchenpatron eine Rolle spielt, und Joseph werden am 18. April 1843 geboren und fünf Tage später in St. Nikolaus getauft. Nikolaus Franz, der später nur Franz genannt wird, gründet einen Fuhrbetrieb, verlegt sich dann aber auf das Metier seines Vaters und wird Ladenbesitzer. Franz Mündelein heiratet Maria Goetze. Die über sie überlieferten Informationen sind spärlich. Nach Angaben des Magazins Time handelte es sich bei ihr um eine Irin. [4] Als am 2. Juli 1872 ihr Sohn George William geboren wird (aus der Ehe gehen ferner die beiden Töchter Margaret und Anna hervor), bilden in der Lower East Side von Manhattan die rund 170.000 deutschsprachigen Immigranten eine große Bevölkerungsgruppe. Ein nördlich gelegener Bezirk der Lower East Side wird daher unter den Einwanderern auch „Kleindeutschland“ genannt. Nicht weit entfernt breitet sich „Little Italy“ aus. Immer stärker wird die Lower East Side zu einem Sammelbecken der Kulturen: Bald kommen in großer Zahl osteuropäische Juden, und nicht viel später entwickelt sich „Chinatown“.

Ob Franz und Maria Mündelein mit ihren Kindern in „Kleindeutschland“ leben, ist nicht bekannt. Trotz ihrer deutschen Namen – sie fühlen sich offenbar als Amerikaner. In dieser Familie wird vornehmlich Englisch gesprochen. Als George William Mundelein geboren wird, sind die aus Deutschland stammenden Großeltern bereits gestorben. Es ist anzunehmen, dass schon zu dieser Zeit der deutsche Umlaut „ü“ aus dem Familiennamen verschwindet.

George William und seine Schwestern werden auf der Schattenseite von Luxus und Wohlstand groß. Wie Franz Flaskamp schreibt, lebten die Eltern „so bescheiden, dass sie den Sohn bei den mütterlichen Großeltern unterbringen mussten“ und „nur die beiden Töchter zu Hause behalten konnten“. Erst bei diesen Großeltern habe George William die deutsche Sprache kennen gelernt. [5] Unter seinen Spielkameraden in der Nähe des Elternhauses sind Kinder französischer Immigranten – daher ist die erste Fremdsprache, die er auf den Straßen der Lower East Side erlernt, nicht Deutsch, sondern Französisch.

Wie er selbst ein Sohn der Lower East Side

George William Mundelein besucht die Pfarrschule von St. Nikolaus, wird ein eifriger Messdiener. Die Eltern seiner Mutter erkennen die Fähigkeiten des herausragenden Schülers und ermöglichen ihm eine weiterführende Ausbildung am New Yorker De La Salle Institute an der Zweiten Straße und darauf aufbauend an dem 1853 gegründeten Manhattan College – beides Einrichtungen des katholischen Ordens „Brothers of the Christian Schools“, der auf den französischen Priester und Reformpädagogen John Baptist de la Salle (1651-1719) zurückgeht. Am College schließt George William Mundelein Freundschaft mit Patrick Joseph Hayes, wie er selbst ein Sohn der Lower East Side. Hayes ist knapp fünf Jahre älter und nur wenige Blocks von Mundelein entfernt als Kind irischer Einwanderer geboren. Hayes (1867-1938) wird später Erzbischof von New York und 1924, am selben Tag wie Mundelein, vom Papst in den Kardinalsstand erhoben. Dass das Manhattan College später als Schmiede für den Priesternachwuchs der katholischen Kirche von New York gilt, hat sicher auch mit diesen beiden prominenten Purpurträgern und ihrer Karriere zu tun. Als Kardinäle werden Mundelein und sein Freund Hayes am 21. Mai 1933 an der 100-Jahr-Feier der St.-Nikolaus-Pfarrei teilnehmen. [6]

George William Mundelein verlässt das Manhattan College 1889 mit dem „Bachelor of Arts“. Der 17-Jährige schlägt Angebote aus, eine Offizierslaufbahn in der US-Armee oder US-Marine einzuschlagen. Er will Priester werden. Deshalb führt sein Weg nicht in eine militärische Hochschule, sondern zur Benediktinerabtei nach Latrobe in Pennsylvania. Sie ist 1846 von dem aus dem bayrischen Kloster Metten in die USA ausgewanderten Pater Sebastian Wimmer (1809-1887, Ordensname: „Bonifaz“) gegründet worden. Im Kolleg von St. Vincent nimmt Mundelein seine theologischen und philosophischen Studien auf. Da er Weltpriester und nicht Ordensmann werden will, muss er sich bald für eine Diözese entscheiden, für die er Priester werden will. Mundelein stammt aus der Erzdiözese New York, doch er entscheidet sich für die kleinere Nachbardiözese Brooklyn auf der anderen Seite des East River. Vielleicht hat schon der Bau der vom deutschen Ingenieur Johann August Roebling geplanten New York and Brooklyn Bridge (heute: Brooklyn-Brücke), der 1869 begonnen hat, und dessen spannende Endphase er als Kind der Lower East Side sicher mitverfolgt hat, seinen Blick und sein Interesse nach Brooklyn gelenkt. Die damals längste Hängebrücke der Welt wird 1883 eröffnet. Der zehnjährige George William Mundelein, der später als einer der größten Bauherren unter Amerikas Bischöfen in die Geschichte eingehen soll, hat sicher sehr bald nach der Brücken-Freigabe den einen Cent Fußgänger-Maut gezahlt, um einmal auf dem imposanten Bauwerk den East River zu überqueren – nach Brooklyn.

Der Paderborner Platz in Rom ist frei

Das Wappen des späteren Kardinal Mundelein: Die Felder des Wappenschildes oben links (AM = Ave Maria), oben rechts (der Stern als Marien-Symbol) und unten rechts (Krone und der Begriff Humilitas = Demut als Symbole des Magnifikat) weisen Mundelein als großen Marien-Verehrer aus. Die drei Bienen unten links sind dem Wappen der italienischen Adelsfamilie Barberini entnommen. Im Barberini-Palast in Rom befanden sich Einrichtungen des Propaganda-Kollegs, an dem der Backhaus-Stipendiat George William Mundelein studierte.
Reproduktion: Stüken

Ist der 20-jährige George William Mundelein, als er sich beim Brooklyner Bischof Charles E. McDonnell zum Dienst in dessen Diözese meldet, einfach noch zu jung für die baldige Priesterweihe? Oder erkennt McDonnell die außergewöhnlichen Fähigkeiten dieses Studenten, die für eine tiefer fundierte theologische Ausbildung sprechen, als sie das Kolleg St. Vincent in Pennsylvania bieten kann? Zu diesem Zeitpunkt, im Jahre 1891 oder 1892, muss McDonnell von George William Mundelein selbst oder aus dessen Familie den Hinweis auf die Studienstiftung des Australien-Missionars Heinrich Backhaus für das Propaganda-Kolleg in Rom bekommen haben. Der Bischof von Brooklyn fragt bei seinem Paderborner Amtsbruder Hubertus Simar (1835-1902, ab 1892 Bischof von Paderborn, ab 1899 Erzbischof von Köln) an, ob möglicherweise der Paderborner Platz des Backhaus-Stipendiums besetzt werden könne. Der Platz ist frei, Simar hat keine Einwände, und George William Mundelein, der Nachfahre Paderborner Auswanderer, kann den von einem entfernt mit ihm verwandten Paderborner Auswanderer gestifteten Studienplatz in Rom übernehmen.

Der Bischof von Brooklyn hat mit diesem Priesteramtskandidaten George William Mundelein offenbar Größeres im Sinn. McDonnell reist 1895 nach Rom und nimmt die Priesterweihe Mundeleins am 8. Juni persönlich vor. Bald danach ernennt McDonnell Mundelein zu seinem Sekretär. Bereits zwei Jahre darauf, 1897, wird Mundelein Kanzler der Diözese Brooklyn. Er übernimmt damit eine wichtige Leitungsfunktion. 1906 ernennt ihn der Papst zum Prälaten. Es gibt nicht viele Priester, denen in so jungen Jahren – Mundelein ist 34 – bereits der Ehrentitel „Monsignore“ verliehen wird. 1909 erhält Brooklyn, die 1853 gegründete „Diözese der Immigranten“, ihren ersten Weihbischof. Sein Name: George William Mundelein. Die Bischofsweihe empfängt er am 21. September 1909.

Gut sechs Jahre später, am Abend des 29. November 1915, betätigt ein Reporter der New York Times die Türglocke am Haus des Brooklyner Weihbischofs in der Vanderbilt Avenue 296: Was er dazu sage, dass der Papst ihn zum neuen Erzbischof von Chicago ernennen wolle, erkundigt sich der Zeitungsmann. Mundelein ist überrascht. Ihn habe eine solche Nachricht aus dem Vatikan bisher nicht erreicht, antwortet er dem Reporter. Was er nicht sagt: Eigentlich ist Mundelein als aussichtsreicher Kandidat für den seit Mai 1915 verwaisten Bischofsstuhl der „kleineren“ Diözese Buffalo gehandelt worden. Doch diese Diözese grenzt an Kanada, und Kanada kämpft auf der Seite Englands im Ersten Weltkrieg gegen Deutschland. Entweder von Seiten der kanadischen Regierung oder aus London soll dem Vatikan mehr oder weniger deutlich zu verstehen gegeben worden sein, dass man keinen Prälaten „feindlicher“ Herkunft als Bischof an der Grenze Kanadas wünsche. Der Vatikan soll daraufhin umdisponiert und den eigentlich für Chicago vorgesehenen Denis Dougherty zum Bischof von Buffalo ernannt und stattdessen den für Buffalo vorgemerkten George William Mundelein nach Chicago geschickt haben. Offiziell aus Rom bestätigt ist diese Geschichte, die Mundelein später selbst erzählt haben soll, allerdings nicht. [7]

Bleiche Gesichter beim „Poison Banquet“

James Edward Quigley (Jahrgang 1854, Oberhaupt der Erzdiözese Chicago seit 1903 und zuvor, von 1897 bis 1903, Bischof von Buffalo) ist im Juli 1915 gestorben. Die offizielle Ernennung Mundeleins zum Nachfolger Quigley’s durch den Papst erfolgt am 7. Dezember 1915. Mit 43 Jahren ist Mundelein der jüngste Erzbischof der USA, und die Erzdiözese, deren Leitung er übernehmen soll, zählt mit mehr als einer Million Katholiken zu den drei größten Bistümern der Vereinigten Staaten. Mundelein hat Chicago noch nie zuvor besucht. „Ich habe nie daran gedacht, jemals von Brooklyn getrennt zu werden – es sei denn durch Tod“, verabschiedet er sich am 31. Januar 1916 aus seiner bisherigen Diözese. Der scheidende Weihbischof von Brooklyn sagt dies, ohne zu wissen, dass der Tod gar nicht weit ist.

Die Amtsübernahme in Chicago wird zu einem Ereignis, das weit über die damals zweitgrößte Stadt der USA hinaus für Schlagzeilen sorgt: Am 10. Februar 1916, dem Tag nach der offiziellen Installation Mundeleins als neuer Erzbischof, versucht der aus dem Elsass stammende Koch Jean Crones, der, wie sich später herausstellt, einer anarchistischen Gruppe angehört, mit einem Gift-Attentat die fast 300 Gäste eines festlichen Bankettes zu Ehren des neuen Erzbischofs zu ermorden. Die Festgesellschaft hat sich im Saal des Universitäts-Clubs von Chicago versammelt. Eine hochrangige Runde. Es handelt sich um Repräsentanten aus Politik, Justiz und Wirtschaft der Großstadt am Michigansee sowie Vertreter der katholischen Kirche aus mehreren Bundesstaaten der USA, darunter eine stattliche Zahl aus Mundeleins bisheriger Diözese Brooklyn. Ihr Glück ist, dass dem Chefkellner des Clubs, der morgens die Küche inspiziert, die Farbe der bereits zubereiteten Suppe nicht gefällt. Ohne zu ahnen, dass sie vergiftet sein könnte, ordnet er an, die Suppe in vier der fünf Kessel durch neu zubereitete Suppe zu ersetzen. So erhalten die Gäste schließlich nur ein Fünftel der vom Attentäter geplanten Dosis. Der verdünnte Gift-Mix verliert seine tödliche Wirkung. Aber viele Teilnehmer des Festessens, das als „Poison Banquet“ in die Geschichte eingeht, werden von üblen Magenproblemen gequält. Nicht der neue Erzbischof: Als gefragtester Gesprächspartner dieses Abends bleibt ihm nur wenig Zeit zum Essen. Als ihm die Suppe serviert werden soll, winkt Mundelein ab. Als der zweite Gang an die Reihe kommt, zeigen bereits mehr als die Hälfte der Gäste mit bleichen Gesichtern Anzeichen akuter gesundheitlicher Probleme.

Am Tag zwei seiner Amtszeit ein Attentat überlebt – das macht mächtig Eindruck nicht nur auf die katholische Bevölkerung von Chicago und Umgebung. Hätte es schon damals eine durch Meinungsumfragen ermittelte Popularitätsskala gegeben, wäre mit Erzbischof George William Mundelein vielleicht schon anno 1916 der Begriff des Senkrechtstarters erfunden worden. Francis Clement Kelley (1870-1949), seit 1924 Bischof von Oklahoma City, ist Teilnehmer des „Poison Banquet“. Er erinnert in seinen Memoiren an das enorme Echo, das dieses Ereignis in den Medien findet: „Am Morgen des 9. Februar 1916 kannte nur Chicago den Namen Mundelein, aber am nächsten Morgen kannte ihn die ganze Welt.“ [8] Chicago beginnt, den Erzbischof, dessen Amtseinführung so viele Schlagzeilen macht, zu bewundern und zu verehren. Beim Willkommens-Bankett hätten 150 prominente Bürger von der vergifteten Suppe gegessen, erinnert einige Jahre später das Nachrichtenmagazin „Time“ an das Attentat und fügt hinzu, beim nächsten Bankett sei Erzbischof Mundelein der erste gewesen, der Suppe geordert habe. [9]

In der katholischen Kirche von Chicago brechen neue Zeiten an. Er unterscheide sich von seinem Vorgänger, macht Mundelein gleich am Tag der Amtsübernahme bei einem Empfang für den Klerus seines Erzbistums deutlich, Gott habe ihm eine andere Ausprägung gegeben. Vielleicht habe er die Gabe, ein Problem schneller zu erfassen, deutet er an und ergänzt, wahrscheinlich handele er auch schneller.

