„indago episcopi“ – Der Hagen des Bischofs

Geschichten und Berichte rund um die Bauerschaft Bischofshagen von Heinrich Ottensmeier

Nachfolgend finden Sie viele von Heinrich Ottensmeier recherchierte und zumeist auch veröffentlichte heimatkundliche Berichte.

Seine Fotos von Bauernhöfen wurden im GenWiki-Projekt Löhner Hausinschriften aufgenommen.

Inhaltsverzeichnis


Bischof Heinrich bestimmt den Zehnten der Brüder in Bischofshagen

aus „Waldbühne Wittel – Spielplan 1963″

Im Jahre 1209 wird Bischofshagen urkundlich erwähnt

Dort, wo der alte Hellweg und der Postweg aus der Werreniederung aufsteigend sich vereinen, liegt der „Hagen“. Dort, wo die Pumpstation und der Hochbehälter als Herz des Amtswasserwerkes (seit 1969-Stadtwasserwerk) das köstliche Naß auf die Gemeinden und Ortschaften verteilen, liegt Bischofshagen. Dort, wo man von der Höhe 150 Mitten in der Ravensberger Mulde einen einzigartigen Rundblick genießen kann von der Porta Wesfalika bis dorthin, wo das Wiehengebirge sich mit dem Teutoburger Wald zu vereinigen scheint wo man weiterhin die Sparrenburg und den Sendeturm auf der Hünenburg bei Bielefeld erkennen kann, wo man – die Herforder Egge und die Steinegge im Rücken – das mittlere und untere Werretal im abendlichen Lichtermeer als eine Riesenstadt zu erkennen glaubt, liegt das von der Natur so begünstigte Bischofshagen. – Das ist nicht allein der schwärmerische Ausbruch eines Heimatenthusiasten, sondern das bestätigte mehrfach auch ein ernstzunehmender Mann, der nicht nur die meisten und schönsten Länder Europas bereist hatte, sonder auch seine Blicke nach Afrika und Asien werfen konnte. Tiefversunken in den Anblick unserer Heimat vom „Hagen“ aus sagte er: „Wenn das hier nicht das schönste Fleckchen Erde ist, so gehört es doch unbedingt mit zu den schönsten.

Aber was ist denn dieses Bischofshagen?

Will man den Ursprung dieser Bauerschaft ergründen, so gibt ihr Name schon Hinweis auf die Entstehung. In der schriftlichen Überlieferung wird die Hagensiedlung „indago episcopi“ bereits um das Jahr 1200 erwähnt. Hier wird berichtet, daß Heinrich II. Bischof von Minden, den Zehnten in „Biscopishagen“ dem Mindener Domkapitel schenkt. Als 1295 Gottfried von Quernheim mit dieser Hagensiedlung belehnt wird, nennt er diesen Ort „haghen to Hessingchusen“, nach der südlich am Bramschebach gelegenen Ursiedlung Hessinghausen.

In den Jahren 1586 und 1682 erfuhr der Bischofshagen durch die „Eingemeindung“ der umliegenden Bauerschaften Mahnen, Schierholz, Steinsiek, Stickdorn und Kohlflage seine größte Ausdehnung. Dazu kamen noch Teile der Bauerschaft Hessinghausen, deren Name dann ganz verschwand und in Vergessenheit geriet.

Bischofshagen ist also eine seit Jahrhunderten nachweisbare Bauerschaft, die von der Werre bis zur Dornberger Heide reicht und damit an die Gemeinde Exter, Schwarzenmoor, Falkendiek und Löhne grenzt. Es ist die Bauerschaft, die im Norden von der Eisenbahn durchschnitten und in Auswirkung dieser Einrichtung einen „Klotz ans Bein“, die sie weitüberrundete Ortschaft Löhne-Bhf., gebunden erhalten hat und jetzt Gefahr läuft, von diesem, ihrem eigenem Kinde, überschluckt zu werden. Es ist die Bauerschaft, die seit mehr als 150 Jahren im Süden durch die Köln-Mindener Straße mit der großen Welt verbunden ist, und deren Einwohner sich dort heute schon mit Vorliebe als Wittler bezeichnen. Aber das Zentrum dieser Bauerschaft, das sich auch für den Namen verantwortlich fühlt, der „Hagen“, will Bischofshagen bleiben!

Schon seit grauer Vorzeit führt der alte Hellweg über die Höhe des „Hagen“ und dürfte ebenso wie sein Nachfolger, der alte Postweg, manches bedeutende Ereignis verschwiegen in seinem Knüppeldamm verwahren. Wer wollte sich unterfangen und aufzuzählen versuchen, welche geschichtlichen Größen mit ihrem Gefolge hier durchzogen! Wer wollte versuchen, sich auszumalen welche Handelszüge, welche Soldateska und welches Gesindel hier die Bauernhöfe auf dem Hagen belästigten! – Aber bleiben wir zunächst einmal bei den geschichtlichen Tatsachen.

Da heißt es in einem Nekrolog, einem alten Totenverzeichnis zum 20. Juli 1209: „Im Jahre des Herrn 1209 verstarb Heinrich Bischof zu Minden, welcher gab (bestimmte) den Zehnten der Brüder ( ) in Bischofshagen zu gewähren. Er (wohl der Bischof) war im Ambt 3 Jahre, 4 Monate, 3 Wochen, 4 Tage.“ – Wenn wir auch davon absehen, aus dieser Eintragung folgern zu wollen, das sich auf dem „Hagen des Bischofs“ ein Kloster befand, das sich der besonderen Wertschätzung des Mindener Bischofs erfreute, so muß man doch wohl annehmen, daß der Bischof Heinrich hier Brüder oder Mönche mit besonderen Aufgaben stationiert hatte. Diese Vermutung könnte uns auch näher an die Namendeutung unseres Ortes heranführen. Möglicherweise hat Bischof Heinrich durch die Anlage einer „Hagensiedlung“ die Kultivierung des Busch- Waldgeländes besonders gefördert oder durch die „Frater“ besonders geistlich betreuen lassen. Könnte aber nicht der Name eines unserer ältesten Bauernhöfe die Annahme der Umgebung unterstreichen?

Der Besitzer des Hofes Stühmeier, Bischofshagen Nr. 5, wird in einem alten Höfeverzeichnis aus dem Jahre 1683 als „Jürgen itzo Henrich Stiegemeier, ein dem Ambt Eigenbehörigen Halbspänner“ bezeichnet. Zwar ist der „Stühmeier“ der im Gestrüpp Wohnende, und hat gewiß seinen Namen hier nicht zu Unrecht. Aber man kann auch kaum annehmen, daß es sich um eine Entstellung des Namens handelt. „Stiegemeier“ aber würde hier andeuten, daß sich hier ein Durchstieg durch den Hagen befunden habe, dessen Betreuung dem „Stühmeier-Stiegemeier“ aufgetragen war. Der Hof war zu jener Zeit mit seinen 94 Morgen, 9 Ruthen, 5 Fuß der drittgrößte der Bauerschaft Bischofshagen. Seine Abgaben jedoch waren gemessen an seiner Größe mit 25 Scheffel Hafer, 6 Scheffel Roggen und 6 Scheffel Gerste recht günstig.

Aber bleiben wir nun heute auch auf dem engeren „ Hagen“ und lassen die übrigen Teile der Bauerschaft ganz außer Betracht. Es wurde schon angedeutet, daß gerade dieser Bezirk bei der Bildung der Bauerschaft und der Untervogtei Bischofshagen Patendienste getan hat. – Im Mittelpunkt des „Hagen“, unmittelbar am Hellweg-Postweg, liegt die Schule, die immerhin schon seit dem Jahre 1660 nachzuweisen ist. Wenn sie auch nicht richtungweisend für die Besiedlung sein konnte, da die umliegenden Höfe unbestritten älter sind als das Bildungszentrum, so liegen diese älteren Höfe doch ringartig im die Schule gruppiert.

Da liegen zunächst in nordwestlicher Richtung die Halbspännerhöfe Bögeholz, Bischofshagen Nr. 9 und „Lüttke Bögeholz“, auch Dirksmeier genannt (jetzt Johannsmeier), Bischofshagen Nr. 11. Sie sowohl wie auch der Brinksitzer Bögeholz, später Krämer (jetzt Homburg Bischofshagen Nr. 57), sind durch Abtrennung vom alten Bögeholzhofe entstanden. Der Name Bögeholz weist wieder auf den Buschcharakter des Geländes hin. Auf dem Hofe Dirksmeier befand sich lange Zeit die Dorfschmiede.

Nach Südosten hin schloß sich an diese Hoflage der Bischofshagener Meierhof an, dessen Besitzer um die Mitte des vorigen Jahrhunderts über den großen Teich nach Amerika auswanderte. Die Ländereien dieses Hofes, der Halbspänner Heinrich Thielecker, itzo Otto Meyer, Bischofshagen Nr. 12, verfügte im Jahre 1683 über 60 7/8 Morgen, 10 Ruthen, 5 ½ Fuß, wurden von den Nachbarn aufgekauft. Lediglich der „Lüttke Krug“, der seiner Hausinschrift und seiner Lage nach zum Meierhof gehörte, hält die Tradition wach. Gerade der „Lüttke“ Krug“, und ehedem sein Vorgänger, der „Alte Krug“, scheinen mehr als die Schule der „Mittelpunkt des Dorfes“ gewesen zu sein. Und der Krug scheint seinem Besitzer hier an der Hauptverkehrsstraße genährt zu haben, denn das Amt Hausberge erhob von ihm jährlich vier Thaler „Kruggeld“, wärend seine „Konkurenz“, Hermann auf der Armöde in Mahnen mit drei Groschen davon kam.

Grundnachbar des „Lüttgen Krögers“ war der Brinksitzer Otto Kemena, der ebenso wenig von seinen nicht ganz 7 Morgen Land leben konnte, wie der Lüttke Kröger von seinen knapp 3 Morgen. Er mußte sich also auch nach einem Nebenerwerb umsehen. Er wurde der Begründer der Bischofshagener „Kaufmannsgilde“. Er führte deshalb schon vor rund 300 Jahren den Beinamen „Höcker“ und hat seinen Kleinhandel noch bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts geführt. Die Nachfolgeschaft des „Höckers“ übernahm dann „Tiunloöttken“ mit ihrem Sohn „Tiunstoffa“ (Bögeholz), die bei alten Krügers „hinter dem Zaune“ eine Kolonialwarenhandlung, eine Gastwirtschaft und weiterhin auch eine Bäckerei betrieben, zumal der „Lüttke Krug“ nach dem Neubau der Köln-Mindener Straße um die vorletzte Jahrhundertwende seine überörtliche Bedeutung verloren hatte.

Wenden wir uns nun noch kurz den weiteren Höfen auf dem Hagen zu. Da lag zwischen der „Höckeruigge“ und dem Stühhofe noch der Sanderhof, vermutlich ein Sohn des letzteren. Auch der Sanderhof Bischofshagen Nr. 48, erfuhr kurz vor 1683 noch eine Teilung. Hermann Sander erhielt das kleine Stück und machte sich in den Ellern selbstständig, und der Name Ellerherm haftet auch heute noch dem Besitzer Stickdorn, Bischofshagen Nr. 61, an. Der Sanderhof selbst wurde ebenfalls um die Mitte des vorigen Jahrhunderts aufgeteilt, da der Besitzer nach Amerika ging.

Auch der Brinksitzer Johann Vogelsang (Wortmann, Bischofshagen Nr. 35) am Rande der allgemeinen Mark angesiedelt, konnte von etwa drei Morgen Land nicht leben. Welches Gewerbe er sonst noch betrieb, ist nicht vermeldet, doch scheint er ein ganz lustiger Mann gewesen zu sein .Was könnte ihm sonst zu seinem Namen verholfen haben?

Um nun den engen Ring um die Schule zu schließen, müssen wir unsere Betrachtungen dem Hofe Tacke, Bischofshagen Nr. 22, zuwenden. Der dem Ambt eigenbehörige Brinksizter hatte vor 3oo Jahren gut 3o Morgen Land. Seine Ländereien lagen, wie die der meisten Bauern, „im Felde“, das sich südlich der Siedlungsgruppe „uppen Hagen“ entlangzieht. Ob es die weiten Wege zum Felde waren, oder ob die Unsicherheiten und die Gefahr des Flurdiebstahls es waren, die den Tacke veranlaßten, seinen Hof ins Feld hinauszubauen, läßt sich nicht mehr feststellen. Vielleicht aber haben beide Gründe mitgespielt, denn auch der Donnermann (jetzt Richter, Nr. 21) siedelten kurz vorher vom Hagen nach dem Felde aus. Vermutlich war der Acker des Brinksitzers Heinrich Donnermann noch von besserer Qualität als der des Brinksitzers Johann, itzo (1683) Henrich Tacke, denn Dünnermann mußte von seinen 27 7/8 Morgen 3 Scheffel Roggen und 21 Scheffel Hafer als Zinskorn abgeben, während Tacke von 30 ¼ Morgen nur 20 Scheffel Hafer zu liefern verpflichtet war. Der alte Hof Tacke (jetzt Helmut Tacke, Bischofshagen Nr. 134) wurde in der Familie Tacke weitervererbt, der alte Hof Dünnermann oder Donnermann verkauft, (Wehmeier Bischofshagen Nr. 126). Doch die Ruhe und Abgeschiedenheit des Tackehofes war nicht von langer Dauer. Im Jahre 1934 wurde im „Felde“ der Standortübungsplatz der Garnison Herford eingerichtet. Zu dem dafür benötigten Gelände von rund 92 Hektar gehörte auch der ganze Hof Tacke mit seinen rund 9 Hektar. Die Tacken kehrten nun in die unmittelbare Nähe ihrer „alten Heimat“ zurück und übernahmen den „Alten Krug“. Fast hätte dem Tackenhof schon vor rund 100 Jahren früher das Schicksal ereilt, da seinerzeit der Anerbe und seine Geschwister ihr Glück in Amerika suchten. Der letzte Sohn, der auch schon seine Koffer gepackt hatte, ließ sich dann zu guter Letzt noch bewegen, dem Erbe der Väter und seinen Eltern treu zu bleiben.

Der Vollständigkeit wegen seien hier nun noch die in einem weiteren Ring, in zweiter Linie liegenden Höfe, aus dem vorerwähnten alten Höferegister, die ihre Existenz bis in die Gegenwart hinüberretten konnten. Da sind die Halbspannmeierhöfe Henrich olim Franz Stuke, Bischofshagen Nr.2, mit 60 Morgen, Johann, itzo Jobst Kemper, Bischofshagen Nr. 3 als dem zweitgrößten der Bauerschaft Bischfoshagen mit 98 ½ Morgen, 12 Ruthen, 3 ½ Fuß und der Bernd Eickhoff, itzo Daniel Niemeier, Bischofshagen Nr. 7 (jetzt Kämper) mit 63 3/8 Morgen. Die eigenbehörigen Brinksitzer Otto Thielicker, Bischofshagen Nr. 29 (jetzt Büscher) mit knapp 9 Morgen, Jürgen, itzo Johann Kemper, Bischofshagen Nr. 54 (jetzt Stuke) mit 6 3/8 Morgen, Jobst Stuke, itzo Johann Meyer, Bischofshagen Nr. 53 mit 5 ¾ Morgen und Hanß, itzo Jobst Kleimeyer, Bischofahagen Nr. 50 mit 1 Morgen, scheinen alle noch junge Siedler zu sein. Diesen Eigenbehörigen steht der „Freye Brinksitzer“ Bernd Knopf, Bischofshagen Nr. 36, mit knapp 3 Morgen Grundbesitz gegenüber. Hatte er „seinen Namen mit der Tat“? Hatte er sich auf dem Hagen als Knopfmacher niedergelassen?

„Immer auf der Höhe!“

Mag der „Hagen“ auch heute nicht mehr unmittelbar an den Hauptverkehrsstraßen liegen wie vor Jahrhunderten, so verbinden doch die Eisenbahnlinien im Norden und die Bundesstraße im Süden der Bauerschaft mit der weiten Ferne. Die durch den Ort führende Straße Löhne- Bhf.-Wittel stellt die Verbindung des Lübbecker Raumes mit der Autobahn her. Die Schweichelner Straße bringt in ihrer Verlängerung auch den alten Postweg in Richtung Gohfeld wieder näher an seine alte Bedeutung heran. – Die inzwischen in Bischofshagen heimisch gewordene Industrie weist mit ihrem Finger ebenfalls in die weite Welt hinaus. Schokolade aus Bischofshagen ist bereits in allen Teilen unsers Vaterlandes bekannt und beliebt. Die hier hergestellten Möbel werden über Deutschlands Grenzen hinaus bis nach Frankreich und Spanien versandt, und die Fahrräder reisen sogar bis nach Amerika!

So ganz überheblich erscheint es also doch nicht, wenn die „Häger“ behaupten:

„Wir sind immer auf der Höhe, und Bischofshagen liegt mitten in der Welt“


Sechs Grenzsteine mit Schlüssel und Sparren

aus „Waldbühne Wittel – Sommerspielplan 1962″

400 Jahre alte Zeugen mittelalterlicher Kleinstaaterei in unserer Heimat erzählen aus alter Zeit!

Als Karl der Große nach mehr als 30jährigem, blutigem Ringen die Sachsen unterworfen hatte, gründete er zur Ausbreitung und Festigung des Christentums Bistümer, darunter auch das Bistum Minden. Auf diese Weise wurde unsere Heimat „Grenzland“ und ist es durch acht Jahrhunderte geblieben, bis das Bistum Minden im Westfälischen Frieden im Jahre 1648 dem erstarkten Brandenburg des Großen Kurfürsten einverleibt wurde. Als südlicher Nachbar des Bistums Minden trat vom 13. Jahrhundert ab die Grafschaft Ravensberg in Erscheinung, die schon im Jahre 1609 an Brandenburg fiel.

Mancherlei langwierige Streitereien und Kämpfe sind zwischen den beiden kleinstaatlichen Gebilden um den Verlauf der Grenze ausgetragen worden, bis diese endlich nach vorausgegangener Einigung im Jahre 1542 durch Grenzsteine kenntlich gemacht wurden. Diese Steine haben noch ein Jahrhundert lang den ihnen zugedachten Zweck erfüllt, und einige von ihnen haben bis auf den heutigen Tag ihren Posten nicht verlassen. Sie legen Zeugnis ab von der mittelalterlichen Kleinstaaterei im heimischen Bezirk. Es sind noch ihrer sechs, und sie tragen sämtlich auf der einen Seite das mindische Wappen mit den beiden gekreuzten Schlüsseln und auf der entgegengesetzten Seite das ravensbergische mit den drei Sparren und dazu die Jahreszahl 1542. 

Hier Minden – dort Ravensberg

Der frühere Grenzverlauf: Im Süden reichte das Bistum Minden in der Hauptsache bis zur Werre. Rechts der Werre gehörten die Bauerschaften Bischofshagen (Hagen des Bischofs), Jöllenbeck, Depenbrock, Melbergen, Löhne und Falkendiek zum Bistum Minden. Die Grenzgemeinden auf ravensbergischem Gebiet waren demnach Rehme (Bad Oeynhausen, Lohe), Exter und Schwarzenmoor. An den Grenzen dieser Gemeinden haben wir also unsere Steine zu suchen.

Ein Stein verschwand

Im Westen, am „Alten Postweg“, auf der Grenze zwischen Falkendiek und Schwarzenmoor, südlich des alten Wetehofes, stand ein alter Grenzstein. Nachdem er lange Jahre hindurch am Wege gelegen hatte, wurde er von Lehrern wieder an der Stelle aufgerichtet, die ihm einst bestimmt war. Und nun ist dieser Stein spurlos verschwunden.

Der „Kopf“ fehlt

Über den Bredenbach führt uns der Weg hinauf nach Bischofshagen. Zwischen den Grundstücken Brüggemann 322 und Nolting 253, halb von einer Hecke verborgen, steht (stand) der zweite Stein. Ihm fehlt der „Kopf“, augenscheinlich hat er Generationen als Wetzstein dienen müssen. Seine Abzeichen trägt auch er noch als Abglanz vergangener Zeiten. Nach mündlicher Überlieferung soll er ehemals an der „Brömkesbieke“ gestanden haben, also an der Grenze zwischen Bischofshagen und Schwarzenmoor.

Als Torsäule

Ein weiterer Grenzstein steht auf dem Hofe des Bauern Schmidt (Auf dem Thran), hart an der Grenze zwischen Gohfeld und Exter. Der Stein, der in seiner ganzen Größe und Stattlichkeit erhalten geblieben ist, hat seit Jahren das weniger ehrenvolle als praktische Amt einer Torsäule übernommen. 

Nachbildung mit Kehrtwendung

Wohl der schönste der alten Grenzsteine stand im Mittelbachtal in der Nähe von „Taaken Mühle“, auf dem Grundstück des Bauern Sander (Vorm Holze). Jahrhunderte stand er hier im Schutz von Erlen und Hasel, verträumt, bis diese der Axt und der Rotthacke zum Opfer fielen. In der Zeit des „Dritten Reiches“ glaubte man, dieser Stein sei besser in einem Museum aufgehoben. Die entstandenen Streitigkeiten suchte man dadurch zu schlichten, daß der Grenzstein selbst auf dem Amtshausberge verblieb, seinen alten Standort aber eine Nachbildung bezog. Doch grollt diese auch heute noch über den „Stellungswechsel“, denn sie hat, geschichtsfälschend, eine ganze Kehrtwendung gemacht. Hoffentlich gelingt es, in absehbarer Zeit wenigstens die Nachbildung zu einer „Richtigstellung“ zu veranlassen.

Ein einziger Stein scheint von den Ereignissen der Jahrhunderte unberührt geblieben zu sein. Er steht auf der Grenze zwischen dem Amt Löhne und dem Amt Vlotho, in der Nähe des Gehöftes de Landwirts Wilhelm Backs, Melbergen Nr, 27.

Bevorzugt das Heilbad

Von der Burg wandern wir über den Neuenhagen ins Osterbachtal. Unterhalb der Siekertal- wirtschaft, an der Brücke über den Osterbach, lag seit Jahren, mal hüben, mal drüben, ein weiterer Grenzstein. Er ist zwar vom Zahn der Zeit ebenfalls stark angenagt, doch scheint er dafür seinen Postenbereich nicht verlassen zu haben. Neuerdings hat er den Melbergern und damit dem Kreis Herford die Treue gebrochen. Er hat sich, anscheinend in seinem hohen Alter das Heilbad bevorzugend, etwa zehn bis zwanzig Meter von der „Kampflinie“ gen Osten zurückgezogen.

Im Kurpark der Badestadt

Der letzte in der Reihe der bekannten Steine steht im Bad Oeynhausener Kurpark, hart südlich des Badehauses I, Hier verlief einst die Grenze zwischen Minden und Ravensberg und später zwischen den Kreisen Minden und Herford. Die Männer, die ihn setzten oder setzen ließen, werden wohl geahnt haben, daß die damalige Landesgrenze dereinst den Kurpark  eines berühmten Heilbades durchschneiden und der Stein mit den gekreuzten Schlüsseln und den drei Sparren vierhundert Jahre danach Erholung suchenden Kurgästen von mittelalterlicher Kleinstaaterei Kunde geben würde.


Alte Heerwege und Handelsstraßen erzählen aus ihrer Geschichte

aus „Beiträge zur Heimatkunde der Städte Löhne und Bad Oeynhausen“, Heft 8/9, 1982

Vom Wildpfad zum Hellweg

Wenn wir die alten Heerwege und Handelstraßen zu uns reden lassen wollen, dann müssen wir uns zunächst einmal über die Entstehung von Wegen und Straßen überhaupt erst einmal Gedanken  machen. – Heute ist es doch weithin so, daß bei neuen Siedlungsvorhaben zuerst die Straßen gebaut werden müssen, um die Anfuhr des Materials zum Hausbau zu ermöglichen. Das war in den Anfangzeiten der Besiedlung unserer Heimat anders.

Wenn unsere Vorfahren sich ansiedelten, wenn sie sich eine Behausung bauten, dann brachte die Anfuhr von Material keine besonderen Probleme, Denn sie verwandten das Material, daß greifbar war. Sie hatten Holz Schilf (Ried), sie hatten alles was sie gegen Wind und Wetter, gegen wilde Tiere gebrauchten.

Wenn dann bei der Nahrungssuche nach Wildfrüchten, Fischen und jagdbaren Tieren weitere Wege zurückgelegt werden mußten, benutzten sie die Trampelpfade der Tiere, die in vielen Windungen und Krümmungen um alle größeren Hindernisse herumführten. Diese Wildpfade wurden auch benutzt, wenn man von einem Nachbarn zum anderen wollte. Gewiß wurden die Pfade mit der Zeit nach Bedarf verbreitert und begradigt, aber von Wegen im heutigen Sinne kann keine Rede sein. Eine gewisse Verbreiterung erfuhren die Pfade durch das Schleppen von größeren Wildstücken, von Steinen und Bäumen. Vom Schleppen kam man zum Rollen, von den menschlichen „Zugmaschinen“ zu Zugtieren, und das bedingt eine weitere Begradigung und Verbreiterung der „Wege“. Die ersten Wege führten im wesentlichen zu Tränken, zu Quellen und Bächen und darüber hinaus zum Nachbarn. Diese Wege vom Nachbarn zum Nachbarn wurden allmählich weiterentwickelt und erhielten im Laufe der Zeit eine überörtliche Bedeutung. Noch in meiner Jugendzeit vor 70 bis 80 Jahren ließ sich nachweisen, wie die meisten Hauptwege von Hof zu Hof oder unmittelbar daran vorüberführten, Fußwege aber einfach querfeldein zu einem bestimmten Ziele, zur Kirche, zur Schule oder anderen bedeutsamen Zielen führten.

Um die Wege zu verbreitern, mußten Bäume gefällt werden. Es wurde hell im Walde. Man könnte so einfach und primitiv „Hellweg“ erklären. Es kam natürlich keine Wegebaukolonne, sondern jeder bahnte sich, soweit nötig, selbst einen Weg oder zog auf anliegenden Ödländereien eine neue Spur. Der Name Hellweg aber hängt wohl auch mit „Hohlweg“ zusammen. Man suchte bei der Begradigung und Verbreiterung der überörtlichen Wege sie möglichst an den Abhängen der Täler und Sieke entlangzuführen. Hier hatte man festen Grund gegenüber den Niederungen, brauchte andererseits nicht über beschwerliche und steigungsreiche Höhen zu fahren. So bedeutet auch „Hellweg“, der am Abhang entlang führende Weg. Ein Beispiel dafür könnte uns auch heute noch der Hellweg auf seiner Strecke von Gohfeld nach Bischofshagen sein.

Wenn wir diese Wege auch als Handelstraßen bezeichnen, dann müssen wir uns fragen, was hier denn gehandelt wurde. Ein Haupthandelobjekt war das Salz. Schon im 8. Jahrhundert wurde zwischen Ruhr und Lippe Salz gewonnen. Wenn man an die Namen Halle und Halloren denkt, könnte Hellweg vielleicht auch Salzweg bedeuten.

In diesem Zusammenhang möchte ich an die Soester Börde, die wir auch als Hellweg bezeichnen, erinnern, die sich gleichsam als Ostenhellweg und Westenhellweg in der Stadt Dortmund fortsetzt. Wenn sich diese alte Heerstraße auch in Richtung Paderborn gen Osten zieht, so ist doch unser Hellweg ebenfalls eine alte Heerstraße, die vom Rhein zur Weser führt.

Nun wollen wir uns aber noch einwenig mit dem Hellweg beschäftigen, der im Löhner Raum noch erkennbar ist. Wir wollen ihn also von der Gohfelder Werrebrücke, hier mußte er ursprünglich eine Furt überwinden, bis zum Brömkens- oder Bredenbach, der heute als „Bramschebach“ in die „Kartographie“ eingegangen ist, verfolgen. Wenn der Weg die Werre mit seinen Unberechenbarkeiten und Schwierigkeiten und das Bruchland („Depenbrock“) überwunden hatte, strebte er über den Helmsberg den Höhen des „Hagen“ (Bischofshagen) zu. Ich nehme an, daß der Helmsberg den Anwohnern des Werretales und dem Vieh bei Hochwasser Schutz (Helm = Schutz) bot und daher seinen Namen erhielt. – Der weitere Weg trifft mit der „Moderne“ zusammen. Nicht nur, daß er die Eisenbahn unterqueren muß, sondern auch das Teilstück der Autobahn muß mit Hilfe einer Brücke überwunden werden, um dann in der alten Siedlung „In den Höfen“ mit der Löhner Industrie in Berührung zu kommen. Sowohl der „Vollenhof“, früher Jöllenbeck Nr. 9 (Ottensmeyer), wie auch der „Richterhof“, früher Depenbrock Nr. 5, die Veranlassung für die Flurbezeichnung „In den Höfen“ waren, haben Ländereinen zu dem heutigen Industriegebiet lassen müssen, so das in absehbarer Zeit der Sinn der alten Flurbezeichnung kaum noch geahnt werden kann. Ob der Richterhof einst aus dem gefährlichen „tiefen Bruch“ ausgesiedelt wurde, läßt sich nur vermuten. Die Annahme, daß sich hier einst eine Gerichtsstätte befunden habe, wird durch die sich in der Nähe befindlichen Flurbezeichnungen „Galgenkamp“ und „Roßdall“ unterstrichen.

Nur wenige Minuten von hier entfernt, reizt uns die Flurbezeichnung „Judenplatz“ zum Nachdenken und Verweilen. Woher kommt hier an der Einmündung des „Leinkampes“ in den „Hellweg“ die Bezeichnung „Judenplatz“? Man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß der Name, den auch heute noch der Volksmund festhält, im  frühen Mittelalter, in der Zeit der Judenverfolgung entstanden ist. Schon die fränkische Geistlichkeit verbot den Verkehr zwischen Christen und Juden. Die Verbote wurden nach vorübergehender Aufhebung im 13. Jahrhundert verschiedentlich erneuert. Es ist daher wahrscheinlich, daß durchreisende jüdische Kaufleute und Händler das Übernachten innerhalb der Siedlung oder in den Krügen verwehrt war. Für diesen wurde ihnen in unmittelbarer Nähe des Hellweges ein Platz, eben der „Judenplatz“, zugewiesen.

Der Hellweg verläuft dann weiter am Abhang des „Katzensiekes“, um dann, wenn er die Höhe des Häger Brinkes „erklettert“ hat, seine Aufgabe dem alten Postweg zu übergeben.

Auf dieser letzten Strecke, noch heute als Hellweg bezeichnet, begleitete ihn in langen Jahrhunderten finsterer Wald. Erst um die vorletzte Jahrhundertwende kam die Zeit, in der der Wald nach und nach der fortschreitenden Besiedlung weichen mußte. Auch das „Raubgesindel“ des Waldes wurde allmählich in die weniger zugänglichen Sieke gedrängt. Von hier aus konnten Füchse und Marder ihr blutiges Handwerk ausüben. (Von der Fuchsplage wissen noch heute die hühnerhaltenden Anlieger ein trauriges Lied zu singen.) Dem überreichen Bestand an „Moadakaddn“ (Mardern) in früheren Zeiten dürften „Kaddnsiek“ und „Kaddnbusk“ ihren Namen verdanken.

Was der alte Hellweg alles über sich hat ergehen und „erfahren“ lassen müssen läßt sich kaum erahnen. Gewiß sind auch die Kämpfe zwischen den Römern und Germanen nicht spurlos an unserer Heimat vorübergegangen. Nach einem Bericht des Vellujus ist es nicht ausgeschlossen, daß der römische Feldherr Tiberius an der Quelle oder Mündung der Jule (Jolabeke?), also unweit des Hellweges, im Jahre 4/5 n. Chr. ein Winterlager durchführte. Auch die Kriege zwischen den Franken und den Sachsen, also zwischen Karl dem Großen und Wittekind, haben unsere engere Heimat sicherlich nicht unberührt gelassen. Daß der Dreißigjährige Krieg seine furchtbaren Auswirkungen hier gehabt hat, mögen zwei Notizen aus den Gohfelder Kirchenbüchern belegen. Im Totenregister des Jahres 1641 heißt es: „Wulf Stühmeier ufm Bischofshagen und Otto Noltings ufm Helmsberg. So beide am Sonntag Palmarum allhier in der Kirche erschossen.“„Zweiter Adjunkt Pastor Borstedes wurde im Jahre 1626 Johannes Siegmann, der aber nicht lange danach, da er einen Hieb in den Kopf von einem Soldaten gekriegt, erblasset“. 

Was könnte uns nun der „Alte Postweg“ berichten?

Wenn wir uns jetzt dem „Alten Postweg“ zuwenden, dann müssen wir zunächst den Versuch machen, seinen ursprünglichen Verlauf festzustellen. Er ist der Nachfolger des Hellweges und verläuft in etwa gleicher, aber verbesserter Richtung. Seine Einmündung in unseren jetzigen Stadtbereich war durch den „Hagemeierschen Bückenkopf“, durch die dortige Furt oder Brücke, bedingt Auch von der Werre bis zum „Alten Krug“ in Gohfeld folgte er den Spuren seines Vorläufers am Unterlauf des Sudbaches entlang. Ob er sich schon hier eigene Wege suchte, ob er den „Hellweg“ schon hier verließ, weil dieser nach Westen abbog und hinter dem Schmidtschen Hofe über den jetzt verschwundenen Hof Nolting, Jöllenbeck Nr. 5, dem Helmsberg zustrebte, oder ob ihn der Hellweg weiter in südlicher Richtung bis zur „Flagenstraße“ „an die Hand nahm“, vermag ich nicht mehr auszumachen. Jedenfalls wurde der „Alte Postweg“ an der Kirche vorbei durch das Sudfeld, den Kleihof rechts liegenlassend, in fast gerader Flucht zum Bischofshagen geführt. Damit wurde dieser neue Weg gegenüber dem Hellweg bedeutend verkürzt und verbessert. – Im Vertrag zu Xanten im Jahre 1614 war die Grafschaft Ravensberg an Brandenburg gekommen. Als nun 1648 im Frieden zu Münster und Osnabrück der Große Kurfürst auch das Bistum Minden erhielt, legte er zu den getrennt liegenden Landesteilen eine Verbindungsstraße an, die vom Rhein bis Memel, allerdings auch durch andere Länder, führte. Weil sie vor allen Dingen dem nunmehr organisierten  Postverkehr diente, bekam sie den Namen „Postweg“ oder „Poststraße“. Auch heute ist sie unter der Bezeichnung „Alter Postweg“ noch weithin bekannt. Der Postweg war also bis zum Bau der Köln-Mindener Straße, auf die wir noch zurückkommen werden, die   Hauptverkehrsstraße zwischen Berlin und den westlichen Landesteilen.

Wenn die Straße, wie der Name „Postweg“ sagt, auch in erster Linie friedlichen Aufgaben dienen sollte, so war doch nicht zu verhindern, daß rund hundert Jahre nach seinem Ausbau preußische und fremdländische Heere auf ihm durch unsere Heimat zogen und hier unliebsamen Aufenthalt nahmen. Neben anderen kriegerischen Ereignissen wurde unsere Heimat und damit auch der Postweg durch die Schlacht bei Minden und das Gefecht bei Gohfeld am 1. August 1759 in Mitleidenschaft gezogen. Der Anmarsch der Franzosen erfolgte über Bischofshagen und das blutige Geschehen ebenfalls in unmittelbarer Nähe des Postweges („Blutwiese“)! Pastor Friedrich August Weihe, der bekannte Erweckungsprediger in Gohfeld, konnte am Abend des Schlachttages den Sieger des Gefechtes, den Erbprinzen Karl von Braunschweig und wenige Tage später auch seinen Vater, den Sieger von Minden, Herzog Ferdinand von Braunschweig, in seinem Hause empfangen.

Wie es sonst in diesen kriegerischen Zeiten am „Alten Postweg“ aussah, möge der folgende Auszug aus einer Brautschatzverschreibung aus dem Jahre 1761 andeuten. Die Heiratsgenehmigung für die Anne Marie Elisabeth Kleine Krüger und den Johann Hermann Pahmeier wird mit folgender Begründung beantragt: „Die Eltern der Braut sind verstorben. Der Bruder ist zum Militär eingezogen und soll von dort entflohen sein. Bei der Rückkehr soll ihm ein Abstand von 20 Talern gezahlt werden. Die Braut (junges Mädchen) könnte der Stätte nicht länger allein vorstehen, zudem das Haus an der Poststraße liege. Das Dach sei undicht und keine Tür mehr im Hause. Die Braut sei keinen Augenblick sicher“.

Wir verstehen, daß der bereits genannte Pastor Friedrich August Weihe 1763 in seinem „Danklied auf den allgemeinen Frieden“ sang.

                                                „Fühlest du nicht auch die Rute,
                                                die der Welt gebunden war?
                                                Schwamm nicht unser Volk im Blute?
                                                drückte nicht der Feinde Schar
                                                dich und deine armen Brüder?
                                                Nun gibt Gott die Ruhe wieder.
                                                Sage: Tausendmal sei dir,
                                                treuer Vater, Dank dafür.

                                                Alles nahm der Feind zur Beute,
                                                nicht nur Häuser, Hab und Gut,
                                                nein , auch soviel arme Leute,
                                                unser eigen Fleisch und Blut,
                                                Unsre Weiber, Mütter, Kinder;
                                                nun vertreib sie Gott die Sünder.
                                                Sage: Tausendmal sei dir,
                                                treuer Vater, Dank dafür.

                                                Wieviel Kirchen standen öde!
                                                Manche war ein Krankenhaus.
                                                Wie hielt uns der Feind so schnöde!
                                                Unser Gottesdienst war aus.
                                                Gott erhört geheimes Flehen,
                                                läßt uns endlich Hilfe sehen.
                                                Sage: Tausendmal sei dir
                                                treuer Vater, Dank dafür“.

Aber nicht nur in Kriegszeiten war der „Postweg“ „übelbeleumdet“. Er wird sogar für mitschuldig an den schlimmen „sittlich-religiösen Zuständen“ in Gohfeld vor den Zeiten Weihes und des Siebenjährigen Krieges erklärt. Karl Kornfeld schreibt in seiner „Geschichte des Kirchspiel Gohfeld“: „Die Gohfelder waren geradezu weit und breit berüchtigt ihres wüsten Treibens, ihrer Streitsucht und Rohheit wegen. Mitschuld an den trostlosen Verhältnissen war auch die Lage der Gemeinde an der Heer- und Poststraße. – Auf dieser Straße, die einen Großteil des Kirchspiel berührte und durchschnitt, trieb sich naturgemäß auch allerhand vagabundierendes Gesindel herum, das für die heillosen Zustände auf religiös-sittlichem Gebiet mit verantwortlich gemacht werden mußte. Überfälle und Vergewaltigungen jeder Art durch solche Strolche sind nicht selten vorgekommen.“

Aber es soll ja nicht nur von Kriegs- und Notzeiten berichtet werden. Hören wir auch ein paar fröhliche Erzählungen, selbst, wenn es Anekdoten sind. Wenn auch der „Alte Postweg“ gegenüber dem Hellweg eine wesentliche Verbesserung brachte, so ist er doch keineswegs mit den heutigen Wegen und Straßen in Vergleich zu setzen. Noch vor wenigen Jahrzehnten fand  man an einigen Stellen unter der Lehm- und Steinschicht eichene Bohlen und Schlagholz, das zur Befestigung und notdürftigen Ausbesserung des Weges benutzt worden war.

In Abständen von etwa zwei Meilen wurden die Pferde und Postkutschen und andere Postwagen bei der Posthaltestelle gewechselt. Eine solche Posthaltestelle befand sich auch in Bischofshagen, unweit der immerhin bis zum Jahre 1660 nachweisbaren Schule, etwa dort, wo die heutige Besitzung Kruse (früher Bischofshagen Nr. 56) liegt. Von alten Leuten wird das Gehöft auch heute noch als „Lüttke Kreog“ („Kleiner Krug“) und sein Besitzer als „Lüttke Kroeger“ bezeichnet. Bei dieser Haltestelle soll sich nachstehende interessante Begebenheit abgespielt haben:

24 Taler

Friedrich der Große besuchte nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges seine Länder, um überall nach dem Rechten zu sehen. Er fuhr eines Tages von Minden nach Herford. Der derzeitige Lehrer, dessen Name leider der Nachwelt nicht überliefert ist, hörte vom Kommen des großen Königs. Er stellte sich mit seinen Schulkindern am „Lüttken Kreog“, der Bischofshagener Posthaltestelle auf. Nach dem der König herangekommen war, begrüßten ihn  Lehrer und Schüler mit dem Choral:

                                                 „Auf, auf , ihr Reichsgenossen,
                                                 eur’ König kommt heran!
                                                 Empfanget unverdrossen
                                                 den großen Wundermann,
                                                 ihr Christen, geht herfür,
                                                 laßt uns vor allen Dingen
                                                 ihm Hosianna singen
                                                 mit heiliger Begier.“

Das Lied, das wir auch noch in unserm „Evangelischen Kirchengesangbuch“ finden, und die Rede des Schulmeisters gefielen anscheinend dem König sehr. In der sich anschließenden Unterhaltung erkundigte sich  Friedrich nach den Einkünften des Lehrers. Als dieser hörte, daß diese sehr schmal bemessen seien, vermachte er dem Häger Schulmeister eine  Sonderzulage von jährlich 24 Talern. Und diese Zulage ist bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts gezahlt worden.

Die Schneiderrechnung

Der Volksmund berichtet dazu, allerdings wenig glaubhaft, daß der Lehrer dem König bei seiner Durchreise durch Bischofshagen eine Bittschrift zur Erhöhung seiner kärglichen Bezüge habe überreichen wollen. Bei der Übergabe habe er dann versehentlich eine ebenfalls in der Tasche steckende Schneiderrechnung über 24 Taler ergriffen. dies sei dann die Veranlassung zu der Bewilligung der Zulage in Höhe von 24 Talern gewesen.

Der Volksmund weiß auch noch von einer Begegnung des Königs mit einem alten Bauern zu berichten, die nicht minder originell, vielleicht aber recht charakteristisch für unsere eingesessene Bevölkerung sein mag. –

„Habe keine Zeit“

Zwischen Gohfeld und Bischofshagen, ebenfalls unmittelbar am alten Postweg, liegt der uralte Kleihof, Jöllenbeck Nr. 1. Der damalige Kleihofbauer, in Mühe und Arbeit alt und grau geworden, quält sich auf seinem Acker, als wieder einmal der „Alte Fritz“ vorbei fuhr. Als dieser den sich mühenden Greis erblickte, ließ er den Wagen halten und den Mann zu sich beordern, ohne jedoch zu verraten, wer sich in dem Wagen befinde. Der Kleihofbauer ist aber nicht zum Kommen zu bewegen, da er angeblich keine Zeit hatte. Als der Bediente des Königs zum zweiten Male erscheint und erklärt, daß es der König von Preußen sei, der den Bauern zu sich entbieten lasse, erwidert dieser, wenn der König von Preußen etwas von ihm wolle, dann möge er sich nur hermühen, denn der König habe noch jüngere Beine als er. Als der Monarch dann seinen Begleiter zum dritten Male zu dem westfälischen Bauern schickt und ihm sagen läßt, wenn er seiner Aufforderung nachgekommen wäre, hätte er seinen Hof von allen staatlichen Abgaben befreit, da eilte der Greis, soll schnell ihn seine Füße tragen konnten, dem Gefährt auf dem Postweg zu, doch nun ist es zu spät. Die Pferde ziehen an und sind schnell den Blicken des alten Kleihofbauern entschwunden. – Eine Anekdote! Aber hat sie nicht doch einen wahren Hintergrund? – Eine Eintragung im Gohfelder Kirchenregister besagt, daß am 22. Februar 1766 Joh. Bernd Kleimeyer im Alter von 108 (!) Jahren verstarb.

Wir deuteten  schon an, daß der „Alte Postweg“ auf der Höhe des Bischofshagens den Spuren des Hellwegs folgt. doch mußte er hier besonders auch nach dem Verlassen des Dorfes Gohfeld sich allerlei „Gewalttätigkeiten“ gefallen lassen. Den eigentlichen „Alten Postweg“ von der Gohfelder Kirche bis zum jetzigen neuen „Alten Postweg“ nennt man jetzt „Alter Landweg“. Das was sich jetzt von der Weihestraße bis nahe zum Kleihof „Alter Postweg“ nennt, ist eben ein ganz neuer „Alter Postweg“ der sogar von einem gepflasterten Radweg bis zum Hagen begleitet wird. Auch an der Bischofshagener Schule hat er sich im Jahre 1954 eine Begradigung, beziehungsweise Verlegung, um etwa 10 bis 20 Meter nach Süden gefallen lassen müssen, um Raum für den 1956 fertiggestellten Schulanbau zu gewinnen. Von hier hält die jetzige Schweichelner Straße zunächst seine Spur fest, bis er dann wieder selbständig dem Brömkesbach und damit der Stadtgrenze zustrebt. Hier hat er nun mehr als eineinhalb Jahrzehnte lang die Bezeichnung „Unterer Postweg“ führen dürfen, bis ihm die Stadtväter, immer wieder an die schlimme Zeit des „Dritten Reiches erinnernd, den Namen „Am Truppenübungsplatz“ gaben. Im Herforder Bereich heißt er dann “Alter Grenzweg“. Man will damit die Erinnerung wachhalten an die Zeit, als der „Alte Postweg“ hier auch die Grenze zwischen dem Bistum Minden und der Grafschaft Ravensberg bildete. Ein leider sehr lädierter Grenzstein aus der alten Zeit will das noch heute unter Beweis stellen (Der Grenzstein ist inzwischen nicht mehr vorhanden.  

Und nun hat die Köln-Mindener Straße das Wort

Als der Reichsfreiherr Karl vom und zum Stein im Jahre 1796 zum Oberpräsidenten der Kammer-Collegia von Minden-Ravenberg, Tecklenburg und Lingen berufen wurde, vereinigte er dieses Präsidium mit dem von Kleve-Mark. Er sah seine vornehmste Aufgabe darin, den inneren Markt zu heben, um wenigsten einen Teil des für die westlichen preußischen Gebiete verlorengegangenen Außenhandels auszugleichen. Bei der Durchführung dieser Aufgaben mußte er unter anderem sein Augenmerk auf den Ausbau des Straßennetzes legen. Vor allen Dingen sollte das Straßennetz der Mark durch den Bau eíner Chaussee von Bielefeld nach Minden eine Weiterung erfahren. Der Bau dieser Straße kam dann auch zur Ausführung.

Genaue Daten über den Beginn des Baues und die Inbetriebnahme liegen mir leider nicht vor, Doch müssen die Arbeiten anscheinend im Jahre 1798 begonnen haben. Die folgende Notiz aus dem „Rheinisch-Westphälischen Anzeiger“ 1796 läßt auch keinen genauen Termin erkennen:

„Im Jahre 1796 sollte die neue Chaussee von Bielefeld über Herford nach Minden durch das an der Werre liegende Dorf Gohfeld gebaut werden, sodann von dieser Straße rechts ab längs dem rechten Werre-Ufer gerade über die Felder nach Neusalzwerk, und von da über die Werre-Brücke wieder nach der alten Straße durch die Porta Westfalica nach Minden geführt werden“. – In einem Schreiben der Kriegs- und Domänenkammer in Minden vom 21. Dezember 1799 werden die Vogteien Schnathorst und Quernheim  angewiesen, zwanzig beziehungsweise siebenunddreißig  vierspännige Wagen für die Anfuhr von  Befestigungsmaterial für die im Bau befindliche Chaussee auf der Strecke von Neu-Salzwerk (Bad Oeynhausen) bis Herford zu stellen. Als Aufladepunkt werden der Vogtei Schnathorst die Steingruben bei Eickhoff und Krüger, 1 ½  Stunden von Herford entfernt, angewiesen. Obwohl hier eine nähere Ortsangabe fehlt, kann es sich nur um die Krügerschen Steingruben und die des benachbarten Eickhofes in Bischofshagen handeln. Die Quernheimer haben „im Sudbrink“ und „im Hoppensiek“ (Haupensiek) zu laden. In dem Schreiben sind auch Anweisungen enthalten, die sicherstellen sollen, daß die Fuhrleute ihre Pferde nicht zu sehr „schonen“ und die Gefährte entsprechend beladen. Wenn hier schon die Anfuhr von Befestigungsmaterial durch die Bewohner von verhältnismäßig entfernt liegenden Gemeinden angeordnet wird, muß man annehmen, daß die Bodenarbeiten doch wohl schon 1798 begonnen und wahrscheinlich von den anliegenden Gemeinden durchgeführt wurden. Die neue Chaussee, fälschlich sehr oft als „Napoleonsweg“ bezeichnet, hatte gewiß auch strategische Bedeutung, zumal sie nach Westen hin an der Egge vorübergeführt wurde. Dieses Teilstück wird im Bereich Herford-Schwarzenmoor als „Alte Heerstraße“ bezeichnet. Die Chaussee wurde „zweigleisig“ angelegt. Das heißt, die eine Spur wurde chausseemäßig mit einer Steindecke versehen, während der „Sommerweg“ dem Vieh entgegenkommen sollte. Die spätere Verkürzung über die „Heoge“ (Hofe) wurde nicht so breit angelegt.


Der „Stickdorn“ ein germanisches Heiligtum?

aus „Waldbühne Wittel – Sommerspielplan 1964″

Aus der Geschichte  einer kleinen Druffelsiedlung der Gemeinde Gohfeld

Weißt Du wo der „Stickdorn“ liegt? – Die Flur „Auf dem Stickdorn“, die eine kleine Druffel- oder Gruppensiedlung trägt, ist ein Hügel im südlichen Teil der Gemeinde Gohfeld, der einen weiten Rundblick in das Land zwischen Wiehen und Osning vermittelt und etwa 160 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Wir erreichen den „Stickdorn“, wenn wir auf dem Wittel in südlicher Richtung von der vom Freiherrn vom und zum Stein in den Jahren 1799 bis 1801 erbauten Köln-Mindener Straße, der heutigen Bundesstraße 61, abbiegen und dem Hinweisschild „Zur Autobahn“ folgen, nach etwa einem Kilometer. Dieser Weg, der seinen ehemaligen Hohlwegcharakter noch nicht verleugnen kann, heißt seit alters her die „Knickstraße“. Erst nach ihrem Ausbau im Jahre 1894 erhielt sie überörtliche Bedeutung, als die neue Chaussee das Dorf Exter, den Stickdorn und den Thran mit der großen Heerstraße verband. Nach der Fertigstellung der Autobahn ist die Bedeutung dieser Straße schlagartig gewachsen, da über sie hinweg der gesamte Verkehr aus nördlicher Richtung zur Autobahnauffahrt Exter rollt.

Wenn wir also hier die starke Steigung des Knickes überwunden haben, befinden wir uns auf dem Stickdorn. Der Rücken des Stickdorn bildet hier die Wasserscheide zwischen Sudbach und Mittelbach, wird aber auch noch von einigen kleinen Quellbachsieken des Brömkensbaches eingekerbt und schenkt daher vornehmlich diesem in westlicher Richtung fließenden Bächlein seine besondere Sympathie und steuerte in der „vorelektrischen Zeit“ nicht unerheblich zum Treibstoffbedarf der im Brömkensbachtal liegenden Mühlen und Wasserräder bei.

Was kann uns nun der Name „Auf dem Stickdorn“ sagen? – In dem Vorwort zur ersten Auflage seines Buches „Die westfälischen Ortsnamen nach ihren Grundwörtern“ schreibt H. Jellinghaus u.a.: „die sicheren Spuren des heidnischen Kultus sind gering. Mancher Name wird im 9. Jahrhundert umgeformt oder vertilgt sein. Man vergleiche Deuteronomium Kap. 12, V. 2-3: „Verbrennt mit Feuer ihre Haine, und die Götzen ihrer Götter tut ab und vertilgt ihre Namen aus demselben Ort.“ Weiter sagt Jellinghaus: „Einzelne auf den Kultus bezügliche Namen findet man unter bram, brügge, dere, dorn, dreck, osede, vome, halle, ing, loh, mal, mund, stal, stein, wede.“

Uns soll hier jetzt nur das Wort „dorn“ interessieren. auf Seite 164 dieser Schrift lesen wir dann: „t o r n“, der Turm. Buckthurn in Jöllenbeck bei Löhne 1682, Stückturn, Flur in Bischofshagen b. Löhne 1682.“

Wir deuteten schon an, daß der Stickdorn wegen seiner beherrschenden Lage für eine heidnische Kultstätte mindestens nicht ungeeignet gewesen sein könnte. Die einfache Übersetzung des Namens in „Stechdorn“ erscheint uns nicht angebracht, zumal bekanntlich alle Dornen stechen. Aber auch die verschiedene Schreibweise, das werden wir noch mehrfach erkennen, deutet auf „Turm“, plattdeutsch „Toan“, hin.

Die ersten Nachrichten über den „Stickdorn“ und seine Bewohner finden wir erst in den Aufzeichnungen und Zusammenstellungen des Bistums Minden, Amt Hausberge, Vogtei Gohfeld.

Hier wenden wir uns zunächst dem Verzeichnis der Hand- und Spanndienste aus dem Jahre 1680 zu. Da sind aufgeführt der Kötter Reinicke Schwarze, der schuldig ist jährlich drei Handdienste mit Sensen zu leisten, die Brinksitzer Jürgen Cardinal, Jost ufm Stickdorn, Cordt ufm Stickdorn und Otto Puls, die jährlich drei Freidienste mit Harken zu tun schuldig sind.

Ausführlicher jedoch berichten die Höferollen aus den Jahren 1682 und 1683 über die Hofbesitzer und ihre Verhältnisse. Da heißt es unter der Nr. 17 über den „Schwarzen Hof“ dessen Besitzer  heute der Landwirt Hermann Stühmeier, Bischofshagen Nr. 18, ist: „Reinicke, itzo Jobst Schwarte, ein dem Ambt eigenbehöriger Köhter giebt jährlich: An Zinskorn 2 sch. (Scheffel) Rocken, 2 sch. Gerste, 3 sch. Hafer. An Viehe ein Mastschwein oder 18 gl (Groschen). An stehenden Sommer- oder Winterdienstgeld 14 gl. An allerhand kleinen geldgefällen: 20 gl. Wischgeld, 4 gl. Zuschlagsgeld. An Diensten: Dient wöchendlich zwei Tage mit der Hand oder gleich 3 th. Wenner ins Register gedungen thut er noch 3 freye Dienste.

Hat bei seiner Stätte an Länderey:

Saatland34 ⅛ Morgen7 Ruthen2 ½ Fuß
Wießenlandt1 ½ Morgen9 Ruthen– Fuß
Gartenlandt½ Morgen6 Ruthen– Fuß
Busch1 ⅛ Morgen– Ruthen– Fuß
Summa37 ⅜ Morgen7 Ruthen2 ½ Fuß

Jobst Heinrich Strothölter und dessen Ehefrau Anna Maria Ilsabein Strothölter, geb. Reinken aus Herringhausen bei Herford erwarben um das Jahr 1848 den Schwarzenhof, da die Schwarzen ihr Glück in Amerika zu erjagen versuchten, und ließen am 20. Juni 1849 durch den Baumeister Maschmann ein neues Wohn- und Wirtschaftsgebäude aufrichten. Er vererbte den Hof seiner Tochter Friederike, die den Landwirt Andreas Böndel aus Herford heiratete. Dieser teilte um die Jahrhundertwende den Hof. Der Haupthof, auf dem auch noch im Jahre 1867 ein Leibzuchthaus errichtet war, ging mit der Hausnummer 18 an den Landwirt Hermann Stühmeier über, dessen Nachkommen noch heute Besitzer dieser Stätte sind. Andreas Böndel baute mit seinem Sohn den abseits in der „Flachsröte“ liegenden Kotten aus und begründete unter der Hausnummer 12 des alten Meierhofes in Bischofshagen eine neue Besitzung.

Der alte Haustürbogen des ehemaligen Heuerligshauses, hält die Erinnerung an den einstigen Besitzer bis in die Gegenwart hinein wach. In bunt ausgemalten Buchstaben ist dort zu lesen: ANNO 1786 HAT HERMANN HEINRICH SCHWARZE UND ANNEMARGRET ILSA-     BEIN BEGEMANNS AUS DEM AMT VLOTHO DIS HAUS BAUEN LASSEN + ICH VANGE MEIN WERK MIT JESU AN + JESUS HATS IHM HÄNDEN + JESUS RUF ICH ZUM BEISTAND AN + JESUS WIRDS VOLLENDEN + ICH STEH MIT JESUM MORGENS AUF + D. 4. AUGUSTUS –  M. SEEGER. – Durch Vererbung befindet sich der Hof heute im Besitz der Familie Sander-Strunk.

Wenden wir uns nun dem „Jürgenshof“ zu, der durch Erbfall in anderen Besitz übergegangen ist Der heutige Besitzer des Hofes Bischofshagen Nr. 25 ist die Familie Dustmann. – Über diese Stätte berichtet uns das schon erwähnte Register des Jahres 1683: „Georg Cardinal, vordessen Lüdecke, ein dem Ambt eigenbehöriger Brinksitzer giebet Jährlich: An Zinskorn 8 sch. Hafer, An Viehe ein Mastschwein oder 9 gl., 1 Rauchhuhn, An allerhand kleinen Geldgefällen 4 gl. Zuschlags- 1 gl. Ostergeld, An Diensten Jährlich 4 freye Dienste,. Giebt sooft der Fall kömbt wegen des Leibeigentumbs Weinkauff, Erbteil und muß Frey Briefe lösen.

Hat bey seiner Städte an Länderey:

Saatlandt8 ½ Morgen1 Ruthe5 Fuß
Wiesenlandt 1 ⅛ Morgen5 Ruthen– Fuß
Garthenland¼ Morgen– Ruthen– Fuß
Summa10 ¾ Morgen6 Ruthen5 Fuß

Vielleicht dürfen wir auch hier die Inschrift des der Modernisierung zum Opfer gefallenen „Zierde des Hauses“ anführen, die mahnend sagte: “Im Jahre 1841, den 12. Juni, haben Johann Henrich Cardinal und Anne Marie Bröer haben dieses Haus bauen lassen. – Gedenke an ihn, wie er gestorben ist. So mußt du auch sterben.“

Der nächste Hof der uns hier beschäftigt, ist der „Ottenshof“ auf dem Stickdorn. Er ist auch der einzige in diesem Druffel, der seinem Namen bis zum heutigen Tag treu geblieben ist. Von diesem Hofe liegt uns so viel Material vor, daß es zu einer besonderen Hofgeschichte zusammengetragen werden müßte. Bleiben wie hier aber zunächst bei der Höferolle des Jahres 1683. Dort heiß es unter der Nummer 27, später 26, der Bauerschaft Bischofshagen: „Otto, itzo Johann ufn Stickthurm, olim Johann Wichmeier, ein dem Ambt eigenbehöriger Brinksitzer giebet jährlich: An Zinskorn 13 sch. Hafer. An Viehe ein Mastschwein oder 18 gl., 1 Gans 1 Rauchhuhn. An allerhand kleinen Geldgefällen 6 ch. (Pfennig) Pfingstschatz, 6 ch. Michaelisschatz, 1 gl. Ostergeld, 2 gl. vom Garten, 1 Th. 8 gl. Zuschlagsgeld. An Diensten: Dient alle 14 Tage mit der Hand oder giebt 1 Th. 18 gl. – Wenn er ins Register gedungen thut Er 4 freye Dienste Jährlich. Giebt, sooft der Fall kömbt wegen des Leibeigenthumbs Weinkauff, Erbtheil und muß Frey Briefe lösen.

Hat bey seiner Städte an Länderey:

Saatlandt16 ⅞ Morgen13 Ruthen– Fuß
Wiesenlandt1 ½ Morgen9 Ruthen7 ½ Fuß
Garthenlandt¼ Morgen9 Ruthen– Fuß
Summa18 ⅞ Morgen1 Ruthe7 ½ Fuß

Im Register von 1682 wird uns auch noch der Viehbestand mitgeteilt: 1 Fohlen, 4 Kühe, ein Rind.

Im revidierten Feldregister des Jahres 1752 lesen wir, daß Johann auf dem Stickdorn seinen Viehbestand mit 2 Pferden, 2 Kühen, einem Rind und zwei Schweinen angegeben hat. Die Größe der Ländereien hat sich in verflossenen 70 Jahren nicht verädert, doch teilt er mit, „von seinem Lande wäre ein Stück Saat Landt in der Wiese nebst dem Wischlande an Herm Sandtmann vor 14 rtl. verkaufet, hätte ihm 16 mg. (Mariengroschen) zu Hülfe (Zuhilfe) zu geben. Das Landt ist insgesamt zehntbar und ziehet das Ambt den Zenten in natura. Zinskorn ginge dahin 6 ½ sch. Hafer.“

Im Revolutionsjahr 1789 heirate der „Mousquet unter dem höchl. v. Woldeckschen Regiment“ Johann Friedrich Greve aus Exter-Solterwisch 22 auf dem Ottenshof ein und begründet damit die heutige männliche Linie. Selbstverständlich nimmt er den Hofnamen Ottensmeyer oder Stickdorn an. Beide Namen führt dann auch sein Sohn Johann Christoph weiter, der den Hof in Auswirkung der Markenteilung erheblich vergrößern kann. Dessen Sohn Johann Heinrich Christoph, der im Jahre 1852 die Bewirtschaftung des väterlichen Erbes übernimmt, macht jedoch mit dem „Ottensmeyer, genannt Stickdorn“ Schluß. Er entschließt sich endgültig für den Namen des Stammvaters Otto, und er und seine Nachkommen sind von nun an die „Ottensmeyers“, allerdings immer noch auf den Stickdorn wohnend. Dieser entschiedene Mann stellte auch als Vorsteher der politischen und als Presbyter der Kirchengemeinde Gohfeld seinen eindeutigen Rat zur Verfügung. Sein Name und der Name seiner Frau leuchten auch heute noch über dem Haupteingang des Hauses: „Im Jahre 1857, den 18. Juli, haben Johann Heinrich Christoph Ottensmeier und Anna Marie Charlotte Wilhelmine Sandmanns dieses Haus durch Gottes Hilfe bauen lassen. + Ach Gott dies ganze Haus bewahr + für Feuerschaden und gefahr + Für aller drohender gefahr + laß es in deiner Obhut stehn + und laß jeden Bewohner dieses Hauses auf deinen Wegen gehen.“ – Der heutige Besitzer ist Carl Ottensmeyer (Werner Ottensmeyer).

Auch der in unmittelbarer Nähe der beiden letztgenannten Höfe liegende „Korshof“ oder „Cordshof“ hat einen Namenswechsel erfahren, und nur noch von alten Leuten und den nächsten Nachbarn wird der der Name „Korsmeier“ gebraucht. Der eigenbehörige Brinksitzer Cord, itzo Johann ufn Stückthurm, muß jährlich 12 Scheffel Zinshafer, 1 Mastschwein, 1 Rauchhuhn, 1 Taler 6 Groschen Zuschlagsgeld und 4 Pfennig Ostergeld zahlen. Seine Ländereien haben eine Größe von 19 Morgen, 21 Ruthen.

Das jetzige Wohn- und Wirtschaftsgebäude des Hofes wurde von Meister Friedrich Kassebaum für Hermann Heinrich Korsmeier und Anna Margareta Ilsabein Stienkemeier am 15. Mai 1799 erbaut. Der Hausspruch: „Ach Herr, lehr mich bedenken, daß ich sterben muß, das mein Leben ein Ziel hat und ich davon muß“, ist samt den Angaben über die Erbauer des Hauses „versunken und vergessen“. Auch dieser geschnitzte Haustürbogen mußte der modernen Zeit weichen. Doch dürfen wir hier eine mündliche Überlieferung anführen, nach der dies Haus das erste Haus war, das Meister Kassebaum nicht – wie bisher üblich – mit Stroh deckte, sondern Dachziegel auf Strohdocken verwandte. Die Einwohner, die mit Mißtrauen und Zweifel dieser Neuerung gegenüberstanden, behielten recht, denn beim ersten starken Wind flogen die meißten Ziegel vom Dach herunter. Aber Meister Kassebaum hat sich dann doch durchgesetzt. – Das Heuerlingshaus ließen Hermann Heinrich Korsmann und Anna Marie Elisabeth Bonkers am 15. Julius 1825 von Baumeister Stuke errichten. Auch hier mahnt der Eichenbalken nach mehr als 140 Jahren: „Jesus der dies Haus gegeben, will auch gerne darin leben, denn er kann es vor Gefahren besser als der Mensch bewahren.“ – Der „Korshof“ gelangte auf dem Wege der Vererbung über die Strothölters in den Besitz der Familie Bögeholz, Bischofshagen Nr. 30.

Ob die Besitzung Böndel (Kölsch u. Stühmeier) Bischofshagen Nr. 59 eine Abzweigung vom Ottenshof ist, läßt sich nur vermuten. Das mehrfach erwähnte Register aus dem Jahre 1682 spricht dafür. Unter der Nummer 51 wird hier der Brinksitzer Otto Puls, vorhin Jobst ufn Stückthurm, aufgeführt. Oben wurde bereits erwähnt, daß im Verzeichnis der Hand- und Spanndienste vom Jahre 1680 der Besitzer des Ottenshofes auch Jost ufn Stickdorn ist. Auch der kleine Landbesitz und die geringen Verbindlichkeiten lassen darauf schließen, daß es sich um eine Neugründung handelt. Er gibt lediglich ein Rauchhuhn, 13 Groschen Zuschlagsgeld und 4 Pfennig Ostergeld und leistet 4 freie Dienste jährlich. Er verfügt auch nur über 2 3/8 Morgen 6 Ruthen Land, wovon 1/8 Morgen Gartenland ist.

Da kommen wir nun zu der letzten Besitzung auf dem Stickdorn, zum Gehöft Richter, Bischofshagen Nr. 64. Auch hier hat sich neben dem Hausnamen Richter der Vorname Klaus bis in die Gegenwart herübergerettet, obwohl die junge Generation sich immer mehr auf den Namen Richter beschränkt. Diese Besitzung scheint um das Jahr 1700 begründet zu sein, zumal schon die Hausnummer bis einschließlich 63 im Jahre 1682 bestehen. Bereits im Jahre 1752 nennt der Claus Richter ein Pferd, eine Kuh, zwei Rinder und ein Schwein sein Eigentum. Heute ist die Besitzung etwa 26 Morgen groß. Das heutige Wohnhaus wurde am 16. Juni 1841 durch Peter Heinrich Richter und Annemarie Linneweber erbaut. Sowohl die Familiendaten wie auch der bekannte Hausspruch „Jesus der dies Haus gegeben“ würden für den Heimatfreund und die Nachkommen der Erbauer wieder besser lesbar werden, wenn die bunte Ausmalung erneuert werden könnte.

Wir wollen zum Schluß unserer Ausführungen noch erwähnen, daß die genannten Höfe und Besitzungen auf dem Stickdorn nicht nur an der sie unmittelbar umgebenden allgemeinen Mark interessiert und berechtigt waren, sondern daß sie auch an den in den Gemeinden Exter und Schwarzenmoor liegenden Gemeinheiten Arendholz und Dornberger Heide ein Anrecht hatten, das dann in der Teilung dieser Gebiete im Jahre 1842 niederschlägt. Bei den genannten Gemeinheiten handelt es sich teils um private Holzteile, teils um aus nackten Weideplätzen bestehende, zu gemeinschaftlicher Hude benutzte Flächen. – Der Flachsbearbeitung war dadurch Rechnung getragen, daß jeder Hof in der Nähe der „Bihke“, dem Quellbach des Brömkensbaches eine Flachsröte hatte, da hier durch den ständigen Wasserreichtum das Flachsröten gesichert war. Auch heute noch befinden sich diese kleinen Parzellen im Besitz der alten Eigentümer, wenn auch die Flachsbereitung sich längst überlebt hat.

Eines aber ist geblieben aus der „guten alten Zeit“, das ist die gute Nachbarschaft! Möge sie auch in Zukunft je länger, je mehr das Bindeglied „derer vom Stickdorn“ sein und bleiben!


Auf der Kohlflage schwelten die Meiler

aus „Waldbühne Wittel – Sommerspielplan 1969“

Lohnendes Wandergebiet im Südwestzipfel der Gemeinde Gohfeld

Anfang dieses Jahrhunderts, als die Wegweiser noch „Handweiser waren“, wies eine solche weiße Hand an der Koblenzer Straße, etwa zweihundert Meter oberhalb der Fiesemühle, in  südöstliche Richtung, und die schwarze Aufschrift dieser Hand verriet, daß dieser Weg „Über Kohlflage nach Exter“ führte Ja, hier in der äußersten Südwestecke der Stadt liegt die Kohlflage. Diese Flur von zwei kleinen Quellbächlein der „Brömkensbieke“ eingeengt, reicht von der vom Freiherrn vom und zum Stein in den Jahren 1798 bis 1804 erbauten Heerstraße bis an die Grenzen der Gemeinden Schwarzenmoor und Exter, die ehedem zur Grafschaft Ravensberg gehörten, während besagte Kohlflage, und mit ihr die ganze Bauerschaft Bischofshagen, zum Bistum Minden gehörten. Die Kohlflage war also bis zum Jahre 1648 Grenzland, wenn auch hier keine Grenzsteine aus dieser Zeit mehr zu finden sind, wie sie uns noch an anderen Stellen dieser alten Grenze erhalten geblieben sind. Möglicherweise waren auch gar keine Grenzsteine vorhanden, zumal die Huderechte der Mindener Bauern dieses Gebietes über die Grenze nach Ravensberg hinweggriffen. Die Dornberger Heide, auch wohl „Stiftmindener Heide“ („Stift mindsken  Hoe“) genannt, war Hudegerechtsame für die umliegenden Bauernhöfe von Bischofshagen, Jöllenbeck, Schwarzenmoor, Exter und Solterwisch.

Dieses völlig abgelegene Gebiet wurde aus seinem Dornröschenschlaf geweckt, als die oben erwähnte Straße gebaut wurde und kurz nach ihrer Fertigstellung eigene und vor allem fremde Kriegsscharen diese neue Straße bevölkerten und die beiderseits der Straße liegenden Gehöfte nicht ungeschoren ließen. Besonders unerträglich wurden aber die Verhältnisse, als 1813 die Truppen des französischen Eroberers dem Rhein zueilten und die Verbündeten auf dem Weg zu endgültigen Befreiung ihnen nachsetzten. Ja, auch die heimische Bevölkerung jubelte den Befreiern zu, zumal auch „Hieronimus von Gottes Gnaden“, der Bruder Napoleons und König von Westfalen, sich nach Westen abgesetzt hatte und sein Königreich, und damit auch unsere Heimat, wieder gut preußisch wurde. Aber auch das eine tränende Auge blieb den Einwohnern beiderseits der Heerstraße nicht erspart. Besonders die Kosackeneinheiten trieben nicht nur Lebens- und Futtermittel bei, sondern auch die Viehbestände mußten in abgelegenen Wälder und Sieken vor ihnen gesichert werden. Oft räumten sie auch den Hausfrauen ihre Wäscheleinen ab. Besonders schlimm war es am 9. und 10. November 1813, als sich bei Gohfeld und Rehme das russische Korps des General Graf von Winzegerode mit 42 000 Mann und das Korps des preußischen Generals Graf Bülow von Dennewitz mit 30 000 Mann kreuzten. Beide Armeen wurden vornehmlich, wie die Gohfelder Gemeindechronik berichtet, in der Gemeinde Gohfeld einquartiert. Natürlich konnten die Häuser die Truppen nicht fassen. Auf einigen Höfen lagen 200 bis 300 Mann.

Alle diese Truppen mußten verpflegt werden. Korn, Heu, Stroh und Lebensmittel aller Art holten sich die Soldaten dort, wo sie sie fanden. Hecken, Zäune, Türen, ja sogar ganze Ställe wurden zu den Wachtfeuern herangeholt. Die Not war unbeschreiblich. Am meisten hatten die zunächst der Landstraße liegenden Höfe und Häuser in Bischofshagen und Jöllenbeck zu leiden. Viele Landleute haben in der Angst und Sorge in diesen Tagen Haus und Hof im Stich gelassen. Als sie an dem Tage nach dem Abmarsch der Truppen wieder zurückkehrten, fanden sie ihre Höfe rein ausgeplündert. Diesen Einquartierungen folgten, wenn auch nicht in diesem Maße, andere. So zogen einige Monate später die Schweden durch. Erst im März 1814 hörten die Durchmärsche auf. – Soweit die Angaben aus der Gohfelder Chronik.

Aber sehen wir nun einmal näher an Ort und Stelle um! Wir erwähnten schon eingangs, daß die Kohlflage an drei Seiten von bewaldeten Sieken eingeschlossen ist, von denen das eine seinen Anfang im Heidenholz nimmt. Diese malerische Gegend verdient es, in das Wandergebiet von Bad Oeynhausen  mit einbezogen zu werden, zumal man von hier aus in westlicher Richtung das mittlere und untere Brömkensbachtal erwandern kann, durch das Heidenholz aber auch einen schönen Wanderweg zur Herforder Egge mit dem Sendeturm hat. Aber auch sonst bieten sich gute Möglichkeiten, über Stickdorn und Tran Anschluß an das Mittelbachtal und damit an die bereits bekannten Wanderwege zu gewinnen.

Am Rande der Kohlflage oder des Kohlfeldes, wir müßten hier allerdings „Kollflage“ und „Kollfeld“ sagen, denn mit Kohl haben die Bezeichnungen nichts zu tun, finden wir die wenigen Siedlungen. Die Gehöfte können bis auf eins in ihrer Geschichte über mehrere Jahrhunderte zurückverfolgt werden. Ausgangspunkt der Erschließung der Kohlflage scheint der Hof des Landwirts August Krüger, Bischofshagen Nr. 17 zu sein. Er hat seine alte Bezeichnung Kollmeier trotz des Namenswechsels bis in die Gegenwart herübergerettet. Nicht nur die Gohfelder Kirchenbücher berichten seit dem Dreißigjährigen Kriege über das Kommen und Gehen der Kollmeier, sondern auch einem alten Verzeichnis der Hand- und Spanndienste der Vogtey Gohfeld aus dem Jahre 1680 entnehmen wir, daß der Kötter Johan Kollmeyer schuldig ist dem Amte Hausberge jährlich drei Handdienste mit der Sense zu leisten. Es heißt dazu in einer Fußnote wörtlich: „Kötere seien umb selbige Zeit gleicher gestalt schuldig, durch starke Manns versehen, Ihre Handdienste, wozu Sie mit Sensen, Axten, Schueten, Bardten oder wie es nahmen haben mag, bestellt werden, Ihre Dienste zu verrichten.“

Damit ist der unter der Nummer 13 des Registers verzeichnete Hof Kollmeier nicht nur der größte Hof dieser Flur, sondern auch der älteste, zumal er zu den vorrangigen Köttern gehört, während die übrigen Besitzer nur Brinksitzer sind. Der Name Kollmeier scheint nicht nur Hausname, sondern auch Berufsname gewesen zu sein. Wenn hier vor Jahrzehnten noch große schwarze Stellen in der Ackerflur festgestellt wurden, so dürften diese keineswegs den Biwaksfeuern der Befreiungskriege ihre Entstehung verdanken, da man sie sonst auch an der anderen Seite der Heerstraße hätte finden müssen. Auf der Kohlflage schwelten Meiler. Das erklärt auch die Namen Kollmeier und Kohlflage eindeutig.

Wenn wir schon andeuteten, daß die Besiedlung beim „Koallhof“ in der Nähe des Bachsiekes erfolgte, so gilt das von den beiden Höfen Pahmeier besonders. Der Name Pahmeier, er soll von Bach abgeleitet sein, stellt auch heute diese Bedeutung noch unter Beweis, denn beide Höfe, es handelt sich um den Hof Hermann Pahmeier, Bischofshagen Nr. 40. und um den Hof Heinrich Pahmeier, Bischofshagen Nr. 51, der seit alters her „Mühlenhof“ genannt wird, liegen unmittelbar an ehedem wasserreichen Sieks. Wir können annehmen, daß der jetzige „Poahmhof“ und der „Mühlenhof“ ursprünglich eine Einheit bildeten, bei einer Teilung dem einen Pahmeier der größte Teil der Ländereien, dem anderen die Mühle übertragen wurde. Das dort früher eine Mühle betrieben wurde, bestätigt auch heute noch das auf der anderen Seite des Siekes gelegene Feld des Bauern Krutemeyer, Jöllenbeck  Nr. 2, das die Bezeichnung „Mühlenkamp“ führt. Wenn man das kleine Bächlein auch heute nicht mehr als „Mühlenbach“ anzusprechen wagt, so trieb doch nur wenige hundert Meter unterhalb des Mühlenhofes der Kollmeier noch am Anfang dieses Jahrhunderts seine Dresch- und Häckselmaschine mit Wasserkraft. Eine Bestätigung unserer Annahme gibt uns die bereits oben erwähnte Höferolle aus dem Jahre 1683, in der wir unter der Nr. 37  (später Nr. 40)  folgende Eintragung finden: „Johan Pahmeyer, ein dem Ambt  Eigenbehöriger Brinksitzer giebet Jährlich. An zinskorn 10 sch. Hafer, An Viehe 1 Mastschwein oder 9 gl., 1 Ganß,

1 Rauchhuhn.   An allerhand  kleinen Geldgefällen 10 gl. Wischgeld, 4 gl. Zuschlagsgeld, 1 gl. Ostergeld, An Diensten: 4 freye Dienste Jährlich.

Hat bei seiner Städte an Länderey: Saatland 14 5/8 Morgen, Wießenland 2 Morgen 9 Ruthen 5 Fuß, Garten 1/8 Morgen, Summa 16 ¾ Morgen 9 Ruthen 5 Fuß.“

Der „dem Ambt Eigenbehörige Brinksitzer Jürgen itzo Hermann Bachmeier“ verfügt nur über einen halben Morgen Saatland und 1/16 Morgen 3 Ruthen 5 Fuß Gartenland. das ist wahrlich kein Grundbesitz, von dem der „Mühlenmeier“ seine Familie ernähren könnte. Ob die Mühle in dieser Zeit noch für die Nachbarschaft ihre Räder Klappern ließ, ist sehr zweifelhaft, zumal der Fiesemöller in unmittelbarer Nähe zur fraglichen Zeit eine solche betrieb und dafür den Mühlenzins zu entrichten hatte, hier aber von einem Mühlenzins nichts vermerkt ist. Entsprechend seines geringen Grundbesitzes sind auch die Abgaben geringer als die seines „großen Bruders“. Er hat nur „ums 2. Jahr ein  Mastschwein zu liefern“, dazu ein Rauchhuhn. Er zahlt auch nur 2 Groschen Zuschlagsgeld und 6 Pfennig Ostergeld, muß aber genau wie sein Nachbar und Namensvetter jährlich 4 freie Dienste leisten.

Etwas klarer scheinen uns die Verhältnisse bei dem auf der unteren Kohlflage wohnenden „Brinksitzer Johann Büschenfeld itzo Johan im Kotten“ zu liegen. Wenn auch hier der Name Büschenfeld zuerst genannt wird, so muß man doch auf Grund der Eintragungen im Gohfelder Kirchenregister annehmen, daß die Begründung der Besitzung von Kollmeiers Kotten ausgegangen ist, die dann später ihren Mittelpunkt auf dem Felde im Büsche fand. Wenn der offizielle Name auch bis auf den heutigen Tag Büschenfeld (Besitzer Oskar Büschenfeld, Bischofshagen Nr. 58) geblieben ist, so wird doch auch der Name „Kohdenmeyer“ nebenher bis zur Gegenwart gebraucht. Von seinem Besitz hat der Johann Büschenfeld oder Johann im Kotten, der nur rund 1 Morgen umfaßt, nur ein Rauchhuhn, 5 Pfennig Zuschlagsgeld und 4 Pfennig Ostergeld abzuführen, muß aber auch jährlich 4 frei Dienste leisten. Auch diese Besitzung hat sich wie die der Nachbarn im Laufe der drei Jahrhunderte zu einem mittleren Bauerhof ausgeweitet.

Wenn wir den Fiesemeier und die Fiesemühle wegen der Besonderheit ihrer Entwicklung und Geschichte hier unberücksichtigt lassen, so haben wir uns eigentlich nur noch den „Neubauern“ zuzuwenden. Zwar sind diese „Neubauern“, wenn wir von dem Neubauer Heinrich Holle, Bischofshagen Nr. 496, der seinen Neubau hier in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg ausführte, absehen, keine Neubauern im heutigen Sinne mehr. Da sind zunächst die  beiden Höfe August Hempelmann, Bischofshagen Nr. 66, und Wilhelm Oberdiek, Bischofshagen Nr. 71, denen wir noch einen kurzen Besuch abstatten wollen. Beide Höfe sind 1683 noch nicht aufgeführt, bestanden also noch nicht. Der genaue Termin der Entstehung ist nur bei dem Hof Nr. 71 bekannt. In einem alten Register aus dem Jahre 1755 wird unter dieser Nummer der Neubauer Friedrich Pahmeyer (der dritte Pahmeyer auf der Kohlflage) aufgeführt. In einem Zusatz heißt es dann: „Hat laut Verordnung de May 1754 im Anno 1753 gebaut, und sind die Freyjahre ab May 1756 zu Ende“. – Die Besitzung Hempelmann muß wesendlich früher begründet sein, denn Johann Jürgen Hempelmann verfügt bereits im Jahre 1748 über einen Viehbestand von zwei Kühen und zwei Rindern und hat einen Heuerling beschäftigt. Beide Neugründungen liegen unmittelbar an der allgemeinen Mark und der Grenze zu Exter. Die Ausweitung zu mittleren Bauernhöfen geschah zum großen Teil aus der Aufteilung der Dornberger Heide; aber auch vom Kollfeld konnten sie einige Ländereien erwerben.

Vor knapp hundert Jahren entstand dann auf dem Gelände des Büschenfeld oder Kottenmeyer die Besitzung Bischofshagen Nr. 119, (Walter Holle). Die alte Leibzucht die Ursprungzelle des Hofes, wurde erneut zu einem selbständigen Besitz, der jedoch nicht mehr in erster Linie der Landwirtschaft, sondern dem Handwerk diente.

Aber blenden wir am Schluß unserer Ausführungen noch einmal zurück, um einen kleinen Einblick in Leben und Denkungsart unserer Vorfahren zu tun. Da stand am Eingang des Wirtschaftsgebäudes des Hofes Bischofshagen Nr. 40 in Eichenholz eingegraben: „IM JAHR 1782 DEN 29 TEN MAIUS HABEN JOHAN HENRICH PAHMEIER UND TRIN ILSABEIN LÄDIGEN DIESES HAUS BAUEN LASSEN – JESUS DER DIES HAUS GEGEBEN WILL AUCH GERNE DRIN LEBEN + DENN ER KANN ES VOR GEFAHREN + BESSER ALS DER MENSCH BEWAREN“ Ja, so stand es dort mahnend und warnend – bis am 8. Juli 1956 ein Blitzschlag das ganze Fachwerkgebäude in Schutt und Asche legte. – Auch Johann Friedrich Pahmeier und Margarete Ilsabein Königs ließen auf dem Hofe Bischofshagen Nr. 71 am 10 Juni 1824 und Hermann Heinrich Hempelmann und Anne Marie Pahmeiern auf dem Hofe Bischofshagen Nr. 66 am 25. Juni 1825 Umwelt und Nachwelt mit dem gleichen Spruch auf den einzigen unvergänglichen Mittelpunkt eines Christenlebens hinweisen. Auch sie mahnen nicht mehr. Die Türbogen sind ein Opfer der neuen Zeit geworden

Doch kehren wir zum Ausgangspunkt unserer Wanderung zurück. Lassen wir uns mit den Worten des Türbogens auf dem Kollhofe noch einmal auf die Nichtigkeit unseres Daseins hinweisen: „Dies Haus ist mein und doch nicht mein, wer nach mir kömmt, soll auch darinnen sein. Wir bauen alle feste und sind gar fremde Gäste. Wer bauen will auf dieser Welt; der baue, was Gott gefällt. Herr, lehre uns bedenken, daß …“


Der „Tran“, eine alte Grenzflur

aus „Waldbühne Wittel – Sommerspielplan 1966“

Bereits 1151 urkundlich erwähnt

Wer von Bad Oeynhausen oder Gohfeld kommend in der Nähe der Waldbühne Wittel das Mittelbachtal verläßt und in südlicher Richtung weiterwandert, kommt, kurz nachdem er die von Wittel nach Exter führende Knickstraße erreicht hat, zum „Tran“. Bei dieser Flurbezeichnung handelt es sich keineswegs um eine scherzhafte neuzeitliche Benennung einer kleinen Gruppensiedlung, sondern der „Tran“ hätte bereits vor einigen Jahren seinen 800. Geburtstag feiern können. Aber bescheiden, wie der „Tran“ und seine Bewohner auch heute noch sind, hat er kein großes Aufheben von diesem Jubiläum gemacht, zumal er auf keine verbrieften Stadt- oder Gemeinderechte pochen oder sich auf einen besonders verdienstvollen oder kapitalkräftigen Mitbürger beziehen konnte. Ja, der „Tran“, und damit der äußerste Südzipfel der Gemeinde Gohfeld, ist so unbekannt und verkannt, daß sehr viele Leute diese Druffelsiedlung bereits zur Gemeinde Exter rechnen.

So sehr verargen kann man den Leuten diesen Irrtum nun auch wieder nicht, den die Einwohner vom „Tran“ und dem benachbarten Stickdorn wurden besonders in postalischer Hinsicht so vernachlässigt, daß sie, obwohl ihnen die Briefpost unter der Postleitzahl 4972 von Löhne über Gohfeld zugestellt wird, bis auf eine Ausnahme keine Möglichkeit fanden, auch an das Löhner Ortsfernsprechnetz angeschlossen zu werden. Sie geben also weiterhin ihre Anschrift mit „Wittel über Gohfeld II“ an, wer sie aber fernmündlich erreichen will, muß sie im Ortsnetz Exter suchen.

Wer nun aber glaubt, die „Traner“ und die „Stickdorner“ seien hier im „Tran“ gewesen, der kennt die Leute von der Höhe aber schlecht, denn sie waren sehr wach und haben sich sehr energisch gegen diese postalische Aufspaltung gewehrt, doch waren die Verhältnisse an der Bundespost stärker als sie. Ob man sie, wenn der Ausbau des Löhner Fernsprechwesens abgeschlossen ist, „heim ins Reich“ holen wird, muß abgewartet werden. Mindestens dürfte man den Leuten im Grenzland deswegen keine weiteren Unkosten aufbürden. Und das darf man doch wohl erwarten, wenn man heuer seinen 815. Geburtstag feiern kann.

In einer Urkunde des Bischofs von Paderborn aus dem Jahre 1151 werden dem Marienstift auf dem Berge bei Herford die von der Gründerin, Äbtissin Godesti, erworbenen Güter bestätigt. Unter den in der Urkunde aufgezählten Orten, in denen die Güter liegen, befindet sich auch „Tran“, oder „Auf dem Tran“, wie die Flur heute meistens bezeichnet wird.

Viel ist schon an dem Namen herumgerätselt worden. – Wenn auch gelegentlich in alten Akten die Bezeichnung „Im Tran“ auftritt, so dürfen wir, wie bereits angedeutet, keinesfalls annehmen, daß die wenigen Siedler dieser Flur etwa „im Tran“ oder schläfrig oder gar müde sind oder vor Zeiten gewesen seien. Die mundartliche Bezeichnung „Troan“ könnte auf eine tiefe Wagenspur, wie wir sie noch heute auf Feldern oder Landwegen finden, hindeuten. Aber dann müßte es „inna Troan“, in der Wagensspur, heißen. Aber auf die Richtigkeit dieser Annahme deutet weder der Sprachgebrauch hin, noch geben die Flurform oder die Flurlage dafür irgendeinen Anhaltspunkt. – Auch mit dem flüssigen Fett von Säugetieren oder Fischen, dem Tran, läßt sich dieses Gelände nicht in Verbindung bringen.

Mehr Wahrscheinlichkeit könnte schon eine dritte Auslegung, „der Thron“, für sich haben. Tatsächlich wohnen die Leute hier „ubben Troan“, „auf dem Thron“. Diese Deutung würde nun doch ins Scherzhafte führen, wenn es sich hier auch um den höchsten Punkt der Gemeinde Gohfeld handelt und einen „königlichen“ Rundblick genießen und auf die weiteren Nachbarn von oben herab blicken läßt.

Doch wenden wir uns nun abschließend noch an einen unserer Ortsnamenkundler  H.Jellinghaus, er leitet das Wort in seinem Buch „Die westfälischen Ortsnamen nach ihren Grundwörtern“ von „drohne“ (aus drovene) ab. Eine „drohne“ ist ein altes Ackermaß. Es ist etwa unserem „Scheffelsaat“ (3 Scheffelsaat = 2 Morgen) gleichzusetzen. Und damit scheint auch bei unserem „Thron“ oder „Tran“ der Kern der Sache getroffen zu sein. Wenn auch nicht unbedingt die Größe der „Güter“ aus dem Jahre 1151 festgelegt werden kann, so kann es sich doch nicht um Güter größeren Ausmaßes gehandelt haben.

In den folgenden Jahrhunderten hören wir nichts weiter vom „Tran“, wenn wir von den stummen Zeugen, der auf dem Hofe des Landwirts Schmidt als Torsäule Dienst tut, absehen. Es ist ein Grenzstein aus dem Jahre 1542, der auf der einen Seite die gekreuzten Schlüssel, des Wappens des Bistums Minden, auf der anderen Seite die drei Sparren, das Ravensberger Wappen, trägt. Auch in den Heberegistern des Stiftes „Auf dem Berge“ bei Herford aus dem 14. Jahrhundert werden die vorgenannten Güter nicht mehr erwähnt. Vermutlich sind sie dem Mindener Bischof, dem sie im 17. Jahrhundert zu eigen waren, irgendwie und irgendwann übereignet worden.

Wenn wir anfangs andeuteten, daß noch manche Leute den „Tran“ nach Exter verlegen, so muß doch auch darauf hingewiesen werden, daß der südliche Teil der Gemeinde Gohfeld, insbesondere die Siedlungen „Tran“, „Stickdorn“ und „Kohlflage“ mit Teilen der Gemeinde Exter und Schwarzenmoor lange Zeit hindurch eine Interessengemeinschaft in der Hude- und Holzgerechtsame in der Dornberger Heide und im Arnholz bildeten. 1842 erfolgte die Aufteilung dieser gemeinsamen Mark. Im Grenzregulierungsvertrag zwischen dem Bistum Minden und der Grafschaft Ravensberg vom Jahre 1541 wurde u. a. bestimmt: „Die Mindischen Untertanen, so am Bischofshagen und der Orten gesessen, sollten einen Ort Holzes über die Schnat in der Vlothoischen Hoheit neben dem Arnholz in dem Dornberg und dem Speckenhagen haben.“

Aber sehen wir uns nun einmal auf dem „Tran“ um. – Nach den alten Gohfelder Kirchenregistern des 17. und 18. Jahrhunderts umfaßt der „Tran“ die Gehöfte Störmer, Harbort, Stuke, Plattfot, Niemeier, Schnieder, Schmidt, Sander vorm Holze und Küster vorm Holze. Dabei ist zu erwähnen, daß die Besitzungen Störmer und Harbord zur Bauerschaft Bischofshagen, der Sander vorm Holze zur Bauerschaft Depenbrock und die übrigen Siedler zur Bauerschaft Jöllenbeck gehören. Klammern wir hier zunächst einmal die Gehöfte „vorm Holze aus und bleiben beim engeren „Tran“.

Die ersten amtlichen Angaben über die Höfe auf dem „Tran“ finden wir in der alten Höferolle der „Vogttey Gohfeld, Amts Hausberge im Bistum Minden“ aus den Jahren 1682 und 1683. Im Verzeichnis der Bauerschaft Bischofshagen finden wir unter der Nr. 36 (später 39): „Otto Harbord, ein dem Amt Eigenbehöriger Brinksitzer gebet jährlich:  An Zinskorn 6 sch (Scheffel) Hafer, An Viehe 1 Rauchhuhn, An allerhand kleinen Geldgefällen: 4 Pf. Ostergeld, An Diensten: 4 frey Dienste jährlich. Giebt sooft der kömbt wegen des Leibeigenthums Weinkauff, Erbtheil und muß Freybrife lösen. Hat bey seiner Städte an Länderey:

Feld11 ⅛ Morgen2 Ruthen– Fuß
Weyde1 ⅜ Morgen5 Ruthen– Fuß
Garten⅛ Morgen3 Ruthen– Fuß
Summa12 ⅝ Morgen10 Ruthen– Fuß

Im Jahre 1807 erbauten Johan Christofer Harbort und Christin-Liesbeth Krugern das inzwischen einer Feuersbrunst zum Opfer gefallene Wohn- und Wirtschaftsgebäude, und im Jahre 1843 Carl Diederich Halbert und Anna Christine Wilhelmiene, geborene Schmidts, das Heuerlinshaus und das Backhaus. Der jetzige Besitzer ist der Landwirt Karl Nolting.

Unter der Nr. 55 der Bauerschaft Bischofshagen ist der dem Amt eigenbehörige Brinksitzer Johann Stückthorn, itzo Frantz Stürmer aufgeführt. Er hat jedes zweite Jahr ein Mastschwein oder 9 Thaler und ein Rauchhuhn zu liefern. dazu kommen noch 18 Groschen Zuschlagsgeld und vier Pfennig Ostergeld. Auch in Hinsicht der Dienste ist er seinem Nachbarn gleichgestellt, obwohl er nur 2 Morgen 1 Ruthe und 1/16 Morgen Gartenland verfügt. Das im Jahre 1827 von Johan Friedrich Starmer (Stürmer) und Chattine Elisabeth Tilkern und Carl Friedrich Starmer und Anne Marie Christiene Stm. erbaute Bauernhaus wurde beim Enmarsch der Amerikaner am 2. April 1945 ein Raub der Flammen. Der Hof befindet sich auch noch heute im Besitz der Familie Stürmer.

Wenden wir uns nun noch kurz den Jöllenbecker „Tranern“ zu. Den Grenzstein auf dem Schmidt’schen Hofe haben wir zwar schon besichtigt, aber der nochmalige Weg lohnt sich schon. Die Schmidts scheinen sich auch späterhin ihrer Eigenschaft als „Grenzwächter“ bewußt gewesen sein, denn der alte, mehr als 250 Jahre alte Türbogen, der leider mit dem alten Fachwerkhause einem Brand zum Opfer fiel, trug das Ravensberger Dreisparrenwappen von „jenseits der Grenze“. Auch sonst ist die Inschrift, teilweise lateinisch durchsetzt, nicht uninteressant. „Anno 1735 den 8.Junius – Bete und arbeite – Den daher flos der Heren Segen wie ein Strom – Gloria in Exelsis Do – Frans Hinrich Sickman  Imaton (?) Anna Ckattrie Schmdcarges die haben dis Haus bauen lsen – Pax itrantibus“.

Nach dem Höferegister der Bauerschaft Jöllenbeck aus dem Jahre 1683 hat der Brinksitzer Jobst Peter im Thran (im  Gohfelder Kirchenbuche tritt daneben auch der Name „Schmidt uffn Tran“ auf) 4 Scheffel Hafer, ein Mastschwein oder 9 Groschen und ein Rauchhuhn zu liefern. Neben einem halben Groschen Ostergeld stehen 22 Groschen Zuschlagsgeld. Aus der enormen Höhe des Zuschlagsgeldes darf man wohl schließen, daß sich der Schmied Jobs Peter hier am Rande der allgemeinen Mark zur Ausübung seines Berufes niedergelassen hat und ihm der erforderliche Grund und Boden gehörte. Es sind zu der Zeit (1683) 9 1/8 Morgen 1 Ruthe und 2 Fuß Saatland, ½ Morgen 11 Ruthen 6 Fuß Wiesen und ¼ Morgen 8 Ruhten 5 Fuß Gartenland, insgesamt also 10 Morgen 6 Ruthen 3 Fuß Grundbesitz. Daneben hat er auch noch „4 freye Dienste jährlich“ zu leisten. Die Schmiede muß sich trotz Anwachsens der Konkurenz und des eigenen Grundbesitzes recht lange gehalten haben, denn auf dem Boden des Nebenhauses wurde bis in unsere Zeit ein alter Blasebalg aufbewahrt.

Gehen wir nun den schmalen Feldweg zum Schneider (Schnuida“) auf dem „Tran“. Der Name dürfte sich selbst erklären, doch ist hier das Handwerk nicht mehr in jüngerer Zeit nachzuweisen. Bei dem „fürm Arendholz“ oder „Arnholz“ liegen die Verhältnisse ähnlich wie bei seinem Nachbarn. Das älteste auf dem Hofe stehende Fachwerkhaus ist ebenfalls im Jahre 1734 erbaut und zwar von Johan Herm Goner und Anna Maria Catrina Nederm. An einem anderen Schuppen lesen wir: „Im Jahre 1842, den 14 Juny Haben Hermann Heinrich Arnholz und Christine Ilsebein Pameyers dieses Haus bauen lassen. Der Herr ist ein Beschirmer aller Güter und der gerechten Häuser. Welche Gott Gebauet hat und nicht der Mensch“. Heute ist der Hof im Besitz der Familie Wilhelm Stürmer.

Der erste Neusiedler auf dem „Tran“ scheint der Niemeier gewesen zu sein, jedenfalls kann sowohl aus dem Namen, der sich übrigens gegenüber mancherlei anderen Hausnamen bis zur Gegenwart durchgesetzt hat, wie auch aus der Hausnummer und der einstigen Besitzgröße schließen. Immerhin verfügte der Brinksitzer Herm, itzo Jochen Sander vor mehr als 300 Jahren schon über fast 18 Morgen Grundbesitz und mußte „drey freye Dienste mit der Hand“ tun, Er hat 12 Scheffel Hafer, Ein Mastschwein ( 9 Groschen) und ein Rauchhuhn zu liefern.

Nun haben wir noch zwei Höfe mit interessanten Namen zu besuchen. Das ist zunächst der „Plattfuß“ oder der Brinksitzer Johann Stichdorn „auf dem Plattfuß“, der neben einem Mastschwein (4 ½ Groschen) noch 16 Groschen Zuschlaggeld und ½ Groschen Ostergeld zu bringen hat. Auffallend ist auch die Höhe des Zuschlaggeldes. Er scheint seinen Besitz in Größe von gut 5 Morgen aus der allgemeinen Mark zugeschlagen erhalten zu haben. Der jetzige Besitzer dieser Stätte ist Brokamp. – Sein Nachbar Wolf-Otto König scheint nicht als der Oberste und Erste auf dem „Thron“ gesessen zu haben, denn bei nur 3 7/8 Morgen Land ist keine „königliche Haltung“ möglich. Auch hier deuten die 14 Groschen Zuschlagsgeld auf Ansiedlung auf Markengelände hin. Auch der König (heute Gößling) muß wie sein Nachbar „Plattfuß“ vier freie Dienste jährlich leisten.

Außer diesen erwähnten Besitzungen, die immerhin auf eine über 300 jährige Hofgeschichte verweisen können, gibt es an späteren Siedlungen nur eine Tischlerei (früher Holzschuhmacherei), eine Schmiede und ein Wohnhausneubau. Es ist auch kaum zu erwarten, daß hier in dem abgelegenen, aber naturschönen Gebiet in absehbarer Zeit eine besondere bauliche Entwicklung eintreten wird. Aber trotzdem sind die Bewohner vom „Tran“ und vom Stickdorn stolz darauf, daß sie in dieser unbedeutenden Grenzflur eine Geschichte von mehr als (800 Jahren nachweisen läßt und von ihnen gepflegt wird.


Von der „Buche der Klage“ zu den „Buchen des Frohsinns“

aus „Waldbühne Wittel – Sommerspielplan 1959“

„Uppa Kaboeken“  liegt die Wittler Waldbühne. – woher der Name?

Wohl die meisten Besucher und Freunde unserer Wittler Waldbühne werden schon Überlegungen angestellt haben, woher die Flur, auf der die Bühne liegt, ihren Namen hat. Die alte Flur „Uppa Kaboeken“ wird schon vor Jahrhunderten in der Kirchenchronik erwähnt und wies seinerzeit in ihrem Bereiche zwei Bauernhöfe auf, von denen heute nur noch einer besteht, nämlich der alte „Kösterhof“, dessen Besitzer heute der Landwirt Fritz Wißmann, Jöllenbeck Nr 17, ist.

Es ist unschwer zu erkennen, daß diese Flurbezeichnung etwas mit Buchen („Boeken“) zu tun hat, und auch heute noch sind es neben Eichen vornehmlich Buchen, die den Besuchern der Mundartspiele in Beckmanns Busche („Bäums Buske“) Schatten spenden. Aber der Flurname „Uppa Kaboeken“ („Auf der Karbuche“) deutet auf eine einzelne Buche hin. Es müßte sich immerhin schon um eine bedeutende Buche gehandelt haben, die imstande war sich auf eine ganze Flur auszuwirken. Die erforderliche Aufklärung kann uns, da Menschen und Chroniken darüber schweigen, nur der erste Teil des Wortes geben. Was bedeutet aber das Wort „Kar“? Wir vermögen es nur auf das alt-hochdeutsche „chara“ zurückzuführen, das soviel wie Klage bedeutet. Es ist das gleiche Wort, das wir auch in Karfreitag wiederfinden. „Kaboeken“ heißt also „Klagebuche“.

Was die Buche zu beklagen hatte, oder aus welchem Grund man sich hier zum Klagen versammelte, dürfte kam mehr zu ermitteln sein. Aber auffallend ist doch, daß hier, weit ab von den eigentlichen Siedlungsgebieten und von den Mittelpunkten ihrer Bauernschaft, nur zwei Höfe liegen, nämlich der zur Bauernschaft Depenbrock gehörige „Sanderhof vorm Holze“ und der Jöllenbecker „Kösterhof“ uppa Kaboeken. „Sander“ ist der Abgeordnete, und sein Name ist lagemäßig ohne weiteres zu verstehen und zu begreifen.

Aber was hat hier ein Küsterhof zu tun?

Die Gohfelder Kirche, zu deren Sprengel seit vielen Jahrhunderten besagter Bezirk gehört, liegt zu weit entfernt, als daß ein Küster von der „Kaboeken“ aus zu ihrer Bedienung herangezogen werden konnte. Aber liegt es nicht sehr nahe, den „Köster“ mit der „Kaboen“ in Verbindung zu setzen? Sollte hier einmal ein christliches Heiligtum sich befunden haben? Wohl kaum! Denn darüber würde man doch in irgendeiner christlichen Chronik etwas finden können. Außerdem würde das auch kein Grund zur Klage gewesen sein.

Eher schon könnte man annehmen, daß hier eine furchtbare Bluttat der Anlaß für die Bezeichnung „Karbuche“ gewesen ist. Sollte gar einer der ersten christlichen Glaubensboten oder einer der ersten „Abtrünnigen“ vom alten Wodanglauben unter den Streitäxten der Sachsen sein Leben habe lassen müssen? Nicht ausgeschlossen!

Dann wäre möglich, daß man hier in der Nähe der „Klagebuche“ einen Küster beauftragte, durch tägliches Läuten einer Glocke die Tat zu sühnen oder sie in abschreckender Erinnerung zu halten. Nur in dieser oder ähnlicher Richtung könnte eine Erklärung der Flurbezeichnung „Uppa Kaboeken“ und mit ihr die Erklärung für das Vorhandensein eines „Kösterhofes“ in dieser Gegend gefunden werden. Die „Karbuche“ ist verschwunden! Aber auch der vorhandene „Kösterhof“ schweigt zu den aufgeworfenen Fragen! Doch die alten Namen bleiben lebendig!

Lassen wir nun die Geheimnisse auf sich beruhen! Aber lassen wir uns unter den schattigen Buchen und Eichen „Uppa Kaboeken“ Märchen und Sagen längst vergangener Zeiten zuraunen! – Plötzlich sind wir hellwach! Das sind Stimmen der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart!! Wir hören hier auf der Waldbühne die so alte und doch immer wieder neue Sprache des Volkes und blicken unmittelbar in die Seele des Volkes! Frohes und befreiendes Lachen erfüllt den sonst so stillen Wald. Ja, der „ Heimatdienst der Witteler Waldbühne“, der hier tätig ist, will die Liebe zur Heimat pflegen, will Freude und Entspannung bringen, Aus der „Buche der Klage“ sind „Buchen des Frohsinns“ geworden.


Kampf um die Wegestation auf dem Gohfelder Wittel

aus „Waldbühne Wittel – Sommerspielplan 1965“

Die Jöllenbecker Markeninteressenten wehren sich

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, wird der Wegegeldeinnehmer Tiesmeier auf dem Gohfelder Wittel gedacht haben, als er sich am 9. Februar 1801 bei der Kriegs- und Dömänenkammer in Minden beklagte. – Soeben war die neue Straße,  die Köln-Mindener Chaussee, die heutige Bundesstraße 61, fertiggestellt und dem Verkehr übergeben und der Chausseegeld-Einnehmer Tiesmeier auf dem Wittel mit seinem Amt betraut, da gärt und brodelt es auf dem Wittel, und zuletzt bricht ein offener Kampf aus.