Der Lebensstil der feinen Art

Sein Talent als Organisator, das er schon in Brooklyn unter Beweis gestellt hat, ist für Mundelein an der Spitze der Erzdiözese von Chicago von ebenso großem Nutzen wie die Erfahrungen, die er bei diversen Bauvorhaben des Bistums Brooklyn und der Einwerbung finanzieller Unterstützung für kirchliche Zwecke gesammelt hat. Der neue Erzbischof von Chicago wird ein großer Bauherr. In dem Land, das keine Kirchensteuern kennt, beschreitet er eigene Wege, Spenden und Spender zu gewinnen. Es ist nicht die Rolle des Bittstellers. Im Blick auf gut betuchte Sponsoren aus Wirtschaft und Finanzwelt – und er gewinnt keineswegs nur katholische – entwickelt Mundelein einen persönlichen Lebensstil der feinen, gehobenen Art, der diese Eliten beeindruckt und der Erzdiözese Chicago namhafte finanzielle Zuwendungen sichert. Es ist ein Stil, den Mundelein’s Biograph Edward R. Kantowicz als „going first class“ beschreibt [10]. Otmar Allendorf nennt dieses Mundelein-Prinzip ,,Klotzen, nicht kleckern.“ [11]

Mit Mundelein steht eine Persönlichkeit mit großem Einfluss und Durchsetzungsvermögen an der Spitze der katholischen Kirche von Chicago. Sein heutiger Nachfolger auf dem Bischofsstuhl von Chicago, Francis Kardinal George OMI (Jahrgang 1937, Erzbischof seit 1997), schreibt im Jahre 2000 in seiner Bistumszeitung eine Kolumne über George William Mundelein. Dessen Wahlspruch als Bischof „Dominus adjutor meus“ (Gott ist mein Helfer) sei damals von freundlichen Zynikern, an denen es in Chicago nicht mangele, in dieser Weise übersetzt worden: „Gott ist mein Assistent.“ [12]

Wie seine frühere Diözese Brooklyn ist Chicago ein Erzbistum, in dem Einwanderer vieler Nationalitäten neue kirchliche Heimat suchen. Mundeleins Amtsvorgänger in der Stadt am Michigan-See, Erzbischof James Edward Quigley, hat bereitwillig den Wünschen ethnischer Gruppen stattgegeben, selbst in kleineren Wohnbezirken neue katholische Kirchen und Pfarreien zu etablieren und diese Gemeinden an der jeweiligen Muttersprache der dort lebenden Immigranten auszurichten. Als Mundelein 1916 sein Amt als Erzbischof übernimmt, gibt es in der Großstadt Chicago 93 englischsprachige, zumeist stark von irischen Einwanderern geprägte Pfarrgemeinden, gefolgt von 35 deutschen, 34 polnischen, 11 italienischen, jeweils neun böhmischen und litauischen sowie 7 slowakischen Pfarreien. Mundelein kann die von seinem Vorgänger begonnene Entwicklung nicht rückgängig machen, aber er bremst diesen Trend deutlich ab. Als amerikanischer Bischof setzt er auf amerikanische Pfarrgemeinden. Er will integrieren und – durchaus auch aus Kosten-Gesichtspunkten – eine weitere ethnische Aufsplitterung seiner Erzdiözese (und seines Klerus) verhindern.

Vor diesem Hintergrund erscheint es verständlich, dass George William Mundelein nicht allzu häufig daran erinnert, dass er selbst ein Nachfahre von Einwanderern ist. Am 24. September 1916 aber ist so ein Tag. In Chicago hält er seine erste Ansprache als Erzbischof an die Katholiken deutscher Abstammung. Und er verrät seinen Zuhörern, einer der letzten Abschiedsempfänge für ihn in Brooklyn sei der des lokalen Ablegers des Deutschen Römisch-Katholischen Centralvereins gewesen, dem er bis zu seiner Abreise angehört habe. [13]

Der Vater des Urgroßvaters?

Als Mundelein diese Rede hält, steckt Deutschland mitten im Ersten Weltkrieg. Zwei oder drei Jahre zuvor sei es eine Auszeichnung gewesen, als Deutsch-Amerikaner bekannt zu sein. Nun aber werde allenfalls im Flüsterton daran erinnert, führt Mundelein aus. Vielleicht ist er deshalb bestrebt, die deutschen Wurzeln der eigenen Vorfahren möglichst weit in der Vergangenheit festzumachen. Er sagt, annähernd 100 Jahre zuvor habe der Vater seines Urgroßvaters zu jener kleinen Gruppe gehört, die dem alten Pfarrer Raffeiner geholfen habe, die erste deutsche katholische Kirche in den Vereinigten Staaten zu bauen. [14] Und der Chicagoer Erzbischof befindet, es sei mittlerweile reichlich spät, die Deutsch-Amerikaner um einen Beweis ihres Patriotismus zu bitten. Dieser Beweis sei mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor erbracht worden. Es liege ihm nicht, auf persönliche Dinge zu verweisen, aber im Jahre 1860, nach Präsident Abraham Lincoln’s erstem Aufruf, Freiwillige für die Unions-Armee des Bürgerkrieges zu gewinnen, habe sein Großvater Frau und kleine Kinder verlassen, um für die amerikanische Flagge und die Union zu kämpfen, und 1.000 Deutsche seien im selben Regiment gewesen. Weniger als ein Drittel von ihnen habe den Bürgerkrieg überlebt, stellt Mundelein heraus und betont – ein Jahr vor Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg -, dasselbe Feuer des Patriotismus, das die Liebe für Amerika im Jahre 1860 gekennzeichnet habe, sei unter den Deutsch-Amerikanern des Jahres 1916 zu finden.

Die Äußerungen Mundeleins in dieser Ansprache beruhen möglicherweise auf unzureichenden Kenntnissen der eigenen Familiengeschichte. Sie werden von Biographen des Erzbischofs später weiterinterpretiert. Doch vor allem der amerikanische Teil der Familiengeschichte Mündelein/Mundelein scheint bis heute nicht ausreichend erforscht zu sein.

In dem von Paul R. Martin herausgegebenen Buch „The First Cardinal of the West“ heißt es, es sei ein „Irrtum“, dass Mundelein, wie häufig verbreitet, die dritte Generation seiner Familie in den USA repräsentiere. Es handele es sich vielmehr um die fünfte Generation. Schon der Vater von Mundeleins Urgroßvater habe „hundert Jahre zuvor“ zu der kleinen Gruppe gehört, die Pfarrer Raffeiner geholfen habe, die erste deutsche katholische Kirche in den USA zu bauen. [15] Damit nimmt der Autor eindeutig Bezug auf Mundeleins Chicagoer Rede von 1916.

Die Schlacht von Fort Sumter

Bei jenem Pfarrer Raffeiner handelte es sich um den aus dem österreichischen Tirol stammenden Mediziner und spätberufenen Priester Johann Stephan Raffeiner (1785-1861). Er war Anfang 1833 – und damit erst kurz vor oder kurz nach Franz Theodor Mündelein aus Paderborn – in die USA eingewandert. Noch im selben Jahr gründete Raffeiner die St.-Nikolaus-Gemeinde in New York. Diese Kirche, mit deren Bau Raffeiner bald danach auf einem von Johann Jacob Astor erworbenen Grundstück begann, wurde am Ostersonntag 1836 eingeweiht. Wenn ein Mündelein beim Bau dieser Kirche an Manhattans Lower East Side geholfen hat, kommt dafür der aus Altenbüren stammende und aus Paderborn emigrierte Tischler Franz Theodor Mündelein – und damit der Großvater und nicht der Ururgroßvater – in Frage, denn frühere Amerika-Auswanderer der Familie Mündelein sind nicht überliefert.

Martin’s Buch „The First Cardinal of the West“ ist eine Zusammenstellung einer Serie von Artikeln, die anlässlich des Silbernen Bischofsjubiläums von George William Mundelein (21. September 1934) ab Februar 1934 in der Chicagoer Bistumszeitung „The New World“ veröffentlicht werden. Darin ist von nicht näher bezeichneten „Helden“ unter Mundeleins Vorfahren die Rede, die ihr Leben für die Verteidigung eines vereinigten Landes geopfert hätten [16] ? Anspielung auf eine Darstellung, die schon 1926 James J. Walsh in seinem in New York und London erschienen Buch „Our American Cardinals“ verbreitet hat. Darin wird Mundeleins Äußerung von 1916 konkretisiert: Sein Großvater sei einer der Ersten gewesen, die sich in den ersten Tagen des Bürgerkrieges nach dem Aufruf von Präsident Abraham Lincoln zu den Unions-Truppen gemeldet hätten, und er sei der erste Gefallene in den Reihen dieser Truppen bei der Schlacht von Fort Sumter gewesen. [17] Die Schlacht von Fort Sumter in South Carolina fand am 12. und 13. April 1861 statt, aber den ersten toten Soldaten gab es erst am Tag danach, am 14. April, und der hieß Daniel Hough. Es habe in der US-Garnison von Fort Sumter 1961 keinen Soldaten namens Mundelein gegeben, und überdies sei ein Mann von 56 oder 57 Jahren zu alt für den Militärdienst gewesen, teilte der Historiker Richard W. Hatcher vom National Park Service der USA in Sullivan’s Island, South Carolina, der das heutige Nationaldenkmal Fort Sumter betreut, unter Hinweis auf das Geburtsjahr 1804 von Franz Theodor Mündelein auf Anfrage mit. [18] Zudem soll Franz Theodor Mündelein bereits um 1850 gestorben sein – nicht in Fort Sumter, sondern in New York. [19] Er hinterließ seine Frau – aber keine „kleinen“ Kinder, wie George William Mundelein in seiner Chicagoer Rede von 1916 ausführt. Oder meinte Mundelein in seiner Rede gar nicht nicht die Vorfahren väterlicherseits, sondern die mütterliche Linie?

Auch die Geschichte der Engemanns bedarf noch weiterer Forschung. Es gibt Hinweise, dass es sich bei der 1809 in Ossendorf bei Warburg geborenen Maria Engemann, der Großmutter von George William Engemann, um eine Schwester von Bernard Engemann handelte, der bereits früher in die USA ausgewandert und in New York ansässig geworden war. Bernhard Engemann zog später mit seiner Frau nach Ohio, wo er auch begraben ist. [20] Aber waren Bernard und Maria Engemann Vorfahren früherer Generationen ihrer Familien die USA gefolgt, so dass sich George William Mundelein bei seinem Hinweis auf den „Vater des Urgroßvaters“ auf die Linie der Engemanns bezogen haben könnte? Auch hier gibt es in der Familiengeschichte noch manches Fragezeichen.

Nachweisbar ist hingegen ein 1861 mit 20 Jahren in die Kompanie A des 103. Infanterie-Regimentes von New York eingetretener Unions-Soldat namens Georg Mundelein. [21] Er hat den Bürgerkrieg überlebt und könnte – Jahrgang 1841 – ein in der Mundelein-Familienforschung bislang unbekannter Onkel von George William Mundelein gewesen sein.

Die New York Times verweist indes auf Mundeleins Großvater müttlerlicherseits. Von Maria Goetzes Vater werde erzählt, dieser sei der erste Soldat der Unionstruppen gewesen, der während des Bürgerkrieges in Fort Sumter getötet worden sei. Dieser Bericht allerdings sorgt an anderer Stelle der Mundelein-Vita für neue Umgereimtheiten: Hier ist nicht von George William Mundelein als Amerikaner der dritten Generation und seinen beiden Schwestern die Rede. Er sei „eines von neun Kindern“ einer frühen Einwanderer-Familie, die von Deutschland nach New York gekommen sei, heißt es dort. [22]

30.000 Pfund Mehl aus Chicago

St. Mary of the Lake in Mundelein: Der Bau der Kirche wird 1925 vollendet.
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George William Mundelein vergisst Deutschland, die Heimat seiner Vorfahren, nicht. 1921 ruft er in den Kirchen seiner Erzdiözese Chicago zu einer großen Kollekte zugunsten Not leidender Familien in dem von den Folgen des Ersten Weltkrieges und großer Inflation gebeutelten Deutschland sowie in Österreich auf. Vom Erlös der Sammlung werden 30.000 Pfund Mehl gekauft und per Schiff nach Deutschland gebracht. Die Frachtkosten bis Hamburg übernimmt die deutsche Regierung. In Paderborn erinnert bei der Gelegenheit das Westfälische Volksblatt daran, Erzbischof „Mündelein“ sei „bekanntlich aus Paderborn stammend“. Das Blatt schreibt über diese „Caritastat“: „Den Katholiken des Bistums Chicago, an der Spitze dem Herrn Erzbischof Mündelein, die zweifellos mit bedeutenden Mühen und Opfern eine so reiche Spende ermöglichten, gebührt inniger Dank des deutschen Volkes, vor allem der deutschen Kinder.“ [23]

Hunderttausende von europäischen Kindern und Erwachsenen seinen damals durch amerikanische Hilfe „buchstäblich vor dem Hungertod bewahrt“ worden, schreibt Ludwig Hertling. [24] Nachträgliches Dankeschön: 1927 schickt der deutsche Reichskanzler Wilhelm Marx (1863-1946, Zentrums-Politiker) einen Nussbaum-Bücherschrank mit hundert schönen, ins Schweinsleder gebundenen, auserlesenen Büchern als „Ehrengabe der deutschen Regierung“ an Erzbischof Mundelein, den „großen Freund des deutschen Volkes“. [25]

1921 ist auch das Jahr, in dem in St. Mary of the Lake in Mundelein die ersten 50 Studenten ihr Philosophie-Studium beginnen. Der Bau der seminareigenen Kirche wird 1925 abgeschlossen. Neun weitere Jahre werden vergehen, bis alle 14 Seminargebäude und das Auditorium vollendet sind.

Seminar am See: Ein undatiertes Luftbild von St. Mary of the Lake in Mundelein als kolorierte Postkarte. Sie stammt vermutlich aus der Zeit des Eucharistischen Weltkongresses 1926. In der Bildmitte die 1925 fertiggestellte Kirche. Hinter den Seminargebäuden links dampft die Lokomotive eines Eisenbahnzuges. Die für den Eucharistischen Kongress gebaute Bahnstation scheint bereits in Betrieb zu sein.
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„Größte katholische Kundgebung dieses Jahrhunderts“

Die bronzene Erinnerungsmedaille an den Eucharistischen Weltkongress 1926 zeigt den Gastgeber des kirchlichen Großereignisses, Kardinal George William Mundelein. Das Foto im Hintergrund zeigt die 1885 von Mundeleins Vorvorgänger erbaute Residenz des Erzbischofs von Chicago am heutigen North State Parkway. Auch Mundelein hat hier gelebt. Drinnen, über einem großen offenen Kamin, hängt bis heute sein Wappen.
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1926 erleben das noch unvollendete Seminar und der nach Kardinal Mundelein benannte Ort im Lake County den mit Abstand größten Besucherandrang ihrer Geschichte. Erzbischof Mundelein ist es gelungen, den 28. Eucharistischen Weltkongress, den ersten auf amerikanischem Boden, nach Chicago zu holen. Zu dem viertägigen internationalen Glaubenstreffen vom 20 bis 24. Juni werden zwei Millionen Katholiken, unter ihnen 15 Kardinäle, erwartet. Gastgeber für so viele Menschen zu sein, bedeutet auch für eine Großstadt wie Chicago eine enorme organisatorische Leistung. Die logistische Kraftanstrengung wird noch dadurch gesteigert, dass Kardinal Mundelein, der Gastgeber, die feierliche Schlusskundgebung an den See seines Seminars in Mundelein platziert. In der Nähe des Seminars wird dafür eine eigene Bahnstation errichtet, und pausenlos verkehren am 24. Juni schon ab Mitternacht Züge zwischen Chicago und Mundelein hin und her, um die etwa 500.000 zu dieser Abschlusskundgebung erwarteten Teilnehmer an den Ort des Seminars zu bringen. Es werden noch ein paar Hunderttausend mehr. „Es war ein Wagnis, 800.000 Menschen 60 Kilometer weit an einem Tag hin- und zurückzubefördern. Neun Autostraßen, als Einbahn eingerichtet, und fünf Bahnlinien standen zur Verfügung. Die North Shore Railroad allein beförderte 250.000 Menschen in beiden Richtungen.“ [26]

„Der Zug ins Große und Unerreichte, wie wir ihn beim Amerikaner auf technischem, wirtschaftlichem und industriellem Gebiete bewundern, bemächtigt sich in diesen Tagen der religiösen Kundgebungen anlässlich des genannten Kongresses. Heute kann man schon sagen, dass wir vor der größten katholischen Kundgebung dieses Jahrhunderts stehen“, kabelt der Korrespondent des Westfälischen Volksblattes in einem Vorbericht zum Eucharistischen Kongress aus der „Neuen Welt“ in die Heimat Paderborn. [27]

Als seinen Legaten entsendet Papst Pius XI. Kardinal Giovanni Bonzano (1867-1927) nach Chicago. Die Gruppe der 150 deutschen Kongresspilger wird vom Münchener Erzbischof Michael Kardinal von Faulhaber (1869-1952, Bischofsweihe 1910, Erzbischof von München und Freising seit 1917) angeführt. Mit dem Dampfer „Lützow“ haben sich aus Bremerhaven mit vielen anderen Kongress-Teilnehmern, unter ihnen 70 Priester, der Osnabrücker Bischof Wilhelm Berning (1877-1955, Bischof seit 1914) und der Paderborner Generalvikar Joseph Rosenberg (1865-1930, Generalvikar seit 1920) auf den Weg in die USA gemacht. Im Eröffnungsgottesdienst für die Treffen der deutschen Sektion des Weltkongresses hält Berning die Predigt. Zur ersten Versammlung dieser Sektion am Sonntag, 20. Juni, drängen sich vor dem Chicagoer Ashland Boulevard Auditorium 12.000 deutschsprachige Besucher. Der große Saal aber bietet nur 7.000 Plätze. Daher wird improvisiert und rasch ein kleinerer Saal des Auditoriums für eine Parallelveranstaltung geöffnet. Den Vorsitz der dortigen Versammlung übernimmt der Generalvikar aus dem westfälischen Paderborn.