Was war denn nun eigentlich los? – Alle Eingesessenen im engeren und weiteren Raum mußten doch froh und dankbar sein, daß durch den Bau der neuen Kunststraße die Wegeverhältnisse einen ruckartigen Schuß zum Besseren getan hatten. Die Städte Herford und Minden und die Saline Neusalzwerk waren auf festen Wegen zu erreichen. Darum konnte man die Wittler doch nur beneiden! Und das nun hier auf dem Wittel in einem kleinen Häuschen ein Wegegeldeinnehmer von den Passanten der neuen Chausee ein Wegegeld einzog, daß war doch fast selbstverständlich. – Aber was war denn nun eigentlich los auf dem Wittel? Lassen wir hier zunächst den Chausseegeld-Einnehmer selbst durch ein Schreiben an die Kriegs- und Domänenkammer in Minden vom 9. Februar 1801 reden:

„Allerdurchlauchtigster, Großmütiger König!
Allergnädigster König und Herr
Als ich vor einigen Tagen die mir auf dem Wittel angewiesenen 2 Morgen Grundstücke zu Gartenland urbar zu machen anfing, und zum Ende Arbeiter zum Umpflügen darauf hatte, kamen die Untertanen Diederich und Franz Held et Cons. zum Wittel und protestierten gegen dieses Unternehmen und jagten meine Arbeiter davon, wobey sie zugleich andeuteten, daß, sofern ich etwas weiteres mit diesem Lande unternehmen und einen Graben herumziehen würde, sie solches gleich wieder demolieren würden.
Ew. Majestät muß ich daher um Schutz  und Hülfe unterthänigst hiermit anflehen, daß ich in Ruhe dieses Land verarbeiten und zum Garten einrichten kann. In der Hoffnung allergnädigster Willfahrung meiner allerunterthänigsten Bitte ersterbe ich in tiefster Ehrfurcht Ew. Königl. Majestät alleruntethänigster Knecht, der Wegegeld-Emfpänger Tiesmeier“

Obwohl nun der „Allerdurchlauchtigste, Großmütige König“ und die Kriegs- und Domänenkammer in Minden „ihrem“ Wegegeldeinnehmer beizustehen verpflichtet sind, muß dieser jedoch nach vier Wochen einen weiteren Hilferuf nach Minden richten, da er auf die Bestellung des Gartens Bedacht nehmen muß, aber nicht weiß, ob er solches tun darf. Wieder bittet er „flehendlich“, ihn gegen die Markeninteressenten in Schutz zu nehmen.

Aber der Papierweg von Minden über das Amt Hausberge zum Wittel scheint auch damals schon recht lang gewesen zu sein. Doch dann wird unter dem 21. März 1801 verfügt, daß die „Unterthanen Dietrich und Franz Held et Cons.“ zur Verantwortung gezogen werden und sich jeder Eigenwilligkeit bei Vermeidung der gesetzlichen Strafe zu enthalten haben. Den Gemeinheitsinteressenten jedoch wird eine Vergütung in Aussicht gestellt, sobald sie nachweisen, daß ihnen in dieser Angelegenheit Nachteile entstanden sind.

Aber nun melden sich auch die Eingesessenen aus Bischofshagen und Jöllenbeck als Markeninteressenten zu Wort:

„Es ist Ew. Königl. Majestät bereits bekannt, daß auf dem Jöllenbecker Wittel der Johann Heinrich Tiesmeyer ein Haus zur Erhebung des Chausseegeldes ohne unsere Einwilligung erbaut hat. Weil dasselbe nun einmal steht, so wollen wir keine weiteren Beschwerden darüber führen, wenn uns derselbe nicht ferner unsere Geimeinheit schmälert. Dieses ist er jedoch jetzt gewillt. Er hat sich hingehen lassen, ein Grundstück zum Garten zu aczeptieren und nicht genug damit läßt er sich sogar hingehen und hat bereits Holz zum Bau eines Nebenhauses anfahren lassen. Hiergegen sowohl als das er einen Garten anlegen will, müssen wir protestieren, unsere Hude und Weide ist ohnehin ganz beschränkt, wir müssen Kuhgeld und andere Abgaben davon entrichten, und weil wir glauben, daß ohne unsere Einwilligung dergleichen Beeinträchtigungen nicht vorgenommen werden dürfen, so haben wir bereits vor einiger Zeit Ew. Königl. Majestät die Eingriffe des Tießmeyer angezeigt und allerunterthänigst gebeten, uns bei unserer Gerechtsamen zu schützen. Bis jetzt aber sind wir mit einer allergnädigsten Resolution nicht versehen worden und weil Tießmeyer wie gesagt, sich nicht daran kehrt, wenn wir ihm seine Eigenthaten untersagen, so bitten wir nochmals allerunterthänigst, den selben bey nachdrücklicher Strafe dergleichen schleunigst untersagen zu lassen. Übrigens und da wir sehen, daß der Tießmeyer auf alle mögliche Weise versuchen wird, seine Pläne durchzusetzen, bitten wir ferner auch, einen Sachverständigen Auftrag erteilen zu lassen, der nicht allein die Unterthanen als Markeninteressenten Mann für Mann mit ihren Contradicktionen (Wiedersprüche) vernehmen, sondern auch auf des Tießmeyers Kosten beurtheilen möge, ob zu unserem größten Nachteile solche Anlagen, wie er gewillt, geschehen können. In dem wir nochmals um schleunige allergnädigste Verfügung bitten, ersterben wir in tiefster Ehrfurcht                                                                Ew. Königl. Majestät aller unterthänigste Knechte der Jöllenbecker Markeninteressenten.“

Wenn auch diesmal keine namentlichen Unterschriften folgen, so erhalten die Beschwerdeführer doch nun eine Antwort. Die Kriegs- und Domänenkammer in Minden weist darauf hin, daß es den Markeninteressenten wohl bekannt sei, daß der Chausseegeldeinnehmer Tiesmeyer keine Gelegenheit habe, die nötigen Gartenfrüchte einzukaufen. Einen Garten müsse er also haben und einen Raum zur Stallung könne er auch nicht entbehren. Das haben doch auch die beiden Abgesandten der Jöllenbecker Markeninteressenten, die Coloni Stuke, Jöllenbeck 61, und Fehring, Bischofshagen 31, in ihrer „protokollarischen Vorstellung“ als richtig anerkennen müssen. Sie haben sogar erklärt, daß die Interessenten gern den erforderlichen Platz abgeben würden, wenn sie nur gesichert wären, „daß ihnen ihre Mark nicht durch Wirtshäuser oder sonstige ähnliche Anlagen geschmälert werde.“ Da den beiden Deputierten das in einer unter dem 21. März erlassenen Resolution bereits zugesagt worden ist, wird jetzt erwartet, daß sie dem Tiesmeier bei der Bewirtschaftung seines Platzes, dessen Größe nun allerdings von zwei Morgen auf einen Morgen reduziert wird, nicht hinderlich werden. Damit scheint der Kampf um den Garten des Chausseegeldeinnehmers zum Abschluß gekommen zu sein, denn von einem „Hinderlichwerden“ in dieser Angelegenheit ist keine Rede mehr.

„Dem Vernehmen nach“ will der Tiesmeier noch eine Schmiede und verschiedene Wirtschaftsgebäude in der Gegend ihrer Mark errichten. Dabei können sie sich unmöglich beruhigen, denn ihre Mark sei schon durch den Chausseebau selbst und durch den Tiesmeier so geschmälert worden.

In ihrer Antwort schlägt die Kriegs- und Domänenkammer einen recht verbindlichen Ton an und scheint nun den Gegnern der Expansionsbestrebungen des Tiesmeiers allen Wind aus den Segeln genommen zu haben. Wegen des Baues eines Wirtschaftsgebäudes könne man beruhigt sein, eine Schmiede jedoch sei an der öffentlichen und stark besuchten Straße sehr nötig, „weshalb die Kriegs- und Domänenkammer zu den Markeninteressenten das Zutrauen hat, daß sie dieser Anlage nicht entgegen seyen, deshalb soll wegen Überlassung eines kleinen Platzes zum Bau einer Schmiede noch mit ihnen verhandelt werden.“ Mit „Friedrich Wilhelm“ schließt das Schreiben und damit auch der Aktenband über den Kampf um dieWegegeldstation auf dem Wittel. Nicht aber der Ausbau des „Unternehmens Tiesmeier“,

Wenn schon die Fuhrleute hier auf dem Wittel anhalten mußten, um ihren Wegezoll zu entrichten, wenn schon die Pferde ausgespannt werden mußten, um neu beschlagen zu werden, wenn schon die Wagen zur Ausbesserung in der Schmiede rasten mußten, so ergab sich auch die dringende Notwendigkeit für einen Raum, indem sich Fuhrleute und Fahrgäste aufhalten, erfrischen und stärken konnten.

Wer kann es dem Johann Heinrich Tiesmeier übelnehmen, daß er hier für Abhilfe sorgte. Er scheint auch diese Absicht gleich mit eingeplant zu haben, denn das Jahr 1801 ist auch das Geburtsjahr des „Tieskruges“ auf dem Wittel, der sich in mehr als eineinhalb Jahrhunderten zu dem bekannten „Landhotel Wittler Krug“ entwickelt hat.


Der Wittel stellt sich vor

aus „Waldbühne Wittel – Sommerspielplan 1959“

Es ist für den Alteingesessene nicht immer leicht, für den Ortsfremden aber fast unmöglich, sich in den verwaltungsmäßigen und sonstigen Verhältnissen unserer Gegend zurechtzufinden. Wer aber oben auf dem Wittel in der Nähe des Gemeindehauses steht und sich nach den örtlichen Verhältnissen erkundigt, muß erfahren, daß das Witteler Pfarrhaus und der Kirchsaal in Bischofshagen stehen, daß der Grundnachbar zur Rechten aber in Jöllenbeck wohnt. An der Einmündung der Löhner Straße (Häger Straße) in die Bundesstraße 61 liegen drei Häuser unmittelbar nebeneinander, das Haus Bischofshagen Nr. 10, Depenbrock Nr. 35 und Jöllenbeck Nr. 281. Man befindet sich hier aber in dem Ort Wittel, den es eigentlich garnicht gibt. Diese „Aufklärung“ bewirkt bei einem Ortsfremden natürlich, daß auch der letzte Rest von Klarheit beseitigt ist.

Hier an den Quellen des Sudbaches, der alten Jöllenbecke, liegt also die kleine Ortschaft Wittel, ehedem, wie der Name andeutet, ein bedeutungsloses Wald- und Heidegelände. Ohne besondere Bedeutung blieb dieses Fleckchen Erde auch bis zum Jahre 1800, als Freiherr vom und zum Stein die Köln-Mindener Straße, die jetzige Bundesstraße 61, erbauen ließ. Aber auch danach blieb der rein ländliche Charakter noch etwa ein Jahrhundert lang erhalten, der auch heute nur in der Nähe der Straße durch dichtere Besiedlung eine Änderung erfahren hat. Die vorletzte Jahrhundertwende ist auch die Geburtszeit des Witteler Kruges, dessen erster Besitzer Johann Heinrich Tiesmeyer war. Er wurde mit der Stelle des Chausseegeldeinnehmers auf dem „Jöllenbecker Wittel“ erstmalig betraut und betrieb nebenher eine Schmiede und einen Krug, den „Thieskrug“, der sich zu der heutigen Bedeutung des „Witteler Kruges“ ausgewachsen hat

Aber vom „Wittel“ war bis zum Jahre 1876 kaum die Rede. Der Name „Wittel“ kam aber zu Ehren, als in jenem Jahre die Gemeinde Gohfeld hier in ihrem südlichsten Teil eine neue Schule erbaute, an der alle vier Bauerschaften, Bischofshagen, Jöllenbeck, Depenbrock und Melbergen, beteiligt waren. Um niemanden zu bevorzugen oder zu benachteiligen, brauchte man einen Oberbegriff, und da holte man den alten Flurnamen hervor und erhob ihn zur Bezeichnung des neuen Schulbezirks.

Im Jahre 1899 fand der Begriff Wittel eine Festigung und Erweiterung. Die Kirchengemeinde Gohfeld bildete hier einen neuen Pfarrbezirk, der sich zu einem besonderen Kirchspiel auswuchs. Das Kirchspiel Wittel umfaßt neben dem gleichnamigen Schulbezirk auch Teile der Nachbarschulbezirke Bischofshagen und Melbergen-Süd; kirchlich ist also der Begriff weiter als schulisch. Ende der 50.er Jahre war es drauf und dran, daß sich der Begriff „Wittel“ hätte noch einer Wandlung unterwerfen müssen, als man ernstlich überlegte, ob es nicht im Interesse einer bestmöglichen Schulausbildung liege, die beiden Schulbezirke Bischofshagen und Wittel zu vereinigen. Aber „da wallte dem Witteler auch sein Blut“, sie lehnten in einer geheimen Volksabstimmung mit großer Mehrheit den Vorschlag ab und verlangten die Ausführung des geplanten Neubaues, da das im Jahre 1908 erbaute zweite Schulgebäude baufällig ist und auch sonst den neuzeitlichen Ansprüchen in keiner Weise  genügt. Die Schule diente von 1900 bis 1904 auch als Kirchsaal. Viele Jahre hat die Glocke vom Turm der Schule zum Gottesdienst im Gemeindehaus an der Bundesstraße gerufen. Nun wurde am 29. April 1958 der Grundstein für eine neue dreiklassige Schule gelegt, die allen Anforderungen der Gegenwart entsprechen sollte.

Der Wittel ist von besonderer landschaftlicher Schönheit. Die lieblichen Sieke werden besonders gern von den Kurgästen der benachbarten Badestadt Oeynhausen besucht. Ein besonders in den Vordergrund gerücktes Besuchsziel war jahrelang die Waldbühne auf dem Wittel. Gerade die Waldbühne Wittel hat den Namen Wittel weit über die Grenzen des heimischen Bereichs hinaus bekannt gemacht. Wenn die plattdeutschen Spiele zu Zeiten der Freilichtbühne in Beckmanns Busch fast 30 000 Besucher angelockt und erfreut haben und danach eine Spielschar mit unermüdlichem Fleiß plattdeutsches Sprachgut pflegt, so darf man wohl sagen, daß der Wittel zu einem dörflichen Kulturzentrum besonderer Art geworden ist. – Der Sanderplatz an der Straße Wittel – Exter auf dem Stickdorn ist ein bemerkenswertes Fleckchen heimischer Pflanzen- und Tierwelt und verdient den Schutz der gesamten Bevölkerung. Die „Gohfelder Tannen“ im Hartsieke mit dem Naturfreundehaus als Jugendherberge sehen neben den heimischen Wander- und Heimatfreunden auch internationalen Besuch. Im Witteler Bereich findet man noch drei alte Grenzsteine aus dem Jahre 1542 mit den Wappen des Bistums Minden und der Grafschaft Ravensberg. Einer dieser Steine diente lange Zeit auf dem Schmidtschen Hofe als  Torsäule, Ein zweiter wurde vor Jahren zum Amtshausberg bei Vlotho evakuiert und hat eine Nachbildung als „Statthalter“ erhalten. – Die Streusiedlung Wittel beherbergt etwa 1000 Einwohner. Mittlere und kleine Bauernhöfe mit ihrem schwarzweißen Fachwerk unter alten Eichen und Obstbäumen schauen ins stille Land.  Mehr oder weniger gepflegte Türbögen, die Dokumente der bäuerlichen Holzschnitzkunst, berichten über das Wohl und Wehe, aber auch über den christlichen Sinn heimischer Bauerngeschlechter.

Angesiedelte Industrie- und Handwerksbetriebe, so wie ein Verbrauchergroßmarkt bestimmen daneben die wirtschaftliche Struktur. Zwei Wassermühlen, die Rürupsmühle am Mittelbach und die Viesemühle am Brömkensbach, so wie die „demontierte“ Windmühle haben in Folge der fortschreitenden Technik ihre einstige Bedeutung verloren. „Luftkurort Wittel“ ist zwar noch ein Begriff, zu dessen Formung noch allerlei Voraussetzungen notwendig sind, jedoch immerhin gewisse Ansätze vorhanden sind.

Ländlich – doch nicht abgelegen: das ist der Wittel; heimatverbunden und weltoffen, das sind die Wittler.


So stand sie nun allein und alt

aus „Beiträge zur Heimatkunde der Städte Löhne und Bad Oeynhausen“, Heft 10, 1983

Der Schicksalsweg einer Bauersfrau vor 200 Jahren

Da erscheint am 12. September 1789 auf dem Amt Hausberge die Besitzerin der Stätte Bischofshagen Nr. 26 Anna Ilsabein Ottensmeyer  und erklärt, „daß sie der Stätte Alters und Schwachheits halber nicht mehr vorstehend vermögen sei“. Gewiß wird es in jener Zeit auch andere Bauersfrauen gegeben haben, die mit 63 Jahren die Bewirtschaftung eines Hofes aus Krankheitsgründen nicht mehr bewerkstelligen konnten, aber vielleicht dürfen wir hier einmal den Schicksalsweg einer Bauersfrau gleichsam für viele andere Schicksalsgenossinnen ihrer Zeit nachzeichnen.

Trin Ilsabein, so wurde sie ins Taufregister der Kirchengemeinde Gohfeld eingetragen, wurde als Tochter der Eheleute Johann Bernd Nagel und Anna Catharine Diekmeyers geboren. Schon mit 16 ½  Jahren verheiratete sie sich mit dem Anerben Berend Henrich Stickdorn oder Ottensmeyer und nahm die Bürde einer Bäuerin auf sich. Sie hat ihrem Mann acht Kinder geboren, von denen drei im schulpflichtigen Alter starben. Die übrigen fünf wurden zeitig angehalten, den Eltern in der Bewirtschaftung der Stätte zur Seite zu stehen.

Aber man kann die Kinder nicht nur zur Mitarbeit im eigenen Betrieb ausnutzen, sonder man muß ihnen auch bei der Begründung einer eigenen Existenz behilflich sen. Dies geschah durchweg dadurch, daß man seine Kinder günstig verheiratete. Nach Möglichkeit versuchte man also, passende Einheiratungsmöglichkeiten zu finden, andernfalls mußte man es mit einem Heuerlingsdasein vorliebnehmen oder eben als unverheirateter „Vetter“ oder unverheiratete „Weske“ dem Hoferben und seiner Familie im Wege sitzen.

Für den ältesten Sohn, er war zwar eben erst 19 Jahre alt, bot sich im Jahre 1767 eine günstige Gelegenheit. Der „königlich eigenbehörige Untertan Frantz Jürgen Held, Jöllenbeck Nr.13“, sah sich nicht mehr im Stande, seiner Stätte bis zur Großjährigkeit seiner jetzt fünfzehn jährigen Stieftochter vorzustehen, „zumal er aus Noth ein neues Wohnhaus zu bauen im Begriff wäre.“  Er bittet das Amt Hausberge, seiner ältesten Stieftochter Anne Sophie Luise Held, die sich mit dem Johann Henrich Stickdorn aus Bischofshagen ehelich verlobt habe, die Stätte zu übertragen. Die Eltern Stickdorn haben sich gern bereit erklärt, die Heirat ihres Sohnes tatkräftig zu unterstützen, so zu unterstützen, daß es an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit geht. Neben einem vollen Brautwagen erhält Johann Henrich noch zwei Kühe, ein Rind, ein Pferd, drei Schweine und zwei Sack Korn. Darüber hinaus aber gibt das Ehepaar Stickdorn seinem Sohn noch eine Starthilfe in „klingender Münze“ in Höhe von 100 Talern. Das ist zwar verhältnismäßig hoch für die Stickdornsche Stätte, aber was tut man nicht alles für Sicherung der Zukunft seines Kindes! Und dann ist man ja noch rüstig und stark, und die anderen Kinder wachsen schnell zur Mitarbeit heran. Als Beweis für die tatkräftige und mustergültige Bewirtschaftung der Stätte mag die Tatsache dienen, daß man in den nächsten Jahren auch noch ein neues Wohn- und Wirtschaftsgebäude errichtet.

Als jedoch im Jahre 1774, also sieben Jahre nach ihrem Bruder, die Tochter Anna Cathrine Ilsabein heiratet, sehen die Verhältnisse ganz anders aus. Ihr Brautschatz fällt bei weitem nicht so üppig aus wie bei ihrem Bruder. Das hat verschiedene Gründe. Der Bräutigam ist der Heuerling und Schneider Johann Wilhelm Wehmeyer. Er hat keinen „königlich eigenbehörigen“ Besitz, dem eine volle Aussteuer zugute kommen würde. Auch scheidet die Anna Catharine Ilsabein mit der Heirat eines Heuerlings aus dem Hörigkeitsverhältnis aus, und die Eltern müssen deswegen für ihre Tochter einen Freibrief lösen und dafür 38 Taler entrichten. Da verstehen wir, daß unter den vorausgegangenen und gegenwärtigen Belastungen des Hofes die Braut einen Brautschatz in barem Gelde in Höhe von lediglich 20 Talern erhält, von denen bei der Hochzeit nur 2 ½ Taler fällig werden, der Rest in gleicher Höhe in jährlichen Raten gezahlt wird. Mit einer Kuh und einem Ehrenkleid fällt auch die übrige Aussteuer mehr als kläglich aus.

Das sind nun alles Lasten, die wohl drücken, doch von den Eheleuten gemeinsam getragen werden können. – Aber das nächste Jahr (1775) bringt einen harten Schlag, der schier unverwindbar ist. Berend Henrich Stickdorn stirbt im Alter von 57 Jahren an Brustleiden (Schwindsucht?). Nun steht die Frau, kaum das fünfzigste Lebensjahr vollendet, allein! – Sie steht zwar nicht völlig allein, denn da sind noch ihre drei Kinder, die neunzehnjährige Agneta Engel, die elfjährige Anna Catrine Ilsabein und der Hoferbe Johann Henrich, der noch nicht einmal vierzehn Jahre alt ist. Auf die beiden noch schulpflichtigen Kinder kann sie sich nicht verlassen, und die Agneta Engel tut, was sie kann, aber einen Mann kann sie nicht ersetzen. Mit Hilfe der Nachbarn und Verwandten schafft man die Erntearbeiten und kommt so auch durch den Winter, aber die fehlenden Männerarme machen sich überall bemerkbar.

Nach Ablauf des Trauerjahres entschließt sich Witwe Stickdorn, wieder zu heiraten. Der in Aussicht genommene zweite Mann Johann Henrich Lübke aus Schwarzenmoor ist Witwer mit drei Kindern, deren Betreuung und Erziehung vermutlich zur zusätzlichen Belastung der zweiten Mutter wurden. Das Anerbenrecht auf die der Neustädter Kirche in Herford eigene Besitzung ist dem Sohne gesichert. Wenn Johann Henrich Lübke dazu noch um vierzehn Jahre jünger ist als die Witwe Stickdorn, so kann auch das kein Hinderungsgrund für die Ehe sein, denn hier ist die Arbeitskraft des Sechsunddreißigjährigen das, was dem Hofe fehlt. Darüber hinaus bringt diese Heirat der Stätte auch noch erhebliche wirtschaftliche Hilfe. Lübke erhält gleichsam eine doppelte Aussteuer. Von seiner elterlichen Besitzung, er scheint auf das Anerbenrecht zugunsten seines Sohnes verzichtet zu haben, erhält er neben einer Kuh und einem Rind 50 Taler in bar. Aus eigenen Mitteln steuert er noch eine Kuh, ein Rind, einen halben Brautwagen und 50 Taler „Courant“ bei.

Nun scheint auf dem Ottenshof auf dem Stickdorn wieder alles in bester Ordnung zu sein. Im Jahre 1779 kann der „neue Stickdorn“ seine Stieftochter Agnese Engel mit Jost Arend Nolting von Jöllenbeck Nr. 18 „standesgemäß“ verheiraten. Sie erhält in etwa die gleiche Aussteuer, die ihr Stiefvater vor drei Jahren eingebracht hat. In barem Geld gibt es allerdings nur 60 Taler, dafür aber ein Pferd oder 20 Taler, zwei Kühe („eine als bloßes Geschenk“), ein Rind, zwei Sack Korn und einen vollen Brautwagen. Neben dem „Ehrenkleid“ hat der Brautvater auch noch den Weinkauf für den Mitbesitz der Noltingschen Stätte zu entrichten. – „Da der Sponsus (Ehemann) einen Sohn, 8 Jahre alt, hat, so werden der Braut 24 Meyerjahre, wenn der Anerbe nicht stirbt verschrieben.“

Nun scheinen weitere ruhige und glückliche Jahre auf dem Stickdorn und seine Bewohner angebrochen zu sein. – Oder war das Familienglück doch nicht so ungetrübt? – Gab es hier ein Generationsproblem? – Gab es Spannungen zwischen dem Anerben und seinen die Wirtschaft führenden Stiefvater? – Oder war einfach die Jagt nach dem Gelde, aus Not oder aus Abenteuerlust, die viele Bauern- und Heuerlingssöhne in die holländische Häfen lockte? Wir wissen es nicht im Einzelfall! Jedenfalls war hier auf dem Stickdorn der im Jahre 1761 geborene Hoferbe, als sein Hof ihn rief, nicht erreichbar. Gerade bei Beginn der Erntearbeiten des Jahres 1788 starb Johann Henrich Stickdorn, geborener Lübke, nach zwölfjähriger Ehe im Alter von 48 Jahren.

Dieser Schlag traf die Frau, die nun zum zweiten Mal Witwe wurde, so hart, daß sie sich nie wieder ganz erholen konnte. Und vielleicht war aus der „Vernunftehe“ eine wirkliche „Liebesehe“ geworden. Es könnte als Zeichen ihres gebrochenen Glücks, als Zeichen der Dankbarkeit gewertet werden, daß sie ihrem zweiten Mann einen Grabstein errichtete, der noch heute auf dem Gohfelder Kirchhof zu finden ist, während kein solches Zeichen für irgendein Glied der alteingesessenen Familie Stickdorn-Ottensmeyer aus jener Zeit vorhanden ist.

Und dann noch die Sorge um den verschollenen Hoferben! Wer geht bei solchen Schicksalsschlägen nicht zu Boden?! – Und wer könnte nicht begreifen und verstehen, daß diese Frau nun heute, am 12. September 1789, vor dem Amt Hausberge erklärt, daß sie sich nicht mehr in der Lage fühle, ihrer Stätte vorzustehen! – Gewiß ist ihr der Entschluß nicht leicht geworden. Tatsächlich wartet sie auf die Heimkehr des Erben! Aber seit fünf Jahren hat sie kein Lebenszeichen von ihm erhalten! Aber nun ist kein Aufschub mehr möglich! Kein Mann auf dem Hofe! So mit ihrer jüngsten Tochter ganz allein! Das geht nicht so weiter! Und wer weiß ob der Erbe noch zurückkehren will! Wer weiß denn, ob er überhaupt noch lebt?! Wie viele Hollandgänger sind für immer verschollen geblieben! – Ja, das hat schlaflose Nächte und viele Tränen gekostet!

Aber nun gibt es keinen anderen Ausweg, als der jüngsten Tochter, die ihr stets treu zur Seite gestanden hat, den Hof übertragen zu lassen. Das Amt wird des Hofes wegen schon Verständnis für ihre Lage aufbringen! Und die notwendigen Voraussetzungen sind gegeben! Johann Friedrich Grefe von Solterwisch Nr. 22 ist mit der Anna Catrine Ilsabein einig geworden, will mit ihr die Ehe eingehen und die Bewirtschaftung des Hofes auf dem Stickdorn mit ihr gemeinsam übernehmen.

Es hat zunächst gewisse Schwierigkeiten gegeben, da Johann Friedrich Grefe als „Mousquetier unter dem Hochlbl. Regiment von Rhomberg“ steht und als Soldat erst die Genehmigung zur Heirat von der Kriegs- und Domänenkammer einholen muß. „Von Gottes Gnaden Friedrich Wilhelm König von Preußen“ verfügt dann durch die Kammer, daß der „Mousquetier Grefe“ schon während seines Soldatenstandes die Verwaltung des Stickdornschen Hofes übernimmt, da die Verhältnisse auf dem Colonat keinen Aufschub leiden. Daher ist die Heiratserlaubnis unverzüglich zu erteilen.

Mutter Stickdorn kann nun am 12. September 1789 „amtlich“ erklären, daß sie die Stätte ihrer Tochter und ihrem künftigen Schwiegersohn übergeben wolle, und der ebenfalls anwesende Vater des Bräutigams Conrad Grefe bekundet, daß er mit einem guten Brautschatz für den Sohn die Stätte verbessern werde.

Johann Friedrich erhält als Mitgift 150 Taler in bar, einen vollen Brautwagen, ein Pferd oder 20 Taler, eine Kuh, ein Rind, zwei Schweine, zwei Sack Korn und ein Ehrenkleid. Zu dieser beim Amt Vlotho getätigten Verschreibung will der Vater aus eigenen Mittel noch 50 Taler hinzulegen, da er bei „Anfang der Heyrath“ den Eltern der Braut 200 Taler versprochen habe.

Mit diesem Brautschatz gibt sich auch die Brautmutter zufrieden und erklärt dann, „daß sie 150 Taler schon empfange und in Händen habe und solche auf den Fall, daß ihr abwesender Sohn Johann Henrich etwa noch wiederkommen sollte, für denselben aufbewahren wolle, welches dann auch, da die Witwe Ottensmeier als eine gute Wirtschafterin bekannt und den jungen Leuten keine Schulden nachläßt“ , bewilligt wird. – Diese 150 Taler darf sie allerdings nur so lange in Verwahrung halten, solange sie bei den jungen Leuten im Hause bleibt. Wenn sie also die ihr verschriebene Leibzucht beziehen sollte, muß sie das Geld abgeben. – So kann dann am 27. September 1789 die kirchliche Trauung in Gohfeld erfolgen. – Damit ist die Zukunft des Hofes weiterhin gesichert.

Mutter Stickdorn-Ottensmeyer hat gut daran getan, daß sie „beizeit ihr Haus bestellt“. Am 7. März 1791, also kaum 1½ Jahre nach der Hofübertragung, erliegt sie einem Schlagfluß, ohne ihren verschollenen Sohn Johann Henrich wiedersehen zu können. Doch mit ihrem Ableben ist ihre Mütterliche Fürsorge noch nicht erloschen.

Was wohl kaum jemand außer der bis zuletzt hoffenden Mutter zu glauben gewagt hatte, trifft dann doch noch ein. Der „verlorene Sohn“, der gewesene Anerbe der königl. eigenbehörigen Stätte Nr. 26 der Bauerschaft Bischofshagen, „ohnlängst aus Ostindien zurückgekommen“, meldet sich, nachdem er seit acht Jahren abwesend gewesen, am 4. August 1792 beim Amt Hausberge, damit ihm sein kindlicher Teil von der Stätte bestimmt und verschrieben werden möchte. Zu diesem Termin ist auch sein Schwager, der jetzige Colonus Ottensmeyer, geb. Grefe, erschienen, und der Heimkehrer hat sich zwei seiner Geschwister, den Colonus Johannsmeyer oder Held und Colona Agnese Engel Nolting, als Zeugen mitgebracht. Es wird festgelegt, daß Johann Henrich für den Abstand von der Stätte und von dem Brautschatz von der Ottensmeyerschen Stätte folgende Abfindung erhält:

An barem Geld 2oo Taler, einen „völligen“ Brautwagen, für ein Pferd 20 Taler, eine Kuh, ein Rind, zwei Schweine, ein Ehrenkleid und den Weinkauf für die Stätte, auf welche Johann Henrich Ottensmeyer sich zu verheiraten Gelegenheit hat. Dazu erhält er zwölf Stücke von dem von seiner verstorbenen Mutter nachgelassenen Linnen, „wogegen aber keine Hemden auf den Brautwagen und kein neuer Bettbezug, sondern der von der Mutter nachgelassene Bezug geliefert wird“.

So kann nun der Heimkehrer am 18. November 1792 die Ehe mit der Witwe Agnes Elisabeth, geb. Ufflerbäumer, schließen und zu ihr auf die Stätte Bischofshagen Nr. 27 ziehen. Er hat nun eine Frau mit fünf Kindern, von denen das jüngste zwölf Jahre alt ist, und einen Hof, der seinem ursprünglich vorgesehenen Erbe in etwa gleichwertig ist.

Diese Lösung war immerhin der großen Mühe und der Fürsorge einer liebenden Mutter mitzuverdanken.


Die „Insel der Stille“ vom Verkehr durch braust

aus „Waldbühne Wittel – Sommerspielplan 1968“

Im Buchholz und im Sudbachtal

Am „Dreiländereck“, da wo die drei Kirchengemeinden Gohfeld, Mahnen und Wittel sich berühren, liegt am östlichen Abhang des „Hagen“ zu beiden Seiten des alten Postweges die Gruppensiedlung „Im Buchholz“. Vergeblich jedoch suchen wir heute nach dem „Buchholz“, denn von einem Walde ist hier, wenn wir von den kümmerlichen Buschresten, die die Siekabhänge begrünen, kaum noch etwas zu entdecken. Der Name „Buchholz“, in früheren Jahrhunderten auch „Boekholt“ geschrieben und in der alten Mundart auch „Beokholt“ bezeichnet, deutet darauf hin, daß hier der Buchenbestand vorherrschend gewesen sein muß.

Von der ersten Besiedlung des Buchholzes ist uns wenig bekannt. Gewiß war der erste Siedler im Buchholz „der Buchholz“ oder unter Voransetzung des Vornamens der „im Buchholz“. Das Gohfelder Kirchenregister rechnet etwa um das Jahr 1720 die Besitzer Hans Bockholz, Joh. Otto im Bockholz, Gerd Henrich Lichte, Jobst Henrich Rottman, Wilbrand oder Wulbrand und Johann Kleymeyer zum „Beokholz“. Wir müssen allerdings annehmen, daß der Kleihof  vor dem Buchholz lag und der älteste und größte Hof der Bauernschaft Jöllenbeck war. In einem Höferegister der Vogtei Gohfeld, des Amtes Hausberge aus dem Jahre 1683 verfügt der Spannmeyer oder Halbspänner Otto Kleimeyer über 69 Morgen 13 Ruthen Saatland, 6 ½ Morgen 14 Ruthen Wiesen, 7/8 Morgen Garten, 3 3/8 Morgen Busch, insgesamt also über 79 ½ Morgen 12 Ruthen. Grundbesitz. Halbmeyer heißt er dewegen, weil er dem Amt wöchentlich 2 Tage mit dem halben Spann dienen muß oder dafür jährlich 5 Thaler Dienstgeld zu entrichten hat. In einem Verzeichnis der Dienstgelder der Vogtei vom Jahre 1680 finden wir unter Verpflichteten der Bauerschaft Jöllenbeck als erste „Drinske ufm Kley“ aufgeführt. Zwar ist die Bezeichnung „Kley“ gerade keine Empfehlung für den Boden, aber der gute Acker des Hofes überwiegt doch bei weitem. Man darf annehmen, daß vom Kleihofe aus die Besiedlung des Buchholzes vorgenommen wurde, wenigstens soweit, wie die Siedlungen zur Bauerschaft Jöllenbeck gehören. Das trifft zu für die Besitzungen Buchholz 32 (jetzt Engelbrecht), Buchholz 41 (Buchholz) und Lichte 57 (Böker). Wann diese Höfe entstanden sind, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen, da bei den genannten Höfen das Register aus dem Jahre 1683 keinen „Buchholz“ auffinden läßt, doch mag hier die Bezeichnung „Buchholz“ zu Gunsten eines Vornamens fortgelassen sein. Aus einem Verzeichnis aus dem Jahre 1745 wird jedoch für die Besitzung 32 bereits ein Buchholz als Eigentümer genannt, während der Besitzer der Stätte 41 Ehlebracht heißt. Beide bewirtschaften zu der Zeit 16 Morgen Land, während der Lichte Nr. 57 ein ganz kleiner Anfänger zu sein scheint, der nur einen Morgen Land sein Eigentum nennen kann. Ob dieser Siedler aus körperlichen oder charakterlichen Gründen sich seinen Namen verdient hat, bleibt ungeklärt. Die drei Stätten Meinert (Poppensieker) 65, Wulbrand (Schröder) 67 und Baurichter (Schürmeier) 68 sind in der Zeit zwischen 1683 und 1745 von Bischofshagen aus besiedelt. Meinert, der auch Rottmann genannt wird, verfügt 1745 über 2 Morgen, Wulbrand über 7/8 Morgen und Baurichter über einen Morgen Land. Das der Meinert-Rottmann auch im Volksmund „Scheolbua“ genannt wird, scheint seine Ursache darin zu haben, daß er zu seinem Neubau das Holz der abgebrochenen Schule Bischofshagen verwandte.

Die Besitzungen liegen unmittelbar am alten Postweg, der von der Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege bis um die vorletzte Jahrhundertwende die Hauptverkehrsstraße Brandenburgs bzw. Preußens vom Osten nach Westen bildete. Nicht nur Handels- und Warenzüge durchzogen diese sonst abgeschiedene kleine Siedlung, sonder besonders in der Zeit des Siebenjährigen Krieges hatten befreundete und feindliche Truppen im Buchholz geerntet, ohne dort gesät zu haben. Nur noch drei Siedlungen kamen im vorigen Jahrhundert im Buchholz dazu: Die Neubauern Klingsiek, Bischofshagen 80, Kiel, Bischofshagen 105 und Korte, Jöllenbeck 117. Aus der letztgenannten entwickelte sich die Möbelfabrik Korte, die später in den Besitz des Fahrradfabrikanten Ellermann übergegangen ist. Die übrigen sieben Häuser im Buchholz sind im letzten Jahrhundert entstanden und hatten mit der Landwirtschaft kaum noch etwas zu tun. So herrschte, wenn von dem Betrieb, den die sich nach dem ersten Weltkrieg hier entwickelte Fabrik im Gefolge hatte, seit mehr als eineinhalb Jahrhundert wieder Ruhe und dörflicher Friede. Kaddenbusk, Buchholz und das angrenzende Sudbachtal waren eine „Insel der Stille“, die besonders gern von Wanderern, Spaziergängern und Naturfreunden aufgesucht wurde. Lediglich der Zusammenbruch des letzten Weltkrieges zog auch das Buchholz mit in das kriegerische Geschehen ein, und das Gehöft Engelbrecht wurde beim Einmarsch der Westmächte in Brand geschossen.

Mitte der sechziger Jahre kam Erschrecken über Natur- und Heimatfreunde, als sie feststellen mußten, daß in die verwunschene Schönheit und Einsamkeit des Sudbachtales Lastwagen mit Material, Bagger und Kräne hereinbrachen und mit ihrem Motorengeknatter die märchenhafte Stille vertrieben. Wer noch den Mut fand, durch den Lärm und die Menschen mit fremden Lauten sich hindurchzuzwängen, tat das eilenden Fußes. Und dann wurde das Sudbachtal weithin gemieden. Was sollte auch noch nach dorthin ziehen? Lärm konnte man überall haben! und dann noch dazu mit blutendem Herzen die blutende Landschaft sehen? –

Nun ist der Lärm verhallt! Wagen und Maschinen, ja, auch die fremden Menschen sind weitergezogen. Nur das Werk, das sie in monatelanger Arbeit erstehen ließen, ist geblieben. Eine gewaltige, aus Stein gefaßte Brücke überspannt das Sudbachtal in der Nähe des Buchholzes. Und nun muß auch der Skeptiker erkennen, daß diese Brücke zwar zunächst als Fremdkörper in dieser vertrauten Landschaft, in dem sonst unberührten Gebiete, wirkt, daß sie sich aber doch sehr gut in das Gelände einfügt, und selbst die Vögel haben bereits erkannt, daß sich ihnen in den hohen Brückenbogen Schlupfwinkel und alle Möglichkeiten für ihr Brutgeschäft und die Aufzucht ihrer Kinder bieten.

Eine „Insel der Stille“ kann man dieses schöne Fleckchen Erde nun wohl nicht mehr nennen: Doch trotz des über das Tal hinwegbrausenden Verkehrs und des monotonen  – klack-klack, –  das die Autos beim Passieren der Dehnungsfugen des Brückenbauwerkes erzeugen, bleib das Sudbachtal und mit ihm das Buchholz doch ein liebenswerter Ort.


Ein Bahnhof wurde „legitim“

aus „Waldbühne Wittel – Sommerprogramm 1970“

Als es noch keinen Bahnhof Löhne gab – Die Stadt Löhne hat zwei Bahnhöfe

Mit der Bildung der Stadt Löhne aus den fünf Gemeinden Gohfeld, Löhne, Obernbeck, Ulenburg und Mennighüffen wurde auch der Bahnhof Löhne mit dem 1. Januar 1969 „legitim“. seit mehr als 120 Jahren hat der Bahnhof, der in der Gemeinde Gohfeld, Bauerschaft Bischofshagen, lag, mit seinem Namen avantgardistisch das Banner der Stadtwerdung Löhne getragen, und der Begriff „Löhne umsteigen“ ist sogar über Karl Maria Remarques Buch „Im Westen nichts Neues“ in die Weltliteratur eingegangen. Wenn sich auch schon immer in Löhne nicht nur das „Umsteigen“, sondern besonders auch das Aussteigen und Verweilen lohnte, so darf man die Aufforderung zum Besuch in besonderer Weise auf die neue Stadt Löhne in Gegenwart und Zukunft beziehen.

Es war eine Eigenart des Bahnhofes Löhne, daß er gar nicht in Löhne lag. Er wurde, wie bereits angedeutet, auf dem Grunde der Gemeinde Gohfeld, Bauerschaft Bischofshagen, erbaut. Die Ursache liegt darin, daß der ursprünglich für Löhne geplante Bahnhof weiter nach Osten und damit auf das Gebiet der Bauerschaft Bischofshagen verlegt wurde. Der einmal vorgesehene und aktenmäßig festgelegte Name „Löhne“ wurde jedoch beibehalten. Bei der Bildung der Stadt Löhne brachte die Gemeinde Gohfeld auch den Bahnhof Löhne mit in die neue „Großfamilie“ ein und verhalf damit dem bekannten Eisenbahnknotenpunkt zu seiner „Legitimation“.

Der Bahnhof, zunächst im Volksmund als „Poppensieks Bude“ bezeichnet, wurde die Ursache zur Bildung eines neuen Ortes, der besonders dann starken Auftrieb erhielt, als Löhne nach dem Bau der Osnabrücker (1855) und der Hamelner (1875) Eisenbahnlinien zu einem bedeutenden Eisenbahnknotenpunkt wurde. Der nördliche Teil der Bauerschaft Bischofshagen wurde zu „Löhne Bahnhof“.

Im Folgenden soll hier nun der Versuch gemacht werden, ein Bild von den Verhältnissen in Löhne Bahnhof zu entwerfen, als es noch kein „Löhne-Bahnhof“ gab, als „Mahnen“ und „Poppensiek“ noch bei jedermann als Bischofshagen galten.

Dort, wo sich jetzt die ausgedehnten Anlagen befinden, dort, wo die Siedlungen am Poppensiek und an der Janstraße fast einen Stadtteil für sich bilden, lag ehedem der Hof Poppensieker, Bischofshagen Nr.13 („Ubbn Poppensuike“). Wiederholt mußte der Hof der Eisenbahn und dem Bahnhof ausweichen und in südlicher Richtung verlegt werden. Der Hof (Besitzer war die Familie Bobbert) war im Jahre 1683 im Besitz des „dem Ambt (Hausberge) Eigenbehörigen Köthers (Kötters) Claus itzo (jetzt) Johann Poppensieker“. Er hatte dem Amte Hausberge, dem die Vogtei Gohfeld und damit auch die Bauerschaft Bischofshagen angehörte, folgende Abgaben zu machen: An Zinskorn: 8 Scheffel Roggen und 20 Scheffel Hafer; an Vieh: 1 Mastschwein oder 18 Groschen, 1 Gans und 1 Rauchhuhn; an Dienstgeld: 18 Groschen Sommer- und 18 Groschen Winterdienstgeld; an allerhand kleinen Geldgefällen: 1 Groschen Pfingst-, 1 Groschen Michaelisschatz, 1 Groschen Oster- und 4 ½ Groschen Zuschlagsgeld. An Diensten hatte er zudem wöchentlich einen Tag „mit der Hand“ (Handdienst) zu leisten oder dafür jährlich drei Taler zu entrichten.

Da wir in den weiteren Ausführungen neben den Handdiensten auch auf die Spanndienste zu sprechen kommen, sollten hier aus den „Verzeichnissen der freyen Hand- und Spanndienste, Ambts Hausberge“ vom Jahre 1680 die hierfür maßgeblichen Richtsätze wörtlich angeführt werden:

„Wo Spanndienste seyn schuldig in allen wohin sie bestellt werden, mit dem selben Geschirr, womit sie ihre eygene Arbeit verrichten, mit Wagen und Pflügen, Sommers von Lichtmess bis Michaelis, daß Morgens umb 6 Uhr Zur stelle Zu sein. Und Abendts nach 6 Uhren Wiederrumb ab zu ziehen .Winters Zeit aber Von Michaelis bis Lichtmessen Morgens umb 8 Uhren an zu kommen und Abends um 4 Uhren Wiederumb ab Zu ziehen.

Köttern seien umb selbige Zeit gleicher gestalt schuldig, durch starke Mans versehen Ihre Handtdienste, wozu sie mit Sensen Axten, schueten, bardten oder Wie es nahmen haben mag, bestellt worden, Ihre Dienste zu Verrichten. Wie auch nicht Weniger die Brinksitzer Ihre Handdienste mit Harken, Axten, schueten, bardten  und Forken durch Manspersonen zu prästieren (leisten), schuldig. Wo aber Witwen seyn, wird ein Magd oder Frauensperson paßiert (anerkannt), indeß aber solcher gestalt, daß dieselben die Dienste Verrichten können, und werden die Brinksitzer mit keinen Senßen bestellt.“

Der Kötter Johann Poppensieker bewirtschaftete im Jahre 1683 ein Fläche von insgesamt    79 ¾ Morgen, 14 Ruthen, 5 Fuß, wovon 71 3/8 Morgen als Saatland, 4 7/8 Morgen, 6 Ruthen als Wiesen, 5/8 Morgen als Gartenland und 2 5/8 Morgen als Busch genutzt werden.

Der Nachbar von Johann Poppensieker wohnt ebenfalls „auf dem Poppensieke“, und heißt entsprechend auch Poppensieker. Da sein Besitz wesentlich kleiner ist, wird er eben „der lüttke Poppensieker“, später auch Hauert (Hebbat) genannt. Vielleicht deutet der Beiname „Hauert“ auf das Schlachterhandwerk hin. Es darf weiter angenommen werden, daß es sich bei dem „lüttken Poppensieker“ um eine erste Abtrennung vom Hofe des „großen Poppensiekers handelt.

Während der Poppensieker von 1847 an den Grund und Boden für den Bahnhof zu stellen hatte – selbst das alte Postgebäude an der Bünder Straße wurde von Heinrich Poppensieker errichtet und der Post zur Verfügung gestellt – mußte die Gemarkung „Mahnen“, ebenfalls von der Eisenbahn durchschnitten, weiteres Gelände für die Bebauung liefern. In diesem Zusammenhang sei auch auf das jüngste Industriegelände in Mahner Feld hingewiesen. Es läßt sich zwar heute keine scharfe Grenze mehr zwischen den beiden Nachbarschaften „Poppensiek“ und „Mahnen“ ziehen, doch wird sie im wesentlichen von der Königstraße gebildet.

„Mahnen“, der Flurname wird von der im Jahre 1895 aus der Kirchengemeine Gohfeld ausgepfarrten Kirchengemeinde am Bahnhof Löhne sinnvoll weitergeführt, gehört zu den ältesten Siedlungen unserer Heimat überhaupt. Die höher gelegenen Ufer der Werre mußten geradezu zur Besiedlung herausfordern. Diese Annahme wird noch durch den Nachweis der Eschflur im Mahner Feld bestätigt. Der Name „Mahnen“ ist mit unserem Wort Gemeinde verwandt und bedeutet soviel wie Allgemeingut. Mahnen wird bereits im Jahre 1151 urkundlich erwähnt (Westfälisches Urkundenbuch). Damals hatte das Marienstift auf dem, Berge bei Herford (Stift Berg) hier Grundbesitz.

Wir nehmen nun aus der Reihe der auf dem hohen Werreufer liegenden Mahner Höfe zunächst die Halbspannmeierhöfe heraus, da es sich bei ihnen wohl um die ältesten Höfe der Siedlung handeln dürfte. Wie wir schon andeuteten, hatten ihre Besitzer den Grundherren ihre Dienste mit dem Gespann zu leisten, wärend die Kötter und Brinksitzer Handdienste tun mußten. „Frantz, vorhin Lüdecke zu Mahnen“, später Lükensmeier, Bischofshagen Nr.4  (jetzt Windmann am Mühlenbach), ist als Halbspänner verpflichtet, dem Amte wöchentlich zwei Tage mit dem halben Gespann Dienste zu leisten oder dafür jährlich 5 Taler zu entrichten. Er nannte gut 66 Morgen sein Eigentum.

Unter der Nummer 6 des Höferegisters wird „Claus, itzo Heinrich zu Mahnen, als ein dem Ambt Eigenbehöriger Halbspänner“ aufgeführt (Reinkensmeier Nr. 8, Oeynhauser Straße). Bei der Aufstellung der Ländereien fällt hier die Größe der waldwirtschaftlich genutzten Fläche auf. Von der Gesamtfläche des Hofes mit 86 1/8 Morgen sind 9 ¾ Morgen als Busch bezeichnet. – Und wo ist Reinkensmeiers Busch geblieben? In diesem Zusammenhang sei darauf  hingewiesen, daß wir auf Reinkens Hofe das älteste Haus der Bauerschaft Bischofshagen finden. Das alte Leibzuchthaus ist ein Zeuge, der noch weiter zurück als die erwähnten Höferollen zurückberichten kann. Der Türbogen trägt die Inschrift: LISEBET ZV MAHNEN ANNO 1669 + WER GOTT VERTAVT HAT WOHLGEBAVT IM HIMMEL VND AVF ERDEN + JESU MEINE LIEBE + O GOT DIS HAVS BEWAR + FVR DONNERSCHLAG VND FEVERSGEFAR + M: HERM: KONIG:“

Das jetzige Wohn- und Wirtschaftsgebäude konnte bereits im Jahre 1969 das 200jährige „Dienstjubiläum“ begehen: „JOHANN PEITER REINKENSMEIER UND LEAWISE SOPHIA NOLTINGS DIE HABEN DIS HAUS BAUERN LASSEN IM JAHR 1769 den 10. JUNIUS.“

Bei „Rolf Brosius zu Mahnen itzo Christian“ (jetzt Rolfsmeier, Bischofshagen Nr. 6, Oeynhauser Straße), liegen die Verhältnisse genau so wie bei seinem Nachbarn Reinke, nur ist sein Hof mit 63 3/8 Morgen, 11 Ruten, 6 ½ Fuß etwas kleiner. Auch er dient wöchentlich zweimal mit dem halben Spann oder gibt 5 Taler. „Wenn er ins Register gedungen thut er jährlich 3 frey Dienste und 1 Ausländische Reise oder 2 Taler“.

„Hans, itzo Heinrich Lüdecke“ (später Johannsmeier, jetzt Hagemeier, Bischofshagen Nr. 20, Oeynhausener Straße), hat dem Amt Hausberge wöchentlich drei Tage mit der Hand zu dienen oder dafür jährlich drei Taler zu entrichten. Der Name „Lüdecke“ läßt vermuten, daß es sich hier um eine Abzweigung von dem obenbehandelten Höfe Lückensmeier handelt.

Der ebenfalls dem „Amt eigenbehörige Kötter Cord, itzo Albrecht Volle“ (jetzt Schmidt, Bischofshagen Nr. 41, am Mühlenbach), hat 30 7/8 Morgen Saaatland, 4 ½ Morgen Wiesen und ¾ Morgen Gartenland. Er dient ebenfalls zwei Tage mit der Hand und hat neben den kleinen Geldgefällen 2 Scheffel Roggen, 22 Scheffel Hafer, ein Mastschwein oder ½ Taler, eine Gans und ein Rauchhuhn zu liefern.

„Engelke, itzo Hermann Bachemeier, ist dem Drost Vreden Leibeigen, giebt ans Amt nichts.“ Warum dieser Hof in Größe von 41 ¾ Morgen, 9 Ruthen, 9 ½ Fuß als einziger Hof der Bauerschaft Bischofshagen dem Drosten Wrede eigen ist, und nicht dem Amt Hausberge, läßt sich nicht feststellen. Dieser Hof (Besitzer Pahmeier, genannt Engelkensmeier, Bischofshagen Nr. 41, Oeynhausener Straße), hat in jüngerer Zeit durch den Verkauf seiner Ländereien an die Gemeinde Gohfeld die Ausdehnung der Ortschaft Löhne-Bhf. nach Nordosten ermöglicht.

Die kleinsten Höfe sind die Brinksitzer. Die Gemarkung Mahnen hat deren zwei, wenn wir den Hof Abke zum Schierholz rechnen. „Claus, itzo Friedich Hindebrand, ein dem Amt eigenbehöriger Brinksitzer“ (jetzt Hildebrand, Bischofshagen Nr 24, Schierholzstraße), hat 15 ¾ Morgen Besitz. Es ist nicht ausgeschlossen, daß dieser Hof von Reinkensmeyers Hof abgezweigt ist. 

Ein ganz kleiner Brinksitzer ist „Lüdekens, itzo Bringt Jürgen“ (später Brinkmann / Reckefuß, Bischofshagen Nr. 49, Oeynhausener Straße). Vielleicht war dies die Leibzucht von Lükens Hof, denn der gesamte Grundbesitz besteht in einem Garten von 1/8 Morgen Größe.

Wenn wir schon in Versuchung waren, „Brinkjürgen“ als den kleinsten Besitzer anzusprechen, so bringt uns „ Hermann uf der Armöde“ zu anderer Überzeugung. Er hat auf dem Geländer der Armöde (der Name spricht für sich!), der allgemeinen Hude, sein Häuschen erbaut, verfügt aber sonst über keinerlei Grund und Boden.

Hermann auf der Armöde darf aber für sich den Ruhm in Anspruch nehmen, der Begründer des Löhner Gaststättengewerbes zu sein und schon vor mehr als 2½ Jahrhunderten die Entwicklung Bischofshagen, Mahnen, Löhne-Bhf. vorausgeahnt zu haben. Außer dem „Kruggeld“ von drei Groschen verlangte das Amt nur noch vier Groschen Zuschlagsgeld von ihm. Der Name „Armuth“ (jetzt Bischofshagen N. 46, Schierholzstraße) ist geblieben, doch soll damit nicht gesagt sein, daß die Armut geblieben ist.

Die hier geschilderten Besitzverhältnisse aus dem Jahre 1683 hatten sich ohne wesentliche Änderungen bis zum großen Umschwung, der durch den Bau der Eisenbahn vor mehr als 150 Jahren erfolgte, erhalten. Der neue Ort um den Bahnhof setzte unentwegt seine Entwicklung fort, stets gewillt, auch noch weitere viele Jahrhunderte alte Höfe sich und seinen Bedürfnissen dienstbar zu machen. Jetzt ist er über das Zentrum des Amtes Löhne hinweg zur „Metropole“ der neuen Stadt geworden.


Das Schierholz bei Löhne – eine Stätte der Erbhöfe

aus der Jubiläumsfestschrift „300 Jahre Schule Bischofshagen“, 1960

Hart an der Löhner Eisenbahnbrücke zweigt von der Königstraße die Schierholzstraße ab, die uns im weiten Bogen in südlicher Richtung zum „Schierholz“ führt, dem diese Straße ihren Namen verdankt. Der erste Teil dieser Straße hat zwar mit dem eigentlichen Schierholz wenig oder nichts zu tun, da der eigentliche Schierholzer Weg dem jetzigen Wege „Am Mühlenbach“ folgte, die jetzige Oeynhauser Straße kreuzte und darüber hinaus über eine alte Fähre die Verbindung mit der alten Schockemühle herstellte.

Vom Schierholz selbst und seinem ursprünglichen Charakter sind nur noch kümmerliche Reste verblieben. Der Name deutet, wie so viele unserer engeren Heimat, auf den einstigen reichen Waldbestand hin. Was bedeutet aber nun die erste Silbe des Wortes? „Schier“ ist mit „schier = nur“ im heutigen Sprachgebrauch nicht gleichzusetzen, obwohl man annehmen könnte, es sei früher „schierer“ Wald gewesen. „Schier“ bedeutet hier „Scheide“ oder „Trennung“. Eine „Schierwand“ ist eine Trennwand; ein „Schierbaum“, ein Trennbaum, den man zwischen zwei unverträgliche Pferde legt.

Aber was trennt denn das Schierholz? Westlich des Schierholzes begann die große Mark, die ohne feste Grenze bis in die Gemeinde Löhne hineinreichte. (Im Jahre 1752 waren die Bischofshagener Eingesessenen „wegen der Hude und Weide mit der Bauerschaft Löhne in proceß Befangen“). Man muß daher annehmen, daß das Schierholz ein Grenzwald zwischen den alten Gemeinden Gohfeld und Löhne war.

Alte Hof- und Besitznamen.

Die erste Ansiedlung im Schierholz ist ohne Zweifel der „Schierholzhof“ (Besitzer ist die Familie Sander/Anker, Bischofshagen Nr. 15). Der erste Ansiedler trug keinen Haus- oder Familiennamen, sondern wurde lediglich mit seinem Vornamen unter Beifügung des Wortes „im Schierholz“ benannt. Er war dann eben der „Schierholz“.

Im Revisionsregister der Vogtei Gohfeld vom Jahre 1682 finden wir unter Nr.15 der Bauerschaft Bischofshagen folgende Eintragung: „Henrich, itzo Lips Schierhold, ein dem Amt Eigenbehöriger Kötter gibt jährlich

An Zinskorn: 4 sch (Scheffel) Rocken, 12 sch Hafer, 2 sch Gerste, an Viehe: 1 Mastschwein oder 18 gl (Groschen), 1 Ganß, 1 Rauchhuhn.

An stehenden Sommer und Winterdienstgeld: 18 gl. Sommer-, 18 gl. Winter-Dienstgeld.

An allerhand kleinen Geldgefällen: 6 ch (Pfennig), Pfingst, 6 ch Michaelisschatz, 8 gl. Wisch oder Zuschlagsgeld.

An Diensten: Dient wöchentlich zwei Tage mit der Hand oder gibt 3 th (Taler). Wenn er ins Register gedungen thut er noch 3 freye Handdienste. Gibt sooft der Fall kömmt, wegen des Eigetumbs Weinkauff, Erbtheil und muß Freybriefe lösen“.

Hat bei seiner Städte an Länderey:

Saatlandt36 Morgen7 Ruthen– Fuß
Wießenlandt2 ½ Morgen– Ruthen– Fuß
Garthenlandt½ Morgen1 Ruthe– Fuß
Busch⅝ Morgen9 Ruthen– Fuß
Summe39 ¾ Morgen9 Ruthen– Fuß

In unmittelbarer Nähe des Schierholzbauern wohnt der Meinert heute (Schepper, Bischofshagen). Das genannte Verzeichnis führt unter der Nr. 18 den Herm. Hernach Henrich, itzo (jetzt) Tönnies Otto Meinert, ein dem Ambt eigenbehöriger Kötter, auf. Seine Verpflichtungen sind ähnlich denen des Schierholz

Er bewirtschaftet:

Saatland30 ⅜ Morgen14 Ruthen2 ½ Fuß
Wiesenland1 ¾ Morgen14 Ruthen2 ½ Fuß
Gartenland⅜ Morgen–  Ruthen– Fuß
Busch1 Morgen6 Ruthen– Fuß
Summe32 ⅞ Morgen7 Ruthen7 ½ Fuß

„Meinert soll nach Kornfeld, „Gohfelder Familiennamen“ (Weserpforte Nr 166 vom 18. 7. 1936) von „megan“ – Kraft abgeleitet sein. Der Name „Herm-Meinert“ hat sich bis heute im Volksmund erhalten.

Auch der Kötter Rolf, itzo Otto Meinert (heute Stuke gen. Stuken-Meinert, Bischofshagen Nr. 16) ist dem Amte eigenbehörig und hat etwa die gleichen Dienste und Abgaben zu leisten wie sein Namensvetter, doch sind seine Ländereien etwas größer. Er bearbeitet insgesamt 41 1/8 Morgen, 2 Ruthen, 9½ Fuß Land. Als dritter Meinert wird der Brinksitzer Hermann Meinert (Schepper, Bischofshagen 60) aufgeführt. Diese Besitzung scheint nach Lage der Ländereien zu urteilen, von dem Hofe Stuken-Meinert abgezweigt zu sein, denn sein Besitz bleibt in der Größe weit hinter dem der Vorgenannten zurück. Der „Birkenmeinert“, wie ihn die Gohfelder Kirchenchronik nennt, verfügt nur über 3 7/8 Morgen Saatland und ½ Morgen, 5 Ruthen Gartenland. In „Berkemeier“ hat sich der alte Name bis heute erhalten.

Unmittelbar am Schierholzweg liegt die Besitzung Hilgenböker, Bischofshagen 42. Sie scheint durch Abtrennung vom Schierholzhofe entstanden zu sein, da einmal die Ländereien immer in Anlehnung an die des großen Nachbarn aufzufinden sind, außerdem auch der Name Schierholz verschiedentlich in anderen Akten als Besitzername auftritt. Dem steht nicht entgegen, daß in der Höferolle des Jahres 1682 als Besitzer der Brinksitzer Johann Schröter aufgeführt ist. Da der „Schröter“ der Schneider ist, scheint hier die Berufsbezeichnung dem  Hausnamen gleichgestellt zu sein. Seine Besitzgröße ist nicht vermerkt, doch kann sie, nach den Verpflichtungen zu urteilen, nur klein gewesen sein. Er betrieb die Landwirtschaft eben nur im Nebenberuf.

Der „Heilige Antonius“

Zum Bereich des Schierholzes müssen wir auch noch die Besitzung des “Freyen Brinksitzers Henrich Kröger“ (Krüger, Bischofshagen 62) rechnen. Dieser freie Mann besitzt nur einen halben Morgen Gartenland. Seine Abgaben und Verpflichtungen fallen deshalb bis auf ein Gartenhuhn fort. Es scheint sich um einen Neubauern zu handeln, der kurz vor 1682 vom „alten Krug“ in Bischofshagen in unmittelbarer Nähe der Mark angesiedelt wurde. In späteren Zeiten treten die „Herm-Kröger“ wiederholt als Untervögte der Bauerschaft Bischofshagen auf. In diesem Amt fand sich mancherlei Gelegenheit, durch Kauf den Besitz auf dem alten Markengrund zu der späteren Größe zu entwickeln.

Ähnlich liegen die Verhältnisse bei dem Brinksitzer „Der kleine Tönnies“ (heute Tühns genannt). Auch hier handelt es sich um eine Neugründung des 17. Jahrhunderts, zumal er nur über etwas Gartenland in Größe eines viertel Morgens verfügt. Er ist jedoch eigenbehörig und hat ein kleines Mastschwein und ein Rauchhuhn zu liefern. Wie dieser Mann zu dem Namen des Heiligen Antonius (später Augustinus) kommt und wie er sein Brot verdient, ist nicht ersichtlich.

Die Neusiedlung „Friedrich Thielker“ (Böker, Bischofshagen 70) findet erst im 18.Jahrhunder Erwähnung.

Als letzter Hof im nördlichen Schierholz ist noch der „Brinksitzer Abecke itzo Lüdecke Steffen“ (Abke, Bischofshagen 23 – Schulstraße) zu erwähnen. Seine Abgaben sind ähnlich denen der anderen Brinksitzer, doch dient er nur „umb die dritte Woche 1 Tag“. Sein Besitz umfaßt 20 3/8 Morgen, 8 Ruthen, 3 Fuß Saat-, Gartenland und Busch.  –

Es würde zu weit führen, die um die letzte Jahrhundertwende eingesetzte bauliche Entwicklung auf dem Grund dieser alten Schierholzhöfe näher zu behandeln. Sogar die Industrie hat sich 1929 durch den Bau der Möbelfabrik Gebrüder Baumann seßhaft gemacht. Doch die alten Erbhöfe haben trotz mancher Aderlasse hart um ihr Bestehen gekämpft und ihre Lebensfähigkeit unter Beweis gestellt. Wird es ihnen auch in Zukunft gelingen? – Die Frage wird allein von der Entwicklung des Ortes Löhne-Bahnhof bestimmt.


Der Hoferbe verschollen in Spanien

aus der Jubiläumsfestschrift „300 Jahre Schule Bischofshagen“, 1960

Ehevertrag aus der Zeit des Königsreichs Westfalen – Aus der Heimatgeschichte

Die Frühlingssonne des entscheidungsfrohen  Jahres 1813 liegt wärmend über dem Werretal, doch will der Bann, der auf den Herzen der Einwohner liegt, sich auch in diesem Jahr nicht recht lösen.

Wohl laufen in den letzten Tagen wieder Nachrichten von Haus zu Haus, von Hof zu Hof, die die fast verglimmenden Hoffnungsfunken auf eine Befreiung der Heimat und auf eine Wiedervereinigung von West und Ost wieder aufleben lassen, aber wie oft schon wurden diese Funken in den letzten Jahren schon gänzlich zertreten. Und darf man wirklich ernstlich die endgültige Befreiung herbeisehnen? Ohne größtes Blutvergießen wird sie nicht zu erreichen sein! Und was heißt das für die Minden-Ravensberger? Ihre Herzen stehen auf der Seite Restpreußens und seiner Verbündeten, ihre Söhne aber im Heer Napoleons und seines Bruders, des Königs von Westfalen! Ja, da kann der Frühlingsglaube keinen festen Fuß fassen! Und wie viele Opfer an Gut und Blut forderten schon die verflossenen Jahre! Wie viele Westfalensöhne folgten gezwungen den fremden Fahnen, ohne daß man je wieder etwas von ihnen hörte. Verschollen, vermißt, in Rußland, in Spanien!

Aus einer alten Urkunde läßt sich ersehen, wie die Schicksale der damaligen Zeit auch auf das Familienleben und die Höfeordnung unserer engsten Heimat sich entscheidend auswirkten. Ein Ehevertrag aus jener Zeit, der die Besitzung Kleimeier, Bischofshagen Nr. 50, betrifft, ist in mehr als einer Richtung hin aufschlußreich und interessant. Aber die vergilbten Blätter mögen einmal selbst reden.

„Wir, Hieronymus Napoleon, von Gottes Gnaden, und durch die Constitution König von Westfalen, Französischer Prinz: Allen Gegenwärtigen und zukünftigen Unsern Gruß zuvor! Thun hiermit kund:

Vor dem unterzeichneten für den Kanton Vlotho im District Bielefeld des Fulda-Depatements angeordneten und in der Stadt Vlotho wohnhaften Königlichen Notar Johann Christian Ludwig Rahne und in Gegenwart zweyer gesetzlich qualifizierter und zu Vlotho wohnhafter Zeugen, des Schuhmachers Andreas Ludwig Blum, und des Schuhmachers Adolf Schemel: Sind erschienen, der Ackersmann Johann Heinrich Kleymeyer, Tischler und Wagenmacher in der Commune Bischofshagen wohnhaft, einer Seits, anderer Seits Anna Marie Engel Held, wohnhaft sub numero Fünf in der Commune Melbergen, welche beide großjährig, erklärt haben, daß sie sich ehelich miteinander verbinden wollen. In Beziehung auf diese Ehe haben beide Verlobten unter Mitwirkung des persönlich gegenwärtigen Coloni Johann Diedrich Held, Vaters der Braut, zu Melbergen wohnhaft, nachstehenden Ehevertrag entrichtet.

Artikel Eins.

Es soll in der künftigen Ehe eine vollkommene Gütergemeinschaft sowohl in Ansehung des beweglichen jetzigen und zukünftigen Vermögens beider Theile stattfinden und jeder Theil soll für die von dem andern Theil vor und während der constrahirten Schulden solidarisch verhaftet seyn.

Artikel Zwei.

Das Vermögen des Bräutigams besteht in seiner Leibwäsche, seinen Kleidungsstücken, Handwerkszeug, und dem Anerbenrecht der elterlichen Kleymeyerschen Stette sub numero Fünfzig zu Bischofshagen, welches ihm auf den Fall gebührt, wenn der geborene Anerbe der Stette Namens Carl Friedrich Kleymeyer, welcher als wehrpflichtiger Soldat nach Spanien gekommen ist, daselbst umgekommen sein soll, wie man deshalb zu vermuthen berechtigt ist, weil seit vier Jahren keine Nachrichten von ihm zu seinen Verwandten gelangt sind. Der Bräutigam ist ältester Bruder des geborenen Anerben Carl Friedrich Kleymeyer und aus der selben Ehe, des vorigen rechten Besitzers der Kleymeyers Stette Namens Johann Daniel Kleymeyer und dessen erster Frau Anna Kathrine Ilsabein gebohrenen Knops, geboren, und da außer ihm keine weiteren Geschwister aus dieser ersten Ehe vorhanden sind: so wird das eventuelle Anerbenrecht des Bräutigams hierdurch begründet.

Artikel Drey.

Das Vermögen der Braut besteht in Demjenigen, was der Vater derselben zum Brautschatz, nehlich zur Abfindung von seinem Colonat zu geben verspricht, nehmlich

1. an baar Einhundert zwei und Achzig Franken Zwei und Sechszig Centimen (Fünzig Taler) wovon ein Fünftel zur Hochzeit und der Rest in jährlichen Terminen von ein Fünftel jedesmahl zu Weihnachten enrichtet weden soll.

2. einen mittelmäßigen Brautwagen mit allen nach der Ortsgewohnheit dazugehörigen Betten, Mobilien, Hausgerätschaften und Naturalien, namentlich mit Sechs Himten Rocken und Sechs Himten Gerste, welche zu Michaelis Achtzehnhundert Vierzehn abgeliefert werden soll.

3. Eine Kuh, welche im Herbst dieses Jahres, und ein Rind, welches binnen drey Jahren abgeliefert werden soll, desgleichen zwey Schweine, welche binne drey Jahren gleichfalls abgeliefert werden sollen.

4. ein Ehrenkleid zur Hochzeit, und

5. den Weinkauf zum künftigen Antritt der Kleymeyers Stette.

Dieses Versprechen wird von den Brautleuten bestens acceptiert, und sie erkennen an, daß sie durch die Erfüllung desselben von dem Heldschen Colonat vollständig abgefunden werden.

Artikel Vier.

In Hinsicht künftiger Todesfälle wird hierdurch festgesetzt, daß der Überlebende von beiden Eheleuten, das ganze Vermögen des Verstorbenen, mithin dessen Antheil an der Gütergemeinschaft allein erben und eigenthümlich behalten soll, mit Vorbehalt der Erbrechte der Kinder aus der künftigen Ehe, welche den Pflichttheil von dem Vermögen des Verstorbenen empfangen soll.“

Die Besitzung Kleimeier ist von Geschlecht zu Geschlecht weitervererbt worden und noch heute im Besitz der Urenkel der damaligen Vertragschließenden. Von dem in Spanien Verschollenen einstigen Anerben Carl Friedrich Kleymeyer ist nie mehr ein Lebenszeichen in seine Heimat gelangt.


Die Zeit überrollte alte Legate

aus der Jubiläumsfestschrift „300 Jahre Schule Bischofshagen“, 1960

Die Armen von Bischofshagen und Falkendiek wurden im Bauerntestament bedacht

Wir schreiben den 30. September 1885. Auf den abgeschiedenen „Höfen“ am „Brömkensbach“ scheint eine gewisse Unruhe eingedrungen zu sein. Der Große Reiserbesen hat auch auf der gewaltigen Deele ganze Arbeit geleistet, und in der Stube wird heute sogar statt des sonst üblichen grauen Sandes weißer Sand gestreut. Da ist also hoher Besuch zu erwarten. Aber die Bäuerin selbst ist nicht zu sehen. Sie liegt nebenan in der großen Schlafkammer in ihrem Himmelbett. Sie, die Witwe Anna Marie Louise Nagel, geb. Eimterbäumer, fühlt, daß es im Hinblick auf ihr Alter und auf ihren augenblicklichen Gesundheitszustand geraten ist, das „Haus zu bestellen“. Sie hat als die kinderlose Witwe des verstorbenen Besitzers, mit dem sie in der Minden-Ravensberger Gütergemeinschaft gelebt hat, bereits im Jahre 1882 über ihre Liegenschaften verfügt, aber es ist doch gut, wenn man eben in jeder Hinsicht „beizeit sein Haus bestellt“, Insbesondere gilt es, jetzt auch über das noch vorhandene Barvermögen zu verfügen, um nicht Schuld an häßlichen Erbauseinandersetzungen zu sein. Und so erscheint nun auf ihren Wunsch heute der Amtsrichter Roesler vom Amtsgericht Bad Oeynhausen mit seinem Gerichtsschreiber Loer auf dem Nagelschen Hofe, um die letztwillige Verfügung amtlich festzulegen.

Es kann hier nicht der Ort sein, wiederzugeben, in welch feiner und individueller Weise sie versucht, allen näheren und weiteren Verwandten gerecht zu werden. Wir wollen auch nicht untersuchen, ob die gewissenhaften Überlegungen und die gefällten Entscheidungen allseitige Zustimmung gefunden haben. Aber den guten Willen muß man der Erblasserin auf jeden Fall bescheinigen. Aus dieser privaten letztwilligen Verfügung aber müssen wir drei Punkte herausheben, weil Interessen und Auswirkung dieser Bestimmungen über den Rahmen der Familie und Sippe hinausgehen. Diese Bäuerin fühlt sich auch für das Wohl der Armen und Kinder der Nachbarschaft und der Gemeinde verantwortlich.

Der Besitz der Witwe Nagel gehört zur Gemeinde Gohfeld, Bauerschaft Bischofshagen, kirchlich aber ist der Hof wie die benachbarte Gemeinde Falkendiek von alters her der Gemeinde Stift Berg bei Herford zugeteilt. So besuchen denn die Kinder des Hofes auch die Schule in Falkendiek (bis 1910). Dieser eigenartigen Situation des „Höfen“ eingedenk, errichtete Frau Nagel ein Legat von 900 Mark für die Armen der Bauerschaft Bischofshagen und ein Legat in gleicher Höhe für die Armen des Schulbezirkes Falkendiek. Diese Legate sollen verzinslich angelegt werden. Die Legate sollen, so bestimmt die Erblasserin, alljährlich am 9. Juli, dem Geburtstag ihres verstorbenen Mannes, durch den jeweiligen Hofbesitzer, den Vorstehern der beiden Bauerschaften und je einem Gemeinderat dieser Bauerschaften an arme oder vom Unglück betroffene Angehörige dieser beiden Bezirke nach bestem Ermessen der Verteiler vergeben werden.

Ein drittes Legat in Höhe 1200 Mark wurde für die Schule in Falkendiek eingerichtet. Die Zinseinkünfte dieses Kapitals sollen zur Bezahlung des Schulgeldes der Kinder der auf dem Nagelschen Kolonate wohnenden  Heuerlinge, und „zwar zu gleichen Teilen nach Maßgabe der vorhandenen Kinder“ verwendet werden. Wenn in dieser Weise einmal keine Verwendung für die Zinsen vorhanden sein sollte, so sollen die Zinsen solange zum Kapital geschlagen werden, bis wieder schulpflichtige Heuerlingskinder vorhanden sind.

Das sind die Verfügungen einer verantwortungsbewußten Bäuerin! Noch keine 75 Jahre sind  seit der Zeit verflossen! Wo sind die Legate geblieben? – Wahrscheinlich sind sie der Inflation nach dem ersten Weltkriege zum Opfer gefallen. Möglicherweise ist aber das Legat für die Schule in Falkendiek schon im Jahre 1910 aufgelöst worden, da in Auswirkung des Neubaues der Straße Bischofshagen-Schweicheln von diesem Zeitpunkt an das Gastschulverhältnis mit Falkendiek gelöst wurde und die Kinder vom Hofe Bischofshagen Nr. 1 die Schule in Bischofshagen besuchten.

Dieser Vorgang auf dem größten Hofe der Bauerschaft Bischofshagen schein schon einen „Ahnen“ gehabt zu haben. In dem alten Höferegister der Bauerschaft Bischofshagen aus dem Jahre 1683 finden wir für den Hof Nagel unter den „wiederkehrenden Geldgefällen“ 2 Thaler und 18 Groschen als „Schenkgeld als Zins von 50 Thalern“ eingetragen. Zweck und Begründung dieses Schenkungsgeldes sind leider nicht vermerkt.


Unser Bauernhaus und seine Einrichtungen

„Mein Vaterhaus“

Es ist eine bekannte Tatsache, daß unser schwarz-weiß gefächerte Bauernhaus auf dem Aussterbeetat steht, und es ist gewiß der Tag nicht mehr fern, an dem nur noch hier und da ein Museum anzeigt, wie dieses Haus aussah und wie seine Bewohner darin werkten und wirtschafteten.

Wenn nun der Versuch gemacht werden soll, dem alten Fachwerkhaus ein Denkmal zu setzen, so kann hier nicht auf den ganzen Werdegang dieses Hauses eingegangen, auch können nicht die Typen der verschiedenen Landschaften behandelt werden.

Es geht hier auch nicht um das westfälische Bauernhaus oder um das Niedersachsenhaus, sondern um das heimische Bauernhaus, das man vielleicht als Herforder oder Minden-Ravenberger Bauernhaus bezeichnen könnte. Und doch unterscheidet sich das Bauernhaus der Kreise Lübbecke und Minden in manchen Punkten schon wieder von unserem Fachwerkhaus. Ich erinnere hier nur an das überfallende Giebeldach, den „Kipp“, an den überbauten Deeleneingang, das „Voschöpsel“, und an die Pferdeköpfe an der Giebelspitze. Auch die Einteilung der „Nihndüa“ weicht oft von der bei uns gebräuchlichen Weise ab.

Es ist nur zu natürlich, daß mir bei dem Gedanken an das heimische Bauernhaus zunächst das Haus meiner Väter, in dem ich das Licht der Welt erblickte und ,umsorgt von meinen Eltern im großen Geschwisterkreise, meine Jugendzeit verlebte, vor Augen steht.

Der väterliche Hof gehörte zu den mittleren Betrieben unserer Heimat und liegt auf einer Anhöhe des Minden-Ravensberger Landes, dem Stickdorn an der Knickstraße, die vom Wittel nach Exter führt. Wenn sich in den vergangenen Jahren auf diesem Hofe etwas geändert hat, so steht doch das Bild aus meiner Jugendzeit unauslöschlich und greifbar vor mir und sollte mir einstweilen Muster sein für die Beschreibung des westfälischen Bauernhofes und im besonderen das heimische Bauernhauses. Dabei kann das heute noch stehende Bauernhaus selbst meine Erinnerungen wirksam unterstützen.

Wer also vor etwa 60 Jahren von der damals noch wenig belebten Knickstraße auf den Ottenshof zusteuerte, stand nach etwa hundert Schritten vor einem aus Balken und Rickern gezimmerten schweren Hoftor, das auf einer Seite von dem alten Paradiesapfelbaum bewacht wurde.

Meistens war es geschlossen, und wenn man es öffnen wollte, konnte dies nur unter großem Kraftaufwand geschehen. Aber das geschah aber eben nur dann, wenn es sich nicht umgehen ließ, wenn die kleine Kuhherde oder Pferde und Wagen den Hof verließen oder heimwärts eilten. Für uns Kinder, und überhaupt für die Fußgänger, konnte das Ziel viel leichter und schneller erreicht werden, wenn das zwischen Hoftor und dem alten Heuerlingshaus angebrachte „Stiegel“ benutzt wurde. Das Stiegel bestand aus einem aufgerichteten großen Bruchstein, dessen Übersteigen durch vorgelagerte Steine erleichtert wurde.

Vom „Hecke“ aus hatte man dann den Blick frei auf das eigentliche Bauernhaus, das „rechte Haus“. Im schräg gegenüber stand der alte „Schoppen“ mit dem „Backse“. Doch wollen wir, bevor wir uns mit diesen drei Häusern näher befassen, auf dem mehr als vier Morgen großen Hofraum umsehen.

Im weiten Halbkreis umstanden das Wohnhaus hohe Eiche,  in denen es zur Zeit der  Herbststürme unheimlich rauschte und knarrte und aus denen die Eulen und Käuze ihr eintöniges Lied erschallen ließen. Die alten Eichen haben im Laufe der letzten Jahrzehnte, bis auf einige wenige, ertragsreicheren Obstbäumen das Feld räumen müssen.

Es gab zwar auch damals Obstbäume auf dem Hofe, aber die Äpfel erwarben sich erst im Winter unsere Freundschaft, und die Birnbäume standen bei uns auch nicht sehr im Ansehen, denn ihre Früchte lieferten den Saft für das „Birnenkraut“, das uns als Brotaufstrich fast das ganze Jahr begleitete. Eine Ausnahme davon machten der Stammbirnenbaum, dessen süße Erträge im Backofen zu Bratbirnen gedörrt wurden, und der Sommerbirnenbaum, da diese Birnen auch schon unreif schmeckten und der Baum selbst leicht für unsere Spiele zu besteigen war.

Aber da darf ich die für uns Kinder wichtigsten Bäume nicht vergessen: Das waren im Sommer die beiden alten Kirschbäume und im Herbst der große Walnußbaum hinter dem alten Schoppen. Ihre Früchte gehörten in der Hauptsache uns Kindern. Die hohen Kirschbäume zu erklettern, war für die Erwachsenen zu mühsam, und das rote Taschentuch, das uns unsere Mutter um den Hals band, im ihr dahinein für die Untengebliebenen zu pflücken, war selten gefüllt.

Das Fallgut des weitverzweigten Walnußbaumes war in der Frühe unser „persönliches Eigentum“, und wir hatten wegen der scharfen „Konkurrenz“ oft nicht einmal Zeit, vorher die Hose richtig anzuziehen. Nur unser Vater war auf den Walnußbaum nicht gut zu sprechen, und oft ließ er es uns entgelten, wenn die Dachziegel, angeblich durch unsere, in den Walnußbaum geschleuderte Knüppel, beschädigt waren.

Ich würde aber die Eigenart des Bauernhofes nur unvollständig wiedergeben, wenn ich nicht die großen Teiche erwähnte. Sie sollten gewiß auch im Ernstfalle als Feuerlöschteiche dienen, in der Praxis lieferten sie aber das Trinkwasser für das Vieh und dienten der Wäsche von Kartoffeln und Rüben. Im Sommer hatten auch  wir Kinder, weil wir durchweg barfuß liefen, des Abends dort unsere Füße zu waschen. Der Teich der „oberhalb“ unseres Hauses liegt, war nicht so sehr der Freund unsere Jugend, da er unmittelbar von der Wohnstube aus zu übersehen war, während der Teich unten auf dem Hofe für unsere nicht immer „trockenen“ Spiele ungestörte Freiheit ließ. Das Kahnfahren in Mollen oder abgeschnittenen Tonnen war uns verboten, während uns das Schurren im Winter, auch unter Berücksichtigung der Tatsache des schnelleren Verschleißes unserer Holzschuhe, erlaubt war. Der untere Teich  erhielt Zufluß von der in unmittelbarer Nähe liegenden „Welln“. Diese Quelle oblag bis zum Jahre 1888 die Trinkwasserversorgung für den Hof. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde neben dem Wohnhause, vor der „Szuitdüa“, ein Brunnen niedergebracht, aus dem dann das kühle Naß mit einer Winde gezogen wurde. Der Brunnen diente im Sommer auch als Kühlschrank für marktfertige Butter.

Der untere Teich hatte einen Abfluß zu der außer des Hofes liegenden Roäde“. Hier fanden wir alle Möglichkeiten für den Betrieb unserer „Puttkemühlen“. Die Rötekuhle lieferte seinerzeit nur noch klares Wasser für das Bleichen der Wäsche und der langen Leinenbahnen (Laken). Dieser Teich ließ sich auch von uns als Freibad nutzen.

Die Einfriedigung des Hofes bestand aus einer Mauer, die aus Bruchsteinen roh aufgeschichtet und mit Lehm als Mörtel verarbeitet war. Nur an einer Stelle befand sich noch ein alter, aus Reisig und Dornen geflochtener Zaun, der aber mit der Zeit durch eine feste Mauer ersetzt wurde.

Aber nun zur eigentlichen Aufgabe!

Wenden wir uns zunächst dem „alten Hause“ zu, das um die Mitte des 18. Jahrhunderts von Berend Hinrich Stickdorn oder Ottensmeier und Trin Ilsabein Richters erbaut wurde. Das Haus, je nach Bedarf als Leibzuchthaus (Altenteil) oder Heuerlingshaus gedacht, war noch mit Stroh gedeckt, aber zu meiner Zeit schon nicht mehr bewohnt. Es diente zwar noch als Heu- und Strohspeicher, aber in den Wohnräumen waren nicht mehr verwendete  Flachsverarbeitungsgeräte, Flachsbündel, Hede und Flachsabfälle (Schiebe) gestapelt. Auch die Stallungen wurden, wegen ihrer Entfernung zum Haupthaus, selten belegt. Lediglich im Winter waren hier die während des Sommers vom Schäfer betreuten eigenen Schafe untergebracht. Auf der aus Lehm gestampften Deele standen die Wagen und Ackergeräte, die nur ausgeräumt zu werden brauchten, wenn während der Herbstmanöver die Militärpferde hier Quartier bezogen.

Das „äole Hius“ war ein Durchgangshaus mit einer zweiteiligen, der großen „Nihndüa“ gegenüberliegenden „Obandüa“. Die Nihndüa war hier, im Gegensatz zu der vierteiligen großen Einfahrtstür im „rechten“ großen Hause, an der einen durchgehend, während die andere Seite zweigeteilt war. „Oben „ im Haus lagen die Wohnräume. Sie waren auch hier, wie in den meisten Wohnhäusern, nach Süden gerichtet – an jeder Seite der Deele zwei Räume. Im Anschluß an die Zimmer befand sich dann als Überleitung zu dem Stall an jeder Seite noch eine Häcksel- oder Futterkammer. Bei manchen Häusern dieser Art waren in der Verlängerung des Stalles an der einen Seite oder auch an beiden Seiten der großen Deelentür noch Ställe vorgebaut. Das Haus war so angelegt, saß es auch von zwei Familien bewohnt werden konnte. Für die Kellervorräte, die aus wenig Kartoffeln und Rüben und ein paar Töpfen oder Fässern mit Sauerkraut und Schnittbohnen bestanden, war auf jeder Seite ein Raum, entweder die Stube oder die Schlafkammer, unterkellert. Der Keller war nur durch eine Kellerklappe von dem betreffenden Raum aus zu erreichen. Er war so niedrig, daß man nur in gebückter oder kriechender Stellung dort werken konnte. Die Kartoffeln und Rüben wurden durch ein Kellerloch von draußen oder von der Deele her in den Keller gerollt.

Über den Wohn- und Wirtschaftsräumen und Stallungen bargen niedrige Bühnen und „Huiln“ (offene Bühnen) die Korn- und Fleischvorräte sowie  Futtermittel und Brennholz für den Winter. – Wir Kinder mieden Bühnen und Balken (Boden) in diesem nun schon länger unbewohnten Haus; denn hier hatten nicht nur Eulen und Käuze ihre sicheren Schlupfwinkel, den hier hausten auch „Elk“ (Iltis) und „Moadakadden“ (Marder) nach der Heimkehr von ihren nächtlichen Beutezügen. Neben ein paar Schweinen und Hühnern verfügten die Heuerlinge meistens auch über eine Kuh, die in den Sommermonaten auf Wegen und Feldrainen gehütet werden mußte.

Bevor wir nun das „rechte Haus“, den Mittelpunkt des Hofes, betreten, bleiben wir vor der großen Deelentür, der „Nihndüa“, stehen und lesen, was unsere Großeltern in den eichenen Türbogen mit seinem bunten Rankenwerk für sich und kommende Geschlechter einschnitzen ließen: „Im Jahre 1857 den 18ten Juli haben Johann Heinrich Christoph Ottensmeier und Anne Marie Charlotte Wilhelmine Sandmanns dieses Haus durch Gottes Hülfe bauen lassen + Ach Gott dieses Haus bewahr + Für Feuerschaden und gefahr + Für aller drohender gefahr + laß es in deiner obhut stehen + und laß jeden Bewohner dieses Hauses auf deinen Wegen gehen“. Dieser Türbogen sah Generationen gehen und kommen.

Wo sind sie geblieben, die dieses Haus bauen ließen? –

Durch diese, wie zur Erntezeit weit geöffnete Tür trug man sie hinaus zu dem mit vier Pferden bespannten Leiterwagen und brachte sie zur letzten Ruhe auf den Gohfelder Friedhof. Die nächste Generation verließ das Haus auf dem gleichen Wege. – Die Jungen Brautpaare blieben, bevor sie am Hochzeitstage von ihrem Erbe Besitz nahmen, einen Augenblick unter dem mahnenden Hausspruch der Ahnen stehen, und sie blickten sinnend nach oben, wenn sie ihre Kinder „auf ihres Lebens ersten Gange“ geleiteten: „…. und laß jeden Bewohner dieses Hauses……“ – Möchten alle die rechte Tür zum Himmel gefunden haben und auch in Zukunft finden!

Durch die große, gleichmäßig gevierteilte Tür betreten wir die mit Klinkern gepflasterte  Deele. Es herrscht eine gleichmäßige Helle, die beiden oberen Flügel der „Nihndüa“ sind geöffnet. Das geschieht immer bei einigermaßen gutem Wetter, denn die beiden kleinen Fenster zu beiden Seiten der Tür verbreiten allein nur schwaches Dämmerlicht. zwei ausgesparte Scheiben sichern den Aus- und Einsflug der Tauben und Schwalben bei geschlossenen Türen. Die vier Flügel der Tür werden mit Holzschiebern an den herausnehmbaren Querriegel, dem „Bolten“, angeschlossen. Besonders bei älteren Häusern versieht der senkrechte „Düastänna“, der ebenfalls herauszunehmen ist, diese Aufgabe.

Auf der Deele, auf der früher das Korn ausgebreitet und mit dem Dreschflegel ausgedroschen wurde, stehen die Häckselmaschine und die Dreschmaschine. Beide werden mit dem pferdebespannten Göpel, der hinter dem Hause liegt angetrieben.

Der großen Tür gegenüber liegt das Kammerfach, der Wohnteil des Hauses. Vor den Wohnräumen ist die Deele nach Osten hin zur „Iutlucht“ oder „Luchtort“ zur Erhellung der „oberen“ Deele erweitert. Doch davon ist später noch zu sprechen.

Zur Stube ist eine Schwelle, der „Szüll“, zwar nicht so hoch wie bei den Ställen, zu überwinden. Die Wohnräume sind unterkellert und liegen alle etwas höher als die Deele, deshalb geht man hier auf die Stube und auf die Kammer, Während man bei den an der Deele liegenden Kammern, deren Lehmfußboden tiefer liegt, in die Kammer geht. – Der Fußboden der Stube besteht aus breiten eichenen Dielen, die grauem Sand kunstvoll bestreut sind. An Sonn- und Feiertagen verwendet man weißen Sand. Vorn am Eingang steht der dreistöckige eiserne Ofen, in dem auch das Essen gekocht wird. Oben auf dem Ofen lagen zur Herbstzeit die in Holzstöcke gespannten Gänseflügel zum Trocknen. Diese „Fittke“ wurden als Handfeger verwendet. Während der Wintermonate stand dort fast ständig eine ausgehöhlte Runkel mit „braunem Zucker“, die uns den notwendigen Hustensaft lieferte. „Achtern Oben“, in Wirklichkeit neben dem Ofen, standen zwei Lehnstühle, die gerade soviel Zwischenraum ließen, daß die alte, geschnitzte Kinderwiege Platz hatte und von einem der „Altenteiler“ bei Bedarf in Bewegung gesetzt werden konnte. An beiden Hofwänden stand je eine lange Bank, die zu Zeiten der Spinnstube den eigenen und benachbarten Spinnern genügend Platz boten. Dabei wurden die beiden Tische raumsparend an die Wand geklappt. Wir hatten später auch einen vierbeinigen Tisch, so daß die Klapptische nur noch bei besonderen Anlässen benutzt wurden. Über dem Raum schwebte der „Luchthaken“, der als Wandarm mit der etwas kümmerlichen Petroleumlampe nach Bedarf hin- und hergeschoben wurde. Bei Tage viel das Licht durch fünf Sprossenfenster, die allerdings nur zum Teil zu öffnen waren, in die Stube. Auf der längeren Bank stand etwa alle drei Wochen für zwei Tage der etwa vier Meter lange Backtrog. Ihn hatte der Urgroßvater bei seiner Einheirat im Jahre 1789 aus Exter mitgebracht. Aus einem Ende des Birnenbaumes waren zwei gleiche Tröge ausgehöhlt worden. – Im Winter wurde je nach Bedarf das Schweinfleisch im „Teigtrog“ eingepökelt.

Über den Lehnstühlen hinterm Ofen hing das „Molkenschapp“, ein Schrank, in dem die Milch in Setten oder Näpfen der Verwertung entgegenreifte. Aber auch der tägliche Aufstrich und Aufschnitt wurden hier vor Fliegen sichergestellt. Daneben hing noch ein kleiner Tassenschrank, in dem auch der „Päcksken“ für den „Kaffee seinen Platz hatte. Neben einem kleinen, in die Wand eingelassenen „Schapp“ für allerlei, was aus der Hand gelegt werden mußte, so auch Schuhbürsten, Wichse und Lederfett, war da nur noch der hohe Uhrkasten, in dem die alte Pendeluhr bedächtig tickte und die guten und weniger guten  Stunden im Leben der Hausbewohner anzeigte.

Von der Stube führte eine Tür auf die Kammer, die „rechte“ Kammer, die mit der eichenen Aussteuer meiner Großmutter aus dem Jahre 1852, wie dort zu lesen war, ausgestattet war. Die Bettstelle war zwar kein eigentliches Himmelbett mehr, da der Himmel fehlte, aber am Kopfende befand sich noch die mit zwei Schiebetüren versehene Kopflade mit der „hohen Kante“. Es machte uns Kinder immer ein besonderes Vergnügen, wenn wir bei unseren Großeltern oder später bei unserem „Hoppa“ schliefen, das sich neben dem Bett befindliche „Lett“ zu öffnen oder gar zur Deele durchzusteigen. Von hier aus waren Vieh, Knechte und Mägde auch in der Nacht bequem zu überwachen und notfalls durch eine besondere Tür zur Deele auch schnell zu erreichen. Gewiß waren Bettstelle und Kleiderschrank nicht zu entbehren, aber vielleicht war der eisenbeschlagene Koffer doch das wichtigste Stück der Einrichtung dieses Hauses. Hier bargen die Frauen ihre Schmucksachen, sofern sie über Korallenkette, den Bernsteinhalsschmuck hinaus noch welche besaßen. Der wertvollste Schatz dieser Truhe aber waren die schweren, selbstgesponnenen  und selbstgewebten  Lakenstücke, das Leinen, aus dem alle Wäschestücke und auch die meisten Kleidungsstücke gefertigt wurden. Nur selten fanden größere Mengen Gold- oder Silberstücke hier ein sicheres Verwahr.

Von der Kammer führte eine zweiteilige Tür nach draußen. Auch über dieser Nottür mahnte  ein in den Riegel eingeschnitzter Spruch: „Wach auf o Mensch, vom Sündenschlaf + ermuntere dich verlornes Schaf + und bessre bald dein Leben +“.

Eine vierte Tür führte von der Kammer zur „lüttken Stoben“. Gewiß deutete die „lüttken Stoben“ oder „Voßuidenstoben“ (Besuchsstube) auf einen gewissen Wohlstand hin, doch wurde bei uns wie in den meisten Bauernhäusern dieser Raum als Schlafzimmer genutzt. Solange die „rechte Kammer“ noch von meinen Großeltern in Anspruch genommen wurde, schliefen hier meine Eltern; später wurde sie Kinderschlafzimmer.

Zum Leidwesen meiner Eltern war die „lüttken Stoben“ nicht unterkellert, zumal man den Kellerraum hätte gut verwenden können, Aber besonders nachteilig machte sich die Feuchtigkeit in diesem Zimmer bemerkbar. Die Keller unter den beiden anderen Räumen waren zwar nicht mehr so niedrig wie die im „alten Hause, aber man tat doch gut, den Kopf demütig zu senken. Neben den gelagerten Kartoffeln und Rüben standen hier die Töpfe mit  Sauerkraut und Schnibbelbohnen. Auf Tragebrettern an der Wand wurde das Brot gelagert. Der Keller war über eine Steintreppe von der Iutlucht her zu ereichen. Kellerfenster gab es nicht. Die Luft- und Lichtlöcher waren mit Eisenstäben gesichert. Im Winter wurden sie mit Strohbunden oder mit Stallmist gegen Frost gesichert.

Über dem Kellereingang führte die Treppe zu den „rechten“ Bühnen. Sie sind abschließbar. Hier lagerte das ausgedroschene Korn, aber auch die Wurst und Fleischvorräte hatten, wenn sie im Wiemen ausgeräuchert waren, hier ihren sicheren Platz. An sonstigen Vorräten lagen hier unter Verschluß Mehl und Schrot, die vom Holzschuhmacher an Ort und Stelle auf lange Sicht angefertigten Holzschuhe und die vom Vater gebundenen Reiserbesen. Hier standen in langer Reihe die Töpfe mit Birnenkraut und Zwetschgensaft und vor allen Dingen die Kruken mit dem wertvollen Rüböl. Wir Kinder gingen gern mit auf die Bühne, um den Sack aufzuhalten, wenn Vater Roggen einschaufelte für ein „Bäckt“ zur Mühle, und wir erbten dabei, wenn nicht einen Apfel, so doch eine Bratbirne oder eine getrocknete Pflaume.

Während viele Bauerndeelen, besonders die längeren, nach beiden Seiten zu „Iutlucht“ erweitert waren, hatte unser Haus nur von einer Seite diese Lichtzufuhr. Bei uns hieß diese Ausweitung die „Holtstih“, weil dort früher das Brennholz zerkleinert und in kleineren Mengen greifbar aufbewahrt wurde. Neben den großen Fenstern mit den kleinen Butzenscheiben führte wieder eine zweiteilige Tür nach draußen. Hier baten die Erbauer mit folgendem Spruch um Gottes Schutz für das Haus und seine Bewohner: „Du Hüter Israels habe Acht auf dieses Haus + und gehe doch mit uns in Gnaden ein und aus und nimm es unter deinen Schutz +“. Hier in der Iutlucht stand auch die zweiteilige Anrichte aus dem Jahre 1818, die bunte irdene Schüsseln und Teller und Kupfer- und Zinngeschirr zeigte oder im Innern verbarg. – Am Eckpfosten zur eigentlichen Deele war der „Kahnstuhl“ angebracht. Mit ihm wurde pumpenartig das Auf und Ab der Butterkirne erleichtert.

Die andere Seite der Iutlucht war, wie bereits angedeutet, durch eine Wand von der Deele getrennt, hatte aber sonst die Eigenart der Iutlucht behalten. Wir nannten diesen Raum Küche, während er eigentlich nur Waschküche war, wie die „Waskort“ in den Häusern mit der nicht abgetrennten doppelseitigen Iutlucht. Auch hier führte eine zweiteilige Tür, die „Szäotdüa“, nach draußen. Hier mahnte der Spruch: „Wer ein- und ausgeht durch die Tür + der soll bedenken für und für + daß unser Heiland Jesu Christ + die rechte Tür zum Himmel ist“. Neben der Tür hatten wir auch hier wieder die großen Fenster mit den kleinen bleiverglasten Scheiben. Unter den Scheiben befanden sich allerdings kleine Holzklappen („Letts“), die zu öffnen waren, und deren Bänke man bei Bedarf zum Abkühlen der Speisen benutzte. Fast den ganzen Raum an der Wand zur Stube hin nahm der große „Sparherd“ mit drei Kochstellen von verschiedener Größe ein. Hier kochte unsere Mutter auch  wohl im Sommer das Essen, aber vor allen Dingen wurde hier, für uns Kinder leider zu selten, Pfannkuchen und Pickert gebacken. Die große Brennstelle war für den Schweine- und für den Wäschetopf bestimmt. Vollbesetzt war natürlich der Herd beim Schlachten, wenn Stippgrütze, Blutwurst und Wöpkenbrot gekocht wurde. Speck, Schinken und Mettwurst kamen zu ihrer Zeit in den Wihmen unter der Küchendecke und verblieben dort solange im Rauche, bis sie allen Anforderungen entsprachen und auf der Bühne hinter Schloß und Riegel gebracht wurden. Für den Sofortverbrauch holte sich Mutter mit Hilfe des in einen langen Stiel geschlagenen Brotmessers eine Wurst aus dem Wihmen heraus und fing sie in der „Schlibbn“ (Schürze) auf. Im Herbst stand in der Küche die schwere Obstpresse, und in dem großen, kupfernen Kessel wurde Birnenkraut und auch Pflaumenmus gekocht. Neben der Küche lag die Küchenkammer, die in der Hauptsache als Futterkammer diente. Sie war von geringerer Höhe, da über ihr noch eine von der Deele erreichbare Bühne lag. Küche und Küchenkammer werden später zu einer Wohnküche vereinigt und machten damit eine „lüttken Stoben“ überflüssig.

Sehen wir uns nun aber einmal etwas eingehender auf der Deele um. Ihre Größe und Höhe ist dadurch bedingt, daß man die gesamte Ernte mit dem hochbeladenen Leiterwagen ins Haus fuhr, um sie dann durch die beiden Luken auf den von gewaltigen Balken getragenen Boden (Balken) zu packen. Abgeschirmt wird dieser Boden von starken Eichensparren, die durch die „Hahnenhölder“ und die kürzeren „Kuiken“ verbunden sind.

Das in der Zeit, als starke Männer noch das Dreschen mit dem Dreschflegel („Flegan“) besorgten, eine große Deele nötig war, deuteten wir schon an. Aber auch die Dreschmaschine, zunächst noch mit dem Pferdegöpel, später mit dem Elektromotor angetrieben, und die mit der Hand betriebenen Kornreinigungsmaschine oder Wehmühle („Waiggemühln“) benötigten die große Fläche. Ein besonderes Ereignis war es für uns, wenn Vater die Deele ganz ausräumte, seine hölzerne Wurfschaufel nahm, um nach alter Methode das als Saatgetreide benötigte Korn mit großem Schwung über die ganze Deele hinweg warf. Kaff und Spreu blieben beim „Woabn“ vorn liegen, während die besten Körner bis vor die Nihndüa flogen. – Die Deele war aber auch der Feierraum des Hofes. Hier fanden die Leichenfeiern statt, wobei der Sarg unter der obersten Bodenluke stand und zur Seite die langen Deelenhandtücher vom Balken bis zur Erde hingen.

Aber blicken wir nun auch in die Räume an der Deele! Von der Iutlucht her folgte an der Ostseite die Kammer der Magd, „Luidenskahman“. Ihr Lehmfußboden lag tiefer als die Deele, und so ging man hier eben in die Kammer. Ein einfaches Fenster mit zwei „Letts“ brachte Licht und Luft in den einfach eingerichteten Raum. Daß dieser Raum in der Reihe der Wirtschaftsräume und Ställe lag, bedeutete keine Abwertung, sondern auch hier war die Verbindung mit dem Vieh vordringlich. Dieser Kammer folgten nach „unten“ hin die Häckselkammer für das Kuhfutter, ein Schweinestall und dann der Kuhstall. Die Kühe hatten den Blick frei auf die Deele und wurden auch von der Deele aus gefüttert. So konnte man auch sofort feststellen, ob im Kuhstall alles seine Ordnung hatte. Waren die Kühe gefüttert, so wurden die Klappen zugeschlagen. Hinten im Kuhstall, fast noch über den Kühen, befand sich der kümmerliche „Hühnerwihmen“. Er wurde später auf die „Huiln“ verlegt.

Gegenüber dem Kuhstall lag der Pferdestall, der für zwei Pferde Platz bot. Die Pferde hatten ihre Krippen nicht zur Deele hin, sondern sie wurden von der Schneidekammer aus gefüttert. Hier in der  „Schnuikahman“ oder auf der darüber liegenden  Bühne wurde früher das Futter für die Pferde mit der Handschneidelade gehäckselt. Über den aus Sandstein gehauenen Pferdekrippen waren Raufen angebracht, aus denen die Pferde, wenn sie zur Nacht abgefüttert waren, ihr Heu zogen. Ein ebenfalls aus Sandstein gefertigter „Pferdekump“ speicherte das notwendige Trinkwasser. Unsere Pferde meldeten durch Anklopfen mit dem Vorderhuf an die Stalltür, wenn ihnen das Futter ausgegangen war. Hier in der „Schnuikahman“ schlief auch der Knecht in seinem „Duttk“, einem aus einfachen Brettern gezimmerter Bettkasten. Sein Bett hatte natürlich, wie alle anderen Betten des Hauses, Strohunterlage, die jeden Morgen frisch aufgeschüttelt wurde. Zwischen der bereits erwähnten Futterkammer neben der Küche und der Schneidekammer befand sich noch ein zweiter Pferdestall, der bei uns aber durchweg als Kälberstall benutzt wurde.