Riesig der Beifall, als Kardinal Mundelein mit dem päpstlichen Legaten Kardinal Bonzano, dem Treffen der deutschsprachigen Kongress-Teilnehmer einen Besuch abstattet. Der offizielle Kongressbericht der deutschsprachigen Sektion hält fest: „Kardinal Mundelein, dem man die Befriedigung über das glanzvolle Gelingen seines Eucharistischen Kongresses vom Gesicht ablesen konnte […], erzählte in gemütlicher Weise von der alten St. Nikolaus-Pfarrei in New York, wo im Taufbuch auf der ersten Seite die Mundelein-Zwillinge verzeichnet stehen. Er sprach zu der Versammlung nicht wie zu Fremden, sondern wie zu guten vertrauten Freunden, denen man seine Sorgen aber auch seine Erfolge erzählen darf.“ [28] Die Mundelein-Zwillinge – das waren der Vater des Erzbischofs, Nikolaus Franz Mundelein, und sein Onkel Joseph.

Donnerstag, 24. Juni 1926: Auf dem Seminargelände von St. Mary of the Lake in Mundelein versammeln sich Hunderttausende zum feierlichen Gottesdienst und zur anschließenden Schlussprozession des Eucharistischen Weltkongresses.
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„Es ist nicht der Stil seiner Eminenz, kleine Triumphbogen zu bauen“

Dichtgedrängt stehen die Menschen am Weg der mehrstündigen Prozession, die den am Seminar gelegenen See umrundet. Bald wird ein großes Unwetter aufziehen.
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Zur Abschlussveranstaltung des 28. Eucharistischen Weltkongresses in Mundelein drängen am 24. Juni nicht die erwarteten 500.000, sondern 800.000 bis 1 Million Menschen. Einer der deutschen Teilnehmer, Adolf Sonnenschein, hält in seinem Tagebuch fest: „Chicago, 24. Juni. Wir fahren erst um halb elf Uhr nach Mundelein, dem Priesterseminar des gleichnamigen Kardinals von Chicago, angeblich um zehn Millionen Dollar errichtet; 360 Bischöfe hätten dort heute schon übernachtet, hören wir, jeder habe einen Altar in seinem Zimmer. Die Fahrt, stehend im überfüllten Wagen der Hochbahn, zirka sechzig Kilometer, dauert fünf Stunden, anstatt eine, wie vorgesehen, da die Verkehrseinrichtungen dem Transport von Hunderttausenden nicht gewachsen sind; immer wieder warten wir auf freier Strecke. Die Prozession um den See herum ist daher fast beendet, sie wurde von einem Platzregen getroffen. Der schöne Park ist von den Menschenmassen und Likörbuden stark verwüstet; die überanstrengten Besucher und Priester, z.T. im geistlichen Gewand, lagerten vielfach im Grünen. Überhaupt ist unser Empfinden über die amerikanischen Formen zuweilen betroffen. Der Priester und Bischof im Strohhut, mit diesem als ‚Konferenzier‘ heftig gestikulierend oder am Steuer seines eigenen Kraftwagens oder Tennis spielend, sind uns fremd. Auch Scheinwerfer und Photographen im Kirchenchor, Flieger über der Stadionsmesse und heute über der Prozession; auch knatterten zwei Schnellmotorboote unentwegt auf dem kleinen See von Mundelein.“ [29]

„Weltfronleichnam“ nennt der höchste Repräsentant der deutschen Delegation, Kardinal Michael von Faulhaber (München), die große Prozession in St. Mary of the Lake in Mundelein. Für die Zeitschrift „Tabernakel und Fegfeuer“, die von den Benediktinerinnen in Clyde, Missouri, herausgegeben wird, fasst Faulhaber seine Eindrücke zusammen: „Es ist nicht der Stil von Seiner Eminenz Kardinal Mundelein, kleine Triumphbogen zu bauen und den neuen Wein in alte Schläuche zu gießen. […] Rings um den See war eigens für die Prozession eine neue Kunststraße angelegt worden. An den Abhängen gegen den See hatte eine meisterhafte Gärtnerhand mit Blumen in allen Farben weithin sichtbar eine Monstranz, das Wappen des Hl. Vaters, das Wappen von Kardinal Mundelein, das Sternenbanner dargestellt. Die große Terrasse vom See bis zur Kirche St. Mary of the Lake und die palastähnlichen Seminargebäude, die rechts und links die Kirche umgeben wie die Leviten den Hohenpriester beim Hochamt, bildeten einen überaus malerischen Rahmen für die Feier der heiligen Geheimnisse. Vor dem Portal der Kirche war unter freiem Himmel der Hochaltar aufgerichtet, der wie ein Kapitol das ganze Landschaftsbild krönte und beherrschte. Ein großes Feuerwerk, das am Vorabend den See und seine Ufer mit märchenhaften Bildern überflutete, sollte den kleinen und großen Kindern ins Gedächtnis schreiben: Der König der Herrlichkeit hält morgen seinen Einzug. Durch Lautsprecher wurde es […] möglich, die Messgesänge vom Altar, den Choral des Sängerchores während des Hochamtes, seine Hymnen während der Prozession, die Predigt Sr. Eminenz des Kardinal Hayes von New York nach dem Evangelium, die Mitteilungen der Ordnungsmänner, zu den Ohren aller auf den weiten Wiesen- und Waldgründen und dem langen Prozessionsweg zu tragen. Der Tag von Mundelein hat der Welt gezeigt: Die Katholiken der Neuen Welt können in großzügiger Weise organisieren und die Technik der Neuzeit in den Dienst der Liturgie stellen, wie die Katholiken der Alten Welt die Kunst des Mittelalters dem Gottesdienste dienstbar machten. […] Der Tag von Mundelein war ein hohes Lied der Organisationskunst und Technik. […] Der Tag von Mundelein war mehr als das. Die amerikanischen Katholiken können nicht bloß organisieren, sie können auch beten. Sie sind nicht bloß Meister der Technik, sie sind auch Ministranten der heiligen Eucharistie. […] Vormittags 10 Uhr wurde unter freiem Himmel das feierliche Hochamt von Seiner Eminenz dem Kardinal-Legaten Bonzano in jener Würde und Andacht gehalten, die das Auftreten dieses Abgesandten des Hl. Vaters überall so erbaulich gestaltete. Keine Kirche wäre groß genug gewesen, im Innern dieser Million Menschen Raum zu geben, die sich hier im Freien auf den Wegen und Wiesen, an den Ufern des Sees und tief in die Wälder hinein zusammendrängte. Bei der Brotvermehrung in der Wüste waren es fünftausend, hier waren es zweihundert mal fünftausend. […] Nach dem Hochamt folgte eine lange Unterhaltungspause. Das Volk lagerte sich in Gruppen wie bei der Brotvermehrung in der Wüste. […] Um 2 Uhr nachmittags setzte sich die Prozession in Bewegung. Wie glühende Pfeile trafen uns die Strahlen der Mittagssonne. […] Die große Zahl des Volkes konnte nur schauend und betend zu beiden Seiten des Prozessionsweges stehen, nicht im Zuge selber mitwallen. […] Der Weg der Prozession führte rund um den See, streckenweise durch Wald. […] In der langen Reihe der Priester, Bischöfe und Kardinäle waren die verschiedensten Völker der fünf Erdteile vertreten. Bischöfe und Kardinäle aus Europa, Asien, Afrika und Australien; in Reih und Glied mit Neger- und Indianerpriestern! Es war ein Schauspiel katholischer Einheit für die Alte und die Neue Welt. […] Gerade als die Prozession mit dem Allerheiligsten am Südufer des Sees anlangte, also am weitesten von der Kirche entfernt war, brach ein schweres Gewitter los. Blitze zuckten aus den Wetterwolken, von schweren Donnerschlägen begleitet, und der strömende Regen wandelte in einer halben Stunde die Straßen neben dem See in große Wasserlachen. Auch die Blitze und die Wetterwolken wollten das Benedicite der Schöpfung mitsingen. […] Unter Blitz und Donner wollte der Herr der Heerscharen die Kinder des 20. Jahrhunderts fragen: Könnt ihr auch bei schlechtem Wetter glauben? […] Ein Teil des Publikums flüchtete panikartig feldeinwärts, obgleich sie keinen Unterstand vor sich sahen. Ein anderer Teil hielt ruhig an der Straße aus, während die Prozession selbst in voller Ordnung ihren Weg und ihre Gebete fortsetzte. […] Niemals im Leben werde ich die Bilder von Glaubenshelden vergessen, die ich damals schauen durfte. Männer und Frauen knieten auf beiden Knien in den Wasserlachen und dem Schmutze der Straße nieder, um mit hochgefalteten Händen den Heiland der Welt anzubeten, der in Brotsgestalt vorüberzog. Solchen Glauben habe ich in Europa nicht gefunden. Mitleidige Menschen boten uns ihre Regenschirme an; wir lehnten es ab, weil bei dieser Prozession Kleider und Gesundheit Nebensachen waren. […] Wenn die stechende Gluthitze, wie sie beim Ausgang der Prozession um 2 Uhr herrschte, während der ganzen dreistündigen Prozession angedauert hätte, es wären Hunderte von Menschen, besonders Kinder, vom Sonnenstich oder Hitzschlag getroffen worden. Wer jemals Feste mit großen Menschenmassen zu ordnen hatte, der weiß, dass die große Hitze viel gefährlicher sein kann als der größte Regen. Nach meiner Überzeugung hat der Regen vielen Menschen, besonders Kindern das Leben gerettet. […] Außer dem Regen konnte man auch von andern unliebsamen Erlebnissen hören: Regenschirme und Thermoskannen wurden zerbrochen, Lunch war nicht zu erreichen, die Rückkehr nach Chicago war erst nach Mitternacht möglich, Kinder wurden von den Eltern im Gedränge verloren. Ihr Kleingläubigen! All diese kleinen Störungen des Tages werden bald verblassen und in Eurer Erinnerung wird nur das große Bild der weltumspannenden Kundgebung katholischen Glaubens, katholischer Glaubenseinheit bleiben. Trotz aller Störungen möchtest Du den 24. Juni 1926 nicht aus dem Tagebuch Deines Lebens streichen. Die Teilnahme an der Prozession in Mundelein bleibt trotz allem eine große Gnade Deines Lebens. Im letzten Viertel des Weges durften wieder Sonne und Wärme das Benedicite singen. Als die Prozession zur Kirche zurückkehrte, wurde zum Abschluss des Eucharistischen Kongresses der dreifache feierliche Schlusssegen mit dem Allerheiligsten gegeben. […]“ [30]

Einladung nach Paderborn

Wollte seine Paderborner Verwandten zum Weltkongress begrüßen: Kardinal George William Mundelein.
Foto: John Laveccha (Chicago).
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Für George William Mundelein sollte der Eucharistische Kongress in seiner Erzdiözese nicht nur ein kirchliches Großereignis, sondern auch privat ein ganz besonderes Datum werden: Dass der US-Bischof in regelmäßigem Kontakt zu den Mündeleins in Paderborn, den weitläufigen deutschen Verwandten, stand, ist nicht belegt. Aber er hat die Paderborner Mündeleins zum Eucharistischen Kongress nach Chicago eingeladen. Dass aus diesem Besuch und dem ganz besonderen Familientreffen nichts wird, hat mit der Erkrankung und dem Tod seines Paderborner Ansprechpartners, des westfälischen Kirchenbaumeisters Franz Mündelein (1857-1926) zu tun. Dieser stirbt am 12. Mai 1926, wenige Wochen vor dem großen Kirchentreffen in Chicago. „…Für dieses Jahr hatte er die Absicht, an dem Eucharistischen Kongress in Chicago teilzunehmen, was freilich um so näher lag, als sein Verwandter, der Erzbischof von Chicago, Kardinal Mündelein, ihn und seine Geschwister zugleich zu einem Familienbesuche eingeladen hatte.“ [31]

Die nächste Massenveranstaltung großen Ausmaßes, die Kardinal George William Mundelein, der Gastgeber des 28. Eucharistischen Weltkongresses von 1926 erlebt, gilt acht Jahre später ihm ganz persönlich: Sein 25-jähriges Bischofsjubiläum 1934 bringt Zehntausende von Menschen auf die Straßen von Chicago.

Zwölf Jahre nach dem Eucharistischen Weltkongress von Chicago fährt Kardinal George William Mundelein als päpstlicher Gesandter in den Süden der Vereinigten Staaten nach New Orleans (Louisiana) und ist höchster katholischer Würdenträger beim dortigen achten Nationalen Eucharistischen Kongress der USA (1938). Danach reist er nach Rom und erstattet dem Papst Bericht.

500 Priester und ein nicht geladener Gast

Schauplatz der berühmten Rede vom 18. Mai 1937: Das in Mundeleins Amtszeit als Erzbischof erbauteQuigley-Seminar in Chicago. Rechts die zum Seminar gehörende Kirche.
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Ein Jahr zuvor, 1937, sorgt George William Mundelein wie beim „Poison Banquet“ 1916 erneut für weltweite Schlagzeilen.

500 Priester seiner Erzdiözese hat George William Mundelein am Dienstag, 18. Mai 1837, zur vierteljährlichen Seelsorger-Konferenz im Quigley-Seminar von Chicago versammelt. Dieses von Mundelein erbaute und nach seinem Amtsvorgänger benannte Seminar dient bis 2007 als katholische Highschool und beherbergt seitdem als Archbishop Quigley Center einen Teil der Chicagoer Diözesanverwaltung.

An der Konferenz im Mai 1937 nehmen nicht nur Geistliche teil. Unerkannt hat sich ein Journalist eingeschlichen: Tony Czarnecki von der Tageszeitung Chicago Daily News. Er macht sich eifrig Notizen. [32] Und wird Zeuge einer Ansprache, in der Kardinal Mundelein heftig die nationalsozialistischen Machthaber in Deutschland angreift, die gerade dabei sind, das Land – begleitet von heftiger Propaganda gegen die Kirche – mit einer gegen katholische Priester und Ordensleute gerichteten Welle von Sittlichkeitsprozessen und Gerichtsverfahren wegen angeblicher Devisenvergehen zu überziehen. Bei den von den Nazis an den Pranger gestellten katholischen Orden handelt es sich nicht zuletzt um solche Ordensgemeinschaften, die seit langem auch in der Erzdiözese Chicago wirken. Erzbischof Mundelein stellt sich vor diese Orden: „Wir schulden ihnen etwas; sie haben beigetragen zum Aufbau unserer Kirche in den Vereinigten Staaten in der Vergangenheit und wir können ihnen jetzt helfen. Vereinigtes Gebet unseres Volkes wird sich letzten Endes als machtvoller und erfolgreicher erweisen als das Gewicht der heimtückischen Propaganda, die vom Dritten Deutschen Reich ausgeht.“ [33] Mundelein ruft zur „Bezeugung unserer offenen Sympathie in dieser Stunde der Prüfung“ für die Kirche in Deutschland auf. Hinter den Angriffen der Nazis auf die Kirche vermutet Mundelein dieses Ziel: „Der Kampf geht darum, die Kinder uns fortzunehmen.“

Mutig: George William Mundelein greift Hitler und Goebbels scharf an. Das hat in dieser Deutlichkeit noch kein ausländischer Kirchenfürst gewagt.
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Der Chicagoer Erzbischof zielt unter anderem auf den „lautmauligen“ und „verschrobenen Propagandaminister“ Joseph Goebbels ab. Aber seine Rede-Attacke gilt auch Adolf Hitler: „Ihr werdet vielleicht fragen“, ruft Mundelein seinen Priestern mit Blick auf Deutschland zu, „wie eine Nation von 60 Millionen Menschen, intelligenten Menschen, sich in Furcht und Knechtschaft einem Ausländer unterwerfen kann, einem österreichischen Tapezierer, und – wie mir gesagt wird – einem schlechten dazu…“ Tony Czarnecki, der inkognito lauschende Konferenzteilnehmer im Quigley-Seminar, horcht auf. Was der Zeitungsreporter hier gerade gehört hat, riecht nach einer Sensation. Eine solche Attacke eines prominenten Kirchenmannes gegen die seit vier Jahren in Deutschland regierenden Nazis hat er noch nicht gehört. Czarnecki geht zu Mundelein, gibt sich als Reporter zu erkennen und bittet den Kardinal, um eine nicht korrekte Wiedergabe seiner brisanten Worte auszuschließen, um das Manuskript seiner Rede. Mundelein willigt ein und gibt dem Reporter den Redetext. Die Folgen dürften dem Erzbischof durchaus klar gewesen sein: Seine Attacken gegen den „österreichischen Tapezierer“ Adolf Hitler und dessen „Schlamm“ verbreitenden Propagandaminister Joseph Goebbels sorgen an den Tagen darauf für ein weltweites Medienecho. Als „Paperhanger Speech“ wird diese Ansprache in die Geschichte eingehen.

Goebbels tobt. „Cardinal Mundelein aus Chikago macht gemeine Ausfälle gegen Führer, mich und das Reich. Zweifelt die Richtigkeit unserer Pfaffenprozesse an. Ich lasse die deutsche Presse scharf dagegen los“, hält der Propagandaminister am 21. Mai in seinem Tagebuch fest. [34] Die katholische Regionalzeitung Westfälische Volksblatt in Paderborn, der Heimat der Vorfahren des Kardinals, ist inzwischen von den Nationalsozialisten übernommen und deren braunem Pressetrust einverleibt worden. Die Zeitung, die nach seiner Hilfsaktion 1921 stolz – und in deutscher Schreibweise seines Namens – darauf hingewiesen hatte, „Mündelein“ sei „bekanntlich aus Paderborn stammend“ und ihn 1926 als „Verwandten“ des Paderborner Kirchenbaumeisters Franz Mündelein bezeichnet (siehe oben), lastet nun – unter Verwendung des „amerikanisierten“ Namens – dem „Kardinalerzbischof Mundelein“ an, dieser habe „in nicht wiederzugebender Weise“ den Führer geschmäht: „Mit tiefer Entrüstung nimmt das deutsche Volk von dieser Hetzrede eines der höchsten Würdenträger der katholischen Kirche Kenntnis. . .“ Für den „unglaublich hetzerischen und beleidigenden Ton seiner Rede, der selbst vor dem deutschen Staatsoberhaupt nicht Halt macht“, gebe es „um so weniger eine Entschuldigung, als man gerade von einem Gottesstreiter Worte des Friedens und der Versöhnlichkeit erwarten darf“. [35] Zwei Tage später werden in einem weiteren Artikel „die verleumderischen Behauptungen des Kardinalerzbischofs“ und dessen „unverantwortliche Verleumdungen und Beschimpfungen des Führers“ angeprangert. Das Blatt spricht von einer „Lügenaktion gegen Deutschland“, einem ,,beispiellosen Skandal“ und „unwürdigen Ausfällen“ Mundeleins. [36]

Dass das Blatt, das über den Kardinal früher in der deutschen Schreibweise „Mündelein“ berichtet hat, nun mit keiner Silbe erwähnt, dass der Chicagoer Erzbischof Paderborner Vorfahren hat, kann damit zu tun haben, dass in der Schriftleitung des Westfälischen Volksblattes mittlerweile Nationalsozialisten das Sagen haben, die nicht aus der Region Paderborn stammen und nichts von der Verbindung Mundelein-Mündelein wissen, oder damit, dass noch verbliebene Mitglieder der früheren Redaktion diese Verbindung bewusst unerwähnt lassen, um der Paderborner Familie Mündelein denkbare Racheaktionen von Goebbels & Co. zu ersparen.

Dr. Marianne Mündelein, Jahrgang 1926 und anno 2009 das älteste Mitglied der Paderborner Mündelein-Familie, ist davon überzeugt, dass der irgendwann in den USA entfallene Umlaut „ü“ die Paderborner Mündeleins gerettet hat. „Goebbels hätte doch bestimmt ohne große Erklärungen die ganze Paderborner Sippe ins KZ gebracht, wenn er von der Verbindung des Kardinals zu den Paderborner Mündeleins gewusst hätte.“ [37]

In den USA informiert unter anderem die New York Times ihre Leser über die „bitteren Gegenangriffe“, mit denen Presse und Rundfunk in Nazi-Deutschland auf Mundeleins Chicagoer Rede reagieren. So zitiert das Blatt aus der Deutschen Allgemeinen Zeitung (Berlin), der Kardinal habe ein ausländisches Staatsoberhaupt „im Ton eines Gangsters“ attackiert. [38]

Familienbesitz: Dr. Marianne Mündelein zeigt ein Portrait Kardinal Mündeleins. Der Paderborner Künstler Josef Hunstiger (1889-1960) hat es 1956 für die Paderborner Mündeleins in Öl gemalt – nach einer Fotografie.
Foto: Stüken

„Letzte Warnung!“

Am Freitagabend, 28. Mai 1937, zehn Tage nach der Rede Mundeleins, tritt Goebbels auf einer Großkundgebung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in der Berliner Deutschlandhalle, die von 20.000 Menschen besucht und vom Rundfunk übertragen wird, vor die Mikrofone. Das Nazi-Organ „Völkischer Beobachter“ spricht von einem „langersehnten erlösenden Wort“ und der „deutlichen deutschen Antwort“, versieht die Goebbels-Rede mit der Überschrift „Letzte Warnung!“ und schreibt, es sei „die allen Deutschen aus dem Herzen gesprochene Entgegnung auf die Reden und Taten jener politisierenden Geistlichen, an deren Spitze sich jenseits des Ozeans jüngst der Kardinal Mundelein gestellt hat“. [39]

„Ein katholischer Kardinal in Amerika mit Namen Mundelein hat in einer öffentlichen Rede, in der er den Führer in der unqualifizierbarsten Weise beleidigte, mich den ‚unehrlichen Propagandaminister von Deutschland‘ genannt…“, empört sich Goebbels, der „als berufener Sprecher des deutschen Volkes“ Stellung genommen habe [40], in seiner zweistündigen, mit neuen Tiraden gegen die Kirche gespickten Rede. „Der Angriff des Kardinals Mundelein gegen den nationalsozialistischen Staat kommt zwar aus dem Ausland; aber seine Inspiratoren sitzen, wie nachgewiesen werden kann, in Deutschland selbst“, behauptet Goebbels. Seinem Tagebuch vertraut er in dieser Nacht an: „Die Deutschlandhalle ist wahnsinnig überfüllt. Ich rede zwei Stunden in Glanzform. Die Attacke gegen die Klerisei hat ungeheuren Erfolg. Das Publikum rast. Es hagelt nur so Zwischenrufe. Wie wird das erst sein, wenn zum Kampfe aufgerufen wird. […] Ich glaube, nun wird der Vatikan die Dummheit des Cardinal Mundelein sehr bedauern.“ [41]

Der Vatikan bedauert nicht. Auf den Protest des deutschen Botschafters gegen die Mundelein-Rede hin fordert der Vatikan beim Chicagoer Kardinal zwar den genauen Wortlaut von dessen Ansprache an, distanziert sich aber in keiner Weise von Mundeleins Ausführungen. Was den Zorn der Machthaber in Berlin noch steigert. „Die Deutsche Regierung ist sonach zu der Feststellung gezwungen, dass der Heilige Stuhl jene unqualifizierbaren öffentlichen Angriffe eines seiner höchsten Würdenträger gegen die Person des deutschen Staatsoberhauptes unkorrigiert fortbestehen lässt und sie dadurch in den Augen der Welt tatsächlich deckt“, heißt es in einer Note, die Botschaftsrat Fritz Menshausen von der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl am 29. Mai 1937 an Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli richtet. [42] Die Voraussetzung für eine normale Gestaltung der Beziehungen zwischen der deutschen Regierung der Kurie seien durch das unerwartete und unverständliche Verhalten des Vatikan „beseitigt“, und für die Entwicklung trage die Kurie „die volle Verantwortung“, droht Menshausen mit einem ernsten diplomatischen Konflikt. Pacelli antwortet, „der Herr Kardinal von Chicago“ habe seine Rede „ohne jede Absicht der Veröffentlichung lediglich als Aufklärungsrede an seine Priester gegenüber der einseitigen und unwahrhaften Propaganda über die Sittlichkeitsprozesse gehalten“. [43]

Auch auf anderen Ebenen reagiert Hitlers Regierung auf Mundelein: „Die deutsche Botschaft hat wegen der törichten und geschmacklosen Beleidigungen des Führers und Reichskanzlers durch den Chikagoer Kardinal Mundelein beim Staatsdepartment in Washington energische Vorstellungen erhoben“, berichtet das Westfälische Volksblatt. [44]

Ein weiterer Schritt: „Am 22. Juni 1937 erteilte das Reichserziehungsministerium dem Rektor der Universität Breslau die Erlaubnis, das Verfahren zur Entziehung der Ehrendoktorwürde, die Kardinal Mundelein 1922/23 von der Breslauer theologischen Fakultät erhalten hatte, mit Beschleunigung durchzuführen.“ [45]

„Das ist doch ein tolles Stück“

Am 17. Juli 1937 stellt sich Papst Pius XI. in Rom gegenüber Pilgern aus der Erzdiözese Chicago demonstrativ vor deren Erzbischof und nutzt in seiner Grußadresse die Gelegenheit, „auf die Größe Ihrer Stadt und – warum es nicht sagen? – die Größe Ihres vortrefflichen Kardinalerzbischofs hinzuweisen, der so fürsorglich und eifrig auf die Verteidigung der Rechte Gottes und der Kirche und auf das Heil der Seelen bedacht ist“. [46] Über die deutsche Botschaft beim Vatikan erfährt Hitlers Regierung von dieser Papst-Äußerung. Joseph Goebbels vertraut am 20. Juli 1937 seinem Tagebuch an: „Der Papst hat sich in einer Ansprache an Chicagoer Pilger ostentativ hinter den Hetzer Mundelein gestellt. Das ist doch ein tolles Stück.“ Goebbels nennt den Papst einen „alten, heuchlerischen Medizinmann“. [47]

Die „Paperhanger Speech“ Mundeleins, der ein großer Freund des US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt (1882-1945, seit 1933 Präsident) ist, wirkt nach. Noch 1940 beklagt eine Aufzeichnung des Berliner Auswärtigen Amtes „über den Stand unserer Beziehungen zum Vatikan“, dass der Vatikan auf Mundeleins Rede von 1937 „auch auf die ernsten Vorstellungen unserer Botschaft hin nicht abgerückt ist“. [48]

Im Februar 1939 reist George William Mundelein in seiner wichtigsten Kardinalsfunktion nach Rom: Er zählt zu den weltweit 62 Purpurträgern, die sich am 1. März 1939 zum zweitägigen Konklave versammeln, um den neuen Papst zu wählen. Pius XI. (1857-1939, seit 1922 Papst), der ihn 1924 in den Kardinalsstand erhoben hat, ist am 10. Februar gestorben. Sollte die Wahl des Nachfolgers nicht auf einen Italiener fallen, so wird im Vorfeld des Konklave in Vatikankreisen spekuliert, könnte der Erzbischof von Chicago durchaus Chancen auf das höchste Amt der katholischen Kirche haben. Aber die Wahl fällt auf einen Italiener: Eugenio Pacelli (1876-1958), der den Papstnamen Pius XII. wählt. Mundelein kennt das neue Kirchenoberhaupt besser als manch anderer Teilnehmer des Konklaves. Als Kardinalstaatssekretär hat Eugenio Pacelli im Oktober 1936 die Erzdiözese Chicago besucht, und Pacelli war es, der am 24. Juni 1937 auf eine Protestnote der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl wegen der Mundelein-Rede schriftlich entgegnete, der Kardinal-Erzbischof von Chicago nehme als amerikanischer Staatsbürger für sich, „vor allem gegenüber den Exzessen der deutschen antichristlichen Propaganda“, das Recht in Anspruch, „auch seinerseits Wertungen anzustellen und seinen Mitbürgern die Eigenheiten anders gerichteter Staatssysteme aufzuzeigen“. [49]

Die „Stadt der breiten Schultern“ trauert

Totenzettel zur Erinnerung an den toten Kardinal.
Reproduktion: Stüken

Auf den Tag genau sieben Monate nach der Wahl des neuen Papstes stirbt George William Mundelein. In seiner Villa auf dem Seminargelände von Mundelein feilt er am Vorabend des 2. Oktober 1939 mit seinem Weihbischof Bernard James Sheil noch an einem Redemanuskript. Am nächsten Morgen findet ein Sekretär den Erzbischof tot in seinem Bett: George William Mundelein ist im Alter von 67 Jahren im Schlaf einer Herzkrankheit erlegen. Er wird seiner Bischofskirche, der Holy Name Cathedral, in Chicago aufgebahrt. Mehr als eine Million Menschen pilgern dorthin, um von dem in einem Bronzesarg liegenden beliebten Oberhirten, einer der größten Persönlichkeiten der katholischen Kirche der Vereinigten Staaten im 20. Jahrhundert, Abschied zu nehmen.

„Nach Rom ist Chicago heute höchstwahrscheinlich das größte Zentrum katholischen Einflusses und katholischer Aktivität in der Welt“, würdigt die Tageszeitung Chicago Daily News die Bedeutung des Verstorbenen. [50] „Mundeleins Karriere begann an der East Side“, überschreibt die New York Times ihren Nachruf und reklamiert damit ein wenig vom Ruhm des „freimütigen Mannes deutscher Abstammung“, der „ein enger Freund zweier Päpste, Berater des Präsidenten und ein beißender Kritiker des Hitlerismus“ gewesen sei, auch für die größte Stadt der USA, in deren Straßen Mundelein als Kind aufwuchs. Die Erzdiözese Chicago sei seit seinem Amtsantritt als Erzbischof in ihrer Bedeutung von der eines Missionsgebietes zu einer der reichsten und mächtigsten in Nordamerika aufgestiegen. Mehr als 600 Kirchen, Konvente, Pfarrhäuser, Schulen, Kranken- und Waisenhäuser seien in Mundeleins Amtszeit errichtet worden, listet das Blatt auf. [51] „Der Tod des Bauherrn“, titelt das Nachrichtenmagazin Time. Es nennt Mundelein einen großen Liberalen der Kirche, einen großen Baumeister und Geldbeschaffer für die sich weit ausdehnende Erzdiözese, an deren Spitze er fast ein Vierteljahrhundert gestanden habe. [52] „Sein größter Stolz“ sei der Bau des Seminars St. Mary of the Lake gewesen, lenkt die New York Times den Blick nach Mundelein. [53] Dorthin wird der tote Kardinal am 6. Oktober 1939 überführt. Seine letzte Ruhestätte findet er unter dem Hauptaltar der Seminarkirche.