Während sich über allen Ställen und Räumen Bühnen mit Türen befanden, lag über dem Kuhstall die halboffene „Huiln“, die meistens Kurzstroh oder „Mucksel“ zum baldigen Verbrauch als Streu  barg. Hier und in einem langen Nesterkasten über den Kuhkrippen auf der Deele hatten die Hühner Gelegenheit, ihre Eier abzulegen. Die Glucke mit den kleinen Küken fand für die ersten Wochen in einer Ecke in unserer Stube ihre sichere Unterkunft. – Die „Huiln“ hatte keine Fenster, sonder sie erhielt wenig Luft und Licht durch kreuzförmige Luftlöcher, wie sie auch im Kuhstall und in den Schweineställen vorhanden waren. Sie wurden im Winter mit Stroh verstopft. Lediglich den Pferden billigte man abgesicherte Fenster zu. – Bevor wir nun das Haus verlassen, werfen wir noch einen Blick zu den Taubenschlägen, die auf dem „Luchtstrang“ und an den Balken angebracht sind und den sich auf alten Holzschuhen befindlichen Rauchschwalbennestern. Tauben und Schwalben waren im Allgemeinen gern gelitten, wenn sie sich auch gegenüber dem neben dem Pferdestall hängenden Pferdegeschirr, nicht immer sauber benahmen. Währen oben neben der Nihndüa Tauben und Schwalben ihre Ausflugslöcher finden, haben auch der Hofhund und die Hühner unten neben der Tür ihre getrennten Ausgänge.

Und nun noch ein Gang zum alten „Schoppen“ von dessen Bauherrn und Baujahr keine Inschrift berichtet. Aber die Bauart und die getunten (gezäunten) Lehmwände berechtigen uns dazu, das Baujahr einige Jahrzehnte vor dem Baujahr des „rechten Hauses“ zu suchen. Auch hier handelt es sich um ein Vierständerhaus, das vier tragende Ständerreihen hat. Zweiständerhäuser, bei denen die Stallungen „angekippt“ sind, finden wir in unserer Gegend nur noch ganz selten. Dagegen stehen auf dem Bauernhof Nagel auf dem Höfen, dem größten Hof der Bauerschaft Bischofshagen und der Gemeinde Gohfeld, mehrere Dreiständerhäuser. Entweder liegt bei diesen Häusern die Deele an der einen Seite des Hauses und die gleich hohen Stallungen mit Bühnen an der anderen Seite, oder aber die Stallungen sind an der Deelenseite in der Verlängerung des Dachabfalles angekippt („Kübbnge“). In unserem Schoppen befand sich auch eine Deele, die das Einbringen von Stroh und Schlagholzbündeln („Wuipen“) zur Lagerung auf dem Balken ermöglichte. Von der Deele hatte man auch Zugang zu den drei Schweineställen, über denen auch wieder Bühnen mit allerlei Gerümpel lagen. Wir hatten nicht gern etwas mit ihnen zu tun, da sie wie auch die Ställe nur durch je ein keuzförmiges Loch, das im Winter mit einem Strohwisch verstopft wurde, notdürftig erhellt waren. Auf der Schoppendeele hatten die „ausgeschirrten“ Wagen, Wagenbretter und Wagenflächten, Ernteleitern und sonstiges Wagenzubehör ihren Platz. Eine durchgehende Wand trennte den Schoppen vom „Backs“, das sich unter dem gleichen Dach befand. Der Backofen, aus Ziegelsteinen gebaut und mit einer dicken Lehmdecke abgesichert, lag in der Backskammer, in der man auch das Brot hätte zubereiten können. Hier aber war Vaters Handwerkskammer. Während er den Backofen heizte und versorgte, verfertigte er unter Ausnutzung der aus dem Ofenmund strahlenden Hitze die unentbehrlichen Reiserbesen und „biete“ (erwärmte) und zog Forken- und Schaufelstiele, „Harkentwieln“ und Gaffeln (Holzgabeln). Über dem Backofen lagen die dicken „Spliedan“ (Spaltholz) zum Trocknen, um zur Verfeuerung im Backofen und im Haushalt bereit zu sein. Aus dem eigentlichen „Backsbalken“, den Vater von niemand gern besteigen ließ, lag das Nutzholz für Wagen und Wagenräder und die „Helfe“ für Äxte und Hacken. Hier lagen aber ständig  auch   ausgetrocknete und ausgelagerte Eichenbretter bereit, die beim Eintreten eines Todesfalles, oft sogar an Ort und Stelle, zum Sarg verarbeitet wurden.

Es ist übrigens eigenartig, daß lediglich Backs und Schoppen von außen verschließbar waren, während das Wohnhaus nur von innen „zuzuhängen“ und zu verriegeln war. Diebe fürchtete man augenscheinlich nur in der Nacht. Die Sicherung der Haustür von innen erfolgte mit einem Holzschieber oder mit dem „Inwürpel“. Die Türen wurden sonst mit Klinken, die Ställe mit „Krecken“ (Holzknebeln) geschlossen.

Beim Bau des Fachwerkhauses wurde durchweg hofeigenes Eichenholz verwandt. Oft mehr als ein Jahr lang hatten Zimmerleute und Hofgesinde an der Sägekuhle zu sägen und die Bäume zu behauen. Ständer und Riegel wurden verzapft, mit dicken Holznägeln („Tabben“ und „Tobben“) vernagelt und mit der auf der Grundmauer liegenden Grund und dem ebenfalls durchgehenden Luchtstrang aufgerichtet. Daß hierbei und bei dem Aufbringen der schweren Balken und Sparren alle starken Nachbarn und Verwandte gebraucht wurden, versteht man am besten, wenn man sich einmal diese Balken und Sparren ansieht. Umsonst nannte man das Richtfest nicht „Hiusbüange“ („Haushebung“). Während im Heuerlingshaus und im Schoppen „tunte“ Wände die einzelnen Fächer ausfüllten, waren im „rechten“ Hause die Wände mit Lehmsteinen ausgemauert und weiß getüncht. Die  Decken  über den  Wohn-  und   Schlafräumen sowie über den Ställen und Wirtschaftsräumen waren „Wellerdecken“. Holzspeilen („Wellerspuiln“) waren, mit lehmgetränktem Langstroh umwickelt, nebeneinandergelegt und unten und oben mit Lehm glatt verstrichen. Lediglich die Kornbühnen im Kammerfach waren darüber hinaus  mit einer Gipsschicht überzogen und die Bühne für das Pferdehäcksel überdielt.

Der Dachbalken war locker mit Bohlen und Brettern belegt, das Dach mit Ziegeln und Strohdocken gedeckt und die Giebel senkrecht mit Dielen versehen. Auf den Giebelspitzen mancher älteren Häuser thronte weithin sichtbar eine geschnitzte Holzsäule, der Geck, wie beim Niedersachsenhaus die gekreuzten Pferdeköpfe. Beide Zeichen dürften heidnischen Ursprungs sein und als Bannmale gen böse Geister gelten. – Da neben der Wohnstube nur die Küche geheizt werden konnte, verfügte das Haus auch nur über einen Schornstein.

Die beiden ältesten Häuser, das Heuerlingshaus und der Schoppen, sind der Zeit zum Opfer gefallen und abgebrochen worden. Das eigentliche Bauernhaus aber hat weit mehr als ein Jahrhundert Wind und Wetter standgehalten. Doch hat es sich den Anforderungen der modernen Zeit und ihrer Wirtschaftsführung beugen müssen. Im Jahre 1905, als das alte Heuerlingshaus abgebrochen wurde, errichtete man im Anschluß an den Pferdestall an der Westseite des Wohn- und Wirtschaftshauses einen für die damaligen Verhältnisse  modernen Stallanbau, in dem nun das gesamte Vieh untergebracht werden konnte Arbeitkräftemangel und weitere Rationalisierung zwangen dann im Jahre 1937 zum Bau einer Kornscheune, die in Verlängerung des Stallbaues aufgeführt wurde. Die Kornscheune läßt heute die große Hausdeele und den geräumigen Hausbalken fast überflüssig erscheinen. Die Iutlucht wurde durch ziehen einer verglasten Trennwand zum Flur, wie er schon bei verschiedenen größeren Bauerhäuser jener Zeit gleich mit eingeplant wurde, umgestaltet. Der Einfluß auf die Sauberkeit der Wohnräume ist einleuchtend. Auch die Wohnräume sind weitgehend modernisiert. Der „Wittkequas“ und der bläuliche Kalkanstrich sind von der Tapete verdrängt. Die Petroleumslampe übergab ihre Aufgabe der elektrischen Glühbirne. Selbst die alten eichenen Möbelstücke haben einer modernen Einrichtung Platz gemacht, und dort, wo einst Sand gestreut wurde, liegen jetzt auf poliertem Fußboden schwere Läufer und Teppiche. – Aber wird ein mehr als hundert Jahre altes Bauernhaus den Anforderungen, die man heute an ein modernes Wohn- und Wirtschaftsgebäude stellt, noch gerecht? – Diese Frage wird man wohl kaum positiv beantworten können. Und wenn man dann den Zahn der Zeit mit in Rechnung stellt, dann sieht man, so leid es uns tut, daß die Tage des schwarz-weiß gefächerten Bauernhauses gezählt sind. Ein weiterer größerer Verlust für unsere heimische Landschaft!


„Dem Hausherrn ward ein ander Haus bestellt!“

Aus der Geschichte eines alten Bauernhofes in Bischofshagen

Und nun folge man mir zu einem alten Bauernhof in Bischofshagen. Zwar ist das im Mittelpunkt stehende Bauernhaus nur gut ein Dutzend Jahre später errichtet als das vorerwähnte, doch sprechen das Haus und das vorliegende Material vom Wohlstand eines größeren, eines dreispännigen Hofes.

Es ist der 30. Juni des Jahres 1871. Die strahlende Sonne meint es auch in den Nachmittagsstunden noch gut. Und sie hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht dazu, denn in wenigen Wochen beginnt die Erntezeit. Noch aber ist „Broaketuit“, die ruhige Zeit auf dem Bauernhofe seit eh und je. Aber von dieser beschaulichen Ruhe ist heute auf dem abseits von allem Verkehr liegenden Kämperhofe auf dem Hagen nichts zu merken. Selbst die junge, resolute Bäuerin läuft aufgeregt von der Deele zu den Ställen und wieder zurück zu den Stuben und Kammern, die sogar heute, am Alltag, mit weißem Sand in feinen Mustern bestreut sind.

Von den Fenstern der „Iutlucht“ aus sieht sie, daß sich vom „Alten Krug“ her zwei Männer, anscheinend Vater und Sohn, dem Hofe nähern. Das gerötete Gesicht der Bäuerin wird noch um einen Schein dunkler, und die Aufregung scheint sich beim Anblick dieser Männer noch zu verstärken. Es gibt auch keine Zeit zum Verweilen, denn eben fährt der bekannte Wagen des Vaters vom Poppensiek auf den Hof. Aber auch noch andere Männer haben sich vor der großen „Nihndüa“ zusammengefunden, begrüßen einander und unterhalten sich vom Wetter und von den Ernteaussichten. Besonders aber tritt immer wieder das große, neue, schwarz-weiß gefächerte Wohn- und  Wirtschaftsgebäude in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen und Unterhaltungen.

Ach, ja, da oben in den Eichenbalken über der großen Tür ist der eigentliche Grund ihres Hierseins eingegraben.

„Im jahre 1870 d. 23. Juli, haben die Eheleute Johann Heinrich Kemper und Christine Engel Kemper, Geborene Poppensieker, dieses Haus bauen lassen. – Aber dem Bauherrn ward ein ander Haus bestellt. Er wurde am 17. Juni aus diesem Fremden Lande abgerufen in die Ewigkeit.“

Und still sinnend lesen die Besucher, unter denen wir den Kreisgerichtsrat Stohlmann aus Herford erkennen, auch die Verse, die eine trauernde Witwe als Trostwort, aber auch als Mahnung für kommende Geschlechter, hatte einhauen lassen: „Eins ist Noth. Suche Jesum und sein Licht, a. a h. d. n. – Ich bin ein Mensch, und leiden müssen krenken, doch in der Noth an seinen Schöpfer denken, und im Vertrauen sterkt in den herbsten Schmerzen der Christen Herzen.“

Ja, der plötzliche Tod des jungen Bauern auf dem Kämperhofe vor Jahresfrist war die Ursache der heutigen Verhandlung, zu der nunmehr die Bäuerin ihre Gäste in die große Stube bittet.

Hier erfahren wir nun auch Einzelheiten über den Grund der Gerichtsverhandlung.

„ Die Witwe Colona Christine Louise Kämper, geborene Poppensieker, welche bei ihren Ehemann, den Colon Johan Heinrich Kämper, am 17. Juni v.J. durch den Tod verloren hat, will sich wieder verheiraten. Sie hat mit ihrem verstorbenen Ehemann in der herkömmlichen Gütergemeinschaft gelebt und muß deshalb mit ihren vier aus der Ehe hervorgegangenen Kindern, dem Zacharias Friedrich Wilhelm Kämper, geb. am 16. 4. 1861, der Anne Marie Wilhelmine Engel geb. am 16. 9 1864, dem Zacharias Heinrich Wilhelm, geb. am 13. 2. 1867, und dem Friedrich Wilhelm, geb. am 6. 11. 1869, schichten“

Zur Leitung der Abschätzung des zum gütergemeinschaftlichen Vermögen gehörenden Colonats und zur Aufnahme einer Schichtung also ist die Gerichtskommission erschienen. Anwesend sind außer dem Kreisgerichtsrat und der Schichterin, die im Beistand ihres Vaters, des Colon Friedrich Wilhelm Poppensieker, Bischofshagen Nr. 13, erschienen ist, noch der Zimmermann und Colonus Zacharias Kämper, Bischofshagen Nr. 101, als Vormund der minderjährigen Kinder, und der Ackersmann Friedrich Wilhelm Stümeyer, im Beistande seines Vaters, des Colonus Johann Heinrich Stümeyer, Bischofshagen Nr. 5, und „die ein für allemal für die heutigen Abschätzungen vereidigten Kreisgerichtstaxatoren Auctionskommissar Carl Cramer aus Herford und Colon Friedrich Wilhelm Schwarze aus Schwarzenmoor“

Die Schlichterin legt zunächst ein von den Kreistaxatoren aufgestelltes Verzeichnis über ihre Gebäude, ihr bewegliches Vermögen und über ihre Schulden vor und übergibt ferner den Güterauszug über die Grundbesitzanteile ihres Colonats.

Der Richter, die Taxatoren, der Vormund und die Beistandspersonen begeben sich jedoch zuerst auf das Feld, um vor der Festlegung des Wertes des Grundbesitzes die Güte des Bodens durch Graben zu prüfen.

Der Grundbesitz in Größe von 149 Morgen, 108 Ruthen, 68 Fuß wird mit 11 716 Reichstaler 1 Silbergroschen 4 Pfennig bewertet, der Wert des Inventars ist auf 8 494 Reichstaler 12 Silbergroschen 6 Pfennig festgesetzt. Dieser „aktiven Masse“ stehen 1 376 rt. 4 Sg. 10 Pfg. als Verbindlichkeiten gegenüber. Die verbleibende Summe von 18 834 rt. 9 Sg. steht zur Hälfte der Schichterin zu. Die andere Hälfte wird aufgerundet und mit je 2 400 Taler für die vier minderjährigen Kinder sichergestellt.

„Die anwesende Witwe Colona Christina Louise Engel Kämper, geborene Poppensieker, übernimmt und behält das von ihr zur Schichtung gezogene bewegliche und unbewegliche Vermögen als ausschließliches Eigentum, ist berechtigt, das Grundvermögen auf ihren Namen in das Hypothekenbuch umschreiben zu lassen und übernimmt sämtliche auf dem Vermögen haftenden Schulden und Verbindlichkeiten, bekannte und unbekannte, zur alleinigen Abtragung!“ Sie verpflichtet sich darüber hinaus, ihre Kinder, bis dahin, daß sich dieselben selbst ernähren können, in allem frei zu unterhalten und standesgemäß zu erziehen. Sie ist auch bereit, die Unterhaltung fortzusetzen, solange die Kinder im elterlichen Hause bleiben, behält sich aber auch die zinsfreie Benutzung der „Abdikate“ vor bis zu dem Tage, an dem die Kinder das elterliche Haus verlassen.

So weit ging es um die Sicherstellung der Kinder. Aber auch für das Alter muß gesorgt werden. Da sind die Eheleute Zacharias Kämper, Eltern des verstorbenen Besitzers, deren Lebensabend durch eine Leibzucht gesichert werden muß. Die Leibzucht, mit der der Hof belastet wird, besteht aus der freien Wohnung in dem neuen Kotten, in der Nutzung von 1 Morgen 2 Ruthen Gartenland, 11 ½  Morgen Ackerland und 1 Morgen Wiese. Das Ackerland muß vom Hofe frei bestellt und die Fruchteinfuhr sichergestellt werden. Dem Leibzüchter ist freier Brand zu stellen und ein Sechstel der gesamten Obsternte zu übergeben. Darüber hinaus hat er das Recht der freien Weide für eine Kuh. Die Belastung der Leibzucht für den Hof wird auf 108 Thaler jährlich abgeschätzt.

Als dann zu guter Letzt auch noch die Erbfolge des Kämperhofes insoweit geregelt ist, daß der noch nicht zweijährige Sohn der vorigen Ehe, Friedrich Wilhelm, und im Falle des vorzeitigen Ablebens, sein nunmehr vierjähriger Bruder, Zacharias Heinrich Wilhelm, als Universalerbe eingesetzt ist, steht der Heirat der Witwe Colona Christine Louise Engel Kämper. geb. Poppensieker, mit dem Ackersmann Friedrich Wilhelm Stümeyer nichts mehr im Wege

Als nach getaner Arbeit die Bäuerin die Gäste zum „Nachmisse“ einlädt, läßt sich niemand lange nötigen. Und sowohl die Landleute wie die Stadtleute tun dem saftigen Schinken und der dicken Wurst, aber auch dem selbstgebackenen Brot und der frisch gekirnten goldgelben Butter alle Ehre an. Die Erzeugnisse des Hofes legen darüber hinaus beredtes Zeugnis ab für die Tüchtigkeit der Bäuerin, deren Kinder und Enkel aus beiden Ehen die Tüchtigkeit und den guten Ruf weitergetragen haben auf zahlreiche Bauernhöfe zwischen Wiehen und Teutoburger Wald bis zum heutigen Tage.

Wir aber wollen uns nun die Zeit nehmen, um die sachlichen Verhältnisse eines größeren Bauernhofes eingehend kennen zulernen und

„Inventarium cum Taxa

über das Vermögen der Witwe Colona Christine Louise Engel Kämper,  geborene  Poppensiesieker, zu 3 in Bischofshagen.

Aufgenommen und taxiert durch die ein für allemal vereideten Gerichts-Taxatoren Colon Schwarze in Schwarzenmoor und Auctionskommissar Cremer in Herford am 28./29. Juny 1871.“

Tit.  I  An Immobilien

1. Das Wohnhaus ist 100 Fuß (31,4 Meter) lang, 50 Fuß breit und 12 Fuß bis zum Dachgebälk hoch, aus 20 Gefach aus Fachwerk erbaut, mit Ziegel über Strohdocken gedeckt. Der Dachboden ist mit losen Dielen belegt, die Dachgiebel sind mit Dielenverschlag versehen. die innere Einrichtung besteht

a)  oben im Kammerfach aus einer Stube und drei Kammern, darunter ein ausgemauerter   Keller, Flur und Küche. Oberhalb befinden sich vier Bühnen, wovon eine mit Dielen beschossen, die übrigen mit Windwerk versehen, außerdem eine Rauchkammer,

b)  unten im Haus drei Kammern und verschiedenen Stallungen und  einem  geräumigen  Flur (Deele).

Das Haus hat 5000 Quadratfuß bebaute Fläche, hat einen Werth von 3750 Thalern und befindet sich in einem guten Zustande.

2.  Das Leibzuchthaus ist 32 Fuß lang, 33 Fuß breit und 12 Fuß hoch, aus Fachwerk und mit Ziegel über Strohdocken gedeckt. Der Dachboden ist mit Dielen belegt und der Giebel mit Dielenverschlag versehen. – Die innere Einrichtung besteht aus einer Stube und drei Kammern, einem Stall, Flur (Deele) und einem Keller unter der Kammer. Er hat 1056 Quadratfuß bebaute Fläche und hat einen Werth von 500 Thalern. Baulicher Zustand mittelmäßig.

3.  Der Schoppen ist 48 Fuß lang, 33 Fuß breit und 10 ½  Fuß bis zum Dachgebälk hoch, aus acht Gefach bestehend, aus Fachwerk erbaut und mit Ziegel und Strohdocken gedeckt. Der Dachboden ist mangelhaft mit Dielen belegt und die Giebel mit Dielenverschlag versehen. Die innere Einrichtung besteht aus Werkstube, Kammer und Stallungen, hat 1584 Quadratfuß bebaute Fläche und hat einen Werth von 600 Thalern. Der bauliche Zustand ist mittelmäßig.

4.  Der Schafstall ist 36 Fuß lang, 30 Fuß breit und 10 ½  Fuß bis zum Dachgebälk hoch, massiv erbaut und mit Dachziegel und Strohdocken gedeckt. Der Dachboden ist mangelhaft mit Dielen belegt und die Giebel mit Dielenverschalung versehen, hat 1080 Quadratfuß bebaute Fläche und einen Werth von 270 Thalern. Er ist in einem guten baulichen Zustand.

5.  Der Kotten außerhalb des Hofes ist 35 Fuß lang, 35 Fuß breit und 11 Fuß hoch. Er ist ringsum massiv und inwendig Fachwerk, mit Ziegel und Strohdocken gedeckt. Die Giebel mit Dielenverschalung versehen. Die innere Einrichtung besteht aus zwei Stuben, zwei Kammern und vier Ställe. Der Boden ist mit Dielen belegt. Unter beiden Stuben befindet sich je ein Kellerraum. Er hat 1225 Quadratfuß bebaute Fläche und einen Werth von 740 Thalern.

6.  Das Backhaus auf dem Hofe ist 18 Fuß lang, 24 Fuß breit und 9½ Fuß bis zum Dachgebälk hoch. Es ist aus Fachwerk erbaut und mit Ziegel auf Strohdocken gedeckt. Die Giebel sind mit Dielenverschlag versehen. Es hat drei Gefach. Die innere Einrichtung besteht aus Stube, zwei Kammern, Flur (Deele) und Backofen. Der Boden ist mit Dielen belegt. Er hat 432 Quadratfuß bebaute Fläche und einen Werth von 60 Thalern. Er befindet sich in einem mäßigen baulichen Zustande.

7.  Für die Einfriedung des Hofes 60 Thaler.

8.  Der Wasserbrunnen, cirka 30 Fuß tief und mit Einfassung 25 Thaler

9.  Für Hochholz auf den Colonatgründen, sowie für die Obstbäume auf  dem Hofe  215  Thaler.

Summa Tit. I      6 220 Thaler


Hofübertragung, Heirat und Leibzucht bei unseren Urgroßeltern

Was seinerzeit zu einem „Vollen in der Gemeinde Gohfeld Ueblichen Brautwagen“ gehörte  „Regierungswechsel“ auf dem Ottenshof

Wir schreiben das Jahr 1817, der Colonus Johann Friedrich Stickdorn oder Ottensmeyer, geborener Grewe aus Exter, hat seinen Hof Bischofshagen Nr. 26, den er durch Einheirat erworben hat, seit dem Jahre 1789 schlecht und recht bearbeitet und verwaltet. Jetzt aber ist er der Arbeit müde. Die Kriegs- und Besatzungsjahre haben ihre Spuren hinterlassen. Besonders aber die letzten sieben Jahre sind schwer gewesen, zumal ihn seine Ehefrau Chatarine Ilsabein Stickdorn im Jahre 1810 mit den Kindern zurückließ und in das bessere Jenseits einging.

Junge Kräfte müssen Hof und Verantwortung übernehmen. Da ist nun sein einziger Sohn Johann Christoph, der, eben großjährig geworden ist, so erfahren und verständig ist, daß er Bauer werden kann. –

Allerdings, so ganz einfach ist die Sache gerade nicht. Der Hof ist „königlich-eigenbehörig“. Wenn auch die Leibeigenschaft aufgehoben ist, so besteht doch noch eine gewisse Einschränkung der Freiheit des Bauern. Der Obergutsherr, in diesem Falle der König bzw. die königliche Regierung in Minden, muß bei besonderen Anlässen, wie bei Hofübertragungen, Heiraten, bei Landverkäufen usw., um Genehmigung angegangen werden; außerdem sind auch noch bestimmte Abgaben, Weinkauf usw., wie wir später sehen werden, an den Obergutsherrn zu entrichten. So muß hier die Regierung in Minden neben der Übertragung der königlich-eigenbehörigen Stätte die Heirat des Johann Christoph gutheißen. Schließlich gilt es noch, den in den Ruhestand ziehenden Bauern durch Festsetzung und Bestimmung der Leibzucht vor wirtschaftlicher Not zu sichern.

Zwar ist in der Geschichte noch kein Fall bekannt geworden, in dem Leibzucht tatsächlich in Anspruch genommen wurde, da die Leibzüchter durchweg im besten Einvernehmen mit ihren Nachfolgern lebten und in den Sielen starben, aber…. „man zieht sich nicht eher aus, bis man ins Bett geht!“ Aber lassen wir hier einmal die überaus interessanten vergilbten Blätter, die  uns einen Einblick in die damaligen bäuerlichen Verhältnisse unserer Heimat geben, wörtlich berichten:

„Herford , den 13. September 1817

Erschien der Colonus Johann Fried. Stickdorn, Besitzer der Königlich eigenbehörigen Stette Nr. 26 der Bauerschaft Bischofshagen, Gerichtsbezirk Vlotho, und zeigt an;

Er sey seit 21 (?) Jahren Besitzer seines Colonats, habe sich zur Zeit seines Antritts zu dessen Besitz gehörig qualifizieret und lebe seit beinahe 8 Jahren im Witwenstande, in dem er seit dieser Zeit die Bewirtschaftung seines Colonats unter Beihülfe seiner erwachsenen Kinder bewürkt habe. Bei seinem gegenwärtig erreichten Alter (52 Jahre!) werde ihm inzwischen die Bewirtschaftung des Colonats zu beschwerlich, und er habe sich entschlossen, seinen ihm noch übrigen Sohne Johann Christoph den Besitz des Colonats abzutreten.

Da inzwischen derselbe, ohne verheyratet zu seyn, der Wirtschaftsführung sich nicht unterziehen könne, so habe er sich, unter Voraussetzung der gutsherrlichen Genehmigung, mit der Anna Marie Ilsabein Heeper, Tochter des von Kornbergschen eigenbehörigen Colonats Nr. 7 der Bauerschaft Falkendiek, in ein Eheversprechen eingelassen, um des gutsherrliche Genehmigung er hierdurch gebeten haben wolle. Der zugleich erschienene Anerbe Johann Christoph Stickdorn, ingleichen die Anne Ilsabein Heeper, Im Beysein ihres Vormundes, des Vorstehers Krüger der Gemeinde Falkendiek, in Person gegenwärtig, bekannten sich zu dem-jenigen, was rücksichtlich ihrer Verheirathung vom Colono Stickdorn angezeigt worden. Es zeigte dabei der Vorsteher Krüger im Auftrage des Bruders der Braut, des Coloni Heinrich Heeper, an, daß , obwohl den anzubringenden Heeperschen Kindern der Taxtmäßig zu erwartende Brautschatz gutsherrlich noch nicht verschrieben sey, der Colonus Heeper sich einstweilich dazu verbindlich gemacht habe, der vorhin benannten, Seiner Schwester, einen sofort auf die Brautkiste zu zahlenden Brautschatz von 200 Reichsthalern Courant und einen landesüblichen Brautwagen von allerlei Theile viere, ingleichen ein Pferd und einen halbbeschmiedeten Wagen mitzugeben, das inzwischen derselbe gleich dasjenige vorbehalten werde, was nach der demnächst vorzunehmenden Abschätzung des Colonats den übrigen Geschwistern werde zum Brautschatz gebilligt werden.

Es erklärte Colonus Stickdorn, unter Zustimmung seines Sohnes und Anerben, daß er mit diesem, seiner künftigen Schwiegertochter und Ehefrau bestimmten Brautschatze, dem jedoch, wie die allerseits Anwesenden einräumten, das den Leuten zu verabreichende Ehrenkleid noch hinzukomme, in jeder Hinsicht vollkommen zufrieden sey, und wurde dennoch von allerseits Anwesenden darum gebeten, daß zu dieser Verheirathung die gutsherrliche Genehmigung soh wol ertheilet, als der Anne Marie Ilsabein Heeper der Mitbesitz des Stickdornschen Colonats in gesetzlicher Art zugeführt werden möge.“ –

In diesem Zusammenhange dürfte es wohl interessieren, was seinerzeit zu einem „Vollen in der Gemeinde Gohfeld üblichen Brautwagen“ gehörte. Man möchte wohl sagen, daß auch die kleinsten Gegenstände auf der vorliegenden Aufstellung aus dem Jahre 1841 nicht vergessen sind, sogar die Seite Speck und der Besen sind aufgeführt. Besonders beachtenswert sind die für die Flachsbearbeitung notwendigen Gegenstände im Brautschatz. Das Verzeichnis zählt auf:

Rth.Sgr.Pfg.
1 Kleiderschrank mit zwey Türen von Eichenholz10
1 Anrichts Schrank nebst Aufsatz zwey Thüren, dito1115
1 mit Eisen beschlagener Koffer, dito ist schon vorher abgeliefert
1 gemachtes (fertiges) Bette 24
220
1 Stanne (Tonne zum Laugen des Leinens) v. Eichenholz210
1 Butter Kaare (Butterkarre) von dito17
3 Stühle115
1 Kessel von Kupfer3
1 Topf von Eisen und höltzen füllöffel113
1 Pfannkuchen Pfanne15
1 Dreifuß76
1 Hechelstuhl10
1 Flachs Hechel ist schon abgegeben
1 Tisch von Eichenholz gemacht2
2 Flachs – Brake76
1 Spinnrad grobes25
1 Haspel (zum Aufrollen und Messen des Garns)10
2 Dutzend hölzern Tellers76
1 Salzfaß126
2 Dutzend hölzern Löffels76
an Irdenen zeuge, Schaalen und Becken276
1 Blechern Durchschlag63
1 Reibe26
1 Lampe4
1 Forke63
1 Dräschflegel39
1 Zug-Harke16
1 Stoßtrog nebst Eisen1
1 Molle126
1 Eimer76
1 Handkorb5
1 Handtuchstock10
1 Brautdistel wenigstens a 3 Kloben (Flachstock am Spinnrad mit wenigstens 3 Bündchen Flachs)15
1 Seite geräucherter Späk    ist schon abgeliefert
2 Hauer (zum Klopfen des Leinens in nassem Zustand)5
1 Besen6
in Summa7436
Für die drei schon vorher abgelieferten Gegenstände
wurde die volle Taxe angenommen
53
Gesamtwert des Brautwagens79116

Die Richtigkeit dieser Taxe wird dann durch eine eidesstattliche Versicherung des Colons Ottensmeier, der die Aussteuer zu liefern hat, und der Taxatoren Hartmann und Koch bekräftigt. – Wenn außer einem solchen Brautwagen noch Pferd und Wagen und 200 Thaler Courant als Brautgabe mitgebracht werden, kann auch der alte Colonus wohl zufrieden sein. Da bleibt also nur noch die

                                              Regelung der Leibzucht.

Hierzu erklärt der Colonus Johann Friedrich Stickdorn, „daß er die Absicht habe, mit seinen Kindern auf dem Colonate in gemeinschaftlicher Wirtschaft zu bleiben, inzwischen Wünsche er, daß in Berücksichtigung möglicher, durch Todesfall eintretender Veränderungen die Leibzucht verschrieben werden möge, die er zu genießen haben sollte, wenn er selbige zu beziehen veranlaßt werden möchte.“ Es wird nun unter Zustimmung des jungen Coloni Stickdorn und seiner künftigen Ehefrau so wie deren Vormundes die Leibzucht mit folgenden Bestimmungen festgesetzt:

1. Freie Wohnung in dem Leibzuchthause;
2. die Benutzung des Gartens, welcher bisher den Leibzuchtgarten ausgemacht hat, einschließlich derjenigen Vergrößerung, welche demselben durch den jetzigen Besitzer verschafft worden ist;
3. an sättdigen Ländereien dieser Leibzucht zwei Morgen auf dem Kampe vor dem Hof belegen;
4. hat der Leibzüchter freien Brand und
5. die freie Bearbeitung der Ländereien, sowie Befreiung von der Bezahlung der verhältnismäßigen Abgaben zu genießen.

„Zur Rechtfertigung dieser Leibzuchtverschreibung wurde angeführt, daß an Gartenland 2 ½ Morgen, an Ackerland 25 Morgen, an Wiesenwachs 1 Morgen und an Holzwachs 2 Morgen zu dem Colonate gehören und das von diesen Grundstücken an Contribution monatlich 1 Reichsthaler 2ggr. (gute Groschen), an Domänen jährlich 16 Reichsthaler bezahlt werden müßten. Es äußerten sich demnach sämtliche Anwesende, daß sich daraus die Zulässigkeit der erwähnten Leibzuchts-Verschreibung auslangend ergeben werde.“

„Übrigens erklärte der Vorsteher Krüger Namens Col. Heeper, daß letzter zur Qualifikation seiner Schwester zum Besitz des Stickdornschen Colonats den hergebrachten Weinkauf von 3 Rtl. zur Domainen-Casse zu berichten erböhtig sey, und so wie solchem nach dieser Verschreibungs-Handlung beschlossen worden, so ist inmittels das gegenwärtige, dieserhalb aufgenommene Protokol vom Col. Stickdorn und Vorsteher Krüger namentlich unterschrieben, von den des Schreibens unerfahrenen Johann Christoph Stickdorn und der Anne Marie Ilsabein Heepers mit Kreuzen nach geschehener Vorlesung und Genehmigung unterzogen worden.“ –

Die Königlich-Preußische Regierung genehmigt und bestätigt dann auch unter dem 11. Oktober als Obergutherrin : 1. die Übertragung des Königklich- eigenbehörigen Colonats Nr. 26 der Bauerschaft Bischofshagen an den gesetzlichen Anerben Johann Christoph Stickdorn,  2. dessen Verheirathung mit Anna Marie Ilsabein Heeper von der in der Bauerschaft Falkendiek Nr. 7 belegenen Stette und  3. die Bestimmung der Leibzucht für den Colonen Johann Friedrich Stickdorn unter der Bestimmung, daß der herkömmliche Weinkauf von 3 Reíchsthalern an die Domäinen – Receptur Vlotho erlegt werde.“ –

Die Trauung hat Pastor Weihe in Gohfeld in Voraussetzung der Genehmigung der Regierung schon am 29. September im Gohfelder Pfarrhaus vollzogen, die alleinige Verwaltung des Colonats tritt das junge Ehepaar Martini 1818 an. –

Dieser „Regierungswechsel“ ist dem Ottenshof zu großem Vorteil geworden. Nicht nur, daß der neue Besitzer den ihm übertragenen Acker bestens bewirtschaftet, sonder er pachtet und kauft zu seinen Grundstücken hinzu, was eben nur zu bekommen ist. Zäher Fleiß und äußerste Sparsamkeit ermöglichen es diesem „Mehrer des Hofes“, den mit gut 30 Morgen übernommenen Hofe am 11. März 1852 seinem Sohne Johann Heinrich Christoph Ottensmeyer mit rund 50 Morgen zu übertragen.

„Das ist echte westfälische Bauernart“


Heimat- und Weltgeschichte im Spiegel einer kleinen Ackerstätte

aus „Waldbühne Wittel – Sommerspielplan 1965“

Der Ahnherr half beim Bau der Köln-Mindener EisenbahnEin Scheffel Roggen kostete 9 Taler

Unmittelbar an der Löhner Gemeindegrenze, an dem zum Löhner Geißbrinke führenden Windmühlenweg, liegt die kleine landwirtschaftliche Stätte Windel, Bischofshagen, Nr. 102. Wenn wir uns hier heute mit der Geschichte dieser Besitzung und mit den Geschicken ihrer Bewohner beschäftigen, so können wir in den vergilbten Blättern nicht etwa zurückblättern bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges oder noch darüber hinaus, aber das , was Kinder und Enkelkinder  aus der Vergangenheit dieser „Kuhstelle“, im heutigen Sprachgebrauch also eine Nebenerwerbsstelle, zu berichten wissen, ist gewiß nicht minder interessant. Der Besitzer  dieser Stätte, Gottlieb Windel, ist Tischler und bewirtschaftet seinen Besitz wie seine Vorfahren als Nebenerwerb. Die Notizen und Erzählungen dieses familien- und heimatgeschichtsfreudigen Mannes vermitteln uns überaus interessante Einblicke in das kulturhistorische Geschehen unserer Heimat.

Bei einem Besuch des Gehöftes bleibt unser Blick zunächst an den beiden gewaltigen Bäumen, einer Linde und einer Kastanie, die das helle Fachwerkhaus seit einem Jahrhundert überschatten, hängen. Aber dann gleitet der Blick weiter zu dem geschnitzten und ausgemalten Türbogen, der uns dann auch gleich an die Urquelle der Hofgeschichte führt: „Im Jahre 1837, dem 10. Julius, Hat Carl Heinrich Budde und Wilhelmine, geb. Heper Aus Löhne, dieses Haus bauen lassen. – Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine gn.“

Hier an der Gemeindegrenze, auf dem Grunde der allgemeinen Mark oder Hude, der Löhner Heide, errichteten die jungen Eheleute Budde ihr Wohn und Wirtschaftgebäude, das dann erst durch den Ankauf von sechs Morgen Land seine eigentliche Bedeutung erhielt. Doch boten auch diese 1,5 ha Ackerland keineswegs eine sichere Existenz, zumal die Familie schnell wuchs und bald sechs Kindermäulchen versorgt werden mußten. Heinrich Budde, der das Schmiedehandwerk erlernt hatte, baute nun eine Schmiede an sein Haus an. Aber auch nun schaffte es der treusorgende Vater nicht, die Schuldenlast abzutragen. Eine heimtückische Krankheit ließ die Sorgen um Familie und Hof noch größer werden. Um aber die Besitzung seiner Familie zu erhalten, vererbte er sie nicht an einen seiner drei Söhne, sondern an seine älteste Tochter, die sich mit Wilhelm Windel verheiratete. Von den Söhnen Carl Heinrich Buddes ging einer nach Amerika, um nicht Soldat werden zu müssen. Sein Bruder erlernte das Müllerhandwerk in der Mühle Oberbehme. Der dritte Sohn begründete später die jetzige Besitzung Schnatsmeier, Bischofshagen Nr. 165, und versuchte es, da er das Handwerk des Vaters erlernt hatte, nun hier mit einer Schmiede.

Besonders interessant und wechselvoll erscheint das Leben des bereits erwähnten Wilhelm Windel. Er war am 25. März 1823 als Sohn des Mühlenbesitzers Windel in Heepen geboren. Da sich sein Vater gewagten Geschäften hingab, wurde ihm die Mühle verkauft, und Wilhelm Windel kam schon im Alter von neun Jahren nach Bischofshagen zum „Alten Krug“, wo er als Kuhhüter eine nicht gerade leichte Jugend verlebte.

Der überaus strebsame junge Mann fand dann willkommende und lohnende Arbeit, als die Köln-Mindener Eisenbahn im heimischen Bezirk gebaut wurde. Besonders lang und anstrengend war das Tagwerk, als Wilhelm Windel jeden Tag von Bischofshagen zu Fuß nach Rehme ging, wo die Eisenbahn über die Weser geführt wurde. Hier beim Brückenbau mußte er, wie allgemein üblich, 12 Stunden arbeiten, so daß ihm für die Nachtruhe daheim nur noch fünf bis sechs Stunden verblieben. Oft aß er, so erzählte er später, zum Frühstück zu seinem Butterbrot  vier Eier, um das Mittagessen zu sparen und die zweistündige Mittagspause zum Schlafen nützen zu können. Der Tagesverdienst betrug zwei Mark. Vier Eier kosteten insgesamt einen Groschen.

Aber die mühevolle Arbeit hatte sich auch noch in anderer Richtung gelohnt. Als die neuerbaute Eisenbahn im Jahre 1847 in Betrieb genommen wurde, fand Wilhelm Windel auf dem Bahnhof Löhne eine Anstellung als Weichensteller.

Gerade das Jahr 1847 hatte sich aber auch noch aus einem anderen Grund tief in das Gedächtnis Wilhelm Windels eingeprägt. Es war das furchtbare Hungerjahr. Ein Scheffel Roggen, etwa 65 Pfund, stieg bis zu einem Preis von 9 Talern (!) an. Die Not war auch in Bischofshagen groß. Von den sogenannten kleinen Leuten wurden unter anderem auch Klee und Brennesseln gekocht. Nur einer der größeren Bauernhöfe, Stühmeier  Nr. 5, war in der Lage Brotgetreide abzugeben. Kartoffeln wurden zu der Zeit nur vereinzelnd angebaut.

Etwa vierzehn Tage vor der neuen Ernte, kam der erste Roggen aus Rußland an. Obwohl Rußland über einen großen Überschuß an Brotgetreide verfügte, konnte es wegen der Transportschwierigkeiten – es mußte alles mit Pferd und Wagen transportiert werden – nicht früher herangeschafft werden. Nach dem Eintreffen des russischen Getreides gab es sofort einen Preissturz. – Aus dem Notjahr zog Wilhelm Windel eine besondere Lehre. Grundsätzlich mußte eine Getreidereserve für Menschen und Vieh bis Weihnachten des nächsten Jahres gehortet werden, eine Maßnahme, die auch von den Kindern und Enkeln übernommen wurde. Die Ernte des Jahres 1848 war dann weit besser als der Vorjahre. Die Roggenähre hatte sechs Reihen und der Scheffel kostete nur noch einen Taler.

Im Revolutionsjahr 1848 trat Wilhelm Windel, wie alle anderen Einwohner, selbst der Amtmann, in den Steuerstreik. Allerdings mußten die Steuern später nachgezahlt werden.

Aus der Ehe Wilhelm Windel mit Luise Budde gingen fünf Kinder hervor, von denen die jüngste Tochter im Jahre 1881  während einer Scharlachepedemie im Alter von 22 Jahren verstarb. Der älteste Sohn heiratete in das Bad Steinsiek ein, während die zweite in Löhne-Bhf. an der jetzigen Königstraße einen Neubau errichten konnte. Aber Wilhelm Windel konnte die abzubringenden Kinder nicht nur gut aussteuern, sondern er vermochte auch dem Hoferben einen vergrößerten Besitz zu übergeben. Er konnte zunächst bei der Teilung der Gohfelder Marken noch vier Morgen Land erwerben und im Jahre 1852 noch 1½ Morgen (3750 qm) hinzukaufen. Diese 1½ Morgen Ackerland kosteten 50 Taler.

Wilhelm Windel hatte auch als Wünschelrutengänger einen Namen. U. a. wurde der erste Brunnen auf dem Homberge nach seinen Anweisungen angelegt. Der geachtete und beliebte Mann starb am 17. Dezember 1911.

Das väterliche Erbe trat dann der am 3. Januar 1869 geborene Sohn Gottlieb an. Er erlernte kein Handwerk, da er schon früh anstelle des an der Eisenbahn beschäftigten Vaters mit der Mutter die Landwirtschaft versorgen mußte. Er heiratete 1894 Luise Loheide, genannt Sewing, aus Quernheim. Wenn sich die Ehefrau auch als Schneiderin zusätzlich in die Versorgung der Familie mit einschaltete, so mußte sich Gottlieb doch nach einer zusätzlichen Beschäftigung umsehen. 25 Jahre hindurch war er auf der „Knochenmühle“, der Kunstdüngerfabrik Stodiek in Löhne, tätig. Während seiner „Regierungzeit“ wurde zweimal, im Jahre 1896 und im Jahre 1912, die gesamte Ernte durch Hagelschlag vernichtet. Er verlängerte im Jahre 1896 das Haus und zog es mit der 1837 angebauten Schmiede gleich; im Jahre 1926 wurde ein neuer Wohnteil als „Kammerfach“ vorgebaut.

Seit dem Jahre 1938 verwaltet der jüngste Sohn des Vorgenannten, Gottlieb, mit seiner Frau Anna, geb. Kämper, die Besitzung im Nebenerwerb. Gottlieb Windel ist im Hauptberuf Tischler. Er betrieb seit dem Jahre 1925 im elterlichen Haus eine eigene Tischlerei, die aber im Zuge der Mechanisierung und Rationalisierung aufgegeben wurde.

Möge auch der alte Hausspruch, den der Ahnherr vor mehr als 125 Jahren über die Eingangstür setzen ließ, auch in Zukunft Zierde des Hauses und Richtschnur seiner Bewohner sein.

„Allein Gott in der Höh sei ehr und Dank für seine Gnade!“


Die Schule in Bischofshagen

aus der Jubiläumsfestschrift „300 Jahre Schule in Bischofshagen“, 1960

Eine der ältesten Schulen unseres Heimatbezirks ist die Schule in Bischofshagen. Seit mehr als 300 Jahren haben auf der Höhe des Bischofshagens am „alten Postweg“ und unweit des Hellweges Schulmeister ihren Dienst an der Jugend, den verschiedenen Zeiten entsprechend, getan.

Das Gründungsjahr der Schule läßt sich nicht ermitteln. Eine lückenlose Aufstellung der Lehrer der Schule ist erst vom Jahre 1699 an möglich. Aus diesem Jahre stammt auch das erste, sich im Staatsarchiv zu Münster befindende Aktenstück über die Schule Bischofshagen. Jedoch läßt sich an Hand des Gohfelder Kirchenregisters feststellen, daß auch schon vor 1699 eine Schule in Bischofshagen war. Die erste diesbezügliche Mitteilung stammt aus dem Jahre 1660. „Am 4. Martius (März) 1660 wurde getauft Anna Margarethe Thaen, Pädagogi filia (Lehrerstochter) ufm B.hagen.“ – Am 12. Dezember 1667 werden in der Gohfelder Kirche copuliert „Dr. Johannes Menolphus Hollmann Herfordiensis p. + praeceptor Hagensis merentißing et Anna Magreta Elberfeldß Lemgoviana“. Dieser „Schullehrer in Bischofshagen“ läßt am 6. Oktober 1669 seinen Sohn Johann Otto taufen. – Am 1. Dezember 1675 wird Johann Erich Ollenfeld als „Schulmeister ufm Bischofshagen“ erwähnt; im gleichen Jahre an anderer Stelle des Kirchenbuches wird derselbe als „Schulmeister von Löhne“ bezeichnet. Er war verheiratet mit Anna Marie Bögeholzes. – Ernst Rottmann wird als  Ludimagister Hagensium anläßlich der Taufe seines Sohnes Otto am 2. Juni 1669 genannt. Er starb als „treufleißiger Schulmeister“ in Bischofshagen im Alter von 63 Jahren am 23. April 1699. Wie schon erwähnt, läßt sich vom Jahre 1699 an auf Grund aktenmäßiger Unterlagen ein einigermaßen klares Bild über die Schulverhältnisse in Bischofshagen entwerfen. das erste Aktenstück ist eine Bewerbung des Schulmeisters Anthon Fricke. Das im Wortlaut folgende Schreiben ist in mehr als einer Hinsicht interessant und spricht für sich selbst:

„Curfürstl. Brandenb. zum Consistorio des Fürstentumbs Minden
Hoch Verordnete Herren Cantzlar und Räthe
Hochwürdig Hochwohl und Hoch Edel Gebohren Weis und Hoch und
Hoch Gelahrt Hoch geneigte Herren.

Eure Exelenz Hoch wl. geruhen von mier Endes benannten, Hochgeneigt zu vernehmen, Welcher Gestalt der Schuldienst zum Bischofshagen für einigen Tagen vacant geworden, weilen ich mich nun in Soweit qualificiert habe, daß so Ihren bedienung zu Verwalten mich voll getraue, im übrigen aber in meinem leben und Wandel also Verhalten, daß daran Niemandt mit fuge Edwas zu dateln haben wirdt, mich desfals auf unseren Herren beambte und Prediger beziehende. So gelanget zu Eurer Exellenz Hoch wd. Hoch woll und Hoch Edel geb. Hr. meine demüthige bitte. Sie geruhen gestalten Nach absonderlich durch bereitz die Vertrostungen erhalten gestaldt mit den zu Erst vacand werdenden Dienste providieret (versorgt) sein Sollte, mich für anderen mit benandten Schuldiensten Hoch geneigt hin wieder zu versehen. Getröste mich gnediger Erhörung und Ersterbe Euer Exellenz Hoch Würden Hochwoll und Hoch Edel geboren gefl.Hr.

Unterthäniger Knecht
Anthon Fricke

Über die Person des Bewerbers gibt ein von Pastor Wercamp in Hausberge ausgestelltes Führungszeugnis Auskunft:

„Vorzeiger dieses, Anthon Fricke, S.Hr. Ampt Schreibers nachgelassener Sohn bürger und Einwohner allhie zum Hausberge hat nach entbenannten sein Prediger, gebührlich ersucht, umbt ihm, ein attestat seines geführten lebens und wandels, zuertheilen, welches ihm dann nicht abgeschlagen Können; sondern bezeugen Vielmehr hierdurch, daß der selbe so viel mir wisend und bekannt da doch ziemlich ich ihm allemahl observiert (beobachtet) habe, sich allhie modest (bescheiden) friedlich mäßig nüchtern und gottesfürchtig wie einen frommen Christ ansteht, sich verhalten auch sonsten, nach meiner Meinunge, sich bestens Schulwesens dazu er meliniert (bestimmt), so er dahin komt sich, nechst Gott treuffleißig und wachsahm wol Verhalten soll, das er hoffentlich seynen Hr. Poromotoren (Förderern) niemals gereuen soll, daß er dahin befordert worden, welches hiedurch attestiert (bescheinigt) und zu sein Vornehme glück und segen, und seinen hohen Hr. Patrones Farend (Schutzherren Gunst) wil gewünschet haben

Hausb. d. 6. April 1699
Philip. Did. W Hausb.”

Die freie Stelle wurde nun dem Lehrer Anthon Fricke übertragen, und derselbe hat über ein viertel Jahrhundert in Bischofshagen gewirkt. Man hörte in 25 Jahren überhaupt nichts über die Schule und ihren Lehrer Anthon Fricke, bis sich im Jahre 1724 die Bischofshagener Eingesessenen über ihren Schulmeister bei der Regierung in Minden beschweren und seine Entfernung fordern. Wenn man berücksichtigt, daß in 25 Jahren kein Anlaß zur Klage gegen die Person des Schulmeisters vorlag, später aber die Bischofshagener mitteilen, daß sich ihr Schulmeister wieder gebessert habe, scheint der Hauptgrund der Unzufriedenheit der Einwohnerschaft auf religiösen Gebiet zu liegen. Da die Frau des Schulmeisters, Anne Marie Fromme, aus Köln gebürtig, katholisch war, entspinnt sich in Bischofshagen ein Religionskrieg im Kleinen. Aber lassen wir zunächst einmal die Bischofshagener Einwohner reden:

„Allerdurchlauchtigst – Großmächtiger König

           Allergnädigster König und Herr.

Gott hat uns hart angesehen, wenn wir unsers Schuel Meisters wilde und wüste conduite (Aufführung) betrachten und unsere Kinder ihm anvertrauen sollen, wozu wir Uns nimmer wieder resolviren (entschließen) können.

 Ursachen:

1.  gehet kein tag Vorbey, er ist betrunken und davon lesset er sich nicht ablenken, ist gar so frech, daß er sich Vernehmen lasse: Nun wolle er erst saufen.

2. hat er ein Weib geheurathet, die zuerst Catholisch, bei Ihm Evangelisch geworden, nunmehr aber die Papistische Religion wieder amplactrieret (angenommen); Und da

3. Der Schuel Meister mit ihr selten friedlich gelebet und oftmahlig von einander sich geschieden, hat darüber die ganze Bauerschaft, besonders auch die Schuel Kinder das großeste Ergernis genommen. Wenn

4. Die Kinder, welche ihm die letzten Jahre anvertrauet gewesen, examinieret (geprüft) werden sollten, so ist es Kläglich zu hören und zu vernehmen, daß sie nicht recht lesen, weder beten Können.