Angesichts der Verehrung, die Mundelein in Chicago genießt, und der hohen Identifikation Mundeleins mit dieser „Stadt der breiten Schultern“ ernennt Weihbischof Bernard James Sheil, der für die Übergangszeit bis zur Ernennung des Nachfolgers als Administrator die Geschicke der Erzdiözese lenkt, die dreieinhalb Millionen Bürger Chicagos, Katholiken wie Nicht-Katholiken, zu „Ehren-Sargträgern“ des verstorbenen Kardinals. [54]

Grabplatte George William Mundeleins an der Rückseite des Hauptaltars der Seminarkirche von St. Mary of the Lake in Mundelein.
Foto: Stüken

St. Mary of the Lake im 100-jährigen Mundelein ist bis heute das größte theologische Seminar der USA. Priester auch aus vielen anderen Diözesen werden hier ausgebildet – und nicht wenige von ihnen machen später in der katholischen Kirche Karriere. Zum Beispiel, wie der Gründer des Seminars, als Bischof.

Die Krönung des Jubiläumsjahres

Der rote Oldtimer im neuen Glanz: Timothy E. Sashko, Feuerwehrchef von Mundelein, sitzt stolz am Steuer der restaurierten „Old Number One“.
Foto: Stüken

Der 17. Oktober 2009 markiert den großen Höhepunkt des Jubiläumsjahres von Mundelein. Im Rahmen einer Herbst-Gala im Auditorium des Seminars St. Mary of the Lake erklingt die alte Wurlitzer-Orgel. Draußen, vor dem Auditorium, erfolgt nach dem einstündigen Konzert die feierliche Enthüllung der „Old Number 1“, des 1924 von Kardinal Mundelein gestifteten Feuerwehrautos, und dessen offizielle Rückkehr als fahrtüchtiges Museumsstück in den Fahrzeugpark des Mundelein Fire Departments. Jim Carew, ein im Ruhestand lebender Feuerwehrmann von Mundelein und ein Liebhaber alter Feuerwehrautos, hat das Fahrzeug sorgfältig und detailgenau restauriert. Wie diese festliche „Rededication“ am 17. Oktober 2009 war einst, am 18. Juli 1925, auch die Übergabe des Stoughton in den Dienst der Feuerwehr von Mundelein auf dem Gelände des Seminars erfolgt.

Timothy E. Sashko, Feuerwehrchef von Mundelein, wird die „Old Number One“ künftig als neues altes Aushängeschild seiner Feuerwehr bei Paraden und Festen in Mundelein und Umgebung einsetzen, aber auch Schulkassen und Besuchergruppen, die sich für die Geschichte des Mundelein Fire Departments (M.F.D.) und das Thema „Brandschutz anno dazumal“ interessieren, wird Sashko den schmucken Oldtimer vorführen.

Der Gemeinderat von Mundelein fasst im November 2009 in einer der letzten Ratssitzungen des Jubiläumsjahres einen wichtigen Beschluss: Das von Christa Lawrence, einer Bürgerin von Mundelein, entworfene Logo des Jubiläumsjahres – ein an einem See stehender Baum, dessen Blätter im Herbst nicht fallen, sondern als Sterne in den Himmel emporsteigen – hat so großen Anklang gefunden, dass es auf Dauer zum offiziellen Markenzeichen der Gemeinde werden soll.

Dass die 100-jährige Gemeinde, die auf fünf verschiedene Ortsnamen zurückschauen kann, ein weiteres Mal ihren Namen ändert, kann sich Diana Dretske, Historikerin des Lake County Discovery Museums, nicht vorstellen: „Nach 85 Jahren, so denke ich, können wir ziemlich sicher sein, dass die Menschen von Mundelein diesen Namen behalten wollen.“

Sie haben das Jubiläum vorbereitet und können am Ende des Jahres zufrieden Bilanz ziehen: Die Ratsmitglieder von Mundelein (hintere Reihe von links) Raymond Semple, Ed Sullivan, Bürgermeister Kenneth H. Kessler, Steve „Chip“ Cancelli, (vordere Reihe von links) Jim Nutschnig, Terri Voss, Robin Meier sowie Gemeindesekretärin Esmie Dahlstrom mit dem Logo des Jubiläumsjahres, mit dem Mundelein nun auf Dauer werben will. Ein Jubiläums-Komitee, das alle Festveranstaltungen organisiert hat, stand dem Gemeinderat zur Seite.
Foto: Village of Mundelein, Illinois (USA).

Literatur und Anmerkungen

  1. Zum Jubiläum siehe auch: Mundelein Centennial. Celebrating 100 Years. Edited by Pioneer Press Newspapers and the City of Mundelein. Mundelein, Illinois 2009. Für Abbildungen und weitere Informationen dankt der Verfasser Michael A. Flynn, Assistant Administrator, Village of Mundelein. Siehe auch: Wolfgang Stüken: Ein Feuerwehrauto vom Kardinal, in: Der Dom. Kirchenzeitung des Erzbistums Paderborn vom 10. Januar 2010.
  2. Heute im Besitz von Dr. Marianne Mündelein, Paderborn; der Verfasser dankt Dr. Marianne Mündelein für zahlreiche wertvolle Hinweise.
  3. Zu Heinrich Backhaus siehe: John Hussey: Henry Backhaus. Doctor of Divinity, Pionier Priest of Bendigo. Bendigo 1982. Deutsche Übersetzung: John Hussey: Pionier unter Goldsuchern. Heinrich Backhaus – ein Priester aus Westfalen in Australien. Paderborn 1985.
  4. Franz Flaskamp, Kardinal Mündeleins deutsche Heimat. Erhellung eines bisherigen Dunkels, in: Westfälische Zeitschrift, 126./127. Band, Münster 1976/77, Seite 458 f.
  5. Bericht „Two Americans“ anlässlich der Kardinalserhebung von George William Mundelein und Patrick Hayes, US-Nachrichtenmagazin Time, New York, 17.3.1924.
  6. Katholische Internationale Presse-Agentur (Hrsg.): Ecclesiastica – Archiv für zeitgenössische Kirchengeschichte, Freiburg (Schweiz), 13. Jg., II. Serie, Nr. 24, vom 17. Juni 1933, Seite 247.
  7. Die Ernennung von Denis Dougherty (1865-1951) zum Bischof von Buffalo erfolgt am 6. Dezember 1915, einen Tag vor Mundeleins Ernennung zum Erzbischof von Chicago. Dougherty, Sohn irischer Einwanderer, wechselt bereits nach zweieinhalb Jahren von Buffalo nach Philadelphia, wo er Erzbischof wird und bereits 1921, drei Jahre vor Mundelein, seine Ernennung zum Kardinal erhält.
  8. Clement Kelley: The Bishop Jots It Down. An Autobiographical Strain of Memories. New York / London 1939, Seite 208.
  9. US-Nachrichtenmagazin Time, New York, 17. März 1924.
  10. Edward R. Kantowicz: Corporation Sole. Cardinal Mundelein and Chicago Catholizism. Notre Dame, Indiana, 1983, Seite 45. Im Folgenden: Kantowicz: Corporation Sole.
  11. Otmar Allendorf: George W. Mundelein (1872-1939): Kardinalerzbischof von Chicago, in: Ellen Rost, Otmar Allendorf, Rolf-Dietrich Müller (Hrsg.): Auf nach Amerika! Zur Amerika-Auswanderung aus dem Paderborner Land. Band 1: Stadt Paderborn. Paderborn 1994, Seite 109.
  12. Francis Cardinal George: The Cardinal I never knew: George Mundelein, in: The Catholic New World, 5. März 2000.
  13. Der Centralverein wurde 1855 in Baltimore gegründet. Er zählte 1896 in 30 US-Bundesstaaten über 47.458 Mitglieder in 550 örtlichen Vereinen. Siehe: Bonaventura Hammer: Die katholische Kirche in den Vereinigten Staaten Nordamerikas. New York 1897, Seite 399/401.
  14. George William Mundelein: Two Crowded Years. Being Selected Addresses, Pastorals, and Letters Issued During the First Twenty-four Months of the Espicopate. Chicago 1918, Seite 105.
  15. Paul R. Martin: The First Cardinal of the West. Chicago 1934, Seite 26 und 28.
  16. Ebd., Seite 26.
  17. James J. Walsh: Our American Cardinals. New York/London 1926, Seite 249.
  18. Schreiben vom 1. Juni 2009 an den Verfasser.
  19. Franz Flaskamp, Kardinal Mündeleins deutsche Heimat. Erhellung eines bisherigen Dunkels, in: Westfälische Zeitschrift, 126./127. Band, Münster 1976/77, Seite 458, unter Verweis auf die Kirchenbücher der New Yorker Nikolaus-Kirche und das New City Directory jener Jahre.
  20. Mitteilung von Penelope Bonnar, einer in Wisconsin lebenden Nachfahrin der Engemanns, vom 8. Juni 2009 an den Verfasser.
  21. Quelle: www.ancestry.com, U.S. Civil War Soldier Records and Profiles.
  22. Mundelein Career began on East Side, Nachruf auf Kardinal Mundelein in der New York Times vom 3. Oktober 1939.
  23. Westfälisches Volksblatt, Paderborn, 2. Mai 1921.
  24. Ludwig Hertling: Geschichte der Katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten. Berlin 1954, Seite 272. Im Folgenden: Hertling: Geschichte.
  25. Johann Neuhäusler: Kreuz und Hakenkreuz. München, 2. Auflage 1946, Seite 288.
  26. Hertling: Geschichte, Seite 305.
  27. Westfälisches Volksblatt, Paderborn, 22. Juni, 1926.
  28. XXVIII. Internationaler Eucharistischer Kongress zu Chicago, Ill., U.S.A. Bericht der deutschsprachigen Sektion. Herausgegeben vom Komitee. Techny, Illinois, 1927, Seite 135.
  29. Adolf Sonnenschein: Nach Chicago. Tagebuchblätter, in: Hochland, München/Kempten, Oktoberheft 1927, Seite 95.
  30. Nachdruck in: XXVIII. Internationaler Eucharistischer Kongress zu Chicago, Ill., U.S.A. Bericht der deutschsprachigen Sektion. Herausgegeben vom Komitee. Techny, Illinois, 1927, Seiten 215-220.
  31. Hermann Abels: Architekt Franz Mündelein +, in: Westfälisches Volksblatt, Paderborn, 14. Mai 1926.
  32. Ed Snyder: Cardinal Mundelein: First Red Hat of the West, in: Chicago Magazine, May/June 1972, Seite 23.
  33. Johann Neuhäusler: Kreuz und Hakenkreuz. München, 2. Auflage 1946, Seite 289 ff.
  34. Elke Fröhlich (Hrsg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente. Teil I, Band 3, München 1987, Seite 149. Im Folgenden: Fröhlich: Tagebücher.
  35. Westfälisches Volksblatt, Paderborn, 20. Mai 1937.
  36. Westfälisches Volksblatt, Paderborn, 22. Mai 1937.
  37. Gespräch mit Dr. Marianne Mündelein am 31. März 2009.
  38. New York Times, 20. Mai 1937.
  39. Völkischer Beobachter, Berlin, 30. Mai 1937.
  40. Westfälisches Volksblatt, Paderborn, 29. Mai 1937.
  41. Fröhlich: Tagebücher, Seite 156.
  42. Dieter Albrecht (Bearb.): Der Notenwechsel zwischen dem Heiligen Stuhl und der deutschen Reichsregierung. Band II: 1937-1945. Mainz 1969, Seite 23 f. Im Folgenden: Albrecht: Notenwechsel.
  43. Note Pacellis vom 24. Juni 1937, in: Albrecht: Notenwechsel, Seite 29.
  44. Westfälisches Volksblatt, Paderborn, Ausgabe vom 21. Mai 1937.
  45. Albrecht: Notenwechsel, Seite 20, Anmerkung 1.
  46. Osservatore Romano vom 19./.20. Juli, zitiert in: Albrecht: Notenwechsel, Seite 30, Anmerkung 1.
  47. Fröhlich: Tagebücher, Seite 207.
  48. Albrecht: Notenwechsel, Seite 214.
  49. Albrecht: Notenwechsel, Seite 29.
  50. Chicago Daily News, 3. Oktober 1939.
  51. New York Times vom 3. Oktober 1939.
  52. US-Nachrichtenmagazin Time, New York, 9. Oktober 1939.
  53. New York Times vom 3. Oktober 1939.
  54. Kantowicz: Corporation Sole, Seite 237.

Weitere Literatur zu Kardinal Mundelein:

XXVIII. International Eucharistic Congress June 20-24, 1926, Chicago 1926.

The Story of The Twenty-Eigth International Eucharistic Congress held at Chicago, United States of America from June 20-24, 1926. Compiled by the Reverend C. F. Donavan. Chicago 1927.

The Picture Story of the XXVIII. International Eucharistic Congress, Chicago, June 20-24, 1926. Compiled by W. G. McFarlane. Chicago/Toronto, ohne Jahr.

Stüken, Wolfgang: Warum die Bewohner von Westphalia, Missouri, Probleme mit dem „Mondschein“ hatten

Die Antwort liefert ein Kirchenzeitungs-Artikel von 1932, den ich bei Recherchen für einen Bericht über den Amerika-Auswanderer Nicolaus Hesse entdeckt habe. Nicolaus Hesse zählte 1835 neben anderen westfälischen Auswanderern zu den Gründern des Ortes Westphalia im US-Bundesstaat Missouri im heutigen Osage-Kreis (Osage County), kehrte aber nach zwei Jahren mit seiner Familie nach Deutschland zurück. Der Artikel „Aus der katholischern Gemeinde ‚Westphalia‘ in U.S.A.“ aus der Feder von Wilhelm Loof, der Antwort auf die Mondschein-Frage gibt, ist am 24. Januar 1932 im damaligen Sonntagsblatt für das katholische Volk „Leo“ in Paderborn erschienen (55. Jahrgang, Nr. 4, Seite 54-56). Dieses Kirchenblatt war über die Grenzen des Erzbistums Paderborn hinaus verbreitet. Loofs Beitrag über Westphalia spielt in der Zeit des Alkoholverbots (Prohibition) und ist hier im Wortlaut nachzulesen. Er wurde von mir mit Anmerkungen versehen.

Mein Bericht „Der fast vergessene Pionier von Westphalia“ über Nicolaus Hesse ist in der Herbstausgabe 2007 der Heimatzeitschrift für die Kreise Paderborn und Höxter, Die Warte, Seite 23-30, veröffentlicht.

Aus der katholischen Gemeinde „Westphalia“ in U.S.A.

Von Wilhelm Loof

Vor siebenundneunzig Jahren fassten verschiedene katholische Familien in der Provinz Westfalen den Entschluss, zusammen nach Nordamerika auszuwandern. Sie verständigten und einigten sich untereinander zunächst dahin, zwei Mann aus ihrer Mitte abzuschicken, die einen geeigneten Platz aufsuchen sollten, auf dem sie sich gemeinschaftlich niederlassen konnten. Die beiden Leute gelangten von St. Louis aus, am Missouri-River entlang, nach dem Osage-Strom. Hier fanden sie alsbald eine schöne, teilweise hügelige Gegend, die in mancher Beziehung Ähnlichkeit mit ihrer westfälischen Heimatprovinz aufwies und deren Boden sehr fruchtbar war. Diese wurde auch von ihnen für eine Niederlassung in Aussicht genommen. Darauf reisten sie nach Westfalen zurück und erstatteten Bericht. Die Sache sprach sich bald herum, und schon im folgenden Jahre trafen fünfunddreißig westfälische Familien ein und gründeten an der ausgewählten Stelle im Staate Missouri und etwa vierzig deutsche Meilen von der Stadt Kansas-City entfernt, eine Ansiedlung, der sie den Namen „Westfalen“ gaben. Die amtliche amerikanische Bezeichnung lautet dementsprechend „Westphalia“. Diese werde ich im Nachfolgenden gleichfalls anwenden, um etwaige Verwechselungen mit der Provinz Westfalen auszuschließen [1].

Die Regierung des Staates überließ jeder eingewanderten Familie 160 Acre, also ungefähr 64 Hektar oder 250 preußische Morgen Land umsonst, das allerdings noch Wildnis und größtenteils Urwald war. Die Urbarmachung des Bodens hatten die Ansiedler selbst zu besorgen.

Die neuen Kolonisten errichteten zunächst ihre Wohnungen in Form von Blockhütten, das nötige Material lieferte der Wald; die reichlich vorhandenen Bäume wurden gefällt, die Stämme auf zwei Seiten mit Säge oder Beil bearbeitet, die stärksten als Pfosten aufgerichtet und die anderen daneben aufeinander geschichtet und entsprechend befestigt. Die noch vorhandenen Ritzen und Spalten verschmierte man mit Lehm. Derartige Häuser, die sehr warm sind, findet man noch in verschiedenen Gegenden des Landes. Sobald jeder seine Behausung fertig hatte und auch der vorerst notwendigste Grund und Boden für Gartenbau und Ackerwirtschaft hergerichtet war, erfolgte die Ausführung einer Kirche und Schule in ähnlicher Weise wie die der Häuser. Und zum Schluss baute man noch eine kleine, gemeinschaftliche Brauerei, um sich bei der gewiss nicht leichten Kolonistenarbeit auch hin und wieder durch ein gutes Glas Bier stärken zu können.

Die neuen Ansiedler von Westphalia waren sehr tüchtige und fleißige Leute, die keine Arbeit und Anstrengung scheuten. Ihre entbehrlichen Farmerzeugnisse fuhren sie zuerst mittels Boot auf dem Osage- und Missouristrom nach den meist weit entfernten größeren Städten. Jetzt allerdings erfolgt die Beförderung schon längst durch Lastautos nach Jefferson-City, der Hauptstadt des Staates Missouri.

Auch das Aussehen des Ortes hat sich wesentlich geändert. Statt der Blockhütten sind zeitgemäße Wohngebäude errichtet. Die Kirche und Schule sind mit einer großen Steinmauer umgeben. Der Pfarrer der Gemeinde heißt J. C. Melies; er ist schon in dem Ort geboren. Der Schulunterricht wird von katholischen Schwestern erteilt. [2]

Westphalia hat gegenwärtig, da sich dort im Laufe der Zeit auch noch weitere westfälische Familien niedergelassen haben, etwa 500 Einwohner, die alle recht friedliche Menschen sind. Der Ort liegt in stiller Weltabgeschiedenheit. Es gibt in Westphalia keine Schlägereien oder ähnliche Ausschreitungen, ja nicht einmal ruhestörenden Lärm. Und doch hat das kleine Nest in den letzten Jahren im ganzen Staate Missouri und noch weit darüber hinaus eine gewisse Berühmtheit erlangt. Im Volksmunde nämlich führt Westphalia den Beinamen „Missouris Moonshine Center“ oder auf deutsch: ,,Missouris Mondschein Mittelpunkt“. Gewiss eine recht sonderbar und rätselhaft anmutende Bezeichnung, die aber schon etwas verständlicher werden dürfte, sobald man erfährt, dass das Wort Mondschein in der dortigen Gegend auch noch eine andere Bedeutung hat, wie ich gleich erklären werde. In früheren Jahren, als der Alkoholgenuss in U.S.A. noch nicht verboten war, wurde trotzdem viel Whisky (also Schnaps) heimlich gemacht, einfach deshalb, damit man keine Steuern dafür an die Regierung zu zahlen brauchte. Und diesen Whisky bezeichnete man eben, weil er meistens in der Nacht hergestellt wurde, als „Mondschein“.

In Westphalia werden alle staatlichen Anordnungen und Vorschriften getreulich befolgt. Nur ein Gesetz wird von sämtlichen erwachsenen Einwohnern nicht nur andauernd übertreten, sondern sogar öffentlich verlacht und verspottet. Und das ist das Prohibitionsgesetz. Jeder Bürger des Ortes trinkt Alkohol, allerdings nicht im Übermaß, sondern nur hin und wieder ein Gläschen. Und bei besonderen Gelegenheiten auch wohl einige mehr. In Westphalia ist stets genügend Bier, Wein und Whisky vorhanden und auch käuflich zu haben. Daher hat man dem Ort die vorher angeführte Bezeichnung beigelegt.

Der reichste Mann und angesehenste Bürger von Westphalia ist der frühere Bürgermeister und jetzige Bankpräsident Ben Schauwecker. Er wurde Anfang 1930 zu einem Jahr und einem Tage Zuchthaus verurteilt, weil er Bier, Wein und Whisky verkauft hatte. Um seine Strafe anzutreten, musste er zunächst 27 Kilometer mit einem Auto zur Bahnstation Jefferson-City fahren. Als er diese Reise antrat, begleiteten ihn 300 seiner Mitbürger, alle auf Kraftwagen, die reich mit Fahnen, Flaggen und Wimpeln geschmückt waren. Der Zug war fast 500 Meter lang. Das war der öffentliche Protest der Einwohner gegen das Prohibitionsgesetz und gegen die Verurteilung des Bürgermeisters.

Nach seiner Rückkehr aus der Strafanstalt wurde er kurze Zeit später von einem Zeitungsreporter aufgesucht, der über seine Unterredung mit Schauwecker und die Eindrücke, die er in Westphalia empfing, einen ausführlichen Bericht in der Zeitung „Kansas City Star“ veröffentlichte. Mit Genehmigung dieses Blattes gebe ich aus seiner Schilderung die nachstehenden Einzelheiten in deutscher Übersetzung wieder. Der Zeitungsberichterstatter schreibt:

Schauwecker war erst einige Wochen vom Zuchthause zurück, als ich ihn am letzten Sonntage besuchte. Er machte sich gerade fertig, um in die Kirche zu gehen. Seine Wohnung ist das größte Haus in Westphalia. Schauwecker erzählte mir, dass er gleich nach Abbüßung der Strafe seinen ganzen Besitz, wie Haus, Bretterzäune usw. in weiß, dem Sinnbild der Unschuld, gestrichen habe. Das sollte dartun, dass er sich trotz seiner Verurteilung vollständig unschuldig fühle. Neben dem Wohngebäude befindet sich eine große Windmühle, die das Haus noch überragt. Sie ist über und über mit Wein berankt, daher im Sommer ganz grün und später dicht mit Trauben behangen. Schauwecker erklärte mit: „Jeden Herbst erhalte ich eine schöne Ernte von dieser Mühle.“ Und dann fügte er, indem er mit den Augen zwinkerte und mit der Zunge schnalzte, noch hinzu: „Davon habe ich schon manchen köstlichen Wein gemacht.“

Auf meine Frage, wie es ihm im Zuchthaus gefallen habe, entgegnete er: „Schön; die beste Verpflegung wurde mir zuteil. Ich habe dort nicht nur an Gewicht zugenommen, sondern meine Gesundheit war auch besser, wie ich herauskam, als wie ich hineinging.“ „Ja“, meinte ich, „hatten Sie denn keine Sorgen wegen Ihrer Einsperrung?“ „Sorgen?“, erwiderte er, „warum denn Sorgen? Ich habe das Zuchthaus mit reinem Gewissen betreten, weil ich mir keines Unrechts bewusst war. Nur Bier, Wein und Whisky habe ich verkauft, und da wir in Westphalia das Prohibitionsgesetz nicht anerkennen, so war dies doch kein Verbrechen. Unsere Vorfahren in Westfalen in Preußen haben seit tausend und mehr Jahren Alkohol getrunken und die jetzigen Einwohner tun es noch. Es ist nunmehr 96 Jahre her, dass unsere Leute sich hier ansiedelten. Zuerst bauten sie Häuser aus Baumstämmen, dann eine Kirche und Schule und schließlich eine Brauerei. Diese besteht allerdings nicht mehr, sie ist durch die Prohibitionsbehörde zerstört worden. Aber wir alle haben trotz des Gesetzes reichlich Bier, Wein und Whisky.“

Dann lud Schauwecker mich ein, ihm in seine Wohnstube zu folgen. Voll Stolz zeigte er dort auf einen Spruch, der in verschiedenen Farben gestickt war und unter Glas und Rahmen an der Wand hing. Er lautete:

„God Bless Our Home.

Gott Segne Unser Heim.“

Schauwecker behauptete: „Es gibt in Westphalia kein einziges Haus, das nicht einen gleichen Spruch aufzuweisen hätte. Aber es ist auch keine Wohnung vorhanden, in der nicht Bier, Wein und Whisky vorrätig wäre. Wir sind nämlich fromme Katholiken, und alle 500 Einwohner, Männer, Frauen und Kinder, besuchen regelmäßig die große Kirche, die sich meinem Hause gegenüber befindet. Allerdings wohnen hier jetzt auch zwei protestantische Familien, aber diese sind gute, feine Leute und werden geradeso geachtet, als wenn sie katholisch wären. Denn hier herrscht kein religiöses Vorurteil. Auch findet man anderswo keine besseren Bürger, als wie wir es sind; hier gibt es keine Arme, die von Verwandten oder vom Staat unterstützt werden brauchen, auch keine Bummelanten, keine Saufbrüder und keine Verbrecher. Freilich kommt es mitunter vor, dass jemand bei besonderer Veranlassung einmal einen Tropfen zuviel trinkt, aber dann fängt er nicht an zu streiten oder zu balgen, sondern er beginnt stets zu singen.“ In ernstem Tone fuhr Schauwecker fort: „Wir sind gottesfürchtige Leute und befolgen Gottes Gebote und Gesetze. Zwar steht auch in der Heiligen Schrift: ‚Seid untertan der Obrigkeit‘. Dieses Gebot befolgen wir gleichfalls, aber keine Gesetze der Obrigkeit, die offenbar mit der göttlichen Lehre nicht in Einklang zu bringen sind. Unser Herr und Heiland Jesus Christus verwandelte auf der Hochzeit zu Kana Wasser in Wein und ließ die Gäste von demselben trinken, ja ich möchte wetten, dass er auch selbst davon genossen hat. Und der Apostel Paulus empfiehlt einem Freunde etwas Wein für sein Magenleiden zu nehmen. Alles das steht in der Bibel, und wir glauben sämtlich fest an das Wort der Heiligen Schrift. Wenn daher gottlose Leute kommen und uns Bier und Wein verbieten wollen, so weigern wir uns einfach, ein solches Gesetz anzuerkennen. Wir ziehen es vor, dem Beispiel des Sohnes Gottes zu folgen.“

Allmählich wurde es Zeit zum Kirchgang, obgleich es erst 8 Uhr war. Der Zufall wollte es, dass gerade an diesem schönen Sonntagmorgen 68 Kinder zur ersten Kommunion gingen. Beide Seiten der Hauptstraße waren mit Autos besetzt und die Bürgersteige voller Menschen, alten und jungen. Aus den Häusern und auch aus vielen Kraftfahrzeugen, die von den umliegenden Farmen eingetroffen waren, kamen kleine Mädchen mit weißen Kleidern und Strümpfen, sowie Knaben in ihren besten Anzügen und einer Blume im Knopfloch. Alle strömten nach der Kirche.

Zwei Tage weilte ich in Westphalia, besuchte über 20 Wohnungen und unterhielt mich mit großen und kleinen Einwohnern. Aber noch niemals vorher habe ich so viele Häuser an einem Platze getroffen, in denen eine so außerordentliche Sauberkeit herrschte, als in Westphalia. Ein Bekannter, der mich auf dem Wege nach und durch Westphalia begleitete, bemerkte flüsternd, nachdem wir eine Reihe Familien besucht hatten: „Es ist hier überall so rein, dass man fast auf dem Fußboden essen könnte.“

Die Frauen in Westphalia sind durchweg außerordentlich feine Hausmütter und gute Köchinnen. Sie backen gewöhnlich ihr Brot selbst, und zwar an jedem Sonnabend für den Bedarf der nächsten Woche. Auch reinigen sie die Straßen und Bürgersteige regelmäßig. Daher ist es kein Wunder, dass der ganze Ort stets wie geleckt aussieht.

Eine Eigentümlichkeit von Westphalia ist es ferner, dass die Häuser sämtlich mit Blech gedeckt sind, angeblich zum Schutz gegen Feuersgefahr.

Die Einwohner von Westphalia erreichen durchweg ein hohes Alter. James H. Wiegers ist 90 Jahre alt. Er behauptet, wenn alle Menschen, ebenso wie die Bürger von Westphalia, gottesfürchtig und vernünftig lebten und mäßig Bier, Wein und Whisky tränken, um vergnügt und fröhlich zu sein oder auch nur ihrer Gesundheit wegen, dabei aber alle Ausschweifungen und sonstige Unregelmäßigkeiten vermeiden würden, so wäre es keine Kunst, 100 Jahre alt zu werden.

Andere betagte Personen in Westphalia sind Frau Elisabeth Redel, 81 Jahre, Hermann Hoer, 79 Jahre, sowie Henry Hildebrandt und seine Frau, beide 71 Jahre.

Als wir den Ort verließen, meinte mein Begleiter: „Ich bin überzeugt, dass alle Einwohner von Westphalia fromme und rechtschaffene Leute sind, obgleich sie, entgegen dem Gesetz, Alkohol herstellen und auch trinken.“

Soweit die Ausführungen des Berichterstatters. Man ersieht aus ihnen, dass die Einwohner von Westphalia gar nichts dagegen einzuwenden haben, wenn ihre Ansichten über die Prohibition und den Alkoholgenuss in den Tageszeitungen veröffentlicht werden.