5. Des Schuel Meisters weib ist nun wieder Papistisch und affimieret (bejahet) dürre und lauter: Die Lutheraner kommen alle in die Hölle, und davon würde keiner seelig, welches dann bei der schwachen Jugend grausahmen Anstos und Irrwege Verursacht.

6. Hat sich etliche unter Uns Vorgemahlet, an dem und dem Orte sey Geld Vergraben, dazu wolle sie Verhelfen, und dergleichen in Herford so lange practiciret (ausgeübt), daß Sie daselbst sich nicht mehr sehen lassen darf. enfin (endlich), daß sie

7. sich zum Nachweisen, wicken (beweisen) und wahrsagen appliciret (anwenden) sparret den Leuten das Maul auf, will ihnen Geld und Schätze graben, und nimbt pro arrha (Fall?)ein  oder mehr thaler; Vorgebende, da Kaufe sie gebenedeyet Wasser Vor, welches umb den Platz Vergießet, mit der finceration (Angabe): so könne der Satan an den Ort nichtes würden

8. Durch solche Betrügerey hat sie dann Geld und rühmet: Solange Sie wieder Papistisch gewesen, habe Sie Geldes genug, welches ihr ermangelt, bei ihrem gahabten Evangelischen Zustandes.

9. Dessen werden dann die Schuel Kinder inne, und beginnen zu sprechen: Sie wollen auch Papistisch werden.

Gleichwie nun angezogene conduite (Aufführung) dermaßen nachdenklich, daß ohne Seelengefahr wir Keine Kinder dahin schicken Können; und angezogenen puncten bei weitem noch nicht alle, also bitten wir allerflehendlichst und unterthänigst, uns davon zu erretten, und einen zugeben, welcher fromm, Christlich gutes leben und wandel führet, die Jugend mit getreuer Sorgfalt meinet (liebet), und mit selbigen in aller Gottesfurcht, und zu ihrer Erbauung die information (Belehrung) treibe, nicht aber durch so viele augenscheinbare Ergernussen zum Verdammlichen leben und wandel Verführet, wozu wir ohnmaßgebig den Schuel Meister zu Dehme in Vorschlag bringen und wir ersterben

                Euer Königlichen Majestät
                allerunterthänigste Knechte
                Johann Heinrich Kemper, Daniel Schröder,
                Caspar Meyer, Heinrich Meiners, Jürgen Dunnermann.“

Bei einer mündlichen Vernehmung im Konsistorium in Minden wird dem Schulmeister Fricke bedeutet, sich so aufzuführen, daß keine Klage über ihn geführt werde. Auch die Frau gelobt Besserung  und verspricht auch, ihren Mann in Zukunft nicht zu verlassen. Aber die Versprechungen scheinen nicht lange gehalten worden zu sein, denn weitere Beschwerden folgen. Der Commissarius Hartok vom Amt Hausberge, ebenso auch der Gohfelder Pastor Gröpper, müssen die Verhältnisse prüfen und bestätigen auch im Wesentlichen die Angaben. Hartog schlägt vor, neben dem Schulmeister Fricke einen zweiten Schulmeister zu adjunctieren, der sich mit dem ersten Gehalt, Garten und sonstige Einkünfte teilen solle, damit die Leute ihre Kinder zu dem Lehrer schicken können, zu dem sie sie schicken wollen.

Der Schulmeister Johann Friedrich Schaeffer zu Dehme bewirbt sich bereits um die Stelle. Falls Fricke sollte nicht versetzt werden, bittet er um adjunction (Hilfslehrerdienst). – Pastor Gröpper schlägt als Adjunkten den 25 Jahre alten Johann Otto Bunte aus Jöllenbeck vor,  „der sich zu der Schularbeit bereits ziemlich habilitiret (seine Fähigkeit nachgewiesen) habe“. Auch wollen dessen Eltern ihrem Sohn eine Wohnung und einen Zuschuß zur Verfügung   stellen. Bunte wird vom Superintendenten Kahmann in Petershagen geprüft und als fähig befunden. Der Bischofshagener Schulbezirk wird nun in zwei Distrikte eingeteilt und der eine dem Adjunkten Bunte zugewiesen, der andere aber dem alten Fricke belassen. Aber schon nach kurzer Zeit ist auch dieser Zustand untragbar geworden, da nach Angabe des Schulmeisters Fricke der Adjunkt Bunte Kinder aus seinem (Frickes) Bezirk unterrichte und das der Vater des Bunte, der Garnhändler sei, die Leute dazu beeinflusse, die Kinder zu seinem Sohn zu schicken. Anderseits sind auch einige Einwohner nicht zufrieden. Sie wollen ihre Kinder zu dem Lehrer schicken, zu dem sie das größte Vertrauen haben. Sie könnten ihre Kinder nicht wieder zu dem versoffenen Mann schicken. Es seien sogar Kinder da, die 15 und 16 Jahre alt seien, ohne daß er sie soweit gebracht habe, daß sie zum heiligen Nachtmahle kommen könnten.

Schulmeister Anthon Fricke bezeichnet das Vorgehen einiger Eingesessenen als „fast waß wunderliches, so vor meinen Zeiten Nieh geschehen auch nach meinen Tagen sich nimmer zutragen wird, weil sie sehen, daß durch die mehrmalige desertion (Flucht) meiner bösen Frauen ich in bittere Armuth geraten“. Nach seinen Angaben hat der Adjunkt Bunte eine zweite Schule im Kruge eröffnet, zu der die Kläger ihre Kinder schicken. Die übrigen Eltern aber schicken ihre Kinder – überhaupt nicht zur Schule. Die Anschuldigungen, „unter der Predigt in den Brandtweinskrügen besoffen liegen geblieben zu sein“ widerlegt Fricke mit Erklärungen der beiden Gohfelder Wirte Julius Ernst Voß und Philip Kemena. Die Bischofshagener behaupten allerdings, daß diese Erklärungen erbettelt seien, zudem durfte während der Kirchzeit kein Alkohol ausgeschenkt werden. Fricke gibt zu bedenken, daß er ein Einkommen von monatlich nur zwei Talern habe, müsse davon zwei Kinder ernähren, und dann bliebe nichts mehr zum Trunke. Seine Gegner wiederum meinen, der Schulmeister habe sich nicht zu beschweren, denn mit zwei Talern müsse und könne sogar ein Soldat, der Weib und Kind habe, auskommen. Die Regierung aber scheint auf Seiten des Lehrers gestanden zu haben. Sogar dem Antrag des Pastors Gröpper, dem sich Fricke selbst anschließt, um Versetzung nach Hagedorn, verschließt sich die Regierung. So sehen sich denn Caspar Meyer, Johan Otto Schröder, Johan Heinrich Kemper. Otto Büschenfeld, Johan Jürgen Vieselmöller, Otto Sander, Johan Hinrich Kröger, Johan Herm Bökamp, Gerdt Schneiders und Schierholt veranlaßt, im Frühjahr 1725 eine Klage auf Räumung des Wohnhauses gegen Fricke einzureichen, aber auch hier scheint nicht viel erreicht zu sein.

Mit Beginn des Jahres 1726 verläßt der tüchtige Adjunkt Johann Otto Bunte, als Küster nach Valdorf versetzt, Bischofshagen. Der bisherige Adjunkt Jobst Heinrich Hagen von Valdorf kommt nach Bischofshagen. Ihm muß kein besonders guter Ruf vorausgegangen sein, denn die Bischofshagener bitten die Regierung, Hagen nicht zu schicken, sondern dem alten Schulmeister Fricke, „der sein Leben und Wandel gebessert habe“ allein wieder das Schulwesen anzuvertrauen. Die Unterzeichner der Bittschrift sind diesmal Caspar Meyers, Henrich Stucken, Wilhelm Niemeier, Hermann Christian Stickdorns, Otte Büschenfeld et Consorten. Jobst Henrich Hagen erhält dieselben Rechte und Pflichten, wie sie Bunte in der letzten Zeit hatte, nämlich die Schulwohnung und die alleinige Information der Kinder. Dafür muß er Fricke „jährlich zu Michaelis vier Taler Heuer“ zahlen. Letzterem bleiben auch bis zu seinem Tode die 24 Reichstaler Besoldung. Hagen lebte in schlechten Verhältnissen; infolge der damals herrschenden Ruhr verliert er zwei Kinder. Zur Linderung seiner Notlage erbittet er „von den Kirchen in dem Fürstenthumb Minden einen geringen Zuschuß“, –

Im Februar des Jahres 1730 stirbt Anthon Fricke. Die Bischofshagener Schulstelle wird nun dem bisherigen Adjunkten Jobst Heinrich Hagen endgültig übertragen. Aber auch jetzt kommt Bischofshagen in Bezug auf seine Schule noch nicht zur Ruhe. Bei der Kirchenvisitation in Gohfeld 1735 beschwert man sich über Hagen der ein ärgerliches Leben führe, dem Trunke sehr ergeben sei, die Information versäume und den Kindern mit schlechten Exempeln vorleuchte. Die vorher bereits erfolgten Warnungen sind erfolglos geblieben, im Gegenteil, im Falle Hagen müssen die Verhältnisse wirklich trostlos gewesen sein. Die Regierung zieht die Konsequenzen, und 1735 wird der Schulmeister zu Bischofshagen Heinrich Hagen „wegen seines lebens und wandels caßieret (abgesetzt) und nöthig gefunden Johann Henrich Hormann, welcher schon zu Halle Kirchspiels Ovenstette gestanden, dahin wieder zu versetzen“. Hagen wird sogar von den Bischofshagenern Einwohnern beschuldigt, das Schulhaus in Brand gesteckt zu haben. Aber auf Grund eines Zeugnisses des Pastors Gröpper und auf den Einspruch des übergangenen Amtes Hausberge hin bleibt Hagen noch für einige Zeit im Dienst. Die Bitt- und Bettelschriften des Schulmeisters um Belassung seiner Stelle widern geradezu an wegen ihrer knechtischen und niedrigen Betteleien und Versprechungen. – Der Schulunterricht wird notdürftig im Hause des Johann Jobst Krüger aufrechterhalten. Hier wohnt auch die Lehrerfamilie. Die Familienver-hältnisse  aber scheinen sich trotz aller Versprechungen nicht gebessert zu haben. Die Eheleute sollen sogar mit Messern aufeinander losgegangen sein, und der Schulnachbar Meyer hat die Frau mit ihrem Spinnrade wiederholt aus dem Schulraum gebracht, um den Kindern das schlechte Beispiel zu beseitigen. Da die Bischofshagener kein neues Schulhaus bauen werden, solange der jetzige Schulmeister nicht abberufen ist, bitten sie, den Schulmeister Heinrich August Krüger aus Meßlingen nach Bischofshagen zu versetzen. Man wünscht diesen besonders, da seine Mutter aus Bischofshagen gebürtig ist. Amtmann Rischemöller (Gohfeld) schlägt noch den aus Herford gebürtigen Schulmeister Johann Friedrich Schäffer vor, der im Dorfe Oetinghausen im Kirchspiel Hiddenhausen amtiert, und bittet gleichzeitig zur Unterstützung der Gemeinde für den Schulneubau um eine Beihilfe von 50 Reichstalern. – Das Amt Hausberge bringt neben dem vorgenannten Schulmeister Krüger noch die Schulmeister Wellmann zu Oppendorf, Kirchspiel Wehdem, und Eißenbrand zu Möhlbergen in Vorschlag. Für die ebenfalls durch „Caßation“ des Küsters Schmidt erledigte Küster- und Organistenstelle in Gohfeld weiß das Amt keinen besseren, als den Küster Friedrich Lyra zu Lerbeck vorzuschlagen. – Am 9. Juni 1735 wird Bischofshagen dann endgültig dem Schulmeister Johann Friedrich Schäffer zu Dehme übertragen. Damit traten in Bischofshagen ruhige Schulverhältnisse ein.

In fast 40 Jahren hört man nun nichts weiter als einige Anträge für Reparaturen des Schulgebäudes. Ein Kostenanschlag des Meisters Jürgen Ellerherm aus dem Jahre 1762 lautet: „Was die Schule zum Bischofshagen an Reparationen kostet ist Taxiret worden. Erstlich gründholts und spielen in die Wände und auf die

Schulstube5 Rtl.
Ein Fuder Braken in die Wände24 Silberg
zimer Lohn5 Rtl.12 Silberg.
 ein Mauermann2 Rtl.24 Silberg.
Summa13 Rtl.24 Silberg.

Am 18. September 1772 bittet Johann Friedrich Schäffer, im Alter von 62 Jahren, bereits 37 Jahre in Bischofshagen gewesen, ihm zur Hilfe einen Adjunkten zu geben. Er schlägt den unweit Herford gebürtigen Peter Heinrich Hilgenkamp vor, der ihm schon versprochen habe, wenn er, Schäffer, „ganz nicht mehr könnte und der liebe Gott ihm die Zeit seines Lebens noch höher bestimmt habe, ihn nicht zu verlassen“. – Um die Adjunktenstelle bewirbt sich auch in dem olgenden sehr interessanten Gesuch der Kriegsinvalide Georg Heinrich Stickdorn aus Gohfeld:

Allergnädigster Großmächtigster König
Allergnädigster König und Herr.

Eure königl. Majestet habe ich als ein tapferer Soldat unter dem Löbl. von Loßowschen Regiment 4 Jare im Anfange des letzten Krieges gedienet in der Bataille (Schlacht) bey Francsfurth an der Oder bin ich aber so schwer blessiret (verwundet) worden, daß zu ferneren Kriegsdiensten unbrauchbar mit einem Reichstaler Monathlichen Gnaden Gehalts des Militairstandes erlassen. Da nun der zeitige Schul Lehrer zum Bischofshagen sowohl wegen seines hohen Alters als auch seiner schwächlichen Leibesbeschaffenheit seinen Dienst selber nicht mehr vesehen kann, sondern solchen schon über das Jahr, durch einen anderen verrichten lassen und daher sich auch ein Competent (Berechtigter) als Adjunktus gemeldet, ich aber von den Allerhöchsten mit der Fähigkeit begnadet bin, diesen Schuldienst in allen gehörig vorzustehen mich allerunterthänigst erbiete, solange er lebt zu sibleriren (?) geruhen werden. So bitte ich Eure Königl. Majest. allerunterthänigst Behertzigung meiner 4jährigen Campagnen (Kämpfen) und darin erhaltenen Blessuren (Verwundungen) mir den Vorzug für jenen und die Anwartschaft auf diesen Bischofshäger Schuldienst zu geben. Ich getröste mich um damehr allergnädigster Erhörung, da die Invaliden Casse und Eurer Königl. Majestet Interesse dadurch verbessert wird. In dieser Zuversicht ersterbe ich in der allertiefsten Devotion (Unterwürfigkeit).

Euer Köngl. Majestaet allerunterthänigster Knecht
Georg Heinrich Stickdorn.“

Hilgenkamp und Stickdorn werden geprüft, und Hilgenkamp erhält auf Grund seiner „vorzüglich guten“ Leistung die Adjunktion auf die Schulmeisterstelle in Bischofshagen zugesprochen und wird am 18. Oktober in sein Amt eingeführt. Hilgenkamp heiratet einen Monat später die einzige Tochter Schäffers, Anne Marie Elisabeth. – Aber schon am 20. Januar 1774 muß der Regierung mitgeteilt werden, daß Hilgenkamp an einem hitzigen Fieber gestorben ist. Es wird gleichzeitig gebeten, der Bewerbung der vormaligen Küsters zu Jöllenbeck, Grafschaft Ravensberg, Schlömann, kein Gehör zu schenken, da derselbe Lastern ergeben sei, und zum Schuldienst nicht tauge. Es wird dagegen der 20-jährige Henrich Adolph Klemme aus Steinhagen empfohlen. Als weitere Bewerber treten auf der oben genannte Georg Heinrich Stickdorn und Johann Friedrich Wichmann, der schon seit neun Jahren in Stockhausen amtiert. Die drei Genannten müssen sich der Prüfung unterziehen und Wichmann, über den ein besonders gutes Urteil des Pastors Menke aus Blasheim vorliegt, wird mit der Versehung der Bischofshagener Adjunktenstelle beauftragt. – Demgegenüber bittet die Witwe des verstorbenen Adjunkten Hilgenkamp die Regierung, den Sohn des Lehrers Wehmeier in Hollinde in die durch den Tod ihres Mannes freigewordene Stelle zu berufen. Sie befindet sich mit ihrem Säugling und ihren Eltern in größter Not, und Wehmeyer habe sich freiwillig erboten, wenn ihm die Stelle übertragen würde, werde er nicht nur der Witwe die Wohnung belassen, sondern sich auch „der gantzen Familie väterlich annehmen“. Aber die Regierung schenkt der Bitte kein Gehör, sondern es bleibt bei der getroffenen Regelung, und Witwe Hilgenkamp heiratet ein Jahr später einen Friedrich Nolting aus Bischofshagen. – Aber auch der aus Alswede gebürtige Wichmann wirkt nur etwa ein Jahr in Bischofshagen. Schon am 30. April 1775 stirbt er im Alter von 30 ½  Jahren an der Schwindsucht, eine Witwe mit vier unmündigen Kindern hinterlassend. – Das Amt schlägt der Regierung folgende drei Bewerber als Nachfolger des Adjunkten Wichmann vor: 1. Johann Jakob Scheffer, eines Kantors Sohn aus Bünde, der zu der Zeit bei dem Oberamtmann Nasse aus Steinhagen in Diensten ist: 2. den zu Mehnen im Kirchspiel Blasheim bereits als Schulmeister angesetzten Christoph Engel; 3. den Sohn des Schulmeisters in Falkendiek, Hermann Heinrich Hofesiek. Amtmann Rischemöller setzt sich sehr für Schaeffer ein, einesteils, weil er sich die Hoffnung mache, einen recht tüchtigen Schulmeister aus ihm zu bilden, und anderenteils, weil Scheffer erklärt hat, die arme verlassene Witwe des Adjunkten Wichmann wiederzuheiraten. Am 13. Juli wird Scheffer die freie Stelle übertragen. Das gegebene Versprechen hat er, wie die Gohfelder Kirchenchronik bestätigt, promt eingelöst. –

Am 15. Mai 1779 stirbt im Alter von 78 ½ Jahren der im Ruhestand lebende, eigentliche Schulmeister von Bischofshagen Johann Friedrich Schaeffer. Er war verheiratet mit Beate Lisebeth Kulow, die aber im Alter von 36 Jahren am 22. September 1737 starb. Auch seine zweite Frau Sophie Elisabeth, geb. Krüger, hat Schaeffer nicht überlebt. Diese war aus Minden gebürtig und starb am 30. Mai 1775 im Alter von 70 Jahren an der Schwindsucht. –

Obwohl die Stelle nun wieder planmäßig durch den Adjunkten Johann Jakob Schaeffer besetzt wird, diesem also auch das bisherige Gehalt von 24 Talern zufällt, läßt er sich am 28. Oktober 1781 als Küster und Schulmeister nach Kirchlengern, Amt Reineberg versetzen.

Von den drei vorgeschlagenen Bewerbern Johann Heinrich Lüer aus Wulferdingsen, Johann Arnold Dütemeier aus Dehme und dem Seminaristen Lühning, der bei dem Freiherrn von der Recke in Diensten ist, kommt eigentlich nur der erstere in Frage. Dütemeier ist erst kürzlich nach Dehme gekommen, und Lühning kann bei der Wahl Lüers vielleicht für die Stelle in Wulferdingsen berücksichtigt werden. Lüers wird mit dem 1. November 1781 nach Bischofshagen versetzt. Er ist 51 Jahre alt und bereits 31 Jahre im Schuldienst tätig. Über die Schulverhältnisse in Wulferdingsen schreibt er:

„Der Schuldienst in W. ist nicht alleinschlecht und klein, sondern es existiret noch das alte Schulgeld, wofür ein Kind das gantze Jahr hindurch, Winter und Sommer, nur 12 ggr. Bezahlet und die ganze Schule im Durchschnitt aufs höchste Von 60 Kindern Bestehet: geschweige der darunter Begriffenen Schlechten Bezahler. Es ist auch bei diesem Dienste gantz wenig Garten Land. Ich, wie auch der derzeitige Prediger haben gesucht mit den Bauern wegen des Neu Verordneten Schulgeldes einen gütlichen Vergleich zu Treffen aber selbige haben Sich zu nichts Verstehen wollen. Und einen Proceß mit ihnen zu führen war ich wegen des Vielen Verdrusses und Ärgernis nicht im Vermögen aus zu halten“.

Aber auch die Bischofshagener scheinen ihr Geld festgehalten zu haben. Der Vorgänger Lüers, Kantor Schaeffer, beklagt sich von Kirchlengern aus bei der Regierung, daß er von den Bischofshagener Eltern noch über 30 Taler Schulgeld zu bekommen habe. Man möge dem Pastor in Gohfeld aufgeben, kein Kind eher zu konfirmieren, bis es eine Bescheinigung Schaeffers über das bezahlte Schulgeld vorgelegt habe. Im Jahre 1783, also zwei Jahre nach der Versetzung Schaeffers, „restiren“ noch folgende Einwohner mit ihrem Schulgeld an Schaeffer:

Rtl.Mg.Pfg.
Kleine Böker auf’n Wittel12
Heuerling Schröder zu Mahnen24
Colonus Schröder im Schierholz24
Hempelmann vorn Holtze30
Halbert aufn Thron21
Corsmeyer aufn Steinsiek30
Kleine Pahmeyer a. d. Kohlflage27
Kollmeyer auf der Kohlflage30
Schwartze aufn Stickdorn21
Köster vorn Holtze13
Kleine Stuke aufn Bischofshagen
Kemna wo für Untervogt Schreiber gutgesagt hat284
Summa10324

Über die derzeitige Auffassung der Schulpflicht und die daraus folgende Zahlung des Schulgeldes gibt uns eine Beschwerde der Coloni Caspar Henrich Blöbaum und Johan Henrich Köhne auf dem Thron gegen den Schulmeister Lüer Aufschluß. B. und K. wohnen in Bischofshagen und müssen ihre Kinder zu dem dortigen Schulmeister schicken. Die Wege etwa eine Stunde weit bis zur Schule, sind in sehr schlechtem Zustand und so morastig, daß sie bei schlechter Witterung gar nicht für Kinder passierbar sind:

„Aufgeführete Supplikontes (Bittende) nicht nur sondern auch die übrigen 9 auf dem Thron belegenen Coloni sehen sich genöthigt gegen den dortigen Schulmeister Lüer, weil solcher verlangt, daß sie ihre Kinder gantzer 7 Jahre, nemlich vom 7. bis zum 14. Jahre bey ihm in der Schule halten und also für 7 Jahre Schulgeld entrichten sollen, Beschwerde zu führen. denn die Supplikontes können garnicht einsehen, da der schlechte Schulweg es den Kindern unmöglich macht bey etwa einfallender schlechter Witterung nach der Schule zu gehen und die selbe in den 7 festgesetzten Schuljahren gewiß keine 4 Jahre ordentlich die Schule besuchen können (und jetzt kommt der Haken!), wie denn der Schulmeister Lüer das gantze Geld für 7 Jahre verlangt!“

Aber die Antragsteller müssen sowohl die rückständigen Schulgelder als auch in Zukunft  für volle sieben Jahre das Schulgeld entrichten.

Lüer ist seit 1784 in zweiter Ehe mit Frau Luise Marie (Witwe) Mathis aus Minden verheiratet. Aber auch dieses Eheglück scheint nicht von langer Dauer gewesen zu sein, denn am 25.10.1789 wird erneut eine Eheschließung, diesmal mit der Witwe Anna Cathrine Blocks aus Valdorf, beurkundet. Sein Alter ist mit 60, das seiner dritten Frau mit 50 angegeben. Lüer stirbt am 13. Februar 1797 im Alter von 67 Jahren. Zahlreich sind die Interessenten für die freie Stelle. Die Bischofshagener Eingesessenen Stümeyer Nr. 5, Sander Nr. 48, Bögeholz Nr. 9. Alte Krüger Nr. 14, Meier Nr. 12, Kemper Nr. 3, Eickhoff Nr. 7 unter der Führung des Vorstehers Krüger Nr. 62 setzen sich für Schullehrer Schröder aus Spradow ein, „zu dem die Kinder mit Vergnügen in die Schule eilten“. Pastor Weihe wünscht den Seminaristen Midding, dessen Vater der vor 10 Jahren verstorbene Schullehrer in Muccum war, oder den Schulmeister Sieveking aus Tennigern, der nach seinen eigenen Angaben noch nicht ganze 40 Taler im Jahre verdient. Außerdem bewerben sich noch David Kniper aus Wulferdingsen, früher Wehe (Amt Rahden) und der Seminarist Ernst Karl Huly. Huly dient beim Hochlöblichen von Schladenschen Regiment und wurde infolge einer Verwundung als Invalide entlassen. Er bekam keine Rente, da er im Schuldienst untergebracht werden sollte. Er ist in Gohfeld ansässig geworden und im Jahre 1795 in das Minden-Ravensbergische Schulmeisterseminarium aufgenommen und hat fleißig dem Unterricht beigewohnt. Ihn empfiehlt der Sup. Westermann. Aus der Prüfung, der er sich mit Midding und Sieveking unterziehen muß, geht er als der Beste hervor und wird am 14. März 1797 in Bischofshagen angestellt.

Am 1. Oktober 1807 übernimmt Karl Ernst Huly Die Küsterstelle in Valdorf. Er starb am 27. Februar 1828 im Alter von 61 Jahren in Valdorf. In einem Beitrag zur Schulchronik in Valdorf von Pastor Meyer zu Spradow heißt es:

„Huly war den Aussagen seiner Schüler einsehr ernster, der pietistischen Frömmigkeit seiner Zeit zugeneigter Mann. Er hielt nicht nur streng auf Ordnung, sondern gestattete auch den Kindern z. B. kein Schneeballwerfen oder „Schurren“ auf dem Eise. Mit den Konfirmanden pflegte er sehr ernst und eindringlich zu reden und kniend zu beten. Gar manche haben damals tiefe Eindrücke empfangen. Auch hielt er streng an der hergebrachten Sitte, den ganzen Herforder Katechismus auswendig lernen zu lassen, im Gegensatz zu dem damaligen Pastor, welcher in den wenigen Wochen des Konfirmandenunterrichts (6 Wochen im Herbst und 6 Wochen vor Ostern) nur wenige kurze Sprüche lernen ließ.“

Als Nachfolger Hulys in Bischofshagen meldete sich der Seminarist und Buchbinder Friedrich Wilhelm Büter. Er war auf der Kriegs- und Domänenkammer in Minden als Buchbinder tätig, verlor aber diese Stelle infolge der Fremdherrschaft und mußte „unter dunklen Umständen“ seine Familie ernähren. Sein Bewerbungsschreiben ist fast künstlerisch ausgestattet. Büter der 34 Jahre alt ist und Vater von 5 Kindern ist, wird zunächst auf ein Jahr probeweise in Bischofshagen beschäftigt, um dann allerdings endgültig bestätigt zu werden.

Es scheint ihm auch in Bischofshagen sehr schlecht zu gehen. „Man stellt es sich gar in der Stadt nicht vor, wie viel dazu gehört, wenn man auf dem Lande sich einrichten soll und nichts dazu hat,“ Mit Rücksicht auf seine Notlage schlägt die Regierung sogar die Bestellungsunkosten von 7 Talern, 3 Groschen und 6 Pfennigen nieder und stundet ihm die 10 Taler Seminarunkosten. Im Jahre 1819 wurde die Schule von 140 Kindern besucht. Im Sommer 1820 wurde das Schulhaus mit einem Kostenaufwand von 1100 Talern neu erbaut. Büter starb 1824. Seine hinterlassene Frau Henriette Elisabeth Berger ertrank am 15. Dezember 1825 in einer Wasserpfütze infolge ihrer Trunkenheit. Die durch den Tod Büters freigewordene Stelle wurde interimistisch dem zweiten Sohn des Verstorbenen übertragen. Im Juli 1826 wurde der zu Langern bei Petershagen tätige Lehrer Johann Friedrich Wehde in Bischofshagen angestellt. Er war verheiraten mit Dorothea Eleonore Heuer. Über ihn schreibt die Gohfelder Gemeindechronik im Jahre 1827:

„Schließlich muß noch bemerkt werden, was durch den Schullehrer F. Wehde bemerkbar geworden ist. Ordnung und Fleiß sind unter den Kindern herrschend geworden, und man muß sich freuen, wenn man ihren Wachstum in Erkenntnis und Sittlichkeit bemerkt, so daß die Schule gegenwärtig der hiesigen (Gohfelder) nicht nachsteht.“

Leider verließ Wehde schon im Jahre 1830 Bischofshagen wieder, um die Kantorstelle in Quernheim zu übernehmen. Lehrer Wilhelm Weber, der, von Quernheim kommend, seine Stelle übernahm, hat nur kurze Zeit hier gewirkt. Am 9. März 1832 starb Weber am Nervenfieber, wodurch die Familie besonders hart getroffen wurde, zumal einige Wochen vorher sein älterer Bruder, der Schulamtskandidat Weber, durch dieselbe Krankheit dahingerafft war. –

Im Januar 1833 übernahm Lehrer Friedrich Wilhelm Jungcurt, geboren am 17. 10. 1807, den Schuldienst in Bischofshagen. Jungcurt, der von Hüllhorst kam, hat in Bischofshagen viele Jahre treu gedient. Er war verheiratet mit Karoline Friederike Nolte. – Schon im Jahre 1833 mußte das Schulhaus, das erst einige Jahre vorher gebaut war (1820), mit großem Unkostenaufwand repariert werden. – Im Jahre 1847 erhielten die beiden Schulen Bischofshagen und Gohfeld vom König die Hirschberger Bibel. – Friedrich Wilhelm Jungcurt folgte im Jahre 1851 einem Rufe nach Friedewalde, wo er als Lehrer Kantor und Küster bis 1862 wirkte. Er kehrte dann in die hiesige Gegend zurück und übernahm Lehrer- und Kantorstelle in Gohfeld. Nachdem er noch zehn Jahre im Ruhestand gelebt hatte, starb er im Jahre 1890 in Schlüsselburg. Seine sterbliche Hülle aber wurde auf dem Gohfelder Friedhof beigesetzt. –

Als Nachfolger Jungcurts wirkte Lehrer Heinrich Wehmeier in Bischofshagen. Am 14. Juni 1841 in Babbenhausen geboren, besuchte er die Präparandenanstalt in Friedewalde und das Seminar in Petershagen. Über Maßlingen und Meßlingen, wo er sich verheiratete, kam Wehmeier nach Dützen. Der junge Hilfsprediger des Pastors Klette in Gohfeld, E. Kuhlo, versuchte ihn nach Bischofshagen zu ziehen, jedoch nahm er die Stelle hier erst an, als sie ihm von der Regierung angeboten wurde. Am 7. Dezember 1851 wurde er von Pastor Klette in der Kirche in sein Amt eingeführt. In Gohfeld und in der ganzen Umgebung war er in der christlichen Gemeinschaft tätig. Lehrer Wehmeier hielt auch in der Schule zu Bischofshagen häufig Versammlungen ab, die von nah und fern stark besucht wurden. Im Jahre 1856 schied dieser Lehrermissionar von Bischofshagen und folgte einem Ruf nach Heimsen an der Weser. Hier starb er am 12. Dezember 1877 als Vater von neun Kindern. –

Auf Wehmeyer folgte Lehrer Westermeyer, der allerdings nicht lange in Bischofshagen amtierte. Er wurde Vorsteher des Rettungshauses in Schildesche, wo er bald darauf verstarb. – Einen klaren Blick in die Schulverhältnisse Bischofshagens erhalten wir aus Aufzeichnungen des Lehrers Hampe, der im November 1857, nach dem interimistisch ein Schulamtskandidat Fischer hier wirkte, die Bischofshagener Lehrerstelle übernahm.

Hampe erscheint als ein äußerst gewissenhafter und tüchtiger Lehrer, Zunächst können wir ein Blick in die durch viermaligen Lehrerwechsel beeinträchtigte inneren Schulverhältniss tun. Der neue Lehrer beantragt bei seinem Schulinspektor eine Schulrevision,

„um festzustellen, auf welchem Standpunkt sich die Schule befindet.“ – „Dabei mußte mich“, so schreibt Hampe weiter, „neben der Wahrheit, daß es sehr schwer ist, eine solche Schule bei einer großen Kinderzahl (etwa 200) und hemmenden localen Verhältnissen zu haben, vor allem die Rücksicht leiten, daß bei einer späteren Revision unzweifelhaft dasjenige mir zur Last gelegt werden könne, wovon der Grund in Umständen vor meiner beginnenden Thätigkeit in der Schule zu suchen sein dürfte,“ – „Von den in den Schulregulativen angeordneten Lehrgegenständen sind folgende nach dem bisher maßgebend gewesenen Plan in Behandlung gewesen:
I.Classe: Bibl. Geschichte 2 Stunden, Schönschreiben 2 Stunden, Rechnen 2 ½ Stunden, Katechismus, Hersagen und erklären 2 ½ Stunden, Gesang 2 Stunden, Lesen 4 Stunden, Sa. 15 Stunden wöchentlich.
II. Classe: Bibl. Geschichte 2 Stunden, Schreiben und Lesen 5 ½ Stunden, Rechnen 2 Stunden, Katechismus Hersagen und Erklären 3 Stunden, Gesang 2 ½ Stunden; Sa. 15 Stunden wöchentlich, Total 30 Stunden.“ Zu den Leistungen in den einzelnen Fächern werden folgende Angaben für die 1. Klasse gemacht: „Bibl. Geschichte: Geübt im Erzählen sind die Kinder nicht; und einzelne Geschichten als: Paradies, Sündenfall, Kain und Abel, Isaaks Opferung. – Geburt Christi (erst jetzt zu Weihnachten geübt) sind mehr dem oberflächlichen Inhalt nach bekannt, als daß sie erzählt werden können. – Schreiben: Fast kein Schüler ist imstande, auch nur richtig abzuschreiben. Rechnen: Tafelrechnen wenig oder garnicht geübt. Das Einmaleins ist selbst der ersten Abtheilung nur zum Theil geläufig. Die erste Abtheilung rechnet leichte Regeldetri-Exempel; die 2te Abtheilung wenig in den 4 Species geübt: alles nur (in beiden Abth.) in ganzen Zahlen. Katechismus: Die fünf Hauptstücke mit Luthers Erklärung nebst einigen Gesängen und Sprüchen nur den Konfirmanden geläufig. Lesen erhebt sich bei den größten Schülern kaum über fertiges Wörterlesen, in unteren Bänken ist kaum ein Wörterlesen erreicht. Gesang: Es sind ziemlich viele Choralmelodien und einige Lieder geübt; nur ist beim Singen zu sehr ein Schreien bemerkbar. Geographie-, Vaterlands- und Naturkunde sind gänzlich unbekannt; Die Karte von Palästina war beispielweise den Schülern ein ganz neuer Gegenstand. Von Aufsatz keine Spur.“

Diese Angaben werden durch eine Revision, im Jahre 1858 durch Pastor Kuhlo im Beisein des Amtmanns Mahlendorf, Kantors Hönighaus, Lehrers Poos, sämtlich aus Gohfeld, und des Bischofshagener Schulvorstandes und der Mitglieder des Presbyteriums aus Bischofshagen bestätigt.

Der Konsistorial- und Schulrat Winzer aus Minden bestätigt bei seiner Revision am 27. Mai 1858, daß die Leistungen der Schule den normalen Anforderungen nicht entsprechen, „dagegen der jetzige Lehrer Hampe während seiner erst halbjährigen Amtsführung hier selbst mit gutem Erfolge bemüht gewesen“.

An Inventarstücken fanden sich im Schullokale vor: eine Wandkarte von Deutschland von Hartke, Eine Wandkarte von Palästina von Möller, eine Karte zur biblischen Geschichte von Rau. Diese Karten waren ganz von Staub und Schmutz vergraben und waren, weil sie ungenutzt an einer feuchten Wand gelegen haben, zum Teil verdorben.

Außerdem waren vorhanden eine Hirschberger Bibel, stark benutzt. Sie scheint wenig geschont zu sein, und zwei verstaubte alte Hefte mit Schriftstücken. Die Schwierigkeiten, auf die Hampes Maßnahmen zur Erzielung einer straffen Schulzucht stießen, veranschaulichen Angaben des Lehrers an seine vorgesetzte Behörde und auch Beschwerden einiger Eltern über denselben bei den Schulinspektoren in reichem Maße. Aber nichts konnte Hampe von seinem Ziel abbringen. Auch über die Einkünfte der Schulstelle erhalten wir interessanten Aufschluß. Nach einem Etat vom 29. Mai 1856 ist das Einkommen der Bischofshagener Schulstelle auf 211 Reichstaler veranschlagt. Es setzt sich zusammen aus dem Schulgelde, einem Legat von 24 Reichstalern, den Leichengebühren und dem Ertrag des Ackers. Das Schulgeld beträgt pro Kind 22 ½ Silbergroschen, das macht bei 200 Kindern 150 Reichstaler. Das nicht in Ansatz kommende Feuerungsgeld, pro Kind 2½ Silbergroschen, beläuft sich auf 16 2/3 Reichstaler! „Mit diesem Betrage ist kaum auszukommen, da Brennmaterial und Fuhrlöhne hoch im Preise stehen und der große Schulofen schwer zu heizen und das geräumige Schulzimmer kalt, feucht und zugig ist.“  Die Leichengebühren sind mit 4 Reichstalern veranschlagt, haben aber in den letzten Jahren diesen Betrag nicht erreicht. Das gesamte Bareinkommen beträgt somit 178 Reichstaler, so daß der Ertrag des Ackers mit 33 Reichstalern veranschlagt ist, der aber im Hinblick auf die geringe Güte des Landes bei weitem nicht erreicht wird. Die Bitte des Lehrers, das Schulgeld für die die Schule Bischofshagen besuchenden Kinder auf einen Reichstaler heraufzusetzen, wird von der Königlichen Regierung in Minden ab 1. Januar verfügt.

Die äußeren Verhältnisse der Schule im Jahre 1857 sind von Hampe in einer persönlichen Aufzeichnung so drastisch geschildert, daß sie hier wörtlich wiedergegeben werden sollen.

„Alles wüst; der Garten ringsum offen, übrigens keinem Garten gleichend, kreuz und quer Pfade! Vernachlässigung überall, verwüstet. Das Backhaus Gemeindegut, Gruben und Löcher ringsum; keine feste Hecke, keine Pforte! Die Wände am Hause ab- bzw. ausgefallen, das Dach an 20 Stellen durchregnend. In der Küche greulich., kein Herd, keine Bank, sonder nur Haufen Lehm und Steine; in Stuben und Kammern Mauselöcher in dem Fußboden, nichts geweißt, abgefallende Wände; Fensterbänke voll Schmutz, vielleicht seit 30 oder mehr Jahren ohne Anstrich, kaum ein Fenster zu öffnen, Haken und Eisen fehlen. Im ganzen Haus nicht eine einzige Thür (selbst die Haustür nicht) verschließbar. Anstatt der Schlösser Stallthür-Drücker! Eine wahre Sauwirtschaft, dabei die Unordnung unter den Schülern, die alles ringsum im Haus verunreinigten. An schrubben des Fußbodens wohl nie gedacht; es war kein Grund hineinzubringen. Mit vieler, vieler Mühe und unter vielen Unannehmlichkeiten, wobei Herr Amtmann Mahlendorf in Gohfeld mit lobenswerther Hülfe bereitwillig Hand anlegte und das Ganze förderte.“   

Und nun noch etwas von der übrigen Reformationsarbeit Hampes. Es kann hier jedoch nur das Wesentlichste aufgezählt werden. 1858 bzw. 1859 wurden Linden auf dem Schulplatze angepflanzt. die beiden schönsten vielen dem letzten Schulneubau zum Opfer. die letzte und kümmerlichste zeugt noch heute von der verschwundenen Pracht. Der Schulplatz wurde eingeebnet, ebenso der Platz zwischen Schulhaus und Backhaus eingeebnet und eingefriedigt. Die Südliche Hälfte von dem Grundstück neben dem Schulhaus (heute Schulplatz), bisher wüste, steinige Heide mit Holweg, wurde 1858 von der Gemeinde bollwerksweise  kultiviert (etwa 2 ½ Morgen). Außer der Wiese (1859) wurden einige kleine Gärten angelegt und eine ganze Anzahl von Obstbäumen gepflanzt. Die Hecken wurden gepflanzt, das Ackerland gemergelt und verbessert und die Gebäude instandgesetzt. Eine Handzeichnung gibt über den früheren und den neuen Zustand ein klares Bild.

Hampe konnte sich jedoch nicht für dauernd in Bischofshagen wohlfühlen, wahrscheinlich hatte er zu viele Gegner innerhalb der Gemeinde, die seinen scharfen Reformarbeiten innerhalb und außerhalb der Schule entgegenstanden, und er siedelte nach Warburg über. Hier ist er, in Bischofshagen schon augenleidend, fast erblindet, kurz nach 1900 gestorben. Im Jahre 1860 folgte auf Hampe der Lehrer Karl Krone, Sohn eines Försters. Er war unverheiratet und hatte mehrere Geschwister bei sich, die ihm zunächst den Haushalt führten. Später verheiratete er sich mit der Witwe Benker geb. Thiesmeyer aus dem Thieskrug, Jöllenbeck 64 (Wittel). Von da ab wohnte er auch nicht mehr in der hiesigen Schule, sonder im Thieskrug. Im Oktober dieses Jahres nahm er eine Lehrerstelle in Bad Oeynhausen an. Er schied ungern von Bischofshagen, wo er sehr beliebt war, aber seine Frau trieb zum Wechsel, da sie gebürtig aus der Gemeinde war. Krone Starb 1902 in Bad Oeynhausen.

Nach Krones Abgang kam im Jahre 1869 der Lehrer Luis Nolting nach Bischofshagen. Er war gebürtig aus Herford und hatte zuvor das Bäckerhandwerk erlernt. Die Kolone Stuke Nr. 2 und Bögeholz Nr. 9 holten ihn mit Wagen aus Neuenknick bei Windheim. Er war mit der Schwester seines Vorgängers, Emma Kron, verheiratet. Während seiner Wirkungszeit erfolgten einschneidende Veränderungen in der Schulgemeinde. Letztere war so stark angewachsen (die Kinderzahl betrug 108 Knaben und 104 Mädchen, zusammen 212 Kinder), daß man sich dazu entschloß, im Jahre 1876 eine neue Schulgemeinde auf dem Wittel zu bilden. Dieser neuen Schule wurden die Ortsteile Auf dem Stickdorn, Thran, Kohlflage und Wittel zugewiesen. Die Schlage blieb zunächst bei Bischofshagen. Erster Lehrer auf dem Wittel wurde der Lehrer Pohlmann, später Hauptlehrer in Hausberge.

Inzwischen war auch der nördliche Teil der Schulgemeinde sehr aufgeblüht. Durch Abtrennung wurde auch hier ein neuer Schulbezirk gebildet. Im Herbst 1882 wurde die einklassige Schule am Bahnhof Löhne von dem Lehrer Heinrich Wörmann übernommen.

Lehrer Nolting erkrankte zu Beginn der achtziger Jahre an der Zuckerkrankheit, welche ihn zeitweilig zum Unterricht unfähig machte. Es wurde ihm 1883 ein persönlicher Gehilfe in Person des abgegangenen Seminaristen Krugmann bewilligt. Da letzterer selbst krank war, verließ er die Stelle bald wieder, und im Jahre 1884 kam der aus Lippstadt gebürtige Friedrich Feit (nach dem ersten Weltkrieg Schulrat in Minden II) zur Unterstützung Noltings nach Bischofshagen. Als Feit im Oktober 1884 die zweite Lehrerstelle in Gohfeld übernahm, unterrichtete bis Oktober 1885 der Schulamtsbewerber Hermann Niemann aus Windheim an der hiesigen Schule. Lehrer Nolting, der zum ersten Oktober 1885 pensioniert wurde, starb schon im nächsten Jahre in Löhne-Bahnhof.

Die Stelle Noltings übernahm am 1. Oktober 1885 der Lehrer Gottlieb Oldemeyer aus Laar bei Herford gebürtig. Er kam aus Frotheim bei Lübbecke, wo er seit Mai 1881 tätig gewesen war. Die Schülerzahl betrug damals 135. Schulvorsteher waren zu der zeit Kolon Baumann gen. Vieselmeyer, Bischofshagen 28, und Kolon Zacharias Kämper, Bischofshagen Nr. 7. Bauerschaftsvorsteher war der Kolon Stuke (Meinert), Bischofshagen Nr. 16. Das Einkommen der Lehrerstelle betrug 1065 Mark (einschließlich 15 Mark Leichengebühren). Die Schulgrundstücke hatten eine Größe von etwa 11 Morgen und waren mit 110 Mark auf das Gehalt angerechnet. Das von Oldemeyer bezogene Wohnhaus hatte zwei Stuben, drei Kammern, eine Mädchenkammer und eine Speisekammer. In einem Nebengebäude befanden sich die Stallungen und ein Backofen. Die 1842 neuerbaute Schule war nicht solide gebaut (die damals abgebrochene Schule stand etwa 1oo Meter westwärts, etwa der Besitzung Nr. 57 gegenüber). Die Überlieferung sagt, daß der Bauunternehmer das Bauholz zum Teil bei Nacht und Nebel aus dem Salzufler Walde gestohlen habe. Jedenfalls wurde das Gebäude schnell baufällig. Die Balkenlage war so schwach, daß schon zu Noltings Zeiten gestützt werden mußte. So störten im Klassenzimmer vier mächtige Eichensäulen.

Das jetzige Schulhaus wurde im Jahre 1892 erbaut, und zwar mit zwei Klassenzimmern. Der Unterrichtsbetrieb wurde während dieser Zeit auf der Deele des Kolons Johannsmeier (Dirksmeier) Nr. 11 aufrechterhalten. Von dieser Zeit ab amtierten zwei Lehrer in Bischofshagen, und zwar neben Oldemeyer bis 1899 Lehrer Hempelmann, von 1896 bis 1899 Gustav Niemann, und von 1899 bis 1907 Heinrich Tappe und bis 1912 Lehrer Gante. Lehrer Odemeyer, der in den letzten Jahren stark an Asthma litt, erkrankte im Sommer 1911 ernstlich, und die Lehrer Kleymann und Meyer-Arend aus Löhne-Bahnhof gaben bis zum Herbst 1911 vertretungsweise Unterricht in Bischofshagen. Zum 1. Oktober 1911 wurde Lehrer Paul Kadow aus Kramske in Westpreußen mit der Vertretung des ersten Lehrers beauftragt. Am 24. Oktober 1911 erlag Lehrer Oldemeyer seinem schweren Leiden, und im April 1912 wurde die Schulleiterstelle durch den Lehrer Heinrich Steffen, der vorher in Mennighüffen, Löhne-Bhf. und am Gymnasium Fridericianum in Davos (Schweiz) tätig gewesen war, wieder entgültig besetzt. – Am 1. Oktober 1912 wurde im Schulverbande Gohfeld der Hauswirtschaftsunterricht für die Mädchen des letzten Jahrganges eingeführt und die technische Lehrerin Fricke eingestellt.

Der Ausbruch des Weltkrieges 1914 wirkte sich naturgemäß auf die Schule Bischofshagen aus. Lehrer Kadow, der sich während der Sommerferien in seiner Heimat befand, trat in Schneidemühl als Kriegsfreiwilliger ein, rückte im Oktober nach dem Westen aus und nahm an den Kämpfen bei Ypern teil. Er erkrankte im Mai 1915 und wurde, da keine Aussicht für eine gänzliche Heilung bestand, auf Grund einer Reklamation der Regierung in Minden, am 14. März 1916 für den Schuldienst in Bischofshagen freigegeben. – Lehrer Steffen, der seit Beginn des Krieges den Schuldienst in Bischofshagen allein versah, konnte seinen Wunsch, eingezogen zu werden, erst im November 1915 verwirklicht sehen. In der Sommeroffensive im Juli 1916 wurde er schwer verwundet, so daß im das linke Bein am Oberschenkel amputiert werden mußte. Vom 18. November 1915 bis zum 14. März 1916, als beide Lehrer vom Bischofshagen im Heere Standen, erteilte Lehrer Karl Kornfeld den Unterricht an der hiesigen Schule. Da er auch noch in Löhne-Bhf. unterrichtete, erteilte er hier nur 24 Stunden in der Woche. Aushilfsweise unterrichtete auch noch in Bischofshagen die technische Lehrerin Spilker aus Löhne-Bhf. (vom 1. Mai bis zum 1. November 1917).

Als am 1. November 1917 Lehrer Steffen als Kriegsinvalide entlassen wurde, konnte der Unterrichtsbetrieb wieder voll aufgenommen werden. Da beide Lehrer nach dem Krieg krankheitshalber beurlaubt werden mußten, versahen Lehrer Nesenhöner (Oktober 1919 bis Ende Januar 1920), Lehrerin Hagemeister (Oktober bis Dezember 1919 und Lehrer Hamelmann bisher in Halstern (Februar 1920 bis April1921) den Schuldienst. – Die Kinderzahl betrug am 1. Mai 1919  170.

Mit Rücksicht auf die hohe Schülerzahl wurde dann von der Regierung bzw. von der Schulleitung der Antrag auf Einrichtung der dritten Lehrerstelle an der Schule zu Bischofshagen gestellt und am 19. Januar 1920 von der Gemeindevertretung einstimmig angenommen und der Lehrer Heinrich Ottensmeier, gebürtig aus Bischofshagen, Schulbezirk  Wittel, vom 16. Februar 1920 ab als dritter Lehrer angestellt.

Während der Ruhrbesetzung durch die Franzosen sammelten die Bischofshagener Schulkinder für die Kinder der besetzten Gebietes 64 Pfd. Wurst und Speck, ein Pfund Butter ein Pfd. Graupen 100 Pfd. Bohnen und Erbsen, 15 Pfd. Backobst, 19 Pfd. Brot, 44 Pfd. Mehl, 22 Pfd. Kartoffeln und 23 Eier. Von den Lehrern der Schule wurden diese Lebensmittel zur Sammelstelle nach Dortmund gebracht und von dort der Schule in Wanne übersandt, wo mehr als hundert Kinder, für die kein Vater mehr sorgen konnte, damit eine rechte Freude bereitet wurde.

Am 15. September 1923 fand auf der Becker Wiese erstmalig das das Spiel- und Sportfest der Schulen des Amtes Löhne statt. Auch eine größere Anzahl Bischofshagener Kinder kehrte als Sieger heim.

Am 1. April 1925 schied Hauptlehrer Steffen nach 13-jähriger Tätigkeit von Bischofshagen, um die Rektorstelle in Gohfeld anzunehmen. Lehrer Windmann von Melbergen-Süd wurde zu seinem Nachfolger gewählt. Im Herbst desselben Jahres wurde auch Lehrer Heinrich Hamelmann nach Gohfeld und für ihn Lehrer Rosenbaum nach Bischofshagen versetzt. Da dieser erkrankt war, übernahm Lehrer Paul Schröder die Vertretung bis zu Rosenbaums Pensionierung am 1. April 1926 und von da an planmäßig die Stelle.

Das Abbaugespenst schwebte schon einige Jahre über der Schule, aber die Rückentwicklung der Schule war bisher immer noch vermieden worden. Jedoch am 1. April 1928 beschloß die Gemeindevertretung den Abbau der dritten Lehrerstelle. Wenn auch auf den Einspruch der Elternvertreter Berlin den Abbau nicht genehmigte, so ruhte doch die Stelle vom 1. Mai 1928 bis zum 1. April 1929. Lehrer Schröder wurde nach Wittel versetzt; Lehrer Rudolf Biermann amtierte währen dieser Zeit als Hilfslehrer in Bischofshagen. Die planmäßige Stelle übernahm dann am 1. April 1929 der Lehrer Heinz Schulte

Von besonderer Bedeutung für die Schule war das Jahr 1931. Zunächst ging der langgehegte Wunsch nach einem größeren Schulplatz in Erfüllung. Im Januar begannen die Bodenarbeiten auf dem zwischen Postweg und der Straße Wittel-Löhne unter Hampe urbar gemachten Gelände und waren zu Ostern fertiggestellt. Damit hat Bischofshagen gleichzeitig einen, wenn auch kleinen, Sportplatz erhalten.