Am 30. Juli 1831 entsandte nun die Regierungsbehörde des Staates – vielleicht infolge des angeführten Zeitungsartikels – acht große Autos nach Westphalia, besetzt mit bewaffneten Prohibitionsagenten, die den Befehl hatten, den Ort von Bier, Wein und Whisky zu reinigen. Alle Häuser wurden von oben bis unten durchsucht und tausende Flaschen mit Alkohol gefunden und vernichtet. Aufregende Vorgänge spielten sich dabei im Hotel Rehagen ab. [3] Um dieses sofort genügend zu besetzen und den Besitzer Frank Rehagen daran zu hindern, den vorhandenen Alkohol noch im letzten Augenblick zu vernichten, stürmten 4 Bundesagenten, die sich natürlich in Zivilkleidung befanden, sofort im Laufschritt und mit Revolvern in der rechten Faust auf das Gebäude los. Rehagen sah sie ankommen, griff ebenfalls zu seinem schweren Revolver und flüchtete in ein hinter dem Schankraum liegendes Zimmer, dessen Tür er von innen verriegelte. Der Aufforderung der Beamten, die Türe zu öffnen, leistete er nicht Folge, drohte vielmehr, jeden niederzuschießen, der es wagen würde, das Zimmer zu betreten. Gleich darauf hörten die Agenten, wie eine zweite Tür zugeschlagen und abgeschlossen wurde; sie befürchteten daher, dass Rehagen sich durch einen anderen Ausgang entfernt haben könnte. Man ging deshalb sofort daran, die erste Tür aufzubrechen. Nachdem dieses mit einiger Mühe gelungen war, stürmte man in den Raum und fand Rehagen richtig nicht mehr darin vor. Dagegen vernahm man hinter einer anderen Tür das Klirren zerbrechender Flaschen und die Stimme Rehagens, der drohte, durch die Tür zu schießen, sobald jemand ihr zu nahe käme. Schleunigst wurde auch dieser Eingang freigemacht und die Beamten stürzten sich auf Rehagen, dessen Schießeisen in der Ecke lag. Rehagen wehrte sich mit Händen und Füßen gegen seine Angreifer, schließlich wurde er aber doch überwältigt und in Ketten gelegt. Als man sich dann in dem Raume, einem Badezimmer, näher umsah, entdeckte man, dass der Boden der Badewanne dicht mit Scherben bedeckt war, die von Flaschen herrührten. Die vorhandenen Flüssigkeiten aber waren durch den offen stehenden Abfluss abgelaufen.

Als die Agenten mit ihrem Gefangenen das Hotel verließen, befanden sich die meisten Einwohner des friedlichen Ortes auf der Straße; die Ortspolizei ersuchte sie aber alsbald in höflichem Tone, nur rasch in die Häuser zu „flüchten, bis der Krieg“ beendet sei.

Inzwischen hatten die zahlreichen übrigen Agenten bereits die Durchsuchung des ganzen Ortes zum größten Teil beendet. In der Wohnung einer Frau Elisabeth Billets fanden sie mehrere hundert Flaschen eines im eigenen Haushalt hergestellten leichten Bieres, das man durch Zertrümmern der Flaschen auf dem Steinpflaster der Straße unschädlich machte. Frau Billets wurde jedoch nicht festgenommen. Man verhaftete außer Rehagen noch sechs weitere Bürger. Unter diesen befand sich abermals Ben Schauwecker sowie sein 23-jähriger Neffe Zeno Schauwecker. Alle Verhafteten wurde nach Jefferson-City abgeführt, aber schon in den nächsten Tagen nach Stellung einer Kaution oder Bürgschaft wieder auf freien Fuß gesetzt.

Die Prohibitionsagenten erklärten bei ihrer Abreise von Westphalia übereinstimmend, der in dem Ort hergestellte und vorgefundene „Mondschein“ wäre eine vorzügliche Sorte Whisky und kein solcher Schund, wie der gewöhnliche Schnaps, der meist schädliche und vielfach sogar giftige Zusätze enthalte.

Vor einigen Wochen fand nun in Jefferson-City zunächst der Prozess gegen Frank Rehagen statt. Es lagen drei Anklagen vor. Erstens: Verstoß gegen das Prohibitionsgesetz; zweitens: Widerstand gegen die Staatsgewalt und drittens Bedrohung von Beamten mit Erschießen.

Der Gerichtssaal war bis auf den letzten Platz besetzt. Auch Einwohner von Westphalia waren zahlreich vorhanden.

Es würde zu weit führen, die ganze Verhandlung ausführlich wiederzugeben. Deshalb will ich mich darauf beschränken, hier nur die Hauptsachen anzuführen, die zugleich eines gewissen lustigen Beigeschmacks nicht entbehren.

Die vier Prohibitionsagenten schilderten wahrheitsgemäß die Ereignisse, wie sie sich in Rehagens Hotel abgespielt hatten, insbesondere, wie der Besitzer sie mehrmals mit Erschießen bedroht und sich zum Schluss auch noch mit aller Gewalt gewehrt habe, nachdem er zuvor seine Vorräte an Alkohol in der Badewanne vernichtet hätte usw.

Dagegen erklärte Rehagen, dass er völlig unschuldig und daher zu Unrecht festgenommen worden sei. Als er an dem fraglichen Tage zufällig aus dem Fenster geblickt, habe er plötzlich vier Personen gesehen, die mit Schießprügeln in der Faust im Sturmschritt auf sein Hotel zugerannt wären. Er hätte nicht die geringste Ahnung gehabt, dass diese Menschen Regierungsbeamte sein konnten, sondern geglaubt, es handele sich um Banditen und Spitzbuben, die ihn überfallen und berauben wollten. Aus diesem Grunde sei er auch bestrebt gewesen, sich schleunigst in Sicherheit zu bringen; dabei habe er unwillkürlich gleichfalls zum Revolver gegriffen und dann später mit dieser Waffe die ihm nachfolgenden Eindringlinge bedroht. Er hätte aber doch unzweifelhaft das gesetzliche Recht, sein Eigentum gegen Räuber zu verteidigen. Und die Flaschen mit dem angeblichen Alkohol hätten ihm eigentlich gar nicht gehört, sondern sie seien ihm vor 2 Monaten von einem bei ihm als Gast einkehrenden, durchreisenden Farmer für ein bis zwei Tage zur Aufbewahrung übergeben worden. Der Mann habe sie jedoch bis jetzt nicht wieder abverlangt. Seinen Namen wisse er nicht; ebensowenig sei ihm gesagt worden, was die Pullen enthielten. Er habe sie gleich in das Badezimmer gestellt und nicht weiter daran herumgeschnüffelt. Als er dann neulich in aller Eile in den betreffenden Raum geflüchtet wäre, sei er über die Buddel gestolpert und hätte sich beim Fallen stark gestoßen, so dass ihm der Revolver aus der Hand gefallen sei. Im ersten Ärger und voller Wut hätte er dann die Flaschen, die ihm schon früher immer im Wege gestanden, nacheinander in die Badewanne geknallt und erst hierbei sei ihm aufgefallen, dass die ausströmende Flüssigkeit wie Whisky röche.

Die hierauf vernommenen Zeugen bekundeten übereinstimmend, dass Rehagen ein ehrlicher, braver und rechtschaffener Mann wäre usw.

Anschließend hieran versuchte der Anwalt der Regierung in einer längeren Rede klar zu machen, dass die Ausführungen des Angeklagten nichts als Schwindel und Unsinn seien. Er beantragte zum Schluss gegen Rehagen wegen jeder der drei Vergehen die höchst zulässige Strafe.

Dann zogen sich die zwölf Geschworenen zur Beschlussfassung zurück, die zwei ganze Tage dauerte. Das ist in U.S.A. durchaus keine Seltenheit und auf das eigenartige Gerichtsverfahren zurückzuführen.

Der Obmann der Geschworenen verkündete endlich das Urteil, wonach der Angeklagte Frank Rehagen wegen Verstoßes gegen das Prohibitionsgesetz zu 500 Dollar Geldstrafe verurteilt, von der Anklage des Widerstandes und der Bedrohung dagegen freigesprochen würde.

Nach der Verkündigung des Geschworenenspruches sprang gleich der Gerichtsvorsitzende auf und rief entrüstet, der Angeklagte hätte schuldig befunden werden müssen, sich in allen drei zur Verhandlung stehenden Fällen strafbar gemacht zu haben, dafür wären genügend Beweise vorgebracht worden. Die von Rehagen vorgetragene Räubergeschichte sei doch der reinste Bluff, und er verstände nicht, wie vernünftig denkende amerikanische Bürger sie für wahr halten könnten. Durch ihren Spruch hätten die Geschworenen das Gericht zum Narren gehalten und lächerlich gemacht usw.

Doch alles Reden half nichts mehr. Das Urteil war einmal gefällt. Rehagen nahm es an und verließ erhobenen Hauptes ihm Kreise seiner Getreuen aus Westphalia das Gerichtsgebäude. Er hatte einen vollen Sieg über die Regierung errungen. Allerdings wurde auf deren Anordnung kurz hinterher das Hotel Rehagen für die Dauer eines Jahres geschlossen.

Aber in Westphalia ist trotzdem noch genügend Bier, Wein und Whisky zu haben!

Aus Vorstehendem ist zur Genüge ersichtlich, dass die Enkel und Urenkel unserer vor sechsundneunzig Jahren nach Westphalia in U.S.A. ausgewanderten Landsleute noch jetzt getreulich an ihrem Glauben und den damit verbundenen kirchlichen Gebräuchen festhalten. Andererseits sich aber auch die alte Stammeseigenart der Westfalen bewahrt haben, ihre vermeintlichen und mehr oder minder verbrieften Rechte mit zäher Ausdauer und Entschlossenheit zu wahren und zu verteidigen.

Anmerkungen

1. Zu den ersten der aus Westfalen stammenden Siedlern von Westphalia, Missouri, oder Neu-Westfalen, wie sie ihr Settlement am Maries River zunächst nannten, zählen diese Auswanderer:

  • Der in Lichtenau (Kreis Paderborn) geborene Nicolaus Hesse (1794-1868), der als Kantonsbeamter in Rösebeck im damaligen Kreis Warburg lebte und arbeitete, seine Frau, sechs Kinder sowie Hesses älterer Bruder. Die Familie Hesse kehrt 1837 nach Deutschland zurück. Hesse wird 1841 Bürgermeister von Brilon.
  • Der noch unverheiratete Karl Huber (Herkunftsort nicht bekannt).
  • Die Witwe Anna Maria Grammatica aus Paderborn mit ihren Söhnen Franz und Ludwig.
  • Die Witwe Margaretha Schroeder mit ihrem Sohn Hermann (Herkunftsort nicht bekannt).
  • Joseph und Maria Anna Nacke aus Büren-Wewelsburg im heutigen Kreis Paderborn mit drei Kindern.
  • Eine Familie Höcker (Zahl der Familienmitglieder und Herkunftsort nicht bekannt).
  • Der Arzt Dr. Bernhard Bruns (1798-1864) aus Oelde sowie dessen Bruder Gerhard Hermann Bruns (1811-1876).

Dass diese Auswanderer bereits in Westfalen zusammen fanden und beschlossen, gemeinsam auszuwandern, ist unwahrscheinlich. Sie dürften in St. Louis zusammen getroffen sein. Von dort aus erkunden sie den Platz zur Ansiedlung. Belegt ist, das Hesse und die Brüder Bruns Amerika mit unterschiedlichen Auswandererschiffen erreichen. Bernhard Bruns und Nicolaus Hesse begegnen sich erstmals in St. Louis, wobei Hesse zu diesem Zeitpunkt bereits eine Farm am Maries River erworben hat. Bruns wohnt dort zunächst bei Hesse, erwirbt eigenes Farmland, errichtet ein Blockhaus und kehrt nach Deutschland zurück, um 1836 seine aus Stromberg stammende Ehefrau Henriette (genannt Jette, 1813-1899), den Sohn Hermann, Franz Geisberg (Bruder Jettes, 1816-1858) und Bernhard Geisberg (weiterer Bruder Jettes, 1819-1880) nachzuholen. Dieser Gruppe schließen sich weitere Auswanderer aus dem Raum Beckum/Oelde an. Mit dem Schiff „Ulysses“ geht es im Juli 1836 von Bremen nach Baltimore. Auf diese Gruppe scheint sich Wilhelm Loof im ersten Absatz seines ,,Westphalia“-Artikels im ,,Leo“ zu beziehen. Während Loof von „35 Familien“ schreibt, berichtet Jette Bruns in ihren Lebenserinnerungen von einer Gesellschaft von „30 Personen“ an Bord der „Ulysses“, für die Bernhard Bruns die Schiffspassage ausgehandelt hatte. (Ein Auswanderinnenschicksal in Briefen und Dokumenten. Unter Mitarbeit von Carl Schulz-Geisberg herausgegeben von Silke Schütter. Warendorf 1989, Seite 373).

2. Die katholische Pfarrei St. Joseph Westphalia, Missouri bezeichnet sich selbst als älteste Pfarrei des Osage-Kreises und als drittälteste der heutigen Pfarreien der gesamten Diözese Jefferson City (www.stjo1835.org). Sie bezieht ihr Gründungsdatum auf einen Gottesdienst, den ein Jesuiten-Missionar 1835 am Maries River feierte. Zwei Jahre später wurde eine kleine Kapelle in Blockhaus-Bauweise errichtet. Die Grundsteinlegung der heutigen Pfarrkirche erfolgte 1848.

3. Nach Angaben der Historischen Gesellschaft von Westphalia (Westphalia Historical Society) wurde das „Westphalia Hotel“ an der East Main Street Anfang der 1930er Jahre von Frank Rehagen errichtet, nachdem das zuvor von ihm betriebene Hotel Borgmeyer durch ein Feuer zerstört worden war.

Thörner, Udo: Auswanderersuche in Buffalo, USA

Wenn man Städte in den USA aufzählen soll, die im 19. Jahrhundert für viele deutsche Einwanderer zur neuen Heimat wurden, fallen einem in erster Linie Metropolen wie Chicago, Minneapolis, St. Louis, New York und natürlich Cincinnati ein. Letztere wurde zur „Hauptstadt“ der Auswanderer aus dem Osnabrücker Land, weil schätzungsweise ein Drittel oder mehr in dieser Stadt ansässig wurden oder zumindest zeitweise dort lebten.

Weniger im Rampenlicht der Betrachtungen von Auswanderungsforschern steht hingegen die Stadt Buffalo am Eriesee im Staat New York, die meine Frau und ich im Oktober 2005 besuchten. Buffalo war für die meisten Einwanderer nur Zwischenstation auf ihrer Reise nach Westen. Die wenigsten blieben in der Hafenstadt „hängen“. Ohnehin verliefen die großen Einwandererströme weiter südlich: vom in den 30er bis 50er Jahren wichtigsten Einwandererhafen Baltimore über die Appallachen, anfangs zu Fuß, später über das kombinierte Kanal- und Eisenbahnnetz, weiter nach Westen auf Cincinnati zu.

Wer hingegen mit dem Auswandererschiff in New York ankam, dem bot sich eine interessante Alternative zur strapaziösen Reise durch und über die Berge, wenn sie auch länger war: mit dem Boot fuhr man den Hudson-Fluß aufwärts nach Norden bis zur Stadt Albany; von dort führte der 1825 fertiggestellte, 550 Kilometer lange Eriekanal Richtung Westen bis nach Buffalo am Eriesee. Auf dem Eriesee ging die Reise weiter nach Ohio zu einem der Endpunkte am Südufer des Binnenmeers, z. B. Cleveland (im Nordosten des Staates Ohio), Sandusky oder Toledo (im Nordwesten). Von hier führten Kanäle in das Landesinnere. Wer wollte, konnte über diese Verbindungen auch nach Cincinnati gelangen.

Durch seine Knotenfunktion als Endpunkt des Eriekanals und Hafenstadt am Eriesee gelangte Buffalo in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu wirtschaftlicher Blüte. Buffalo wurde zu einer bedeutenden Industriestadt. In dem Maße, wie die Schiffahrt auf dem Eriesee ihre Bedeutung verlor und die traditionellen Industrien ebenfalls, sank ab der Mitte des 20. Jahrhunderts auch der Stern Buffalos. Heute ist es eine sterbende Stadt; im Stadtzentrum (die Amerikaner nennen die Innenstadtbezirke, also die historischen Kerne „Downtown“) sind in den letzten Jahrzehnten kaum noch Neubauten entstanden und viele Büros sowie die Hälfte der Geschäfte stehen leer. Die wenigen Restaurants schließen schon am späten Nachmittag. Es gibt mehr Parkhäuser, und sie stehen in scharfer Konkurrenz um ihre Kunden, die Bank- und Verwaltungsangestellten, die nach Feierabend Downtown wieder verlassen.