Am 1. August verließ Lehrer Ottensmeier Bischofshagen, um eine Stelle in Löhne-Bhf. zu übernehmen. Lehrer Fritz Enkemann wurde sein Nachfolger. Aber im folgenden Jahre machte die schlechte Finanzlage des Reiches einen großen Abbau nötig. In der Gemeinde Gohfeld wurden drei Lehrerstelle (Löhne-Bhf., Wittel und Bischofshagen) abgebaut. Gleichzeitig wurde der nördliche Teil der Krügersiedlung vom Schulbezirk abgetrennt und Löhne-Bhf. zugeteilt. Lehrer Enkemann wurde nach Wittel, Lehrer Schulte nach Ilvese (Kreis Minden) versetzt. Lehrer Heinrich Ottensmeier kam am 15. April 1932 nach Bischofshagen zurück. Zunächst erhielt die Schule noch einen Zuschußempfänger als Hilfskraft (Schulamtsbewerber Ottensmeyer aus Gohfeld und Freimuth aus Grimminghausen); aber nach kurzer Zeit waren nur noch zwei Lehrer an der Schule. Am 1. Oktober 1933 verließ Hauptlehrer Windmann Bischofshagen, um die Hauptlehrerstelle in Schweicheln zu übernehmen. An seine Stelle trat Lehrer Walter Gloerfeld aus Schweicheln.

Die Machtübernahme durch den Nationalsozialismus hatte auch für den Schulbezirk Bischofshagen seine besonderen Auswirkungen. Als die Stadt Herford Garnison wurde, wurde bei der Suche nach einem Standortübungsplatz das Bischofshagener Gelände zwischen Postweg und Langer Straße als geeignetestes festgehalten. Im Süden greift der Plan über den „Brömkensbach“ hinaus in die Gemeinde Schwarzenmoor, im Norden reicht er bis zu den Höhenrücken. Im Westen wird der Platz über den Postweg hinweg bis zu dem Nagelsche Waldgelände (Habaroa) ausgedehnt, während im Osten die Grenze über die Lange Straße bis fast zum Gehöft Richter 21 vorgeschoben wird. Die Hauptverhandlungen werden am 3. September 1934 von Amtsbürodirektor Schepper zum Abschluß gebracht. Erforderlich waren allein in Bischofshagen Grundstücke in der Gesamtgröße von 92,2978 ha. Es wurden zum Austausch angekauft der Hof Krüger (Alte Krüger), Bischofshagen Nr. 14 (Besitzerin Frau Johanne Krüger geb. Westerhold) und Baumann („Visemeier“), Bischofshagen 28 (Besitzer Dietrich Möller, Exter). Dadurch erübrigte sich der geplante Ankauf der Besitzungen Kardinal 77, Flottmann 116, Schneider (Tilker) 29, Selberg 278, Stuke 53 und Vogelsang 35. Der Bauer Hermann Stuke (Stuken Caspars-Herm) verzichtete mit Rücksicht auf sein Alter auf Ersatzland. Tacke 22 erhält den Resthof Krüger (Alte Krüger) 14, Kuhlmann 86 den Resthof Baumann (Visemeier) 28. Der Kaufpreis wurde mit 850 bis 1200 RM je Morgen festgelegt. Es wurden zum Platz benötigt 92 ha 29 a 78 qm. Es wurden erworben 136 ha 48 a 43 qm. Es blieben somit zum Austausch 44 ha 18 a 65qm. Die Forderungen in Barbeträgen sind 430 262 RM. Mit wehem Herzen sah der Natur und Heimatfreund die Anlage des Platzes, da die schönste Ecke unseres Schulbezirkes damit der Verschandelung und Verwüstung freigegeben wurde. Am 1. April 1939 wurde der südliche Teil der Krügersiedlung (Eckernkampsiedlung), der 1938 noch durch eine Kinderreichensiedlung erweitert worden war, von unserem Schulbezirk abgetrennt und dem Schulbezirk Löhne zugeteilt. Das war nun die dritte Beschneidung des hiesigen Schulbezirkes zugunsten der Schule Löhne-Bhf. und damit eine erneute Hemmung in der Entwicklung unserer Schule. Der Kriegsausbruch gegen Polen am 1. 9. 1939 brachte auch für unsere Schule einschneidende Veränderungen: Lehrer Ottensmeier wurde bereits am 26. 8. 39 zur Wehrmacht eingezogen. Der Schulunterricht wurde bei Kriegsbeginn allgemein für einige Wochen ausgesetzt. Lehrer Gloerfeld blieb bis zum Ende des Schuljahres allein (109 Kinder). Mit Wirkung vom 1. 5. 40 übernahm Lehrer Martin Beyer aus Herford an drei Tagen die Vertretung des einberufenen Lehrers Ottensmeier. Seit Beginn des Westfeldzuges mußte wiederholt Fliegeralarm gegeben werden. Nach nächtlichem Fliegeralarm beginnt der Unterricht erst um 10 Uhr statt um 9 Uhr. Die Aufnahme der Lernanfänger wurde 1941 bis nach den Sommerferien hinausgeschoben und damit allgemein auf Anordnung des Ministers der Beginn des Schuljahres auf den Sommer verlegt. Die Entlassung der Konfirmanden erfolgte jedoch wie bisher zu Ostern. – Der angeordnete Ernteeinsatz der Schuljugend wurde an drei Tagen durchgeführt. der entgegenstehende Unterricht fällt aus. – Von der Schulbehörde wurde am 23. 10. 42 angeordnet, daß mit Rücksicht auf die beschränkte Stundenzahl und die Zeitforderung, soweit das nicht schon geschehen, biblische Geschichte des Alten Testaments  auszuschalten seien. Die bisher übliche Morgenandacht, bestehend aus religiösem Lied und Gebet, wurde bereits ab 27. 7. 41 durch nationale Lieder und Aussprüche des „Führers“ ersetzt. – Unter dem 12. 5. 43 verfügte der Schulrat Dr. Salge, daß Lehrer Beyer von Bischofshagen zurückgezogen wurde und nun den Schulen Wittel und Melbergen-Süd zur Verfügung steht. Die Schüler der oberen Jahrgänge werden mit Wirkung vom  26. 5. 43 auf die Schulen Löhne-Bhf. und Wittel verteilt. Die Grundschule wurde von Lehrer Gloerfeld in Bischofshagen unterrichtet. Lehrer Ottensmeier wurde infolge von Dienstuntauglichkeit im Oktober 1943 bis zu seiner Entlassung beurlaubt und nahm am 1. 11.  den Unterricht wieder auf. Seine endgültige Entlassung aus dem Militärdienst erfolgte am 13. 3. 44. Vom 1. 11. 43 ab wurden wieder alle Kinder in Bischofshagen unterrichtet. Lehrer O. stand an zwei Tagen der Schule Wittel zur Verfügung. –

Ab 15. 3. 1944 werden die Schüler bei Luftwarnung nach Hause geschickt. Selten verging noch ein Tag ohne Unterbrechung des Unterrichts.

Am 29. 4. 1943 wurde das neue Amtswasserwerk in Bischofshagen in Betrieb genommen. Die Schule konnte ebenso wie der höhergelegene Teil des Schulbezirkes nicht an die Wasserleitung angeschlossen werden. Das endgültige Bohrloch hatte eine Tiefe von 70 Metern.

Der verstärkte feindliche Luftkrieg und die nicht mehr aufzuhaltende eigene Niederlage machten sich auch in unserer Heimat immer mehr bemerkbar. Im Frühjahr 1944 stürzten kurz nacheinander aus den nach Hunderten zählenden Bombenge-schwadern zwei viermotorige amerikanische Bombenflugzeuge in unserem Schul-bezirk brennend ab. Das eine fiel im Hellweg auf da Grundstück Schepper, das andere unweit des Gehöftes Johannsmeier 11 auf den Acker von Bauer Bögeholz. Beide Flugzeuge brannten vollständig aus. Personen kamen dabei nicht zu Schaden, da die Besatzungen vorher mit Fallschirmen abgesprungen waren. Im November fielen besonders bei Nacht zahlreiche Einzelbomben in der näheren und weiteren Umgebung. Am 18. November viel die erste Bombe in unserem Schulbezirk in unmittelbarer Nähe des Gehöftes Augustin 101. Außer einigen Fensterscheiben war kein Schaden zu beklagen. Am 17. Januar 1945 fielen weitere sechs schwere Bomben, beginnend bei Bögeholz Nr. 9, endend bei Augustin 63. Schwerbeschädigt wurden die Häuser Diestelhorst 173, Augustin 63 und Müller 63. Fast sämtliche Häuser des Lehmstiches wiesen mehr oder weniger starke Beschädigungen auf. Sogar die Schule hatte an der Nordseite Fensterscheiben eingebüßt.

Der furchtbarste Tag des ganzen Krieges wurde für unsere engere Heimat der 14. März 1945. Während die benachbarten Städte schon früher wiederholt Ziel feindlicher Bombenangriffe waren, war der bedeutende Eisenbahnknotenpunkt Löhne bisher verschont geblieben. In den frühen Nachmittagsstunden des 14. März ließen die über uns stehenden Angriffszeichen keinen Zweifel mehr aufkommen. Die Bewohner der Schule hatten sich, wie so oft in der letzten Zeit im Schulkeller eingefunden, als auch schon die ersten Bomben fielen. Der Versuch, Umschau zu halten, wurde aufgegeben, als das Klirren der Fensterscheiben erkennen ließ, daß auch in unmittelbarer Nähe der Schule Bomben eingeschlagen sein mußten. Der erste Bombenkrater befand sich dann auch etwa 20 bis 30 m südöstlich der Schule im Garten des Landwirts Kruse (Lüttken Kroeger). Die Fensterscheiben an der Ostseite waren sämtlich zersplittert. Auch an der Südseite der Schule mußten einige Klassenfenster, wie Fenster beider Wohnungen mit Sperrholz notdürftig ausgebessert werden. Zahlreiche Bomben waren im Nordteil des Schulbezirks, beiderseits der Löhner Straße, im Hellweg und im Buchholz gefallen. Menschenleben hatte unser Schulbezirk nicht zu beklagen. Hausschäden entstanden besonders bei Hage 416 und wieder Augustin und Müller 63. Die Scheune des Landwirts Richter Depenbrock 80, die durch eine Brandbombe getroffen war, konnte durch das beherzte Eingreifer des Besitzers und seiner Nachbarn gerettet werden. Aber der angerichtete Schaden verblaßte vollkommen gegenüber dem furchtbaren Unglück, das Löhne-Bhf. betroffen hatte. Unter den weit über hundert Toten befanden sich auch einige ehemalige Schüler unserer Schule. – Das erste Klassenzimmer unserer Schule wurde ausgeräumt, um die zahlreichen Obdachlosen und Flüchtlinge unterzubringen. In fast allen Häusern wurden Obdachlose und Flüchtlinge aufgenommen. Bei jedem folgenden Alarm schien fast ganz Löhne in die ländliche Umgebung zu flüchten. Ähnlich war es bei einbrechender Dunkelheit. – Am 21. Dezember fiel der jüngste Sohn des Lehrers Ottensmeier, Siegfried, im Alter von 18 ½  Jahren bei der letzten Westoffensive in Rocherat, westlich von Monschau. Der Beginn des neuen Schuljahres 1945/46 stand ganz im Zeichen des furchtbaren Zusammenbruchs. Schon während der beiden Ostertage (1. und 2. April) hörte man den Kanonendonner aus westlicher Richtung. Deutsche Truppenverbände und einzelne Truppen durchzogen laufend unseren Ort in Richtung Weser. Auch in den Lehrerwohnungen übernachteten noch einzelne Stäbe. Am Tag nach Ostern rückten die ersten amerikanischen Panzer ein. Zunächst flogen aus Richtung des Truppenübungsplatzes einige Panzergranaten ins Dorf, ohne jedoch ernstlichen Schaden anzurichten. Zu Kämpfen kam es hier jedoch nicht mehr. Lediglich das Gehöft Engelbrecht, Jöllenbeck 32, wurde in Brand geschossen, da in Nähe deutsche Soldaten gesehen worden sein sollten. An allen wichtigen Straßenkreuzungen nahmen Panzer Aufstellung. Sofort wurden überall Haussuchungen nach deutschen Soldaten, Waffen und Munition durchgeführt. Das Schulhaus wurde davon ganz besonders betroffen. Alle Sachen und Gegenstände, die verdächtig erschienen, wie Mützen, Koppel, Decken und Photoapparate, wurden verbrannt oder mitgenommen. Auch Alkohol war sehr gefragt.

In den späten Nachmittagsstunde des 7. April mußten die Schule und die Lehrerwohnungen plötzlich innerhalb 30 Minuten für amerikanische Truppen geräumt werden. Nur das Allernötigste und Greifbare an Bekleidung und Lebensmittel konnte mitgenommen werden. Alles andere verblieb in der Wohnung. Die Unterbringung der Lehrerfamilien gestaltete sich sehr schwierig, da außer der Schule auch noch die Gehöfte Homburg 57, Johannmeier 11, Homburg 74, Meyerkamp 452, Tacke 134, Bögeholz 98, Stuke 2 und Breder 85 für amerikanische Truppen geräumt werden mußten. Dazu kam des Morgens und des Nachmittags nur je eine Stunde Ausgehzeit. Familie Gloerfeld kam zunächst bei Markmann 205, dann bei Richter 80 und später bei Kellermeier 35 unter, Familie Ottensmeier bei Detert 79 (Hellweg). Als am 9. April die Truppen weiterzogen, wurde das Schulhaus und die Gastwirtschaft Bögeholz erneut belegt. Nach zwei weiteren Tagen wurden auch diese Häuser wieder frei. Wie es in den Wohnungen und der Schule aussah, was hier zertrümmert und gestohlen war, soll hier nicht näher aufgezählt werden. Für die Schule wurde eine Aufstellung gemacht, die den Verlust auf 3000 Mark bezifferte. Die fehlenden Sachen waren keineswegs sämtlich von den Soldaten mitgenommen worden, sonder die bei den Bauern untergebrachten Polen hatten sich „versorgt“. Darüber hinaus waren aber auch leider eigene Volksgenossen an den Diebereien beteiligt. Die Säuberung der Schule nahm einige Wochen in Anspruch, und Lehrer Ottenmeier schlich jeden Abend hinter Hecken und Zäune entlang zur Übernachtung in die Schule (Ausgangszeit von 6.30 Uhr bis 20.30 Uhr). Als die notwendigen Voraussetzungen für den Wiedereinzug geschaffen waren, wurde das Schulgebäude mit dem Sportplatz und den Häusern Bögeholz 98, Homburg 456, Homburg 487, Jurkewitz 469 und Busch 467 erneut beschlagnahmt. Mitte Mai zog hier eine englische Funkeinheit ein. Auf dem Gelände Homburg 57 und Johannsmeier 11, zwischen Schule und Hellweg, und auf dem Gelände Stühmeier 5 wurden Funkstationen aufgebaut.


100 Jahre Schule Wittel (1976)

aus “Beiträge zur Heimatkunde der Städte Löhne und Bad Oeynhausen“, Heft 5, 1978

1876 von den Schulbezirken Bischofshagen und Gohfeld abgezweigt

Mehrere Jahrhunderte hindurch hatte die Gemeinde Gohfeld, jetzt Ortsteil der Stadt Löhne, nur zwei Schulen, nämlich die Volksschulen in Gohfeld und Bischofshagen. Aber nach dem Ende des deutsch-französischen Krieges und nach der Gründung des deutschen Reiches machte sich auch in dieser Gemeinde ein ungeahnter Aufschwung bemerkbar. Diese Entwicklung läßt sich in etwa auch erkennen, wenn man bedenkt, daß innerhalb von elf Jahren in der Gemeinde Gohfeld  drei neue Schulbezirke begründet und drei neue Schulen gebaut wurden, und zwar Wittel 1876, Löhne-Bhf. 1882 und Melbergen (Süd) 1887. Neben der großen Kinderzahl waren für die Bildung der neuen Schulbezirke die weiten und schlechten Wege von ausschlaggebender Bedeutung.

Am 1. Oktober 1876 wurde der Schulbezirk Wittel aus Teilen der Schulbezirke Bischofshagen und Gohfeld gebildet. Von Bischofshagen wurden die Siedlungsgruppen Wittel, Stickdorn, Thran und Kohlflage, von Gohfeld der Sudbrink, die Burg und Teile vom Neuernhagen abgetrennt.

Trotz der Neugründung des Schulbezirkes Melbergen war die Raumnot in der Schule Wittel nicht behoben, da eben ein Raum in keiner Weise mehr ausreichte. Da beschloß man, ein ganz neues Schulhaus zu bauen, das gleichzeitig als Raum für die Abhaltung von Gottesdiensten für den abgelegenen südlichen Teil der Kirchengemeinde Gohfeld benutzt werden könnte.

Der Grundstein der neuen Schule wurde am 2. November 1900 gelegt. Der Text der im Grundstein vermauerten Urkunde lautet:

„Diese Schule wurde erbaut Anno MDCCCC mit einem Kostenaufwand von 10 000 Mark mit Beihilfe der Königl. Regierung von der Gemeinde Gohfeld n.d. Plänen des Architekten Silken z. Bad Oeynhausen. Nachdem die Beschlußfassung d. Gemeinde am 26. Februar erfolgt war, wurde Anfang Oktober desselben Jahres mit dem Bau begonnen. Die Grundsteinlegung fand in Gegenwart der Unterzeichneten a. 2. November 1900 statt. Mit Gottes Hilfe soll der Bau soweit gefördert werden, daß die Schule am 1. April 1901 ihrer Bestimmung übergeben werden kann.

Wittel am Tage der Grundsteinlegung.

Schrakamp,                                                     Sunderbrink,                                        Dustmann,
Leutnant z. D. Amtmann                           Gemeindevorsteher                      Gemeindevertreter

Sielken                                                            K. B. Grauthoff,                                        Bröker,
Architekt                                               Hilfsprediger auf dem Wittel                               Lehrer,

Baumann,                                                             Rasche,                                       Wittelmeier.“
Schulvorsteher,                                             Bauunternehmer

Auch der Wortlaut einer Anlage soll hier wiedergegeben werden: „Mit diesen Bekenntnisschriften (Neues Testament, Kleiner Katechismus D. Martin Luthers und Herforder Katechismus) übergeben wir unser Bekenntnis dem Grundstein. Froh und Gott dankbar, daß wir noch eine reine lutherische Gemeinde sind. Wir bleiben bei Luthers Lehr, denn Gottes Wort und Luthers Lehr vergehen nun und nimmermehr!

Wittel, 2. XI. a. D. 1900.                                                                       Grauthoff Hilfsprediger.“

Am 24. Mai 1901 fand die feierliche Einweihung der Schule durch den damaligen Kreisschulinspektor Pfarrer August Schlüpmann (Mahnen) statt.

Die beiden Klassenzimmer und das Schulflur waren zu einem Raum zu verbinden, in dem dann bis zum Neubau des Wittleler Gemeindehauses im Jahre 1914 sämtliche Gottesdienste gehalten wurden und sich das Leben der christlichen Vereine abspielte. Sogar einen Turm mit Glocke erhielt die Schule. Noch bis zum Jahre 1960, als das Gebäude abgerissen wurde, hat die Glocke von der Schule aus die Gemeinde zum Gottesdienst im Gemeindehaus geladen. Doch die Witteler Glocke wurde zur „wandelnden Glocke“. Nachdem sie noch etwa vierzehn Jahre ihren Ruf vom Gemeindehaus hatte erklingen lassen, trat sie, nach dem Neubau der Lukaskirche in den Ruhestand versetzt, die große Reise ins ferne Afrika an, um dort ihren Ruferdienst unter den dunkelhäutigen Christen zu tun und damit die Verbundenheit des Wittels mit den afrikanischen Christen zu dokumentieren.

Die zweite Lehrerstelle wurde erstmals am 16. November 1901 durch den Lehrer Eduard Sudbrack, bisher in Lengerheide bei Werther, besetzt und das alte Klassenzimmer zur Dienstwohnung für den zweiten Lehrer durchgebaut. Während Sudbrack seiner einjährigen Militärpflicht genügte, vertrat in Lehrer Wösthoff aus Witten.

Im November 1905 erkrankte Lehrer Bröker an Ischias. Zu dieser Krankheit gesellte sich ein Lungenentzündung, der der Kranke Anfang Februar 1906 erlag. Er wurde unter großer Anteilnahme auf dem Gohfelder Friedhof beigesetzt. – Die erste Lehrerstelle wurde dem bisherigen zweiten Lehrer Eduard Sudbrack übertragen, währen die zweite Stelle der seit März in Wittel aushilfsweise beschäftigte Lehrer Brambach aus Osnabrück übernahm. Im Jahre 1907 wurden die beiden Besitzungen Melbergen 36 und Melbergen 64 wegen der Länge des Schulwegs wieder dem Schulbezirk Wittel zugewiesen. In diesem Jahre mußte die Schule vom 26. Mai bis 8. Juni ausgesetzt werden, da mehr als 70% aller Kinder an Masern erkrankt waren. Ein Kind erlag dieser Krankheit.

Am 1. April 1908 trat das neue Schulunterhaltungsgesetz vom 28. Juni 1906 in Kraft. Es brachte für die Schule in sofern eine Änderung, daß die bisherigen Einzelschulverbände von Gohfeld, Bischofshagen, Wittel, Melbergen und Löhne-Bahf. aufgelöst wurden und ein neuer Schulvorstand für die ganze Gemeinde gebildet wurde. Mitglieder dieses Schulvorstandes wurden Amtmann Schrakamp, Pfarrer Ordelheide, Gemeindevorsteher Sunderbrink, Hauptlehrer Bulk, Kolon Bögeholz für Gohfeld, Kolon Krüger für Bischofshagen, Kolon Baumann für Wittel, Kolon Friedrichsmeier für Melbergen und Kolon Hildebrand für Löhne-Bhf.

Am 1. September 1909 erhielt die Kirchengemeinde Gohfeld den zweiten Pfarrer, der seinen Wohnsitz in Wittel nahm. Pastor Theodor Brünger, der schon fast acht Jahre lang Hilfspredigerdienste in der hiesigen Gemeinde geleistet hatte, wurde am 30. November als zweiter Pfarrer eingeführt. Im wurde die Schulaufsicht über die Schulen Wittel und Melbergen übertragen.

Lehrer Eduard Sudbrack verließ am 1. April 1910 den Wittel, um in seiner Heimat, in Oberheesen bei Bielefeld, eine Schulleiterstelle zu übernehmen. Er ist dort im Jahre 1975 im Alter von fast 93 Jahren verstorben.

Sudbracks Nachfolger auf dem Wittel wurde Lehrer Franz Großjohann aus Gohfeld. Dieser widmete sich sowohl schulisch wie auch in seiner freien Zeit in besonderer Weise der Musik. Es dauerte nicht lange, da waren auf dem Wittel die ersten Trommeln, Flöten und Signalhörner angekommen, und nach wenigen Wochen begleitete eine schneidige Schülerkapelle die Schuljugend auf ihren Wanderungen und Ausflügen. – Die zweite Lehrerstelle übernahm am 1. April 1911 Lehrer August Hellmann aus Enger für den nach Bielefeld versetzten Lehrer Brambach.

Die Bautätigkeit im Schulbezirk Wittel, besonders auf der „Heuchte“, ließ die Schülerzahl wieder auf 200 anwachsen. So wurde dann die Schule a. 1. April 1913 in eine fünfklassige umgewandelt. Als dritte Kraft sandte die Regierung den Schulamtsbewerber Heinrich Wehmeier aus Gohfeld. Man darf sagen, daß hier die Schule auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung stand.

Der Ausbruch des ersten Weltkrieges ließ auch die Witteler Schulverhältnisse nicht ungestört. Die beiden jungen Lehrer wurden eingezogen, und Lehrer Wehmeier fiel im Februar 1915 im Osten, Lehrer Hellmann im Oktober 1917 im Westen. Der Unterricht wurde durch Hauptlehrer Großjohann und die technische Lehrerin Emma Bröker notdürftig aufrechterhalten. – Darüber hinaus aber war auch die Schule die Zentrale für die Betreuung der Soldaten und der Angehörigen in der Heimat. So wurden zum Beispiel zu Weihnachten 1917 allein 17o Weihnachtspakete ins Feld geschickt. Franz Großjohann stand mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um Reklamationen oder um Urlaub für die Soldaten ging. Dem nimmermüden und opferfreudigen Lehrer wurde in Anerkennung seiner Verdienste um die Kriegshilfe das Kriegsverdienstkreuz verliehen.

 Als nach dem unglücklichen Ende des Krieges Fritz Becker aus Tengern zum Wittel versetzt wurde und Lehrer Rosenbaum, der für den gefallenen Lehrer Wehmeier abgeordnet war, aus der Gefangenschaft heimkehrte, konnte der Unterrichtsbetrieb wieder voll aufgenommen werden. Doch mußte sich Lehrer Rosenbaum mit Rücksicht auf seine in der Gefangenschaft stark beeinträchtigte Gesundheit bald beurlauben lassen. Die Vertretung – und später, als Rosenbaum nach Melbergen versetzt wurde, auch die planmäßige Stelle – übernahm Lehrer Reinhard Schuckenböhmer aus Schweicheln.

Dem ersten im Jahre 1920 gewählten Elternbeirat gehörten die Landwirte Schmidt, Jöllenbeck Nr. 34, und Pahmeier, Bischofshagen Nr. 40, und der Arbeiter Siekmann, Jöllenbeck Nr. 110, an.

Im Jahre 1921 schied nach einer Tätigkeit von mehr als zehn Jahren Hauptlehrer Franz Großjohann vom Wittel, um die Rektorstelle in Löhne-Bhf. zu übernehmen. Vom 1. November 1921 an wurde die Schulleiterstelle in Wittel, mit dem Hauptlehrer Opitz aus Chmilinka, Kreis Nowy Tomyysl (Polen), wieder besetzt. Lehrer Becker wechselte am 1. Februar 1923 mit dem Lehrer Schuhmacher aus Schnathorst, der dann aber bereits am 1. April 1925 zusammen mit dem Schulleiter Opitz in den Ruhestand trat. Der damit verbundene Abbau einer Lehrerstelle traf die Schule Wittel besonders hart. Die Schulleiterstelle übernahm Lehrer Hermann Heidenreich aus Raderhorst, die freie Lehrerstelle Schulamtsbewerber Heinz Schulte aus Herford.

Aber auch nun war der ständige Lehrerwechsel noch nicht abgeschlossen. Bereits am 1. Oktober 1927 ging Hermann Heidenreich nach Löhne-Bhf. und übernahm die durch die Pensionierung von Franz Großjohann freigewordene Rektorstelle. Lehrer Krahe wurde zunächst mit der Vertretung beauftragt. Als die Witteler Schulleiterstelle am 1. April 1928 wieder entgültig besetzt wurde, kam Lehrer Krahe nach Melbergen-Süd. Infolge des Abbaues der dritten Lehrerstelle in Bischofshagen mußte Lehrer Schulte sein Wirkungsfeld mit Oldinghausen vertauschen. Sein Platz nahm Lehrer Paul Schröder aus Bischofshagen ein. – Nun traten für einige Jahre beständige Verhältnisse ein.

Eine besondere Pflege fand in Wittel das Turnen und vornehmlich das Schlagballspiel. Im Jahre 1926 errang die Schule das neue Amtsbanner und darüber hinaus auch noch das Kreisbanner. Zwei Jahre später konnte das Amtsbanner zum zweiten Male erkämpft werden. – Lehrer Reinhard Schuckenböhmer war auch ein eifriger Förderer der Eichenkreuzturnarbeit auf dem Wittel.

Schon seit langen Jahren hatten sich im Witteler Lehrerwohnhaus mancherlei Mängel gezeigt, die einer dringenden Abhilfe bedurften. Man mußte einen Wohnhausneubau in Erwägung ziehen. Nach 17 Besichtigungen beschloß der Gemeinderat den Neubau unter der Voraussetzung, daß die Regierung einen beträchtlichen Zuschuß zur Verfügung stelle. Dank der persönlichen Bemühungen des Bürgermeisters Pötting konnten die Voraussetzungen erfüllt und am 28. Juni 1928 mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen werden. – Gleichzeitig wurde eine gründliche Überholung des Schulhauses durchgeführt. Die beiden Rollwände, die die Klassenräume zum Flur hin abschlossen, wurden beseitigt und durch feste Wände ersetzt. Durch Abteilung des früheren Altarraumes wurde das benötigte Lehrmittelzimmer geschaffen.

Der Abbruch der im Jahre 1876 erbauten Schule wurde am 3. Dezember 1928 begonnen. Das Haus, zuletzt eben nur als Lehrerwohnung genutzt, wurde für 115o Mark  auf Abbruch verkauft.

Infolge der Sparnotverordnung der preußischen Regierung wurden in der Gemeinde Gohfeld zum Beginn des Schuljahres 1932/33 drei Lehrerstellen abgebaut, eine davon in Wittel. Infolge dieses Abbaues wurde Lehrer Schuckenböhmer nach Obermehnen, Lehrer Schröder nach Neuenbaum bei Hille versetzt. Für die beiden scheidenden Lehrer kam Fritz Enkemann, der kurze Zeit in Bischofshagen unterrichtet hatte, zum Wittel. Vorläufig erhielt die Schule für die dritte Stelle noch einen Hilfslehrer. Als solche waren die Schulamtsbewerber Ottensmeyer, Schröder und Kahre hier nacheinander tätig. Auch in der Schulleitung trat in Auswirkung des Lehrerabbaues ein Wechsel ein. Hauptlehrer Horstmeier übernahm die Schulleiterstelle in Sundern bei Herford, und die erste Lehrerstelle auf dem Wittel wurde Lehrer Klocke aus Bethel übertragen, der dann die Schule bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1960 leitete. Für den nach Bieren versetzten Lehrer Enkemann kam Lehrer Heinrich Vorhölter zum Wittel.

Bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurde Lehrer Wilhelm Klocke zur Wehrmacht eingezogen. Lehrer Vorhölter erhielt, zeitweise mit halber Kraft, Unterstützung durch den Lehrer Beyer aus Herford. Als Lehrer Heinrich Ottensmeier dienstuntauglich vom Militär nach Bischofshagen zurückkehrte, unterrichtete er vom 1. 11. 1943 an zwei Tagen in der Woche auch an der Schule Wittel.

Beim Einmarsch der amerikanischen Truppen am 3. April 1945 gingen die beiden Wohn- und Wirtschaftsgebäude von Stürmer, Bischofshagen Nr. 55, und  von Niemeier, Melbergen Nr. 48, in Flammen auf. Der Schulunterricht wurde von den Besatzungsmächten untersagt. Er konnte erst im Herbst wieder aufgenommen werden. Die Lehrer wurden während dieser Zeit durchweg mit Wegearbeiten beschäftigt. – Auf Anordnung der Militärregierung begann das Schuljahr, das seit 1941 im Herbst seinen Anfang nahm, wieder nach den Osterferien. Soweit noch nicht geschehen, mußten bis zum 24. Januar 1946 alle nationalsozialistischen Lehr- und Lernmittel, insbesondere die Landkarten, vernichtet oder beim Amt abgegeben werden. Als einzige Lernbücher verblieben den Kindern noch Bibel und Gesangbuch. Erst im neuen Schuljahr erhielten die Schulen Notbücher. Für die Grundschule gab es Fibeln, Lesebücher und Rechenbücher. Auf je zwei bis fünf Kinder entfiel ein Buch. Hefte und Tafeln gab es ebenfalls in völlig unzureichender Anzahl. Griffel gab es überhaupt nicht. Viele Kinder schrieben mit Drahtnägeln oder mit sogenannten Dauergriffeln.

Nachdem allmählich wieder geordnete Verhältnisse eingetreten waren, konnte im Jahre 1948 die dritte Lehrstelle wieder eingerichtet werden. Sie wurde mit der Lehrerin Frieda Klinksiek besetzt.

Ein besonders aufregendes Jahr  für den Wittel und seine Schule war das Jahr 1957. Die Witteler Schulpflegschaft sprach sich für eine Zusammenlegung der Schulen Wittel und Bischofshagen aus, um in einem größeren Schulsystem bessere Unterrichtsmöglichkeiten zu erreichen, als sie in den kleinen Schulen möglich sind. Der Kampf um das Für und Wider der Zusammenlegung nahm oft Formen an, die nicht mehr als sachlich zu bezeichnen waren. In dieser unerquicklichen Lage wandte die Gemeinde Gohfeld das demokratische Mittel der Urabstimmung an. Auf dem Wittel sprachen sich von 683 Wahlberechtigten 354 für die Beibehaltung des selbständigen Schulbezirkes und nur 121 für die Zusammenlegung der beiden Schulbezirke aus. In Auswirkung dieser Entscheidung entschloß sich die Gemeinde für einen Schulneubau auf dem Wittel.

Bereits am ersten Mai 1958 konnte der Grundstein zu der neuen Schule gelegt werden, nachdem der erforderliche Grundstückserwerb getätigt war. Am 14. August 1959 war dann der große Tag der Freude für Eltern und Schüler auf dem Wittel gekommen. An diesem Tage konnte die Schule in Gegenwart zahlreicher Ehrengäste ihrer Bestimmung übergeben werden. Die Schule enthält außer den erforderlichen Nebenräumen drei Klassenzimmer, ein Lehrerzimmer, einen Gruppenarbeitsraum und eine Aula als Mehrzweckraum. Der Schule,  die nach den Plänen des Löhner Architekten Stopper erbaut wurde, wurde im rechten Winkel eine Pausenhalle mit Klosettanlage angebaut.

Die Nachfolge des vorzeitig in den Ruhestand getretenen Hauptlehrers Wilhelm Klocke trat Lehrer Walter Flachmann aus Melbergen an. Im zu Seite standen die Lehrerinnen Brigitte Bratsch, Liselotte Herzog und Anneliese Krüger. Für die in den Ruhestand gehende Lehrerinn Bratsch kam Lehrerin Herta Döpke aus Bischofshagen nach Wittel und wirkte dort bis zum Ende des Schuljahres 1972/73.

Neue Aufregung brachte das Jahr 1968. Im Zuge der Neugliederung des Volksschulwesens in Nordrhein-Westfalen stand der Vorschlag des Kreises Herford zur Entscheidung , ob die Volksschule Wittel oder die Volksschule Bischofshagen als Grundschule eingerichtet, während die andere aufgelöst werden sollte. Am 24. April beschloß die Gohfelder Gemeindevertretung mit 15 gegen 4 Stimmen bei einer Enthaltung, die Schule Wittel zu einer selbständigen  einzügigen Grundschule zu machen und die Schule Bischofshagen aufzulösen. Die Grenzen des Grundschulbezirkes wurden so festgelegt, daß in Bischofshagen die Häuser beiderseits des Alten Postweges und des Windmühlenweges mit in den Schulbezirk Wittel einbezogen wurden. 39 Kinder, einschließlich der neuen Lernanfänger, kamen von der Schule Bischofshagen zum Wittel. Die Kinder der oberen vier Klassen der Schule Wittel wurden der Hauptschule Melbergen überwiesen.

Ein harter Schlag traf die Schule Wittel, als ihr Schulleiter Walter Flachmann im Juni 1972 auf einer Urlaubsreise in Südtirol bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte. Unter großer Anteilnahme der Schulgemeinde wurde er zu Grabe getragen. – Die Schulleitung übernahm vertretungsweise Lehrerin Annliese Krüger. Hauptlehrer a. D. Heinrich Ottensmeier aus Bischofshagen half mit halber Stundenzahl für ein Jahr in Wittel aus. Die freie Rektorstelle wurde dann mit Beginn des Schuljahres 1973/74 dem Lehrer Alfred Zuch aus Spenge übertragen. Bei Abschluß des Schuljahres 1975/76 unterrichteten hier neben ihm noch die Lehrerinnen Annliese Krüger, Waltraud Krämer (bis 31. 7. 1976) und Lotte Gräper. Zeitweilig waren auch noch Frau Helga Zuch und Pfarrer Elmar Jasper an der Schule beschäftigt. – Bis zum Abschluß des Schuljahres war auch der Schulkindergarten der Stadt Löhne in der Schule Wittel untergebracht. Dort unterrichteten Jutta Krüger und Ingeborg Brana.

Die Feier zum hundertjährigen Bestehen der Schule Wittel wurde mit Rücksicht auf den Schuljahrsschluß vorverlegt und vom 10. bis 11. Juli 1976 durchgeführt. Die Feier nahm mit einem Festgottesdienst ihren Anfang. In der Programmgestaltung wurden neben den Schulkindern auch die Witteler Vereine, insbesondere die Waldbühne, der Posaunenchor und die Feuerwehr, mit eingesetzt. Schulleiter Rektor Alfred Zuch, Bürgermeister Heinrich Schneider u.a. hielten Begrüßungsansprachen. Hauptlehrer a. D. Heinrich Ottensmeier, selbst von 1904 bis 1911 Schüler und wiederholt aushilfsweise auch als Lehrer an der Schule tätig, ging in seinem Festvortrag besonders auf die Geschichte der Schule ein. – An den Gräbern der verstorbenen Schulleiter Klocke und Flachmann wurden Kränze niedergelegt.

Rektor Zuch verließ mit Ablauf des Schuljahres den Wittel, um die Rektorstelle an der Grundschule Gohfeld-Melbergen zu übernehmen. Die freigewordene Rektorstelle in Wittel übernahm Frau Emmy Henseler aus Melbergen. So waren zum 100. Jahrestag der Schule Wittel am 1. Oktober 1976 neben Frau Henseler die Lehrerinnen Anneliese Krüger und Lotte Gräper tätig.

Ich möchte mein Ausführungen schließen mit den besten Wünschen für die Schule Wittel und für weitere erfolgreiche Arbeit an der Jugend. Dieser Wunsch sei zusammengefaßt in dem Dichterwort:

                                                „Tue redlich nur das Deine,
                                                tu’s mit Schweigen und Vertrau’n.
                                                Richte Balken, haue Steine,
                                                Gott der Herr wird bau’n!“


Die Mühlen in der Gemeinde Gohfeld

aus „Beiträge zur Heimatkunde der Städte Löhne und Bad Oeynhausen“, Heft 6/7, 1980

„Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp, klapp.
Bei tag und bei Nacht ist der Müller stets wach, klipp, klapp.
Er mahlet das Korn zu dem kräftigen Brot,
und haben wir dies so hat’s keine Not, klipp, klapp, klipp, klapp, klipp, klapp.

Flink laufen die Räder und drehen den Stein, klipp, klapp,
und mahlen den Weizen zu Mehl uns so fein, klipp, klapp,
der Bäcker dann Zwieback und Kuchen draus bäckt,
der immer uns Kindern besonders gut schmeckt, klipp, klapp, klipp, klapp, klipp, klapp.

Wenn reichliche Körner das Ackerfeld trägt, klipp, klapp,
die Mühle dann flink ihre Räder bewegt, klipp, klapp,
und schenkt uns Gott Vater nur immerdar Brot,
sind wir geborgen und leiden nicht Not! klipp, klapp, klipp, klapp, klipp, klapp!“

So haben wir in unserer Jugendzeit fleißig gesungen und wußten um die Mühle und um den Sinn dieser Verse. Und heute?! – Heute geht es den Mühlen unverdientermaßen schlecht. Sie sterben oder sind schon gestorben. Wieviel Mühlen können wir alle aufzählen, die stillgelegt oder ganz verschwunden sind. Die Wassermühlen und die Windmühlen sind Schwestern, die dem gleichen Ziele dienten, dem Menschen zum Brot zu verhelfen.

Die Wassermühle ist die weit ältere der beiden Schwestern. Schon die Römer erkannten den Wert und die Kraft des Wassers, gaben den umständlichen und schweren Handmühlenbetrieb auf und bauten am Tiberfluß die ersten Wassermühlen.

Bevor wir uns aber nun weiter mit den Wassermühlen und Windmühlen beschäftigen, wollen wir uns zunächst die Handmühlen ansehen. Ich bin davon überzeugt, daß die Handmühlen in ihrem Ursprung einfache Steine waren, zwischen denen man die Körner zerschlug und zerrieb. Wir haben zwei Originalmühlen in unserem Heimatmuseum, die meines Wissens in Obernbeck gefunden wurden. Man muß ihr Alter auf mindestens 2000 Jahre schätzen. – Die beiden kreisförmigen Steine, die die Mühle bilden, haben etwa einen Durchmesser von 40 bzw. 42 cm. Der untere Stein ist in der Mitte vertieft. In die Vertiefung legte man das zu vermahlende Getreide. Der obere Stein, der entsprechend zu dem unteren passte, hatte ein Loch, in das man einen Stock steckte und ihn im Kreise bewegte. So wurde das Korn zerrieben, zermahlen.

Das Prinzip der rotierenden Steine hat man auch bei den Roßmühlen, den Wasser- und Windmühlen beibehalten. Natürlich konnte man nun größere Steine, durchweg Sandsteine, verwenden. Zur schnelleren Zermahlung versah man die Steine auch noch mit Rillen. Diese Mühlsteine hatten einen Durchmesser von mehr als einem Meter.

Im vierten Jahrhundert nach Christi Geburt haben die Römer ihre Kenntnisse mit nach Germanien gebracht und an Rhein und Mosel Wassermühlen angelegt. Natürlich mußten in wasserarmen und moorigen Gebieten weiter Hand- und Tretmühlen und weiter Roßmühlen benutzt und von Menschen und Tieren angetrieben werden. In Westfalen hießen die Handmühlen Querne. Das Wort ist uns noch in dem Orts- und Familiennamen Quernheim erhalten.

Die Windmühlen kamen erst durch die Kreuzzüge aus dem Orient zu uns. Ihr Herrschaftsbereich wurden dann die trockenen und moorigen Gebiete Niederdeutschlands. – Bekanntlich gibt es Windmühlen aus Holz und aus Steinen, die Bockwindmühlen und die Turmwindmühlen, die der Osten als holländische Windmühlen kennt. Die Bockwindmühle baut sich um einen Festen Holzständer, den Hausbaum, auf, um den dann der ganze Holzbau zur Windrichtung gedreht wird. – Die Flügel werden von einer meist achteckigen, drehbaren Haube mit Hilfe einer Windrose gehalten. Die Turmwindmühle ist erst im 18. Jahrhundert bei uns heimisch geworden. Sie braucht eine Stelle, die von allen Seiten dem Wind zugängig ist, also eine Kuppe oder eine Höhe (Bischofshagen, Geißbrink, Wittel-Hoächte, Mennighüffen-Langenhagen, Mennighüffen-Horst). Möglicherweise haben die Windmühlen auch strategische Bedeutung gehabt, zumal ihr Bau auch von den Preußenkönigen gefördert wurde.

In einer alten Akte vom Jahre 1779 heißt es: „In der Vogtey Gohfeld sind drei königliche Mühlen befindlich, nämlich die Wassermühle auf der Salzkoctur, die neuerbaute Windmühle in der Bauerschaft Bröderhausen und die gleichfalls neuerbaute Windmühle zu Bischofshagen, welche drei Mühlen dem Beamten (d.h. dem Amtmann von Hausberge) noch in Zeitpacht verblieben. Sonst sind bei den Gütern Beck und Ulenburg, Ovelgönne und Schockemühle Wassermühlen vorhanden, so wie es auch in der Vogtey viele Klippmühlen gibt (Reinertsbergim Anzeiger und Tageblatt).

Vielleicht darf ich hier anmerken, daß in meine Jugendzeit zu Pfingsten die beiden höchsten der schräggestellten Flügel Maibäume zierten und bei einem vorüberkommenden Leichenzug die Mühle stillgestellt wurde.

Daß die Wind- und Wassermühlen bis auf wenige Ausnahmen verschwunden sind, mag uns ein Anlaß sein, sie in der Erinnerung festzuhalten und ihnen so ein Denkmal zu setzen. Man hat allerdings versucht. Man allerdings versucht, einige Mühlen unter Denkmalschutz zu stellen. So hat man im Kreise Minden-Lübbecke ein „Mühlenstraße“ gebildet, aber da die Mühlen keineswegs alle praktisch genutzt und entsprechend unterhalten und gepflegt werden können, können sie nur „Denkmale“ bleiben. Auch die Einrichtung als Gaststätten und Jugendherbergen bringt keine echte Lösung. – Darum unser „Nachruf“!

Welche Mühlen gibt es denn noch im Löhner Raum? – Ich glaube , besser ist die Frage: Welche Mühlen gab es denn im Löhner Raum? – Jede Mühle hat ihre Geschichte, eine kurze oder längere Geschichte. Manche Mühlen hatten überörtliche, andere geringere Bedeutung und blieben „Klippmühlen“. Über manche Mühlen wissen wir Viel, über andere wieder sehr wenig.

Und nun wollen wir uns einmal die Mühlen der früheren Gemeinde Gohfeld näher ansehen und versuchen, etwas aus ihrer Geschichte zu hören. Fangen wir einmal bei der Mahner Mühle am sogenannten Mühlenbach an.

Die Siekmannsche Mühle in Mahnen

Unter der Überschrift „Unter den Eschen rauscht eine Mühle“ wird in der Löhner Zeitung vom 26.  September 1952 ein Interview mit dem inzwischen verstorbenen Besitzer der Mahner Mühle, Wilhelm Siekmann, gebracht, aus dem wir hier das wichtigste wörtlich übernehmen, da es uns wertvolle Aufschlüsse über die Geschichte der Mühle gibt: „Vor ungefähr hundert Jahren – genaue Angaben kann Herr Wilhelm Siekmann uns nicht machen, da bei dem Bombenangriff auf Löhne im März 1945 auch seine Mühle zerstört wurde und damit alle Dokumente verloren gingen – wurde von dem Pächter der Becker Mühle, Herrn Wöhrmann, die Mühle erbaut. Er hatte hundert Taler erspart und war die Abhängigkeit vom Gutsherrn leid. Doch mit seinen hundert Talern und seinem Unternehmungsgeist schaffte er es nicht ganz: denn als er das Wasserrad und den Schrotgang fertig hatte und die Sparren gerichtet waren, da war auch seine „Puste“ zu Ende, und er mußte verkaufen.

Caspar Eggersmann, der Großvater des jetzigen Besitzers, hatte schon seinen Sack mit Schiffszwieback fertig, um nach USA auszuwandern. Da hörte er von der Mühle in Löhne (Mahnen). Schnell entschlossen packte er zu und kaufte den Rohbau, der noch keine Fenster und Türen hatte. Es war kein einfacher Entschluß, denn nur im Winter lieferte der kleine Bach genügend Wasser für den Teich, um das Mühlenrad in Bewegung zu setzen. Im Sommer war Caspar Eggersmann als Zimmermann tätig.

Damals floß die Werre noch 300 m entfernt von der Mühle in ihrem alten Bett, das noch heute als „Alte Werre“ bekannt ist. Die Bauern von der Löhner (Mahner) Seite mußten die Fähre benutzen, um ihr Korn in der Becker Mühle mahlen zu lassen; denn eine Brücke gab es damals noch nicht über den Fluß. Da konnte es passieren, daß der Bauer Rolfsmeier, der Fährmann, abends die Leute einfach stehen ließ, wenn er schon zu Bett gegangen war. Müllermeister Eggersmann griff nun zur Selbsthilfe, damit man von Beck unabhängig wurde. Er baute eine Dampfmaschine. Es war ein tolles Ding, wie uns Herr Siekmann erzählte. Denn er hat dieses Ungeheuer noch kennen gelernt und selbst damit gearbeitet, bis es 1910 ausgedient hatte, weil man auf Elektrisch umstellte. Es war die erste Dampfmaschine im Kreis Herford, die Vater Eggersmann in Betrieb nahm. Er baute dann den zweiten Mahlgang ein, dazu eine Beutelkiste für feineres Mehl. Ferner nahm er eine Ölmühle in Betrieb so wie auch eine Bokemühle zum Flachsstampfen. Der große mehrere Zentner schwere Bokerstein liegt heute noch im Hof der Mühle als Begrenzungsmauer vor dem Gefälle, in das heute noch das Wasser des Mühlenbaches stürzt. Im Jahre 1884 übernahm dann der Vater des jetzigen Besitzers, August Siekmann, die Mühle. Er schaffte eine Dreschmaschine an, damit der Betrieb vergrößert würde. Herr Wilhelm Siekmann, der lange Zeit als Meister zur Prüfungskommission  für Müllergesellenprüfungen gehörte ist weit herumgekommen. Die Bomben zerschlugen ihm sein Lebenswerk. Aber schon im Jahre 1945, als nur wenige an Wiederaufbau dachten, hatte er seine Mühle wieder in Gang gesetzt. Steine und Räder sangen wieder ihre Melodie im Mühlenbachtal.

Die Ländereien rings im die Mühle gehörten einmal zum Lükenhof, einem Gut, das in der Gegend der Mühle gelegen haben muß. (Es handelt sich hier um den Hof Lükensmeier, Bischofshagen Nr. 4, heute Windmann, Am Mühlenbach 7, der im Jahre 1680 einen Grundbesitz von 68 Morgen Land hatte. Der Verf.) Die Gutsherrin „mochte gern einen“, wie uns Vater Siekmann sagte. Danach ging ein Stück Land nach dem anderen drauf. Für eine Seite Speck konnte man einen Morgen Land erwerben. Ein Stück Land in der Nähe der Mühle heißt heute noch der „Speckacker“. Die Geschwister des Großvaters von Herrn Siekmann wanderten alle aus. So machte sich einmal ein Bruder seines Großvaters auf, um in Amerika seine Schwester zu besuchen, von deren Aufenthalt er nichts wußte. Er suchte sie quer durch das große Land. Auf seinen Wegen von Farm zu Farm führte ihn der Zufall nach Illinois, wo er eines Tages müde auf einer Farm Einlaß begehrte und von den deutschen Farmern auch aufgenommen wurde. Dieses „Märchen“ ist wahr und durch Briefe belegt, wie uns Herr Siekmann erzählte.“

Soweit also der letzte Müller Siekmann über die Geschichte der Mahner Mühle. Wenige Jahre vor dem zweiten Weltkrieg ist die Mühle auf Elektrizität umgestellt worden. Im Jahre 1960 wurde auch der 20 Meter hohe Schornstein gesprengt und die Mühle stillgelegt.

Diese Mahner Mühle hat aber mindestens schon eine Vorgängerin gehabt. Drei Eintragungen im Gohfelder Kirchenbuch beweisen uns das. Am 10. März 1733 wird Heinrich Volle im Alter von 54 Jahren beerdigt. Eine Anmerkung sagt uns: „N.B. Dieser Volle ist 1732, den 15. December elendig in der Werra unter der Mahner Mühle ertrunken und erstlich den 7. Mertz 1733 an den sogenannten Hohen Ufer im Kirchspiel Rehme wiedergefunden und ist also ¼  Jahr weniger 2 Tagen verloren gewesen. – Gott sey uns allen gnädig.“

Auch die zweite Eintragung ist eine Unglücksmeldung:

„Begraben wurde am 29. May (1744) Gerdt Heinrich Eikhoff aet 51½ Jahr“ „N.B. Dieser Mann ist vor 9 Wochen Vorm Siehl bei der Mahner Mühle mit dem Schiff nebst noch ein Mann aus Löhne gefallen und erst gefunden.“

Die dritte Eintragung stammt aus dem Jahre 1745: „Begraben den 9. Februar der Mahnsche Müller Cordt Hinrich Vogelsang aet 44¾ Jahr“. – War dieser Vogelsang nun Besitzer oder Pächter der Mühle? Ich möchte vorläufig annehmen, daß er der Pächter der Mühle war, und daß der Eigentümer einer der Besitzer der Mahner Höfe, Reinkensmeyer, Rolfsmeyer oder vielleicht Volle (jetzt Schmidt) war.

Nach Culemanns Beschreibung des Amtes Hausberge aus dem Jahre 1739 (mit Nachträgen) befand sich in Mahnen unmittelbar an der Werre eine königliche Wassermühle mit vier Mahl-gängen, die 1751 durch Überschwemmung weggerissen worden ist. 

Bramschebach (Brömkensbach)

Wenden wir uns nun den Mühlen im Brömkensbachtal zu. Ganz am Oberlauf dieses Baches muß vorzeiten eine Mühle betrieben worden sein, deren Standort heute nicht mehr genau auszumachen ist. Aber die Besitzung Pahmeyer, Bischofshagen Nr. 51 (jetzt Kohlflage Nr. 9), wird immer noch als „Mühlenhof“, ihr Besitzer als „Mühlmeier“ und das angrenzende Feld des Bauern Krutemeier, Jöllenbeck Nr. 2 (jetzt In der Schlage Nr. 2) als „Mühlenkamp“ bezeichnet. Wahrscheinlich ist der Mühle hier an dem kleinen Rinnsal der „Treibstoff“ ausgegangen. Möglicherweise war sie die Vorgängerin der benachbarten  Viesemühle oder der Krutmühle, von denen gleich noch zu reden ist.

Die Viesemühle

Hart an der Bundesstraße 61, genau auf der Grenze zwischen den beiden Gemeinden Gohfeld und Schwarzenmoor, jetzt Grenze zwischen den Städten Herford und Löhne, liegt die „Viesemühle“ oder „Fuisemühln“. Seit langen Jahrhunderten wird das bemooste Mühlenrad vom Wasser des Brömkensbaches oder Bredenbaches (Bramschebach), der hier eigentlich kaum den Namen Bach verdient, angetrieben. Der Name vermag nicht ohne weiteres gedeutet zu werden, doch könnte man annehmen, daß er mit den drei „fisseligen“ kleinen Bächen, die hier die „Brömkensbike“ bilden, zusammenhängt.

Die Viesemühle an der Bundesstraße 61 in Bischofshagen

Die erste urkundliche Erwähnung findet die Mühle, oder richtiger, ihr Besitzer, in dem aus dem Jahre 1680 stammenden „Verzeychnis freyer Spann- und Handdienste des Ambts Hausberge, Vogtey Gohfeld“. Unter den Brinksitzern der Bauerschaft Bischofshagen, die „jährlich drei Freydienste mit Harken zu tun schuldig sind“. befindet sich auch der „Viesemöller“. Näheres über die Besitzung vermittelt das Höfeverzeichnis der Bauerschaft Bischofshagen von 1682 und 1683. Unter der Nummer 63, später28, finden sich folgende Angaben: „Henrich itzo (jetzt) Johan Fieselmöller, Eigenbehöriger Brinksitzer, giebt jährlich: An Zinskorn 3 sch. (Scheffel) Hafer, An allerhand kleinen Geldgefällen: 1 gl. (Groschen) Mühlenzins, 1 gl. Ölmühlengeld, 7 gl. Zuschlagsgeld, 1 gl. Ostergeld. An Viehe: 1 Huhn. An Diensten: 4 freye Dienste jährlich. Giebt sooft der Fall kömbt wegen des Leibeigentums Weinkauf, Erbtheil und muß Freybriefe lösen.

Hat bey seiner Städte an Länderey: Saatlandt 12 ½  Morgen 10 Ruthen; Wiesenlandt 3 ¼  Morgen; Gartenlandt 1/8 Morgen 13 Ruthen. Sa. 16 5/8 Morgen 8 Ruthen.“

Unter den kleinen Geldgefällen seien hier besonders der Mühlenzins und das Ölmühlengeld hervorgehoben. Eine gleiche oder ähnliche Abgabe führt das Verzeichnis für keinen anderen Hof der Bauerschaft Bischofshagen auf. Es kann daher angenommen werden, daß diese Mühle als „amtliche“, später „Königl. Mühle“ galt. Nach mündlichen Überlieferungen wurde das Wasser des kleinen Brömkensbaches zum Antrieb der Getreidemühle, der Ölmühle und der Bokemühle nacheinander ausgenutzt.

Bei der Revision der Feldregister 1745 erklärten die Eingesessenen der Bauerschaft Bischofs-hagen auf Befragen, daß sie ihr Korn „insgesamt auf der Königl. Mühle vermahlen lassen“. Da der Vieselmöller „königl. eigenbehörig“ und der Mühlenzins nachgewiesen ist, muß angenommen werden, daß sie hier ihr Getreide vermahlen ließen. Namentlich erwähnt wird  in diesem Jahr Henrich Vieselmöller. Das Beerdigungsregister der Kirchengemeinde Gohfeld nennt im Jahre 1705 „Die Vieselmöllersche“ mit dem Zusatz „Moritz der Viesel Möller“  und bereits im Jahre 1673 werden getraut Otto Vieselmöller und Ilsab. Noltings.

Man möchte annehmen, daß im Laufe der Jahre die Mühle etwas mehr in den Hintergrund getreten und die Landwirtschaft zum Haupterwerb geworden ist. Im Register von 1752  ist aus dem „Vieselmöller“ ein „Viesemeyer“ geworden. Sein Viehbestand ist mit drei Pferden, zwei Kühen, einem Rind und drei Schweinen angegeben. Das die Mühle dabei in eigener Verwaltung geblieben ist, können wir dem Heuerlingsregister entnehmen, denn für den „Viesehof“ ist kein Heuerling aufgeführt. Aus seiner märchenhaften Stille wird das Tal und damit auch die Viesemühle am Ende des 18. Jahrhunderts aufgeschreckt. Hart an der Mühle vorbei wird um die Jahrhundertwende vom Freiherrn vom und zum Stein die Köln-Mindener Straße gebaut, so nahe, daß sogar der Straßenwall als Wehr für den Mühlenteich genutzt werden kann. Was die alte Mühle und ihre Besitzer in den Kriegsjahren von 1806 bis 1813 alles zu sehen und zu leiden bekamen, kann hier nur angedeutet werden. Der alte Kotten, der etwas abseits am Kohlflager Weg liegt (Besitzerin Frau Hagemeier), ist noch ein Zeuge dieser Zeit. Wenige Tage vor dem Tode des großen Preußenkönigs Friedrich wurde er am 25. Juli 1786 von Johan Herm. Schmedt und Maria Catrina Viesemeiers gerichtet Man möchte fast den Spruch, den die Erbauer über die große Eingangstür setzen ließen, auch als ein Sich-Fügen  in das große Preußenschicksal werten, doch ist es gewiß auf das eigene zu beziehen: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt“ Vielleicht darf man aber einfach annehmen, daß der Vorgänger dieses Hauses durch eine Feuersbrunst vernichtet wurde.

Wir könnten noch darauf hinweisen, daß man auf dem Fiesehof ganz gut in der Wolle saß, so das Ernst Heinrich Kuhlmeyer, Jöllenbeck Nr. 29, am 18. Januar 1823 unter Assistenz von Carl Heinrich Schmidt, Depenbrock 23, mit drei Kreuzen quittiert, vom Colonus Fieselmeyer „1oo Thaler Brautschatz in klingender Münze“ erhalten zu haben, daß Caspar Heinrich Fieselmeier 1831 einen etwa vier Morgen großen Platz in der Schlage mit einem „zugestalten“ 8 Fuß breiten Fahrweg für 95 Thaler „Courant“ aus der Gohfelder Mark kauft, oder Heinrich Vieselmeier 1842 unter Ausfertigung eines großen Vertrages mit dem Landrat des Kreises Herford, dem Fiskus 7 Ruthen 71 Fuß Holzgrund „behufs Wegebau“ für 2 rth. 2o sgr. und 8 Pfennig überläßt? Das sind sicher Kleinigkeiten, weisen aber doch auf die wirtschaftliche Lage, auf die damals schon notwendige Verbreiterung der Köln-Minderner Straße und auf die Markenteilung hin.

Das jetzige Wohnhaus (Besitzer August Kuhlmann) wurde 1834 von Caspar Heinrich Fiesemeyer und Catrine Louise Kleimeiers, der „Schoppen“ 1864 von Herman Heinrich Baumann und Wilhelmine geb. Oberdiek, erbaut. Wir sehen, daß nun im Zuge der neuen Zeit auch ein Namenswechsel eingetreten ist. Während sonst immer der Hofname übernommen wurde, ist jetzt der Name des Mannes ausschlaggebend. Lediglich im Volksmund lebt der alte Name weiter. Das mag auch ein Auszug aus einem alten Testament vom 13. November 1861 weiter erhellen. Am 13. August 1861 erscheint vor dem Königlichen Kreisgericht in Herford die Witwe Kolon Anna Catharine Louise Schmidt, genannt  Fieslmeier, geb Kleimeyer zu Bischofshagen Nr. 28, um ein Testament zu Protokoll zu geben (u. a.). „Aus der Ehe mit meinem vor 13 Jahren verstorbenen Manne Caspar Heinrich Schmidt, genannt Fieselmeyer habe ich nur zwei Kinder, nämlich 1. die Annemarie Louise Engel, verehelicht an den Ackersmann Carl (?) Heinrich Stucke Nr.2 zu Bischofshagen, welche jetzt noch lebt und 2. die Annemarie Christine Henriette, Ehefrau des Kolon Hermann Heinrich Baumann, welche mit ihrem Manne zu mir gezogen und welche bereits am 29. März v.J. mit dem Tode abgegangen ist. Diese meine beiden Töchter habe ich in der Gutsübertragung vom 24. August 1848 und Nachtrag vom 6. Juni 1850 vollständig abgefunden.

Ich habe meiner Tochter, der Ehefrau Stucke, Inhalts dieser Urkunde eine Barabfindung von 1400 rtl. nebst Brautwagen gewährt. Die Abfindung ist längst geleistet und hat dieselbe in Gemeinschaft mit ihrem Ehemanne auf alle weiteren Erbansprüche an meinen und meines verstorbenen Ehemanns Nachlaß in der Urkunde vom 6. Juni 1850 Verzicht geleistet.

Meiner Tochter, der Ehefrau Baumann, habe ich dagegen nach Inhalt der vorgedachten Urkunde mein gesamtes unbewegliches Vermögen samt Haus-, Vieh- und Feldinventar zu ihrer Abfindung übertragen.“

Kurz vor dem zweiten Weltkrieg ging der „Viesehof“ in den Besitz des Landwirts Hermann Kuhlmann über, dessen Besitzung dem Standortübungsplatz Herford zum Opfer fiel. Die Mühle selbst blieb im Besitz der Familie Viesemeyer-Baumann und wurde Eigentum der Familie Möller, da der männliche Erbe im ersten Weltkrieg gefallen war. Über vierzig Jahre verwaltete der Müller Heinrich Stratmann die Viesemühle.

Hier sei noch der Pachtvertrag vom 17. Januar 1918 wiedergegeben, da in ihm u. a. das Inventar, das zu einer Mühle gehört, im einzelnen aufgeführt ist. („Am 17 Januar 1918 verpachtet Heinrich Baumann, Colon und Mühlenbesitzer zu Bischofshagen 28, dem Müller Heinrich Sratmann zu Bischofshagen die zu seinem Hofe gehörige Mühle mit Dampf- und Wasserkraft mit zwei Mahlgängen nebst der dabei befindlichen Wohnung, Garten und sonstigen sämtlichen Zubehör, wie solches in einem beiliegenden Verzeichnis aufgeführt ist. „Ein par Ritzel Sandsteine, ein par Franzosen Sandsteine, eine Beutelkiste, 2 Elwatoren, ein Steinkasten, eine Welle mit vier Scheiben, ein Korb, ein Eimer, 2 Mehlkisten, vier Riemen, ein Wasserrad mit Welle, ein eisernes Kammrad mir Vorgelege, Eine Königswelle mit Stirnrad und Lagerloch, eine Welle mit Scheibe und konisches Vorgelege, Zwei Spindeln mit zwei Ritzel, Spur und Federkeil, Ausrückungs-Antrieb von Dampf. Eine liegende Welle, Konisch-Antrieb und ein Riemen, eine stehende Welle, Ritzel und Lagerbock mit Spur, Vorgelege zur Drescherei, stehende Welle mit Korbrad, Konische Räder und Lagerbock mit Spurgespann, eine liegende Welle mit zwei Lagerböcken. Eine Lokomobile sieben Atmos Druck, eine Winde, drei Schraubenschlüssel, ein Pareisen.) Die Pacht beginnt am 1. Oktober 1907 (?) (1917). Pacht jährlich 800 Mark. Der Pächter ist verpflichtet sämtliches Brot- und Schrotkorn, welches der Verpächter zu seinem Bedarf in seiner Wirtschaft verbraucht, umsonst zu mahlen. Ebenso ist der Pächter verpflichtet, die Dreschmaschine und die Häckselmaschine des Verpächters durch das in der Mühle angebrachte Vorgelege durch Dampf oder Wasser zu jeder Zeit, wenn der Verpächter es verlangt, in Betrieb zu setzen. Für Dreschen erhält der Pächter eine Entschädigung von 40 Pfg. pro Stunde, dagegen für Häckselschneiden keine Entschädigung.“

Der neue Besitzer Möller hat die Mühle den Erfordernissen der Zeit entsprechen umgestaltet und modernisiert. Das alte bemooste Mühlenrad viel den durchgeführten Arbeiten zur Schaffung von Lagerräumen für den aufgenommenen Getreide- und Futtermittelhandel zum Opfer. Doch nur verhältnismäßig kurz war diese Zeit für die Viesemühle. In Auswirkung des Konkurses mußte sie verkauft werden und gelangte in den Besitz des Mühlenbesitzers Meyer, Mennighüffen-Ostscheid, Blutwiesenweg, der sie in jüngster Zeit zu Wohnungen einrichten läßt. Verstummt ist das „Ricke-Racke“ der alten Viesemühle am Brömkesbach; verklungen das Lied von der Mühle „In einem kühlen Grunde“. Geblieben ist nur noch von dem alten Volkslied „Dort unten in der Mühle“ die wehmütige letzte Zeile: „Da ging das Rad nicht mehr!“

Ja, auch das Sterben der Mühlen macht wehmütig! Aber wir haben in unserem Leben schon viel Altes, Gutes missen müsse! Und wir haben schon auch von vielen Mühlen Abschied nehmen müssen! Wir eilen trotzdem weiter und denken doch der vergangenen Zeiten!

Die Krutemühle

Es sind nur noch wenige alte, einheimische Leute, die sich ihrer erinnern können. Die Krutmühle gehörte dem Bauern Krutemeyer, Jöllenbeck Nr. 2, jetzt Schlage Nr. 2, mehr zum Stickdorn gehörig als zur Schlage. Dieser Hof hatte früher auch Länderein unterhalb der Viesemühle am Brömkensbach. Dort hatte Krutemeyer eine Mühle angelegt. Sie ist gewiß in erster Linie für die Vermahlung des eigenen Getreides gedacht gewesen. Über Entstehung und  Begründung der Mühle fehlen alle Anhaltspunkte. Es war ein altes Fachwerkhaus, das in meiner Jugendzeit von dem Müller Henning bewohnt wurde und der auch die Mühle betrieb. Wir Kinder fuhren mit meinem Vater gern zu dieser Mühle, nicht nur deswegen, weil wir hier außer der Reihe ein schönes „Stutenbutter“, ein Butterbrot von selbstgebackenem Weißbrot, erbten, weil uns der Müller die Haare schnitt, sondern mir erschien dieser so ruhige Mann so etwas wie ein Philosoph zu sein. Mein Vater unterhielt sich gern mit ihm, besonders, wenn wir auf das Vermahlen eines mitgebrachten Sacks Korn warteten. Er hatte eigentlich immer Körner im Munde, die er zerkaute. Auch von einem Gespräch sind mir die Worte in Erinnerung geblieben: „Hermann“, sagte er, natürlich in Plattdeutsch, „ett giff niu Lui, dä witt bleoß acht Stunne aboädn, acht Stunne schloabn, acht Stunne nicks döon un acht Mark Geld vodoä’n!“ – Das war lange vor dem ersten Weltkrieg. Ich habe oft mit meinem Bruder im Handwagen einen Sack Getreide zur Krutmühle gefahren, wenn mein Vater mit Pferd und Wagen keine Zeit hatte. Das verschwiegene Tal, das große, sich langsam drehende Mühlenrad und der große Mühlenteich veranlaßten uns immer wieder zu neuen Erkundungsgängen. – Die Hennings zogen aus, die Mühle stand leer und wurde abgebrochen schon vor dem ersten Weltkrieg. Kein Stein, kein Baum zeugt von diesem Idyll!

Der Platz gehört jetzt zum Gelände des ehemaligen Truppenübungsplatzes.

Nagels Mühle

Nagels Mühle

Nur wenige hundert Meter westwärts am Brömkensbach liegt Nagels Mühle. Ja, hier darf man auch noch einmal die Gegenwart gebrauchen. Allerdings ist auch diese Mühle nicht mehr in Betrieb, obwohl noch der Mühlenteich, heute der Fischzucht dienend, noch etwas von der Schönheit des alten Mühlenidylls ahnen läßt. Ich halte sie für eine der ältesten Mühlen, wenn nicht gar die älteste Mühle im heimischen Bereich. Diese meine Vermutung stützt sich allein auf das Alter und die Größe des Nagelschen Hofes, Bischofshagen Nr. 1, des ehemaligen Hessinghausen. Dieser größte und auch wohl älteste Hof der früheren Gemeinde Gohfeld, Bauerschaft Bischofshagen, hätte einfach nicht ohne eine eigene Mühle auskommen können. Das heißt, sobald Wassermühlen in unserer engeren Heimat eingerichtet wurden, würde sicher in Hessinghausen ein solche gebaut worden sein. Genannt wird die Mühle Nagel in Hessinghausen neben dem Fiesemüller, Rürup Müller, Müller in Melbergen, und Held aufm Wittel in Culmanns Beschreibung des Amtes Hausberge aus dem Jahre 1793 (mit Nachträgen). Erwähnt fand ich die Mühle auch in einem Güterauszug des Nagelschen Hofes, der einem notariellen Vertrag vom 3. Dezember 1845 angeschlossen ist. Diese Mühle, von der sonst zur Zeit keine weiteren Angaben haben, ist, wie angedeutet, gewiß ursprünglich für den Eigenbedarf des Hofes eingerichtet, hat dann im Laufe der Zeit auch die allmählich sich bildende und wachsende Nachbarschaft in den Kundenkreis einbezogen. Schon die Tatsache, daß kein offizieller Weg zur Mühle führt oder führte, erhärtet diese Annahme. Jeder Mühlenbesucher muß den Hof oder anderes Gelände des Nagelschen Hofes überqueren. Ich würde auch annehmen, daß eben im Hinblick auf die Größe des Hofes („Hessinghausen“ – „Ubbn Höbn“), der bis zum Ausbruch des Dritten Reiches noch über 75 Hektar Grund und Boden verfügte, auch eine Ölmühle und eine Bokemühle mit dieser Getreidemühle verbunden waren. Die Mühle war, soweit das rückschauend zu erkennen ist, eine Heuerlingsmühle, eine Pachtmühle. Wenige Menschen kannten diese so versteckt liegende Mühle, bis Notzeiten auch in dieser Richtung findig und erfinderisch machten.

Helds Mühle

Noch weniger weiß ich von der letzten Mühle am Brömkesbach, der auf Löhner Gebiet liegenden Heldschen Mühle zu sagen. Auch sie, mahlt kein Korn mehr zu dem kräftigen Brot. Da sie zur Gemeinde Löhne gehört, soll sie auch nicht in unsere Überlegung einbezogen werden.

Wir wenden uns nun dem Haubach zu, der neben dem Mahner Mühlenbach der kleinste Bach der Gemeinde Gohfeld ist. Seine Quellen liegen im Wesentlichen an den Nordhängen des „Bischofshagens“, also besonders im Katzenbusch. Er wurde auch schon bald gestaut und mußte im „Roßdalle“ schon eine Mühle, die zum Hof Richter, Depenbrock 5, („Richts in’n Höben“) gehörte, speisen. Über ihre Geschichte vermag ich auch hier nichts zu sagen, als daß ich mich noch an einen Teich, der später als Feuerlöschteich ausgebaut war, in der Nähe der neuen Autobahn, erinnern kann. Seit wann und wie lange die „Heobihke“ den Antrieb für die Mühle stellte, ist nicht festzustellen. Die Mühle wurde zeitweilig auch von einem von Pferden gezogenen Göpel angetrieben, da das Wasser zu oft nicht ausreichte (Roßmühle).

Nun wandern wir vom Bischofshagen aus das Sudbachtal in Richtung Werre entlang. Ich entsinne mich noch aus meiner Jugendzeit, daß der Bauer Stühmeier, Bischofshagen Nr. 5 der seinerzeit noch einen Steinbruch betrieb, dort in der Nähe seines Hofes an der Häger Staße noch ein Wasserrad hatte, das wahrscheinlich für die Häcksel- und Dreschmaschine ausgenutzt wurde. Man kann das heute einfach nicht verstehen, da man dort keine Rinnsälchen oder Bächlein findet. Und doch floß dort aus dem feuchten und fast abflußlosen Gebiet des „Platzes“. Der zwischen Häger Straße und Langen Straße lag, ständig ein Wässerlein in Richtung „Fiuln Peohl“. Das fragliche Gelände ist entwässert und urbar gemacht, teilweise auch bebaut worden. Der Steinbruch, später zur Wiese kultiviert, heute durch das Anfahren von Erdmassen weitgehend ausgeglichen, wies dem Bächlein den Weg.  In früheren Jahrhunderten war auch das Tal „In’n fiuln Peohle“, man hat den Weg,  der das Tal durchquert, nun vornehm als „Fasanenweg“ bezeichnet, weit wasserreicher. Hier hat der Hof Held, Bischofshagen Nr. 10, (Hägerstraße) einst eine Mühle betrieben. Im Höferegister der Bauerschaft Bischofshagen,wird der Halbspänner Jost Held aufgeführt, der einen Besitz von „63 Morgen mit Mühle“ hatte. Wann die Mühle, abgelegen „im fiuln Peohle“, der neuen Zeit zum Opfer gefallen ist, ist unbekannt.

Vielleicht 1000 Schritt bachabwärts,  nachdem sich die drei Quellbächlein vereinigt haben, nutzte Bauer Hartmann („Habn inna Subihke“), Jöllenbeck 10 (jetzt Nolting), das Wasser der alten „Jöle“ für seine Mühle aus. Die Mühle ein altes Fachwerkgebäude, das gegenüber dem Hofe auf der anderen Seite des Sudbachweges lag, ist mir aus meiner Jugendzeit noch in Erinnerung, doch wurde die Mühle damals schon nicht mehr betrieben. Die Straßenbezeichnung „Am Mühlensiek“ oberhalb des Sudbachtales zur Hoächte hin, will die Erinnerung an diese Mühle Wachhalten.

Die Gohfelder Mühle

Bekannter schon ist noch die „lüttke Mühlen“ nördlich der Nordbahn an der Weihestraße in Gohfeld. Ich könnte mir vorstellen, daß nicht etwa der mindere Wuchs eines Müllers der Anlaß für die Bezeichnung “Lüttke Möller“ gegeben habe, sondern daß tatsächlich noch eine größere Mühle in Gohfeld vorhanden gewesen ist. Ob die Eintragung im Gohfelder Kirchenbuch vom 24. Oktober 1641 sich auf die „lüttke Mühln“ in Gohfeld bezieht, ist nicht unbedingt sicher, aber sehr wahrscheinlich: Getraut wurden an diesem Tage „Cordt Wegener, der Müller und Anneke Rurups Ufn Sudbrink“. Der Name Rürup könnte auch auf die Rürupsmühle hindeuten, jedoch sind dort in der fraglichen Zeit andere Müllersleute nachgewiesen.

Bekannter ist die Mühle und seine Besitzer durch den Gohfelder Mühlbrunnen geworden. Besonders in Zeitungsberichten aus dem Jahre 1952 war mehrfach von ihm die Rede. So berichten die „Löhner Nachrichten“ von 1. Februar 1952: „Seit einigen Tagen entwickelt sich an der Depenbrocker Mühle lebhafter Betrieb. Maschinen und Bohrgeräte sind angefahren, und dem Vernehmen nach gilt dieser Aufwand dem „Gohfelder Brunnen“. Er soll zu neuem Leben erwachen.

Der Brunnen hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Er gehört zu den zahlreichen Mineralbrunnen der „Pyrmonter Achse“, die im heimischen Bezirk zutagetreten. Bei dieser Achse handelt es sich um eine geologische Begriffsbestimmung, die Solevorkommen in den oberen Gesteinsschichten bezeichnet und von Pyrmont bis in den Raum Osnabrück reicht. Die Sole- und Thermalquellen Bad Oeynhausens fußen auf ihr, eine Reihe weitere Mineralquel-len im Ravensberger Lande ebenfalls. Nach der örtlichen Überlieferung ist der „Gohfelder Mühlbrunnen“ vor vielen Jahren erbohret worden .Sein Wasser trat bis dahin aus eigener Kraft ans Licht des Tages und versickerte nach dem Sudbach, dem Mühlenbach zu.“ – Die „Freie Presse“ schreibt am 2. Februar 1952 u.a.: „Bis in die zweite Hälfe des Jahres 1951 stand in einer Nische der hohen Steinmauer eine hohe eiserne Pumpe, die dann eines Tages aus unbekannten Gründen abmontiert wurde.“ – „Was ist das für ein Sprudel in Gohfeld?“ Die Alten meinen, daß man ihn schon vor rund hundert Jahren kannte. Der auf dem Grundstück des Müllers Gottlieb Müller entspringende Sprudel trat erst im Jahre 1900 auf. Man fand im „Taschenbuch des Königlichen Bades Oeynhausen“ eine ganzseitige Anzeige, die von dem „Oeynhauser Mühlbrunnen“ berichtete. Unmittelbar am Bahnhof Gohfeld war diese Quelle gelegen. Begutachtet hatte diese Quelle ein Prof. Dr. König aus Münster, dem folgende Analyse zu verdanken war: Für einen Liter Oeynhausener Mühlbrunnen ergaben sich folgende Bestandteile: „Natron 4,765, Kalk 0,135, Magnesium 0,015, Schwefelsäure 1,2856, Chlor 4,5816, freie und gebundene Kohlensäure 0,3489. Das Wasser wurde empfohlen bei Darmkatarrh, Appetitlosigkeit und bei Blasenkatarrh.“ Die Badeverwaltung Oeynhausen ließ erkennen, daß sie kein Interesse am Besitz des Brunnen hatte. Um so größer war das Interesse der Bevölkerung an der Heilquelle. Schließlich kamen täglich 300 bis 400 Flaschen zum Versand. Die Eisenbahn mußte bei ihrer Verbreiterung im Jahre 1914 eine hohe Mauer ziehen, um den Brunnen zu erhalten. Der Brunnen ließ aber nun mit der Zeit nach und soll jetzt wieder zur Nachbohrung zu größerer Ergiebigkeit angeregt werden. – Wie lange? – Nach dem nun der Besitzer gestorben ist, fließt nun auch der Gohfelder Mühlbrunnen nicht mehr, und die „Lüttke Mühln“ hat auch schon seit vielen Jahren sich zu dem Liedschluß bekannt: „Da ging das Rad nicht mehr“.

Der Mühlenteich ist längst verschwunden, und die Gebäude werden anderweitig genutzt.

Doch hören wir, was uns ein Zeitungsbericht (W.Z. Nr. 211 vom 11. September 1951) erzählt: „Die Mühle am Sudbach in Gohfeld. – Leibeigenschaft ist keine Sklaverei – Erbpachtvertrag von 1778.

Am Sudbach in Gohfeld geht noch heute eine Mühle, die wohl zu den ältesten gehört, die das Land kennt. Der Vater des jetzigen Besitzers starb während des ersten Weltkrieges und hat seinen Kindern mehr als einmal davon erzählt, daß diese Mühle schon an 300 Jahre im Besitz der Familie Müller oder, wie sie sich vor 200 Jahren schrieb, Moeller gewesen sei. Rein äußerlich hat die Mühle manche Veränderung erfahren, so wurde sie 1874 umgebaut, außerdem erhielt sie um 1930 einen Anbau, und zuletzt hat der jetzige Besitzer nach dem zweiten Weltkrieg das alte Mühlenrad entfernen und die Mühle auf Turbinenkraft umstellen lassen. Tritt man aber ins Innere der Mühle, so scheint uns altes Gebälk von längst vergangenen Zeiten erzählen zu wollen.

Für das Ravensberger Land wird die Mühle der Gohfelder Müller besonders interessant, weil in ihr die Urkunde aufgehoben wird, die genau davon berichtet, wie einst im Jahre 1778 der Vertrag zwischen den Gutsherren und den sich in Eigenbehörigkeit begebenden Johann Heinrich Möller aufgesetzt wurde. Es hat sich für das Wissen der ravensbergischen Geschichte um sehr späte Eigengebung gehandelt, die in den vielen Paragraphen beweist, daß es sich nicht, wie oft behautet wird, bei der Eigengebung in Westfalen, um eine mindere oder stärkere Abart der Sklaverei handelt, sondern das sie im Westfälischen tragbar, milde und gemäßigt war und mehr einer Vertragsschließung auf Gegenseitigkeit entsprach.

Gutsherr war um diese Zeit der Freiherr Hilmar v. Grapendorf. Bei ihm wurde der eingesetzte Pächter der Wassermühle in Gohfeld vorstellig und schlug im vor, ihm, Johann Heinrich Möller, die Mühle in Erbpacht zu geben. Der Gutherr ließ sich von den Gründen, die eine bessere Rentabilität nachwiesen, überzeugen und schloß einen Vertrag, demzufolge sich der Müller mit Frau und Kind in sein Leibeigentum begab. Folglich hatten die Müller für künftig und für alle Zeiten mit Frau, Kindern und Kindeskindern und der gesamten Nachkommenschaft als Eigenbehörige des Freiherrn zu gelten.

Als Gegenleistung erhielt der Müller erblich und zur immerwährenden Nutzung außer Mühle und Mühlenteich den Anger oberhalb derselben und außerdem noch weitere sechs Morgen Land, so daß der neue Erbpächter sich nicht nur als Müller, sondern auch als neuer Colon bezeichnen konnte. Dafür übernahm er es, für die Instandhaltung der Mühle und des Mühlenteiches zu sorgen und des weiteren für den Bau einer neuen Scheune, in der das Getreide gelagert werden konnte, dergestalt zu sorgen, das in dem neuen Gebäude gegebenenfalls jemand wohnen konnte. Selbstverständlich mußte der Müller sich auch verpflichten, den Wasserzufluß zur Mühle in Ordnung zu halten, ebenso wie den Abfluß nach der Werre hin.

Für die Nutzung von Mühle und Land mußte der neue Erbpächter dem Gutsherrn jährlich 20 Reichstaler in Gold zahlen und 52 Handdienste leisten. Zu Martini mußte er jährlich ein Schwein liefern. Dafür sollte dem Müller das Recht auf eine Mahlzeit bei Ablieferung des Deputates zustehen. Genau festgelegt wurden in dem Vertrag die Verpflichtungen, die dem Müller beim Mahlen erwuchsen. Außerdem wurde er ganz besonders davor gewarnt, heimlich Mehl, Graupen oder Grütze zu entwenden! Der damaligen Sitte entsprechend wurde für die  Übertragung  der Mühle und der Grundstücke ein Weinkauf festgelegt, ein Wort das sich nach unseren heutigen Begriffen am besten mit Einstand übersetzen läßt. Bemerkenswert waren seiner Zeit die Hinweise, daß der Müller auf einen Teil derer nicht rechnen könne, die eigentlich bei ihm hätten mahlen lassen müssen; aber die damalige Zeit kannte genaue Unterschiede, die vor allen Dingen schärfstens darauf achteten, wer laut königlicher Verfügung in königlichen Mühlen mahlen lassen mußte.

Der Vertrag enthält noch Paragraphen über Sterbefälle usw. und vor allen Dingen einen, der zu vielen Mißverständnissen Anlaß gegeben hat. Ein Wort ist in diesem Absatz oft vollkommen mißverstanden  und falsch ausgelegt worden, und ist doch nur der Ausdruck für etwas, was nicht den geringsten Makel auf die Vertragsschließenden wirft. Der Gutsherr behielt sich nämlich das Recht des „Bettmundes“ vor. Darunter ist nichts anderes zu verstehen als eine Geldbuße, die der Vater eines unehelichen Kindes dem Gutsherrn der evtl. Mutter zu entrichten hatte. Am Schluß des Vertrages geloben nicht nur die neuen Eigenbehörigen, sich ihrer Herrschaft gegenüber stets treu zu verhalten, sondern auch der Gutsherr verspricht, seinen Erbpächter und dessen Familie zu schützen und ihnen nichts Ungebührliche auf zubürden.

So bewahrt die Familie Müller in der Gohfelder Mühle am Sudbach eine der interessantesten Urkunden, die das Land an der Werre aufzuweisen hat, den Erbvertrag vom 7. Oktober 1778.“  Soweit der Bericht der W.Z. aus dem Jahre 1951

Aber nun nun müssen wir uns doch dem Mittelbach zuwenden. Dieser Bach hatte früher, bevor er ins das Gebiet der jetzigen Stadt Löhne, früher Gemeinde Gohfeld, eintrat, schon eine Mühlenarbeit zu leisten. Hart an der Grenze zwischen der alten Grafschaft Ravensberg und dem früheren Bistum Minden, die Nachbildung eines alten Grenzsteines deutet diese Grenze noch an, liegt die Taakenmühle, zu Exter-Solterwisch, jetzt Stadt Vlotho gehörig. Sie ist über Jahrhunderte hinaus nachzuweisen, doch soll ihre Geschichte hier nicht näher erörtert werden, obwohl sie gewiß auch Kunden aus dem heimischen Bereich betreut hat. Sie soll schon im Jahre 1588 begründet sein, aber seit Jahrzehnten ist es auch hier vorbei mit dem klappernden Mühlenrad.

Die Rürupsmühle

Zu den ältesten Mühlen im heimischen Bereich müssen wir auch die Rürupsmühle (2010 wird sie vom Verein ”Vom Korn zum Brot” gegr. 1980 betreut) im Mittelbachtal rechnen. Wenn die Eintragungen aus dem Dreißigjährigen Krieg auch nicht mit Sicherheit die Rürupsmühle meinen, so besteht doch die große Wahrscheinlichkeit, daß sich folgende Beurkundungen im Gohfelder Kirchenbuch auf die Rürupsmühle beziehen: „Am 14. Majus 1636 heiratet Johan Vieselmeyer Magdalehne Borgstede im Sieke Vor d. Borg.“

Bei der Eintragung im Heiratsregister vom 24. Oktober 1641 deutet der Name der Braut Anke Rürup auch darauf hin, daß der Bräutigam „Cord Wegener der Möller“, der Müller in der Rürupsmühle gewesen sei. Es ist allerdings auch möglich, daß er in der Gohfelder Mühle sein Handwerk ausübte. Sichere hinweise haben wir aber aus den ersten Jahrzehnten nach dem Westfälischen Frieden: Am 4. November 1652 heiratete „Johan fahrson Anne Marie Meyersin rürups Sike.“ Am 20. Julius 1656 wird eine Taufe beurkundet und „Otto VahsonUfm B.Hagen, jetzt in der Mühle im Sieke“, als Vater des Täuflings genannt. Unterstrichen wird diese Tatsache durch eine Taufe im Januaris 1670. Hier werden „Johan Vahrson in derrürupsmühle und Anna Magr. Meyers“ als Eltern angeführt. 1689 heiratet „amTage Andreä, den 30. Nov. Tönns Henrich Vahrson/Rürup Ann Ilsabe Taken“. – Aber es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, die Ahnentafel oder den Stammbaum der Rürupsmüller bis in die Gegenwart hinein aufzustellen, da das den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Wir haben hier lediglich feststellen wollen, daß die Geschichte der Rürupsmühle immerhin bis in die Zeit des großen Krieges zurückreicht und daß die einheiratenden Müller immer wieder ihren Familiennamen zugunsten des Handwerks und der Mühle aufgeben mußten. Auch die letzten Rürupsmüllers haben zwar amtlich ihren Namen Büschenfeld durchsetzen können, doch heißen sie im Volksmund die „Rürupsmöllers“, auch wenn die Mühle dort im Sieke längst das Klappern aufgegeben hat. Die mit der Mühle verbundene Landwirtschaft wurde zum Haupterwerbszweig.

Der Mittelbach, der vom Mühlenteich aus die Mühle durchfloß, hat inzwischen ein anderes Bett erhalten, und der Mühlenteich ist ebenfalls ganz verschwunden. Selbst aus seiner verwunschenen Verstecktheit holten moderne Bagger die alte Mühle und den Mühlenhof, da man den Boden vor der Mühle für die Ziegelei Friedrichsmeyer ausbaggerte. – Und kein Mühlenrad rauscht mehr im Tale. Oder wird die abbruchreife Mühle doch noch wiederals technisches Denkmal restauriert? Am Mittelbach hat es gewiß noch eine ganze Reihe von Mühlen gegeben. Ich denke da an Held. Es gab früher eine „Niesten Held“ und einen „Östen Held“. Während der „unterste Held“, Melbergen Nr. 5, seinen „heldischen“ Namen über vier Jahrhunderte hinweg behalten hat, nennt sich der Besitzer des „obersten“ Heldschen Hofes, seit einigen Generationen „Strunk“ (Depenbrock 14). Der „Oberste Held“ hatte oberhalb seines Hofes am Mittelbach eine Mühle, die in alten Akten erwähnt wird. Aber die jetzige Generation weiß nichts mehr von ihrer Tätigkeit oder ihrer Zurruhesetzung. – 

Etwa 1000 Meter bachabwärts  liegt die Mühle Kemena (früher Wickenkamp, Melbergen Nr. 18) an der Koblenzer Straße. Auch hier liegt der einstige Mühlenteich ausgetrocknet und verwachsen und ist „arbeitslos“. Das Mühlengebäude selbst dient wohl heute mehr dem Futter- und Düngemittelhandel als dem ursprünglichen Zwecke. Die Geschichte der Mühle liegt im Dunkeln. Urkundlich erwähnt wird der Brinksitzer Johan Wikkenkamp, Melbergen Nr. 18, erstmalig im Jahre 1680. Seit wann auf der Besitzung eine Wassermühle betrieben wird, ließ sich nicht ermitteln.

Die Melberger Mühle

Am Zusammenfluß von Mittelbach und Osterbach, unweit der Einmündung in die Werre, liegt „Hahnen Mühle“, ein heute weithin bekanntes Unternehmen. Seit dem Jahre 1848, also seit mehr als 130 Jahren, ist uns die vielseitige Geschichte dieser Mühle („Hundert Jahre Hahnen K.G. Mühlenwerke“ von Wilhelm Eilbracht) bekannt. Aber wo liegen die Anfänge dieser Mühle? – Dürfen wir annehmen, daß sich die beiden Eintragungen im alten Gohfelder Kirchenbuch auf diese Mühle beziehen? „Am 18 November 1686 wurde Johan Herman Meyer, itzo Müller in Mehlbergen“ mit „Anna Cathr. Steinigers, Witwe Möllers“, getraut. Aber diese Ehe war nicht von langer Dauer. Gut ein Jahr später, „am 13. December 1687 wurde getauft Johan Henrich, Pater: Johan Herman Möller, welcher eodie (daselbst) in der mühle das Kamrad gefaßet und Elendig getödtet, Mater: Anna Catrina Steinigers“.

Am 28. September 1848 kaufte der Müller Carl Dietrich Hahne, der bisher die „Koturmühle“ auf Neusalzwerk bei Rehme gepachtet hatte, die Mühle des verstorbenen Müllers Vogt, genannt Fischer, im Wege der Versteigerung für 1.965 Taler. Nach gründlicher Überholung nahm Dietrich Hahne ein Jahr später den Betrieb auf. Es standen der Mühle drei Wasserräder, zwei oberschlächtige und ein unterschlächtiges, zur Verfügung, mit dem ein Mahl-, ein Schrot- und ein Graupengang betrieben wurde. Auf Anregung seiner Kunden, die durchweg Bauern aus dem Bereich der Kirchengemeinde Gohfeld waren, legte er auch noch eine Bokemühle (Bukemühln) an. Etwa 20 Jahre lang spielte sich der Betrieb in der ursprünglichen Form ab. Mit der ständig steigenden Einwohnerzahl stieg auch der Bedarf an Bauholz in der Gemeinde. Aber auch das aufstrebende Bad Oeynhausen meldete seinen Bedarf an. Durch das Anlegen neuer Straßen und durch die Verbesserung der vorhandenen Straßen und Wege wurden Verkehr, Handel und Wandel in der Region belebt. Und so gliederte Dietrich Hahne seinem eben erst durch eine Bokemühle erweiterten Betrieb im Jahre 1868 noch ein Sägegatter an.

Die neue Erweiterung machte die Aufstellung einer Dampfmaschine notwendig, die erste, die im heimischen Bereich aufgestellt wurde. – Mit ihr setzte er das Sägewerk und die Mahlgänge zugleich in Gang. Aber eine weitere Umstellung und Erweiterung machte sich notwendig. Die alten Wasserräder wurden durch eine Turbine ersetzt. Auch die Inneneinrichtung wurde maschinell erweitert und verbessert, so daß der Betrieb allen Anforderungen der Herstellung von Schrot, Mehl und Graupen gewachsen war.

Im Jahre1887 übernahm der jüngste Sohn des Begründers, Carl Hahne, den Betrieb. Unter seiner Leitung nahm die Versorgung der heimischen Bäcker mit Weizen- und Roggenmehl einen beträchtlichen Umfang an. Darüber hinaus entwickelte sich ein ausgedehnter Verkehr mit der Landwirtschaft durch den Umtausch der heimischen Produkte gegen hochwertiges Saatgut.

In den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende wurde der Herstellung von Grütze und Graupen erneut große Aufmerksamkeit geschenkt. Im Jahre 1912/13 entstand ein mehrstöckiges Gebäude mit entsprechend maschineller Einrichtung für die Herstellung von Haferflocken. Damit wurde ein großzügiges Bauprogramm eingeleitet, das sich über mehrere Jahrzehnte hinwegzog.

Wir wollen hier nicht weiter auf die Einzelheiten der Entwicklung der Mühle bis zur „Hafernährmittelfabrik“ eingehen, wollen aber noch vermerken, daß im Jahre 1923 das „Rosenthal“-Grundstück angekauft wurde, auf das das Sägegatter verlegt wurde. Am Ostflügel des Betriebsgebäudes wurde dann 1928 ein Silobau errichtet, um so der Erweiterung der Flockenproduktion Rechnung zu tragen.

Anmerkung:

Am 25. April 1980 verstarb plötzlich Herr Fritz Müller aus Düsseldorf, nach dem er noch wenige Tage vorher an der Jahreshauptversammlung des Heimatvereins Löhne teilgenommen und sich an Ort und Stelle um heimatgeschichtliche und familiengeschichtliche Fragen bemüht hatte. Leider kamen durch den plötzlichen Tod seine entsprechenden Arbeiten, er bemühte sich besonders um die Geschichte der Familie Müller-Möller in Melbergen und um den Melberger Zehnt, nicht zum Abschluß. – Am 29. Januar schrieb er an den Vorsitzenden u.a.:

„Mit meiner Familienforschung bin ich jetzt soweit, daß ich jetzt die Chronik der Möller zu Melbergen und ihrer Mühle schreiben kann (1600-1855). Mir fehlen nur noch Unterlagen für die Zeit um 1600.

Ein Tönnies Möller zahlt 1608/9 14 gr. Wischgeld und ein Heinrich Möller in der gleichen Zeit 12 Gr. In den Akten des STA Münster, KDK Minden (1568/69) erschein bei der Bauerschaft Melbergen der Name Möller noch nicht. Die Hofstelle Melbergen Nr. 37 (Möller) muß demnach zwischen 1572 und 1608 errichtet worden sein. Wann die Mühle gebaut wurde, ist ebenfalls unbekannt. Sie wird erstmals im Kataster von 1682 erwähnt. Nach diesem Kataster zu urteilen scheint die Mühle jedoch nicht im Obereigentum des Landesherrn gestanden zu haben. In der genannten Urkunde heißt es: „Tonius jezo Johan Henrich Möller, ein churf. leibfreier Brinksitzer, 31 Jahre alt und hat pp.“ Am Rande steht vermerkt: „Dieser hat eine Mühle, Giebet dem Dohmkapithul.“ – Danach zu urteilen hat das Domkapitel zu Minden irgendwelche Rechte. – Die Hofstelle Melbergen Nr. 37 (Möller) lag eingeklemmt zwischen den heutigen Hofstellen Melbergen Nr. 1 (Kemena), Nr. 3 (Schnathorst-Schnatsmeier) und Nr. 12 (Eikenjäger-Eckernjeger). Wahrscheinlich ist die Hofstelle Möller durch Abtrennung von Grundstücken eines dieser Höfe errichtet worden, um einem nichtan-erbenberechtigtem Sohn eine Existenzmöglichkeit zu verschaffen. – Dem Vernehmen nach soll der erste Müller dieses Namens von dem Hofe Melbergen Nr.3 (Schnathorst-Schnatsmeier) abstammen.“

Die Windmühlen in Bischofshagen und Wittel

Nach den Wassermühlen sollen nun auch die beiden Windmühlen der ehemaligen Gemeinde Gohfeld zu ihrem Recht kommen, die Windmühle auf dem Hagen und die Windmühle auf der Witteler „Hoächte“.

Windmühle in Bischofshagen – 1932

Ich habe eingangs schon darauf hingewiesen, daß die erste Windmühle im heimischen Bereich, „die gleichfalls neuerbaute Windmühle zu Bischofshagen“ im Jahre1779 urkundlich erwähnt wird. Sonst ist über die Geschichte dieser Mühle, die sich seit drei Generationen im Besitz der Familie Weber befindet, nichts bekannt. Der massive Mühlenstumpf  leuchtet weit-sichtbar von der Höhe des „Hagen“ am alten Postweg in das Hügelland zwischen Wiehen und Osning hinein. In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg fielen die Flügel der Rationalisierung zum Opfer, und der elektrische Strom besorgte den Antrieb. Ob Bemühungen um den Erhalt des Mühlenrumpfes zum Erfolg führen, oder ob gar die Mühle voll restauriert werden kann, läßt sich zur Zeit nicht absehen. Schön wäre es! Das angefügte Photo, das vom Verfasser in den dreißiger Jahren gemacht wurde, zeigt die Bischofshagener Windmühle in ihrer einstigen Schönheit.

Völlig verschwunden ist seit etlichen Jahren die Windmühle auf der Wittler Höhe (Uppa Hoächte“), nachdem auch hier der der Holzrumpf viele Jahre hindurch vergeblich auf einen Retter gewartet hat. Diese Mühle ist wesentlich jünger als die Häger Windmühle, doch ist uns aus ihrer Geschichte mehr bekannt als aus der ihrer Konkurrentin. Doch lassen wir an Hand eines Aufsatzes von Mr. (Meister) in den „Westfälischen Neuesten Nachrichten“ Nr. 247 vom 21. Oktober 1937 den Windmüller Heinrich Weihe selbst über die Geschichte der Mühle berichten:

„Wenn wir die Reichsverkehrsstraße 61 in Richtung von Herford nach Bad Oeynhausen entlangfahren, taucht auf der rechten Seite aus dem Hügelland hoch oben auf dem Wittel eine stattliche Windmühle auf. Weitausholend drehen sich ihre windfangenden Flügel, ein Knarren geht durch das feste Gebälk, und auf ihrer höchsten Spitze spielt munter eine Windrose ihr unermüdliches Spiel.

Windmühlen hat es vor wenigen Jahrzehnten noch eine ganze Menge in Minden-Ravensberg gegeben. Langsam aber drang auch hier die Technik mit ihren Neuerungen vor, Maschinenkraft, billig gestaltet, verdrängte durch Mehrleistung die Kraft des Windes, und so manche Ruine ragt nur noch mit ihrem Kegelbau in die Luft; die Flügel fehlen.

Dabei haben diese Windmühlen fast alle eine interessante Vergangenheit. Schon damals, als sie dem Druck der Technik noch nicht ausgesetzt waren, galten sie vielen Dichtern als willkommener Gegenstand lyrischen Schaffens. Auch das Volkslied hat sich ihrer mit Liebe angenommen. Sei es, daß die Lage der Mühlen auf höchsten Bergspitzen den Besucher mit einer herrlichen Aussicht in das Land überraschte, oder der in dieser Höhe unermüdlich brausende Wind eine geheimnisvolle Melodie sang, jedenfalls waren unsere Windmühlen immer ein besonderer Anziehungspunkt für manchen Besucher, der sich an ihnen freute.

Die Windmühle auf dem Wittel hat nicht immer auf diesem Fleck gestanden. Sie gehörte zu acht Bremer Stadtmühlen, die die Hansestadt mit Mehl zu versorgen hatten. Das war Mitte des vorigen Jahrhunderts. Sechs dieser Mühlen wurden im Laufe der Zeit stillgelegt und auf Abbruch verkauft, und nur die beiden jetzt noch vorhandenen fanden das Interesse einiger Bremer Kaufleute, die sie erwarben. Von diesen beiden ist aber inzwischen die eine ebenfalls außer Betrieb gesetzt und dient zu Museumszwecken, während die Windmühle auf dem Wittel als letzte heute noch ihre Arbeit verrichtet.

Sie dreht sich unermüdlich.

Weihes Mühle kam zunächst etwa um 1850 nach Evesen bei Bückeburg und dann 1888 auf den Wittel. Ein Einwohner aus Schwarzenmoor, namens Ohfing, baute sie unter Verwendung von 15.000 Mark auf, konnte die Mühle aber nicht lange halten und verkaufte sie an den jetzigen Besitzer Heinrich Weihe für 20.000 Mark. Heinrich Weihe ist seit 1896 Besitzer der Mühle. – Von Anfang an hatte die Mühle einen schweren Stand durch die große Konkurenz der Zahlreichen Wassermühlen, wie die Rürupsmühle (jetzt Büschenfeld), die Viesemühle „in der Schlage“ und die Krutmühle, die kurz vor dem Krieg ihren Betrieb einstellte. Als Nachbarmühlen bestanden damals ebenfalls schon die Oeynhausener (?) Mühlen von Koch und Hahne, die Wassermühle Müller in Gohfeld und die Bischofshäger Windmühle.

Dessen ungeachtet verstand es Heinrich Weihe, langsam festen Fuß zu fassen, und bald war die Müllerei auf dem Wittel im vollen Gange. Die Arbeit wurde zu dritt verrichtet. Der Müller, ein Müllergeselle und ein Müllerknecht brachten es in den Monaten von September bis Januar fertig, monatlich rund 50 Tonnen Gerste, 30 bis 40 Tonnen Mais und 25 bis 30 Tonnen Kleie und Bollmehl von der Rehmer Insel abzufahren, wohin sie durch große Weserböcke gebracht wurden. In harten Wintern, wenn die Weser Treibeis führte, legten die vollbeladenen Schiffe in dem geschützten Hafen von Minden an, von wo aus der Weitertransport besonders schwierig und mühselig war. Der alte Müller weiß sogar noch zu berichten, daß er eines Tages, als ihm die Ankunft der Ware zu lange dauerte, sich selbst auf den Trab gemacht habe, um in Minden an Ort und Stellen nach dem Rechten zu sehen. Dort sah er dann das fast Unmögliche, Zwei-Zentner-Säcke Mais mußten über drei Böcke, die nebeneinander lagen, hinweggetragen und dann ans Land gebracht werden, was sehr schwierig war, da die Böschung ziemlich hoch ist. Er erzählte auch noch, daß die Schiffer das Eis gestampft hätten, damit die Böcke nicht einfroren.

Im Kriege trat durch die Zwangswirtschaft und nach dem Krieg durch die Inflation eine grundlegende Änderung der Geschäftslage ein, die hier nicht weiter erörtert werden soll, da sie unseren Lesern zu größten Teil selbst in Erinnerung sein dürfte.

Aus der Chronik der Mühle sei aber noch folgendes erwähnt. In folge eines Wirbelschneesturmes im Jahre 1905 wurde die Windrose heruntergerissen, deren Neuanschaffung damals nicht weniger als 1.000 Mark kostete. Im Jahre 1907 traf die Mühle wiederum ein hartes Geschick. Durch einen plötzlich aufkommenden Wintersturm wurde das Dach der Mühle abgedeckt und gegen den Flügel gedrückt, was einen Flügelbruch zur Folge hatte. Auch der Schornstein und der Funkenfänger der Dampfdrescherei wurden dabei zerstört. Noch vor zwei Jahren also 1935, erlitten drei Mühlen unseres näheren Heimatbezirkes, die Babbenhausener und die Rolandsche Mühle auf der Lohe, die ja jetzt abgebrochen werden soll, und die Weihesche Mühle, schweren Schaden durch eine noch gut in Erinnerung stehenden Sturmnacht.

Aber auch ein Unglück, das ein blühendes Menschenleben kostete, knüpfte sich an die Geschichte der Wittler Windmühle. In einem unbewachten Augenblick hängte sich im Jahre 1912 ein erst zwölfjähriges Mädchen – die Mühle setzte gerade wegen Windstille eine Weile aus – an einen der Flügel und stürzte, nachdem es acht Meter hoch getragen wurde, ab. In sieben Stunden war das Kind seinen Verletzungen erlegen.

In der Zeit vor dem Kriege führte die Mühle den bezeichnenden Namen „Manövermühle“, wovon wohl noch mancher Einwohner aus Ort und Umgebung genug Interessantes zu berichten weiß. – Soweit aus der Geschichte der Witteler Windmühle.

Heinrich Weihe ist mit seiner Mühle alt geworden, und nur ein leichter Kummer drückt ihn, das nämlich keiner seiner Söhne das Müllerhandwerk erlernt hat. Vielleicht ist damit das Schicksal der Mühle, die ihre anderen Schwestern als einzige bis heute überleben konnte, besiegelt, aber wir wollen doch hoffen, daß sie und ihr Besitzer in kurzer Zeit das halbjahrhundertjährige Bestehen feiern können.