Man sieht es den Passanten in der Innenstadt an, daß es ihnen finanziell nicht gut geht. Außerhalb von Downtown hat Buffalo viele Stadtbezirke, in denen einem als Besucher die Armut sofort ins Auge springt. Viele Menschen leben zwar in Einfamilienhäusern, diese verfallen jedoch zusehends bis zur Unbewohnbarkeit. Infolge der fehlenden Steuereinnahmen geht es auch der Stadt Buffalo, deren Verwaltung in einem Hochhaus aus den 30er Jahren untergebracht ist, und auch dem Landkreis Erie County, zu dem Buffalo gehört, nicht gut. Im öffentlichen Dienst wird viel gespart, was man als Bibliotheks- und Archivbesucher an verkürzten Öffnungszeiten zu spüren bekommt.

Dennoch ist der Service in der „Public Library“, der öffentlichen Bibliothek, ausgezeichnet. Als deutscher Besucher ist man überall in Amerika erstaunt darüber, daß man auch in öffentlichen Einrichtungen wie ein Kunde behandelt wird, geradezu so, als wollten die Bibliotheksangestellten einem etwas verkaufen. Und zu „verkaufen“ haben sie in Buffalo sehr viel: wenn ein Auswanderer aus dem Osnabrücker Land in Buffalo gelebt hat, wird man über ihn auch etwas finden. Die Auswahl an Quellen reicht über microverfilmte Kirchenbücher und Friedhofsverzeichnisse, Indices hierzu, Adreßbücher, Familiengeschichten, Bibliographien, Volkszählungslisten und Atlanten bis hin zu wohlgehüteten Zeitungsausschnittsammlungen, die ebenfalls über einen Namensindex zugänglich sind. Mehrere Computerarbeitsplätze mit Internetanschluß gehören in jeder amerikanischen Bibliothek zur Standardausstattung.

Häufig sind (wie auch in Buffalo) die Bestände der örtlichen genealogischen Vereine den lokalgeschichtlichen Abteilungen der Bibliotheken angegliedert, so daß man als Familienforscher nur eine Anlaufstelle benötigt. In den genealogischen Abteilungen der Bibliotheken herrscht den ganzen Tag über reger Betrieb, denn etwa 10% der Amerikaner beschäftigen sich mit der Geschichte ihrer Familie. Daran, daß sich amerikanische Kultur und amerikanisches Denken von unserem unterscheiden, wird man schon beim Betreten einer Bibliothek erinnert (so erlebten wir es in St. Louis und in Kansas City): Ein Schild an der Eingangstür weist darauf hin, daß man seine Schußwaffen nicht mit hineinnehmen darf. Wie gut, daß wir unsere diesmal zuhause gelassen hatten… Hat man die Daten zu den gesuchten Auswanderern gefunden, lohnt sich immer auch ein Besuch auf den riesigen städtischen Friedhöfen, auf denen viele Grabsteine des 19. Jahrhundert noch zu finden sind. Die Friedhofsverwaltung hilft dem Familienforscher bei der Lokalisierung der Grabstellen.

Die Reise nach Buffalo läßt sich gut verbinden mit einem Besuch der Niagara-Fälle, die nur eine Stunde von hier entfernt sind. Nach einer weiteren Stunde Autofahrt auf der ältesten kanadischen Autobahn, dem „Queen-Elizabeth-Way“, erreicht man die Metropole Toronto, von der Interkontinentalflüge zu allen großen europäischen Flughäfen gehen.

Einträge mit Osnabrücker Namen im Kirchenbuch der Deutschen Lutherischen Dreifaltigkeitskirche (Holy Trinity), Buffalo, New York:

Becker Bohmte 
Becker geb. Wehrmann Bohmte 
Berner, Johann Heinrich Bomte (Bohmte) 
Bockstedt Neuenkirchen bei Melle 
Borchard Ueffeln 
Dunkhorst, Friedrich Heinrich Bomte (Bohmte) 
Fraumann, Gerhard Heinrich Belm 
Hackmann (Hachmann) Lengerich 
Hackmann (Hachmann), Friedrich Wilhelm  aus dem Osnabrückischen 
Havekotte, Marie Henriette Venne 
Havekotte verw. Fraumann Venne 
Kahmann Neuenkirchen bei Melle 
Ledebur geb. Meyer… Neuenkirchen bei Osnabrück 
Lester geb. Vosbrink Amt Bessenbrügge (Bersenbrück) 
Maerz (Metzner) Venne 
Mühlenkamp (Möhlenkamp) Gaste bei Osnabrück 
Niehaus, Johann Hermann Osnabrück 
Nieman(d), Johann Andreas Bomte (Bohmte) 
Nieman(d) geb. Lünebring, Christine Marie Bomte (Bohmte) 
Ohnesorge Osnabrück St. Katharinen 
Otte(n), Franziska Neuenkirchen bei Osnabrück 
Peter, Christian Heinrich Venne 
Peter, Johann Gerhard Venne 
Peter, Johann Friedrich Venne 
Peter geb. Peters(chlingmann), Anne Marie Venne 
Pellmann, Franz Heinrich Neuenkirchen bei Melle 
Pellmann, Margrethe Elisabeth Neuenkirchen bei Melle 
Rose Neuenkirchen bei Melle 
Schmidt, Heinrich Wilhelm Neuenkirchen bei Melle 
Strubbe, Johann Friedrich Huxelort, Engter 
Strubbe geb. Havekotte, Marie Henriette Venne 
Tepe Venne 
Tepe geb. Timmermann Engter 
Thelmann Rabber (Ksp. Essen) 
Topp Ueffeln 
von der Becke, Sarah Marie Elise Engter 
Wellner Bomte (Bohmte) 
Wessel Lotte 
Wiebusch Gaste 
Wissmann Vehrte, Ksp. Belm

Thörner, Udo: Ein Deutscher als Bürgermeister

Von den zehn Kindern des Hofbesitzers Johann Friedrich Sielschott (1788 – 1856) in der Bauerschaft Vorwalde, Kirchspiel Venne (Osnabrücker Land), in erster Ehe verheiratet mit Anne Cathrine Elisabeth Wahlbecke (1796 – 1819) und in zweiter Ehe mit Ernestine Juliane Meyer zu Wimmer erreichten neun das Erwachsenenalter. Hoferbe war der älteste Sohn Christoph Heinrich (1812 – 1891), ein Sohn wurde Gastwirt in Welplage (Hunteburg), einer Tierarzt in Belm, eine Tochter heiratete auf den Hof Wiesehahn in Icker (Belm), zwei Söhne wanderten nach Amerika aus und bei drei Töchtern ist der Verbleib nicht bekannt. Vielleicht folgten sie ihren Brüdern. Adolf Hermann Sielschott (1835 – 1895) war einer der beiden Auswanderer. Am 09.10.1854 kam er an Bord der „Hansa“ in New York an. Über seine bemerkenswerte Karriere im Städtchen Beardstown, Cass County, Illinois (etwa auf halbem Weg gelegen zwischen St. Louis und Chicago) berichtet eine zeitgenössische Biographie mit dem unvermeidlichen amerikanischem Pathos:

„Wagemutig machte er sich sogleich auf den Weg nach Westen und erreichte Beardstown im Herbst des selben Jahres [1854]. Er entschied sich hier zu bleiben und hier begann er mit nichts als einer 5-Dollar-Goldmünze in der Tasche das Leben, das ihm und der ganzen Stadt so viel Gutes gebracht hat. Er suchte nicht lange nach einer angenehmen Arbeit. Da er bestens mit der Landwirtschaft vertraut war, nahm er eine Arbeitsstelle auf einer Farm an. Es gelang ihm, ein gewisses gesellschaftliches Ansehen zu erwerben. 1876 wurde er von einer großen Mehrheit in das Amt des Sheriffs gewählt und bewährte sich darin so gut, daß er mehrfach wiedergewählt wurde und somit ununterbrochen für zehn Jahre im Amt blieb. Unmittelbar darauf wurde er zum Kämmerer des Landkreises (county treasurer) bestimmt, ein Amt, das er vier Jahre bis 1890 bekleidete. In das Jahr 1889 fiel die Gründung der First State Bank of Beardstown und Herr Sielschott wurde zu ihrem Präsidenten gewählt. Unter seiner klugen Leitung prosperierte die Bank und ist heute [1892] eine der reichsten Banken des Staates. Zusätzlich zu den 14 Jahren, in denen er die bedeutsamen Ämter des Sheriffs und des Kämmerers bekleidete, diente er der Stadt Beardstown fünf Wahlperioden als Bürgermeister. Geschäftlich war Mr. Sielschott ein wichtiger Förderer vieler Unternehmungen, von denen die wohl bedeutendste die Konstruktion der schönen Brücke war, die bei Beardstown den Fluß Illinois überspannt.“

Im März 1862 heiratete Sielschott in Beardstown M. Ellen Pieper (1832 – 1901), die bereits 1839 mit ihren Eltern eingewandert war und wie ihr Bräutigam aus dem Königreich Hannover stammte. Das Paar bekam vier Kinder, von denen drei das Erwachsenenalter erreichten. Vielleicht zusammen in einem Haushalt mit Adolf Hermann Sielschott lebte sein älterer unverheirateter Bruder Georg Friedrich Sielschott (1829 – 1862), der vermutlich schon vor Adolf Hermann nach Beardstown gekommen war. Und auch ein Neffe fand den Weg nach Illinois: Georg Heinrich Friedrich Sielschott (1849 – 1923), Sohn des Tierarztes in Belm Heinrich Wilhelm Sielschott (1827 – 1895) und seiner Frau Anne Cathrine Marie Margrethe Dorothee Fraumann (1823 – 1888), siedelte sich 1866 im Nachbarort Kilbourne, Mason County an.

Thörner, Udo: Kalkriese, ein Dorf im Osnabrücker Land, und die amerikanische Hitparade

Auf den ersten Blick eine scheinbar unsinnige Zusammenstellung – was sollte denn wohl Kalkriese (Kirchspiel Engter, Osnabrücker Land) und die amerikanische Rockmusik verbinden?

In Deutschland ist er nur einigen Musikkennern aus der Generation der 30 bis 45jährigen bekannt – in den USA ist er in der Musikszene ein Begriff: Rockstar John Cougar Mellencamp, der Anfang der 80er Jahre mit Top-Five-Platzierungen in den Billboard-Top 40, der amerikanischen Hitparade, von sich reden machte. Mellencamp?? Das klingt doch so nach Möhlenkamp…

Richtig, und dies bringt uns auf die Spur: am 17.05.1844 heiratete der Heuermann aus Kalkriese Johann Heinrich Friedrich Möhlenkamp (geb. 1823) in der Engter Kirche Anna Marie Bramsche (aus „Böhren“ = Bühren, geb. 1823). Dem Paar wurde am 21.02.1845 in Kalkriese ein Sohn Johann Heinrich geboren. Ende der 40er Jahre entschloß sich die Familie zur Auswanderung nach Amerika. Hier kamen drei weitere Kinder zur Welt, u. a. am 12.03.1855 Johann Hermann in der kleinen Gemeinde am White Creek im Bartholomew County (Indiana).

Fast 100 Jahre später erblickt in der Nähe von Seymour (Jackson County, Indiana) sein Urenkel das Licht der Welt, der den Namen Möhlenkamp (in Amerika wird der Name englisch geschrieben und ausgesprochen) im ganzen Land bekannt machen wird: John Cougar Mellencamp, geb. 07.10.1951. Die Musik von John Cougar Mellencamp gibt es auch in Deutschland zu kaufen. Und das eine oder andere Stück klingt auch für unsere Ohren vertraut.

Wiesekopsieker, Stefan: Auswanderung aus Lippe – alte und neue Fragen der Forschung

Veröffentlichung in „Archive, Familienforschung und Geschichtswissenschaft“ des Landesarchivs NRW, Düsseldorf 2006 (Hrsg. Dr. Bettina Joergens und Dr. Christian Reinicke):

Wirrer, Jan (Universität Bielefeld): Niederdeutsche Sprachinseln im Mittleren Westen der USA

Im 19. Jhd. konzentrierte sich die Einwanderung von Deutschland in die Vereinigten Staaten von Amerika vor allem auf den Mittleren Westen der USA. So wies im Jahre 1900 Wisconsin mit über einem Drittel der Gesamtbevölkerung den stärksten Anteil an Einwohnern deutscher Herkunft auf, gefolgt von Illinois und Minnesota mit über 20% sowie Nebraska und Iowa mit etwas unter 20%. Auch in Missouri ist der Anteil von Einwohnern mit deutscher Herkunft überdurchschnittlich hoch. Da die Besiedlung insbesondere außerhalb der größeren Städte sehr kompakt erfolgte und – meist erzwungen durch eine schwierige ökonomische Lage – ganze Großfamilien und Nachbarschaften sich in neu gegründeten Ortschaften gemeinsam ansiedelten und die Neusiedler darüber hinaus über die sog. Kettenwanderung weitere Familienmitglieder sowie Freunde und Bekannte zur Auswanderung animierten, entstanden in den betreffenden Staaten zahlreiche deutsche Sprachinseln. Soweit die Besiedlung vom niederdeutschen Gebiet her erfolgte, waren und sind diese Sprachinseln zuvörderst durch das Niederdeutsche geprägt.

Die empirische Basis der bisher geleisteten Forschungen liefert eine Sprachdokumentation, deren Daten während dreier Feldforschungsaufenthalte in den Jahren 1993, 1997 und 2002 in niederdeutschen Sprachinseln in Illinois, Missouri, Iowa und Wisconsin in zahlreichen Interviews mit Sprechern der zweiten, dritten und vierten Generation zusammengetragen wurden. Das von den dortigen Sprechern gesprochene Niederdeutsch ist durch den Kontakt mit dem US-amerikanischen Englisch stark geprägt. Dies gilt erwartungsgemäß vor allem für das Lexikon, aber auch auf anderen sprachliche Ebenen wie der Syntax und der Phonologie lassen sich Sprachkontaktphänomene nachweisen. Da jedoch die neu aufgenommenen Elemente von den Sprechern zumeist problemlos in das grammatische System der aufnehmenden Sprache integriert wurden, wäre es vorschnell, hierin – selbst wenn die Sprecher autochthones niederdeutsches durch englisches Sprachgut ersetzen – ein Indiz für einen sprachlichen Verfall sehen zu wollen. Hinzu kommt, dass die im Mittleren Westen gesprochenen niederdeutschen Varietäten auch hinsichtlich zahlreicher Schibboleths, welche die jeweiligen Herkunftsvarietäten kennzeichnen, eine erstaunliche Stabilität aufweisen. Beide Befunde, die starke Prägung durch die dominierende Kontaktsprache und der Nachweis charakteristischer sprachlicher Merkmale der Herkunftsregion, lassen es sinnvoll erscheinen, von neu entstandenen Varietäten, nämlich von einem American Low German auf westfälischer, nordniederdeutscher etc. Basis zu sprechen. Da jedoch auf der anderen Seite der ungesteuerte Spracherwerb seit Mitte der 1920er Jahre sukzessive abgenommen hat und mit dem Ende der 1940er Jahre fast vollständig zum Erliegen kam, ist in nicht allzu ferner Zukunft mit einem Erlöschen annähernd aller niederdeutschen Sprachinseln des Mittleren Westens zu rechnen. Dafür spricht auch, dass eine Reihe von Personen, die mir als Sprecher genannt wurden, bestenfalls als Semi-Sprecher einzustufen sind, die Sprachanlässe für das Niederdeutsche zunehmend gegen Null gehen und sich mitunter auf rituelle Kommunikationsanlässe reduzieren und sich generell die ökologischen Bedingungen für das Niederdeutsche des Mittleren Westens in den letzten Jahrzehnten deutlich verschlechtert haben.